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#1114656 - 03/19/15 10:50 PM Centroamérica en bicicleta
joeyyy
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:23.1.2015 13.3.2015
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Donnerstag, 22.1.2015: Ärger mit der Freude und der Technik


Es ist Donnerstagabend, alles ist vorbereitet, die komplette Ausrüstung liegt bei mir auf dem Küchentisch. Ich kenne mich, normalerweise packe ich immer auf den letzten Drücker, und dann wird es stressig. Dieses Mal habe ich es mir anders vorgenommen.

Um sechs Uhr sind alle Ausrüstungsgegenstände in den Packtaschen verstaut, nichts liegt mehr auf dem Küchentisch, ich bin zufrieden und sehe einem ruhigen Abend mit endlich wachsender Vorfreude auf meine Reise entgegen.

Vorfreude? Na ja – Viel Arbeit in der Firma sowie eigene und vor allem fremde Bedenken haben doch an meiner Vorfreude gegraben. Jedesmal die gleichen Fragen: Was, Du willst durch die gefährlichsten Länder der Welt fahren? Hast Du keine Angst? Hast Du schon mal die Kriminalitätsstatistik gelesen? Willst Du nicht doch mit einer Gruppe reisen? Und so weiter. Ja, nein, ja, nein. Und so weiter.

Kaum jemand beneidet mich, kaum jemand freut sich mit mir. Ich bin ja schon froh, wenn ich gefragt werde: Wo liegt eigentlich Zentralamerika? Und wie der stete Tropfen den Stein höhlt, so höhlt die stete Skepsis die Vorfreude. Wenn ich gesagt hätte, hey, ich mache eine sechswöchige Kreuzfahrt in der Karibik, dann wäre das wohl anders gewesen. Dann wäre der Urlaubstraum des Deutschen angeregt und sein Neid das Futter für meine Vorfreude. Dabei wäre das sterbenslangweilig für mich und würde nach spätestens drei Wochen wahrscheinlich MICH zum unberechenbaren Kriminellen werden lassen.

Nee, ich bin stolzer Besitzer des Gens DRD4-7R, das den Weltumradler vom Gartenzaunanstreicher unterscheidet.

Bevor ich überlege, welche Sicherheitsvorkehrungen ich noch treffen muss, ist mir viel wichtiger, ob ich die 50-Millimeter-Reifen drauf lasse und damit mehr Gewicht, größere Pannensicherheit, aber auch mehr Komfort wähle oder ob ich die 40-Millimeter-Rennreifen nehme, die leichter sind und einen niedrigeren Laufwiderstand versprechen, dafür aber weniger komfortabel und pannenanfälliger sind. Ich entscheide mich für die dünneren – auch, weil dann mehr Platz zwischen Reifen und Schutzblechen ist und sich die Bleche somit nicht so schnell zusetzen, wenn ich mal in schlammiges Terrain geraten sollte.

Nach dem Reifenwechsel prüfe ich nochmal die Technik, ziehe an den Bremsen und merke, dass sich der Hebel für die Hinterradbremse bis zum Lenker durchziehen lässt. Die Bremsflüssigkeit an meinen Fingern lässt nichts Gutes erahnen.

Sh!t – am letzten Abend vor meiner Radreise ist die Hydraulik der Bremsanlage geplatzt. Und zwar am Bremshebel, dem HS66-Modell von Magura, das es schon lange nicht mehr zu kaufen gibt und somit auch nicht mehr mit Ersatzteilen versorgt wird. Dazu muss gesagt werden, dass ich mit einem Rennlenker und hydraulischen Felgenbremsen fahre. Für Rennräder gab es früher mal aufwändige Hydraulikbremsen von Magura, die sich aber nicht durchsetzten. Allerdings sind die Bremsgriffe dieser Systeme derzeit sehr gesucht, da viele Reiseradler die Ergonomie eines Rennlenkers schätzen, an diesen aber die handelsüblichen Bremsgriffe der normalen Reiseräder nicht passen. Also schrauben wir die Rennbremsgriffe an die Bremssysteme der Reiseräder und können so mit Rennlenkern fahren.

Das geht seit jetzt gerade bei mir nicht mehr. Ich muss morgen abend mit meinem Rad und Gepäck um fünf am Bahnsteig stehen. Und zwar mit funktionierender Hinterradbremse. Ich bin froh, dass Winter ist und mein Radhändler wohl momentan nicht allzuviel zu tun hat und hoffe darauf, dass die Werkstatt das dann schon hin bekommt.


Freitag, 23.1.2015: Von Hannover mit der Bahn eigentlich nach Bensheim, dann nach Weinheim, dann wieder nach Bensheim


Es ist zehn Uhr, ich fahre mit meinem defekten Rad zum Radhändler, habe bereits einen geraden Lenker, Griffe und einen Vorbau aus meinem Fundus im Rucksack, damit der von mir erwartete Umbau nicht allzu teuer wird.

In der Tat hat Kristine vom Räderwerk keine Ersatzteile der HS66-Griffe da und muss somit die komplette Lenk-/Bremseinheit umbauen.

Kristine hat jetzt den gleichen Adrenalinschub wie ich gestern abend, ist aber relativ schnell wieder ruhig und macht sich gleich an die Umbau-Arbeit.

Um zwei erhalte ich den erlösenden Anruf, dass das Rad umgebaut und reisefertig sei. Ich fahre mit der Straßenbahn zum Räderwerk und dann mit einem ungewohnten Fahrrad-Setup nach Hause.

