Das Thema ist zu schade, um unreflektiert in die hinteren Reihen zu verschwinden.
Die bildhafte Präsentation der Urlaubsergebnisse ist meines Dafürhaltens nämlich ein wichtiges und kontrovers diskutierbares Reisethema, viel relevanter als die zahlreichen überflüssigen P.p.-Themen, die sich des allgemeinen Wohlgefallens erfreuen.
Zur Sache:
Leider fiel mir bislang nur ein Thema auf, in dem zur Ethik der fotografischen Abbildung explizit Stellung genommen wurde (außerhalb des eigentlichen Themas).
Was oder wen präsentiere ich lichtbildnerisch zum Nachweis meiner Reisebemühungen?
In der kuriosen öffentlichen Diskussion war neulich das Sommerthema 'Darf ich den Eiffelturm mit mir fotografieren zum Beweis?' .
Ich glaube nicht, daß es eine ethische Relevanz hat, POIs zum Beweis einer Tour selbst zu fotografieren, am besten mit dem Teilnehmer im Vordergrund.
Reine Beweisfotos von POIs sind für alle außerhalb des Bekanntenkreises völlig uninteressant und daneben ethisch neutral, solange es sich nicht um weltanschaulich oder politisch gewollte POIs handelt.
Darf man aus ethischer Sicht ein Selfie vor einem politisch oder weltanschaulich sehr relevanten POI veröffentlichen ? Z.B. Gräber oder Geburtsstätten öffentlich verfemter Menschen. Oder Orte, an denen bekannte Attentate mit politischem Hintergrund geschahen? Oder solche, an denen wichtige religöse Schriften verfasst oder Handlungen durchgeführt wurden?
Meiner Meinung nach ja, Petersplatz könnt ihr machen
, es gehört zur Meinungsfreiheit. Die weltanschauliche Aussage ergibt sich aus dem Kontext, insbesondere auch aus dem übrigen Bilderbogen.
Der Veröffentlicher hat aber damit zu rechnen, daß er üblen Ärger mit der jeweiligen Religionspolizei des weltanschaulichen Gegners bekommen wird. Das veröffentlichte Bild kann völlig aus dem Kontext gerissen und der Urlaubspräsentierer damit übelst traktiert werden.
Dessen sollte man sich bewußt sein, wenn man weltanschaulich oder politisch relevante Motive als Beweisfoto mit persönlichem Auftritt veröffentlicht.
Viele Bildautoren sind nicht selbstbewußt genug, eine solche Resonanz zu ertragen. Sie sind daher von vornherein vorsichtig und unterlassen die Publikation stark weltanschaulich aufgeladenen Materials.
Die meisten Teilnehmer sind aber weltanschaulich gar nicht so ausgeprägt, daß sie Motive solcher Art suchen oder auch nur wahrnehmen. Die interessieren sich für das Essen in der Wirtschaft, die Bäume im Park und die Schiffe im Meer.
Ich hab das nur als 'Extension' der gerade vergangenen Boulevard-Diskussion über die Kostenpflichtigkeit von Urlaubsbeweisfotos angehängt (die meisten Urlauber wären bereit, für das Erscheinen eines Motivs auf ihrem Beweisfoto zu zahlen, wenn es unmerklich, etwa per Funk/digital ähnlich LKW-Maut abgerechnet würde).
Sehr relevant gerade hier bei den Fernradelnden sind allerdings die Köppe, die zum Nachweis des Urlaubserfolgs bzw. der Assimilation im jeweiligen Landesmilieu abgeschossen werden.
Es ist schön, alle Menschen der Welt als Freunde zu haben, außer die Bösen. 1000 Follower.
Hundeäugige Kinderköpfe, die trotz ihres erkennbar schweren Schicksals fröhlich greinen, ältere Senioren mit möglichst hoher Faltenanzahl von der landwirtschaftlichen Tätigkeit. Beide halten auch gut still. Unüberblickbare Großfamilien mit 14 Kindern und Gesinde (wie meine Großeltern).
Ist es legitim, Fotos von diesen Leuten zu veröffentlichen?
Warum zeige ich nicht 3-Personen-Haushaltsangehörige mit Berufen im tertiären Sektor?
Ich selbst benötige dafür keine Anleitungen für Entwicklungshilfeorganisationen. Ich mach ja keine Entwicklungshilfe sondern eine bescheidene Radtour.
Zunächst sollte das im fernen Ausland nicht immer gültige Persönlichkeitsrecht gelten.
Verstehen die, daß sie auf der ganzen Welt zu sehen sein werden? Wollen sie es?
Mir geht es aber bei meiner eigenen Präsentation vor allem auch darum, Menschen als imaginäre Persönlichkeit nicht als Beweis meiner Urlaubsleistung heranzuziehen.
Ich halte für mich selbst das Ausstellen touristischer Schrumpfköpfe für zutiefst fragwürdig.
Fragwürdig vor allem, wenn der Reiseteilnehmer zwar eifrig Köpfe sammelt auf Vollformat, aber der wichtigste und interessanteste Schrumpfkopf fehlt: er selbst. Aus Datenschutzgründen.
Das ist dann der GAU für die Benutzer der Urlaubspräsentation. Die wollen nämlich vor allem sehen: Wer hat denn diesen Urlaub gemacht?
Chinesen und Indios haben die schon genug gesehen.
Nun ist es natürlich so, daß eine Welt ohne Besiedlung von Menschen etwas öde ist. Wo viele Leute herumlaufen, muß man doch auch den Menschen mit aufs Bild kriegen können.