Um fünf stehe ich wie geplant am Bahnsteig. Mit gepacktem Rad und endlich aufkommender Urlaubsstimmung.

Die Fahrt zu meiner Schwester nach Bensheim mit dem IC ist angenehm ruhig, ich entspanne mich, höre Musik und döse vor mich hin.

Nach Frankfurt kommt dann auch irgendwann kurz vor neun Uhr abends Bensheim, wo Schwester und Schwager bereits am Bahnhof stehen und auf mich warten. Der Zug hält, ich drücke den Knopf zum Öffnen der Tür, warte darauf, dass diese sich öffnet, was sie nicht tut. Ich drücke nochmal und nochmal und nochmal und das einzige was passiert, ist, dass der Zug anfährt. Andere Fahrgäste wollten auch aussteigen und rufen aufgeregt nach dem Schaffner. Dieser kommt und kann sich den Defekt nicht erklären. Ich könnte jetzt ja zu einer anderen Tür gehen, was aber mit dem vollgepackten Rad nicht möglich ist. Die nächsten Halte sind dann Weinheim und Heidelberg, ich rufe meine Schwester an, die mich schon gesehen hat und sich wunderte, warum ich nicht ausgestiegen bin. Wir verabreden uns für den Bahnhof Weinheim und hoffen, dass sich die Türen dann öffnen, was sie auch tun.

Bei meiner Schwester zuhause quatschen wir bei rheinhessischem Wein bis nachts gegen drei, wir haben uns schließlich lange nicht gesehen. Somit schläft sich’s auch gut. Was für ein Tag.


Samstag, 24.1.2015: Von Frankfurt in zwölf Stunden nach Cancun


Das Frühstück ist kurz und gut, die Fahrt zum Frankfurter Flughafen ohne besondere Vorkommnisse, die Verabschiedung von Schwester und Schwager herzlich mit bestem Dank und der Gang zum Schalter erstaunlich kurz.

Meinen mitgebrachten Radkarton stülpe ich über das Rad, verklebe ihn mit einer Rolle Packband, stecke die Gepäcktaschen, Zelt und Schlafsack in zwei Ikea-Tüten, die ich dann zu einem einzigen kostengünstigen Gepäckstück verzurre und gebe alles am Condor-Schalter auf. Ohne Probleme checke ich ein, quatsche noch mit einem sehr interessierten Schalter-Mitarbeiter, der bedauert, dass alle guten Plätze an den Notausgängen bereits vergeben seien, und gehe dann über Sicherheitsschleuse und Wartebereich ins Flugzeug, eine moderne Boeing 767.

Eigentlich wollte ich gleich nach der Ankunft in Mexico mit dem Bus nach Valladolid fahren, aber da mal wieder irgendwer im Flugbereich in Deutschland streikt, hatte der Flieger eine Stunde Verspätung und es ist schon dunkel jetzt.

Die Fahrt vom Flughafen zum Zentrum von Cancun führt über eine Hauptstraße, entlang der Strände und der großen Hotels. Ich fahre in kurzen Klamotten, rieche das Meer und stoße einen Freudenschrei aus. Endlich Urlaub, endlich Stimmung, sieben Wochen Radreise liegen vor mir.

Ich schlafe mit einem Argentinier und einem Franzosen, der in New York arbeitet, in einem Zimmer im Mundo Joven Hostel, das im Lonely-Planet-Reiseführer empfohlen wird. Der Franzose ist schon seit zwei Monaten auf Reisen und will noch nach Argentinien. Wir gehen auf die Dachterasse und trinken erstmal ein Bier, sprechen bestimmt noch über Fußball.

Nein, tun wir nicht, irgendwie sind die beiden nicht so sehr interessiert. Ich ja eigentlich auch nicht. Andere Themen sind wichtiger.

Das Essen im Flugzeug war grausig, ich habe Hunger und sehe von der Dachterasse aus einen Hamburger-Stand an der Straße gegenüber meines Hostels. Ich gehe runter und rüber, bestelle einen, der frisch gebraten wird – samt Zwiebeln und Brötchenhälften – und esse den leckersten Hamburger meines Lebens. Nicht weil ich Hunger habe sondern weil die Zutaten frisch sind, frisch auf einer großen Eisenplatte gebraten werden und das Hackfleisch nicht aus der Tiefkühltruhe kommt sondern am Mittag von der Verkäuferin mit Kräutern, Salz und Pfeffer gewürzt wurde und dann lediglich in der Kühlbox gelagert wurde.

Kulinarisch fängt das ja wirklich wunderbar an. Ich freue mich, was ich der Frau vom Stand auch sage. Die freut sich, dass ich mich freue.

Die anderen Mexikaner, die ich so umher stehen sehe, stopfen sich das Essen eher in den Mund als dass sie wirklich essen. Lennart mailt mir von zuhause aus, dass die Mexikaner statistisch gesehen die fettesten Menschen der Erde seien. Zwei von drei Menschen hätten Übergewicht und jeder dritte sei fettleibig. Ich zähle kurz durch und komme auf noch drastischere Werte. Das liegt aber wohl an meinem Standort vor einem Fast-Food-Stand in einer Stadt. Auf dem Land mag es anders aussehen – wir werden sehen.

Michael, zirka 40, Mexikaner, spricht mich auf englisch an. Das Übliche: Where’re you from? Why’re you here? Mein erstes Gespräch mit den Menschen von hier beginnt. Ich antworte auf spanisch, was Michael überrascht. Er antwortet dann auf deutsch, was mich überrascht. Michael arbeitet in einer internationalen Logistikfirma und spricht auch noch französisch und italienisch. Er fragt mich, was “I am proud to be a German” auf deutsch heißt. Diese Frage überrascht mich und ich erkläre, dass das keine übliche Floskel ist und dass es nur wenige Deutsche gibt, die diesen Satz ohne politische Hintergedanken über die Lippen bringen. Unsere Geschichte schwingt dabei mit und es gab nun mal Zeiten, in denen dieser Satz bei uns nicht nur Identität stiftete sondern im Gleichklang gewollte Ausgrenzung und Aussonderung.

Erst seit der Fußball-WM 2006 im eigenen Land mit Klinsi als Trainer sind wir Deutschen wieder etwas freier und können uns über unsere Erfolge freuen. Und, ja, auch stolz sein auf uns und unser Land.

Michael ist sehr interessiert und honoriert, dass Deutschland in der aktuellen Diskussion über Russland einen mäßigenden Einfluss auf die USA ausübt. Mir wird klar, dass wir Deutschen momentan einen ganz guten Ruf in der Welt genießen. Aber wir sind wohl auch ein seltsames Volk. Warum wir nackt baden würden, wollte mein Gesprächspartner wissen. Die Mexikaner und vor allem die Mexikanerinnen würden nicht mal im Traum daran denken. Da ziehe ich blank. Keine Ahnung, ob das einen speziellen Grund hat. Wenn wir Lust haben, machen wir’s einfach, sage ich. Michael meint, dass das was mit unserer weißen Haut zu tun hätte. Wenn bei uns die Sonne mal scheine, müssten wir das auch ausnutzen, um so viele Vitamine wie möglich produzieren zu können. Ich finde das schlüssig und stimme ihm zu, wenngleich ein leichter Hauch von Skepsis meine Antwort ein wenig verzögert.

Das Gespräch, das in einem Kauderwelsch aus englisch, deutsch und spanisch stattfindet, macht mir Spaß. Nach rund einer halben Stunde verabschieden wir uns und ich gehe in irgendein Fast-Food-Restaurant, kaufe mir mein Tagesbelohnungs-Eis und kehre zum Hostel zurück.

Dort setze ich mich auf eine Mauer, kurz darauf gesellt sich Melanie, geschätzte 40, aus Napa Valley, mit einer Flasche Tequila zu mir. Sie kommt gerade aus Kuba, muss über Mexiko wieder zurück in die Staaten, weil Direktflüge aus Kuba nach USA nicht erlaubt sind, hat sich verliebt in die Insel und einen jungen kubanischen Professor, der sie aber gleich wieder verlassen hat und jetzt ist sie traurig und betrunken und findet alle Männer :zensiert:. Wir reden – na ja, ich höre ihr höflicherweise zu – über Sport. Sie gibt an, sie würde die 10 km in 36 Minuten laufen. Trotz zweier Schachteln Zigaretten am Tag. Na ja…

Ich bin mir unschlüssig, ob ich Mitleid haben muss oder die Von-sich-selbst-überzeugte-Ami-Tussen-nach-der-sich-alle-richten-müssen-Schublade öffne, sie dort reinstecke und dann wieder schließe. Aus Höflichkeit und auch aus Interesse bleibe ich noch ein wenig sitzen und bin gespannt, ob und wie sie ihre noch halbvolle Flasche Tequila ganz leer trinkt. Das dauert knapp zehn Minuten, dennoch kippt sie nicht um und fängt auch nicht an zu lallen. Eine Gelegenheitstrinkerin scheint sie nicht zu sein.

Ich verabschiede mich höflich und gehe zu dem Franzosen und dem Argentinier auf mein Zimmer. Ein Kroate ist noch dazu gekommen, der schläft aber schon. Gute Idee, ich dann auch. Ganz schön viele Eindrücke in den ersten drei Stunden hier.


Sonntag, 25.1.2015: Von Cancun nach Chichen Itza, der Kultstätte der Maya


Ein guter Tag beginnt mit einem guten Frühstück. Und das ist hier gut. Es gibt frisches Obst, heißen Kaffee und knusprigen Toast mit Marmelade.

Die Bushaltestelle ist gleich um die Ecke, der Bus ist schon gebucht und bezahlt, ich packe mein Fahrrad stressfrei in den riesigen, leeren Kofferraum des Luxusliners mit Ziel Chichen Itza. Was ich nicht bedenke, ist, dass die Busfahrer in Mittelamerika ihre Klimaanlagen in der Regel auf Maximalleistung stellen. So sitze ich mit T-Shirt und dünner Reisehose in einem Kühlschrank und friere mir drei Stunden lang den Hintern ab. Trotzdem kann ich noch ein wenig schlafen, die Spannung der an mir vorbeirauschenden Landschaft hält sich in engen Grenzen und wirkt Ruhe fördernd. Der Busfahrer hält mit mexikanischer Folkloremusik in voller Lautstärke dagegen, ich habe zum Glück noch die Ohrstöpsel für den Flug in meiner Fototasche.

Die alte Maya-Kultur ist schon faszinierend. Neben den ganzen mathematischen und medizinischen Kenntnissen interessiert mich die Art, wie sie ihren Nationalsport, das Pelota-Spiel ausübten. Die Männer spielten den Ball auf einem 170 x 40 Meter großen Spielfeld. In Chichen Itza ist das Feld wunderbar ausgegraben und wieder hergerichtet.

Die Spieler durften den Kautschukball nur mit der Hüfte spielen. Keine Ahnung, wie die den dann durch das Loch an der Wand bekommen haben, was sie sollten, um zu gewinnen. Die Spiele sollen teilweise mehrere Tage gedauert haben und viele Verletzte gefordert haben.