Klar, damit bin ich jederzeit einverstanden, nämlich als zünftig aufgemachte Statisten für Gesamtansichten aller Art. Stadt, Land , Fluß. So finde ich die Abbildung und Veröffentlichung von Mensch und Tier, auch in Tracht, völlig in Ordnung. Es sei denn, es kommt jemand angerannt und will nicht aufs Bild oder es herrscht wegen irgendwelcher Prozeduren Foto-Verbot.
Bei Umzügen und insbesondere Paraden gehe ich aber nicht so weit ran, daß die Persönlichkeit einzelner Teilnehmer zu stark herauskommt. Also nicht 3 Soldaten sondern 13 (üblicherweise herrscht bei nichttouristischen Paraden ohnehin Fotografierverbot).
Das Zurücktreten einzelner zufällig anwesender Personen in ein Gesamtmotiv wertet die deutsche Rechtssprechung als 'Beiwerk'. Daher wäre ein solches Motiv auch nicht zustimmungspflichtig zur Veröffentlichung durch die Abgebildeten.
Die deutsche Rechtsauffassung ist international völlig irrelevant, aber ich finde sie in diesem einen Fall sehr gelungen und schaue immer, daß meine zu veröffentlichenden Personen Beiwerk zu irgendwas sind. Die können natürlich gerne Platz-Ballett veranstalten oder wild rumturnen, da freue ich mich. Kinder und junge Menschen als Beiwerk auf Distanz sind oft sehr niedlich und verschönern das Hauptmotiv.
Dabei sagen die unfreiwilligen Statisten auch etwas über das Urlaubsgebiet aus.
Das finde ich ethisch vertretbar.
Manchmal trifft man in fernen Ländern Menschen, die noch nie etwas von Bildrechten gehört haben und unbedingt fotografiert werden wollen. Manchmal auch für Kohle.
In solchen Fällen habe ich bei einem gelungenen Foto ebenfalls keine Bedenken, zu publizieren, allerdings nur, wenn die Abgebildeten nicht bloßgestellt werden. Ein Permission oder Modelvertrag mach ich da nicht. Ich unterstelle einfach, wenn der/die Betreffende sich schon so in mein Bild gedrängt und angeboten hat, findet der auch eine Publikation in bescheidenem Rahmen in Ordnung (also kleine besucherarme Heimseite zum Thema Urlaub, nicht Bild oder GEO oder nacktradeln.de).
Darf man Motive mit erotischem Touch als Bildzutat (Statisten) veröffentlichen? Z.B. das Weib in seiner Vielgestaltigkeit oder in der freien Öffentlichkeit Badende / Lichtbadende?
Meines Erachtens ethisch vertretbar, wenn mit etwas Fingerspitzengefühl vorgegangen wird. Das erotische Detail im Alltag gehört zur Reise. Es wird gesucht und gefunden. Nicht von allen freilich. Viele Touristen tun prüde.
Unsere Sittenwächter zücken den Grünstift
Also, das Abschießen von Eingeborenen als Nachweis finde ich nicht ok, aber kann das bei anderen auch nur ein wenig mißbilligen, verbieten geht nicht und will ich auch gar nicht.
Personen als Bildzutat, gleich in welcher Tracht, finde ich vertretbar, wenn es ein Hauptmotiv gibt. Je nach Situation kann dabei durchaus auch die Persönlichkeit eines der Abgebildeten hervortreten, etwa im Straßenverkehr (meine Vorgehensweise).
Der Reiseteilnehmer selbst sollte meiner Meinung nach ebenfalls das Recht besitzen, sich selbst lichtbildnerisch in Bezug zu seinem Urlaub zu setzen. Er (sie) ist derjenige, für den sich die Perzipienten seiner Präsentation am meisten interessieren.
Ich weiß das objektiv aus den langjährigen Auswertungen meiner diversen Webseiten.
Natürlich ist es nicht jedermanns Sache, zum eigenen Gesicht oder Rumpf zu stehen
Ich weiß das. Ich bewerte es aber durchaus nicht als ungelungen, wenn der Präsentierende ab und an selbst mal ins Bild tritt. Klicks gibt es auf jeden Fall.
Ist es ethisch vertretbar, kritische Blicke auf das Urlaubsziel zu veröffentlichen?
Im amerikanischen Sinn sicher nicht. Da muss alles immer das Beste sein oder nichts.
Allerdings ist ein nichtkritischer Blick auf das Reisegebiet für alle, die nicht im Bekanntenkreis des Reiseteilnehmers unterkommen, totlangweilig.
Also, dieses amerikanische 'Wie wunderschön' und die wolkenkratzerhohen Tellerdekorationen und Frühstückshandlungen sind fürn Facebook und morgen vergessen und wertlos. Nicht publikationswürdig.
Bilder mit einer komponierten, nicht unbedingt negativen, aber hinterfragenden Bildaussage (es ist nicht jedermann gegeben) sind immerhin im Sinne einer Veröffentlichungs
würdigkeit ethisch vertretbar.
Ja, likörsüße, stark übersättigte Gute-Laune-Bilder braucht jeder seelisch Gesunde und sie sind schön. Ethisch vertretbar und auch meine Lieblingsgattung.
Aber man darf gestalten. Wer es kann, würzt seine Lollipop-Icecreamsandwich-Fotis mit feinbitteren Aromen für die Bildgeniesser, die Nuancen schmecken.
1 Bild sagt mehr als 1000 Worte.