Man weiß nicht genau, warum die Maya ausgestorben sind. Ich würde mich nicht wundern, wenn das was mit dem Spiel zu tun hatte.



Nun ist das Ansehen von Sehenswürdigkeiten und das Studieren derselben nicht so richtig mein Ding. Aber in dieser Kultstätte beseelt mich der Gedanke daran, wie die Menschen hier früher gelebt haben müssen. Und welches Wissen sie gehabt haben müssen. Ich gehe schweigend mit dem Fotoapparat durch die ehemalige Stadt.

Mein nächstes Hostel ist das La Candelaria in Valladolid, wohin ich am Abend mit dem Bus und dem Rad im Gepäck fahre. Ich bin begeistert. Es ist ein verträumter, bunter und offener Ort zum Entspannen und Schlafen. Leider bin ich noch gar nicht mit dem Rad gefahren, sonst hätte ich hier gerne einen Ruhetag eingelegt. Das wird morgen anders. Da kommt dann mein erster Radtag mit der 130-Kilometer-Tour von Valladolid nach Tulum. Und dann geht’s auch erstmals an die Karibikküste zum Baden.

Mehr Bilder gibt's hier und Fortsetzung folgt...



Edited by joeyyy (03/19/15 10:56 PM)
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#1114677 - 03/20/15 06:35 AM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
Roadcrew
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Moin,
na, das trifft sich ja gut. Ich bin gerade am packen um die nächsten drei Jahre in Mexico zu leben. Mein Rad ist mit dabei und ich bin tierisch gespannt ob der offenen Zukunft, ob es das arbeiten oder mehr das Radfahren betrifft ? Ich hoffe ich habe die Gelegenheit mehr vom Land und den Leuten zu sehen, da ist der recht lange Zeitraum sicher ein hilfreich um tiefer einzusteigen. Ich bin gerade von einem zweiwöchigen Erstaufenthalt zurückgekommen und muss sagen, ich fühlte mich nicht unwohl.
Für Dich weiter die besten Wünsche,

mattes
Bin ich einmal ratlos, fahr ich mit dem Rad los.
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#1114712 - 03/20/15 08:23 AM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
benki
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In Antwort auf: joeyyy

und Fortsetzung folgt...

dafür
Ich bin schon sehr gespannt, wie deine Reise weitergeht. Auf alle Fälle gefallen mir der erste Teil deines Berichts und die Bilder schon sehr gut. Zentralamerika per Rad ist ein großer Wunschtraum von mir.

Gruß Frank
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#1114775 - 03/20/15 12:09 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: benki]
indomex
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Da bin ich auch sehr gespannt, ich kenne ja nur die Gegenden nördlich und südlich deiner Route und träume immer noch davon, auch den "Mittelteil" mal radfahrend kennen zu lernen.
Leben und leben lassen
Liebe Grüße, Peter
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#1114793 - 03/20/15 12:55 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
joeyyy
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...bin schon zügig beim Weiterschreiben.

Hier ist zur Info meine grobe Reiseroute:

Link zu Karte: Karte



Eigentlich wollte ich El Salvador auslassen und über die Copan-Ruinen durch Honduras fahren. Dann dachte ich, nachdem ich Chichen Itza und Tikal besucht hatte, dass ich genug Ruinen gesehen hätte und die Ruta de Flores in El Salvador ein lohnenswerteres Ziel sei.

Und was soll ich sagen? Genau, kommt noch cool

Edited by Rennrädle (03/20/15 01:23 PM)
Edit Reason: Karte in Link geändert
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#1115011 - 03/21/15 12:53 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
Roadcrew
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Moin,
ich werde mich meist im Raum Puebla => San Jose Chiapa aufhalten, also doch eine ganze Ecke weg von Deiner Route aber durch die Vulkanlandschaften hoffentlich "efahrenswert".

Viele Grüße
Mattes
Bin ich einmal ratlos, fahr ich mit dem Rad los.
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#1115129 - 03/22/15 06:09 AM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
kettenraucher
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Famoser Auftakt zu einer sehr interessanten Reise. Ich bin sehr gespannt und voller Vorfreude auf die nächsten Berichte.
Allen gute Fahrt und schöne Reise.
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#1115139 - 03/22/15 07:24 AM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
Juergen
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Hi Jörg, in dieser Tiefe könnte das eine lange und interessante Geschichte werden! teuflisch
Das Maskenphoto fasziniert mich. Ich weiss nur noch nicht, warum es mich auf Anhieb so anspricht.

Danke für Deine Liebe zum Detail
Jürgen
° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° °
Reisen +
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#1115199 - 03/22/15 12:17 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
joeyyy
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...ich freue mich über eure Vorfreude und ich bin - während ich so hier in Hannover schreibe und meine Bilder bearbeite - gedanklich wieder in Mexiko. Und ja, das könnte ein langer Bericht werden. Tut mir ja leid, aber es gibt doch immer so viel zu erleben und zu erfühlen, jeden Tag. Und für mich sind es die Kleinigkeiten und die Details, die auf einer großen Reise das Glück bringen. Und das macht ja auch die kleinen Reisen so schön.

verliebt

Und jetzt geht's erstmal weiter...




Montag, 26.1.2015: Von Valladolid über Coba und einem Sprung ins Nichts nach Tulum





Obwohl wir zu sechst in einem Zimmer wohnen, ist die Nacht ruhig und der Schlaf prima.

Um halbsieben stehe ich auf, um sieben gibt’s Frühstück. Und das ist perfekt für einen langen Fahrradtag geeignet. Um acht sitze ich dann auf dem Fahrrad.

Das Wetter ist perfekt und erstmals spüre ich dem eigentlichen Sinn meiner Reise nach. Landschaft, Leute, mein eigenes Ich. Kurz nach Valladolid geht es schon auf eine kleine Landstraße, die dann irgendwann in den Dschungel führt. Ich drehe um und merke relativ schnell, welchen Abzweig ich verpasst habe.

Die Pueblos sind klein hier, zur Siesta-Zeit sind nur ein paar streunende Dorfhunde und die Kinder, die von der Schule kommen, auf den Beinen. Alle anderen sitzen am Rand oder warten in ihren Häusern, dass die Mittagssonne ihren Kraftzenit hinter sich lässt.

Von einem Campesino, der gerade vom Feld kommt, kaufe ich ein paar Mandarinen. Wir kommen ins Gespräch. Er hat zehn Jahre in San Francisco gearbeitet, dann aber seiner Sehnsucht nach seiner Familie hier in Yucatan nicht mehr widerstehen wollen. Mit dem Geld aus den USA haben er und seine Frau sich hier eine kleine Farm aufgebaut. Glück, Gesundheit und Familie sind wichtiger als Geld und USA.

Überhaupt sind die Gringos aus dem Norden hier nicht überall gern gelitten. Wir lachen beide über Menschen, die ihre Hamburger lieben können (“I’m loving it!”).

In Coba, auf halber Strecke zwischen Valladolid und Tulum, entscheide ich mich, die dortigen Cenotes zu besuchen. Zunächst staune ich über den hohen Eintrittspreis. Als ich die Kavernen allerdings sehe, bin ich begeistert. Sie sind komplett unterirdisch, kein Tageslicht gelangt in sie. In der ersten bin ich allein, in der zweiten zieht eine tschechische Triathletin ein paar Trainingsbahnen. In der ersten kann ich noch widerstehen, die zweite allerdings bringt mich dazu, mein Radtrikot auszuziehen, mich zu duschen und mit der Radhose ins kalte Wasser zu springen.

Es gibt zwei Plattformen, von denen aus man ins Wasser springen kann: die erste ist circa 5 Meter hoch und die zweite knapp 10 Meter. Die komplette Höhle ist relativ spärlich beleuchtet, so dass man auf keinen Fall auf den Grund der Cenote sehen kann. Ich klettere gleich auf die 10 Meter-Plattform und schaue nach unten, schaue ins Nichts. Ich weiß, dass ich nicht lange nachdenken darf und gehe dann den einen, entscheidenden Schritt nach vorne. Und springe ins Nichts. Rein rechnerisch bin ich nur rund eineinhalb Sekunden unterwegs. In dieser Zeit allerdings passiert ganz viel in mir und mit mir. Ich merke, wie sich mein Bauch verkrampft, wie mein Magen ganz leicht wird. Die Zeit vergeht so langsam, dass ich beim Eintauchen trotz einer (wieder rechnerischen) Geschwindigkeit von rund 50 km/h merke, wie das Wasser an mir hoch gleitet. Nach dem Wiederauftauchen stoße ich einen Jubelschrei und auch Erleichterungsschrei aus.





Draußen gönne ich mir eine Kokosnuss. Der Junge, der sie mir verkauft, bietet mir Chili und frischen Limonensaft an, was ich auf die Kokosnussstückchen drauf tue. Meine Skepsis weicht einem interessanten Potpourri von Geschmäckern auf meiner Zunge.

Kurz nach Coba biege ich dann auf die Hauptstraße ab, die von Cancun nach Tulum führt. Die restlichen 50 km habe ich glücklicherweise Rückenwind, der mich in knapp 2 Stunden nach Tulum schiebt.

Am Ende meines ersten Radtages stehen 135 km auf dem Tacho. Ich bin zwar fertig, aber voller Eindrücke. Morgen fahre ich wieder mal mit dem Bus nach Chetumal an der mexikanischen Grenze zu Belize. Was dann kommt , weiß ich noch nicht. Mañana, mañana eben.

---

Mehr Bilder gibt's hier (klick).

Edited by joeyyy (03/22/15 12:23 PM)
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#1115210 - 03/22/15 02:40 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
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Dienstag bis Donnerstag, 27./28./29. Januar 2015: Von Tulum/Mexiko über die karibischen Caye-Inseln nach San Ignacio/Belize

In Tulum finde ich ein ordentliches Hostel irgendwo in einer Hinterstraße. Der Coolness-Faktor ist schon recht hoch, lauter junge Leute sitzen, hängen, liegen herum und einige von ihnen klampfen auf der Gitarre.

Morgen soll’s dann wieder mit dem Bus nach Chetumal an der Grenze zu Belize gehen. Ich bin ein wenig unzufrieden damit, dass ich Yucatan und Quintana Roo fast nur mit dem Bus befahren habe. Auf der anderen Seite gibt die Karibik-Küste Mexikos landschaftlich halt nicht so viel her.

Der ADO-Bus rollt pünktlich in den Busbahnhof ein, der Gepäckraum ist leer, ich kann mein Fahrrad wunderbar hineinbugsieren. Allerdings vergesse ich, meine Fließjacke mit in den Fahrgastraum zu nehmen. Es ist schweinekalt dort, weil die Klimaanlage auf Hochtouren läuft. Zweieinhalb Stunden Fahrt bedeuten zweieinhalb Stunden frieren. Im Fernseher laufen irgendwelche mexikanischen Quiz Shows, ich kann dabei ganz gut einschlafen. Draußen rauschen die Bäume an mir vorbei, mit dem Fahrrad wäre das hier eher langweilig.

In Chetumal erfahre ich, dass die Fähre nach Caye Caulker um drei Uhr nachmittags fährt. Sie fährt nur einmal täglich. Jetzt ist es halbzwei und ich beeile mich, dass ich zum Hafen komme. Obwohl das Fahrkartenbüro der Belize Water Taxi Corp. seit fünf Minuten geschlossen hat, rede ich so lange auf eine der beiden Betreuerinnen ein, bis sie mir dann doch noch eine Fahrkarte verkaufen.

Das Boot ist ein ziemlich schnelles Teil, die Passagiere sitzen in seinem Bauch wie in einem Bus. Mein Fahrrad hat einen Logenplatz direkt an Deck hinter dem Kapitän.

Auf der Fahrt zur Insel und dem angeblich chilligsten Platz Belizes komme ich mit einem österreichischen Paar und einer Neuseeländerin ins Gespräch. Wir wollen in zwei Hostels, die direkt neben einander liegen. Die drei anderen wollen in Zimmern schlafen, ich möchte zelten. Es gibt auf Caye Caulker ein Hostel namens Bella’s, was einen Zeltplatz anbietet.

Alles klappt planmäßig, wir verabreden uns dann zum gemeinsamen Abendessen irgendwo an einem Straßenstand. Die bieten hier wie auch schon in Mexiko sehr gutes Essen zu sehr fairen Preisen an. Wir gehen zu Fran’s und essen red Snapper, frisch aus dem Meer und frisch vom Grill. Wirklich lecker!

Der Vibe der Insel ist fühlbar. Viele junge Menschen versammeln sich hier und haben viel Spaß miteinander. Die einheimischen Kreolen gehen absolut locker miteinander rum. Aus jedem Restaurant, an jedem Straßenstand, aus jedem Büro klingt Reggaemusik. An der Treppe zu einem relativ guten Restaurant steht ein Schild mit der Aufschrift “no shirt? no shoes? no problem!”

Wir bekommen zum Abschluss des Essens noch Rum-Punsch serviert und haben auch schon einige Flaschen belizisches Bier ausprobiert. Auf dem Weg zu meinem Hostel versuchen die Österreicher und ich der Neuseeländerin zu erklären, wie viele Dialekte es in der deutschen Sprache gibt. Viele. Mit ein paar Promille Alkohol im Blut ist das eine lustige Konversation. Auf meinem Campingplatz legen wir uns in die Hängematten und trinken den Rest des mitgebrachten Bieres. DIe Luft riecht nach Gras. Wir reden darüber, wie unsere Erlebnisse waren, als wir welches rauchten oder in Keksform aßen. Ich glaube, wir haben alle lange nicht mehr so herzlich gelacht.

Die Nacht ist allerdings sehr unruhig auf dem Zeltplatz. Ständig kommen irgendwelche Gruppen junger Leute an oder gehen weg, ständig wird die Musik laut gestellt und wieder leise gestellt, ständig wird gelacht und gequatscht und rumgegackert. Ich glaube, ich schlafe gerade mal drei oder vier Stunden.

Am nächsten Morgen habe ich einen leichten Hangover. Das ist nicht schlimm, ich chille in einer Hängematte einfach nur ab. Das ist ein ungewohntes Gefühl, einfach mal nichts zu tun. Kein Buch, kein iPad, kein Telefon, keine Gespräche, nichts. Mein Kopf brummt, mir ist schwindlig und ich genieße es, einfach nur hier zu liegen. Dennoch geht mir immer wieder der Gedanke durch den Kopf, jetzt doch auch mal was tun zu müssen.

Das ist dann wohl Urlaubsstress. Ich entscheide mich ganz klar, es einfach nur sein zu lassen. Heute bleibe ich hier. Ich kann mich dem allgemeinen Virus erwehren, in der sogenannten schönsten Zeit des Jahres, der Urlaubszeit, jeden Tag irgendetwas nachweisen zu müssen, irgendwo einen Haken dran zu machen.

Schön ist das.

Am späten Nachmittag schnappe ich mir dann meine Kamera und gehe über die Insel, die sehr überschaubar ist. Irgendwann in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts rauschte wohl ein Hurrikan hier über die Insel und teilte sie in zwei Teile. Die Schneise, die der Wind hinterließ, nennt man hier den “Split”. Das ist der einzige Teil, wo man vernünftig schwimmen kann, da die Insel komplett mit Seegras umgeben ist.



Ich gehe wieder zurück ins Zelt, schnappe mir meine Schwimmbrille und schwimme in der Karibik. Es ist das gleiche Gefühl, das ich hatte, als ich mit Lennart in Kuba war. Einfach nur im Wasser schweben. Im Gegensatz zu Kuba gibt es hier ganz viele bunte Fische.

Die Nacht ist wieder ziemlich laut, irgendwelche Australier meinen, die Welt gehöre Ihnen. Die Neuseeländerin sagte auch, dass die Australier in Neuseeland nicht gut gelitten sind. Sie seien so etwas wie die Russen in Europa. Sie fallen in Scharen in die Touristen-Regionen ein, belegen alles, was frei ist und tun so als gäbe es keine anderen Gäste.

Selbst mit Wachsstöpseln in den Ohren fällt es mir schwer, einzuschlafen.

Am nächsten Morgen regnet es. Ich kann allerdings nicht mehr warten, da meine Fähre nach Belize City um acht Uhr abfährt. So packe ich das Zelt im Regen ein, den Rest hinterher und fahre zum Boots-Anleger.

Die Überfahrt nach Belize ist unspektakulär.

Die Fahrt durch diese Stadt ist schon ein spezieller Schnack. Verfahren solltest du dich hier nicht. Das Problem sind die jungen Kerle, die keine Arbeit haben. Gestern auf Caye Caulker sprach ich mit einem Ex Gang-Mitglied, der Spenden sammelt für Fußbälle, Pokale und Ähnliches, damit die Kids von der Straße kommen und was sinnvolles machen. Für so etwas spende ich gern etwas Geld, der Typ hat schon ganz spannende Geschichten erzählt.

Der Weg von Belize City nach Belmopan, das sind rund 80 Kilometer, ist extrem langweilig und sehr laut und dreckig. Ich bin froh, dass ich mir noch einen Rückspiegel ans Rad gebaut habe. So sehe ich des Öfteren Laster auf mich zukommen, die nicht ausweichen können, da auf der Gegenseite ebenfalls Laster fahren. Ich bin bestimmt zehn mal von der Straße runter gefahren und auf dem Randstreifen weitergefahren. Bremsen oder gar anhalten tut hier niemand für Fahrradfahrer.

Ab Belmopan wird es dann allerdings wirklich richtig schön. Hier fängt der tropische Regenwald an. Hier fangen auch die Hügel an. Es ist heiß und schwül, ein warmer Regenschauer kühlt mich ein wenig ab. Nach einer halben Stunde Fahrt bin ich allerdings wieder trocken, selbst der Schweiß auf der Haut verdunstet sehr schnell. An einem Straßenstand kaufe ich mir eine große Kokosnuss. Der Verkäufer schlägt sie auf und gibt sie mir zum Trinken. Das ist köstlich.



In San Ignacio finde ich ein ganz wunderbares Gästehaus, die ältere Besitzerin ist sehr freundlich zu mir. Ich habe heute ein Einzelzimmer und freue mich schon auf eine ruhige Nacht.

Ob ich morgen weiter nach Guatemala fahre, oder mir hier die berühmten Höhlen anschaue, weiß ich noch nicht. Ich werde das vom Wetter abhängig machen. Morgen soll es etwas länger regnen.

Aber eben: Mañana, mañana

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#1115875 - 03/24/15 11:22 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
joeyyy
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Sonntag, Montag, Dienstag 1.-3.2.2015: Von Flores über Poptun durch die Hölle ins Paradies nach Rio Dulce, Ruhetag mit Bootsfahrt nach Livingston




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Stan und ich frühstücken draußen, die Sonne geht hinter uns auf und strahlt den vor uns liegenden See an. Wir genießen einfach nur die Sicht und die Ruhe. Hin und wieder knattert eine Lancha vorbei – so heißen die länglichen Boote hier überall.

Kurz nach dem wir bestellt haben, gesellt sich Bridget zu uns. Sie ist Neuseeländerin, lebt in London, ist stinkreich und will allein durch Zentralamerika reisen. Sie verkörpert alles, was man als allein reisende Frau in Zentralamerika vermeiden sollte. Adrett geschminkt, Bauchtasche, Minirock mit nackten Beinen, orangefarbene Nike-Schuhe, Schmuck an Armen und Fingern. Sie sei “tough”, sagt sie. Und sie könne sich wehren, sagt sie. Stan und ich schauen uns an und heben die Augenbrauen. Na denn, eine “tough”e Frau wird sich sicherlich keine Bedenken zweier alternder Männer anhören.

Bridget redet ohne Punkt und Komma, Stan lädt mich zwischenzeitlich zu sich nach London ein.

Bridget hat natürlich nicht viel Zeit und so sind Stan und ich bald wieder ungestört.

Es war ein harmonischer Tag, gestern in Tikal, wir bemerken das beide. Weil eine solche Harmonie zwischen zwei Menschen selten ist und wir das wissen.

Die Fahrt raus aus Flores ist eher langweilig. Die ersten fünfzig Kilometer sind wellig und gerade, kultiviertes Land allerorten, hin und wieder Wald, Urwald.

Es ist zu sehen, dass die Bauern ihr Land roden. Den Wald dann abholzen, wenn sie Land brauchen. Klare Regeln vermute ich hier nicht. Strafen für unerlaubtes Abholzen auch nicht. Wahrscheinlich, weil es erlaubt ist.

Das Land wird für das Vieh benötigt. Ich weiß gar nicht was die Rinder hier fressen, es sieht alles so karg und verdörrt aus. Wie die Rinder. Riesige Laster mit Rindern überholen mich immer wieder oder kommen mir entgegen. Es ist heiß und die Tiere sind sehr beengt eingesperrt. Ich möchte kein Rind in einem solchen Laster sein.

Natürlich stelle ich mir immer wieder die Frage, ob es richtig ist, Fleisch zu essen – insbesondere wenn ich sehe, wie das Land gerodet wird, wie die Tiere gehalten werden, wie sie transportiert werden. Die Tierhaltung hier ist offensichtlich nicht so konzentriert wie bei uns. Die Rinder stehen auf der Weide und können zumindest ein naturnahes Leben leben, riesige tierverachtende Stallungen habe ich hier noch nicht gesehen.

Es sind eben auch Kleinbauern hier, die die Viecher halten und damit den Unterhalt ihrer Familien sichern. Ich kann nicht klar und deutlich beurteilen, welches Verhalten von mir richtig und welches falsch ist.

Nur eins weiß ich: Das Nationalgericht in nahezu allen Ländern Zentralamerikas ist irgendwas mit Pollo, Hühnchen. Und Hühner sehe ich hier höchstens einmal in privaten Vorgärten herumlaufen. Das heißt: wenn die komplette Bevölkerung mit Hähnchenfleisch versorgt wird, ich aber in freier Natur keine Hühner und Gockel sehe, dann muss es irgendwo konzentriert Zucht- und Mastanlagen wie bei uns geben.

Das bedeutet für mich: Muchas gracias, pero no pollo. Kein Hühnchen auf meinem Teller.

Was ich aber genieße, ist das frische Obst, das es überall zu kaufen gibt. Manche Straßenstände verkaufen ausschließlich Kokosnüsse, manche ausschließlich Melonen, manche bieten alles an.

Und häufig laufen die Kinder der Verkäuferinnen um die Stände herum. Diese Kinder sind sehr aufgeweckt, interessiert und freundlich. Ich bin seit meiner Marokko-Reise etwas vorsichtiger geworden im Umgang mit Kindern in fremden Ländern. Nicht alle Kinder sind freundlich, manche sogar recht agressiv. Hier allerdings habe ich bisher noch keine agressiven Kinder erlebt.

Lustig finde ich es, wenn die Kinder mich “Gringo” nennen und die Mutter ganz erschreckt und peinlich berührt den Finger vor den Mund hält. Dieser Begriff wird in Mittel- und Südamerika gerne für die großen “Brüder” im Norden benutzt, die zwar bewundert werden, aber nicht wohl gelitten sind.

Gegen Abend suche ich mir in der Nähe von Poptun einen Zeltplatz. Leider ist das hier kaum möglich, überall stehen Zäune. Und bevor ich mir Gedanken mache, wie ich in einem unbeobachteten Moment mal über einen Zaun springe oder drunter durch krabbel, frage ich einfach im nächsten Hotel nach einer Zeltmöglichkeit im Hotelgarten. In Poptun allerdings kostet eine komplette Cabin, das sind Gartenhaus-ähnliche Zimmer, nur rund zehn Dollar. Die buche ich dann und freue mich auf ein ordentliches Pollo-freies Abendessen.

Ich kalkuliere mal kurz meine Reisekosten von heute durch: 5 Dollar für’s Frühstück, 3 für Eis und Kolas unterwegs, 4 für’s Mittagessen und Obst zwischendurch, 14 für Abendessen und Übernachtung. Also zwischen 25 und 30 Dollar, wenn ich im Hotel übernachte und mir mein Essen nicht selbst bereite. Das ist preiswert.

Am nächsten Morgen spreche ich mit dem Hotelbesitzer endlich mal über Fußball. Das Brasilienspiel ist bei ihm noch in bester Erinnerung. In meiner auch. Ich muss gestehen, dass ich nicht mal mehr den Endstand des Endspiels weiß und ob wir in der Verlängerung gewonnen haben oder in den ersten 90 Minuten. Aber dass wir sieben zu eins gegen Brasilien gewonnen haben und alle irgendwie überrascht waren und sich am Ende sogar die Brasilianer mit uns gefreut haben, daran kann ich mich noch gut erinnern. Mein Gastgeber und ich grinsen beide bis über beide Ohren in Gedanken an dieses denkwürdige Halbfinale im letzten Jahr. Wenn ich zuhause bin, muss ich mir das nochmal auf Youtube anschauen. Immer wieder gerne…

Die Fahrt nach Rio Dulce ist jetzt nicht so spannend. Aber heiß. Ich merke die Hitze jetzt das erste mal so richtig heftig und zehrend. Normalerweise komme ich locker mit drei Litern Wasser am Tag aus. Heute werden es inklusive den kalten Kolas aus den Straßenläden und Tankstellen locker zehn Liter Flüssigkeit. Und ich musste nicht pinkeln. Und meine Haut ist trocken. Krass.

Die Sonne brennt, die Laster brausen an mir vorbei, es staubt, es ist laut, die Viehtransporter stinken – das muss ein kleiner Vorgeschmack auf höllische Umstände sein.

Am Abend erreiche ich völlig fertig und ausgedörrt Rio Dulce und fahre zum Castillo San Felipe. Ich möchte gerne im Hostel Kangaroo einen Ruhetag einlegen und morgen nach Livingston fahren. Doch um ins Hostel zu kommen, muss ich den Chef dort anrufen und sagen, dass er mich abholen soll. Ich habe allerdings kein Telefon. Der Wärter des Castillos kann mir auch nicht weiterhelfen, will auch nicht für mich telefonieren. Während wir den Preis für ein vielleicht doch mögliches Telefonat aushandeln, kommen zwei Frauen aus dem Schlosspark. Der Wärter erkennt die eine der beiden als die Frau des Chefs des Kangaroo. Er verweist mich an sie, sie nimmt mich mit zum Anleger und ich fahre mit ihr und einem der Hotel-Angestellten durch die Mangroven ins Kangaroo. Was bin ich froh, dass das geklappt hat.

Das Kangaroo ist nach der Hölle auf der Straße für mich heute das Paradies im Dschungel. Man gelangt nur mit einer Lancha, einem Boot, dorthin. Es gibt keine Fenster, nur Mückennetze. Die Türen stehen ständig offen, Hängematten überall, kaltes Bier an der Theke, ein tolles mexikanisches Essen, ein Dormitory (Schlafsaal) mit guten Betten und viel Platz und lediglich einer Japanerin als Mitbewohnerin. Ich fühle mich sehr wohl und privilegiert.

Ruhetag. Ich wache auf, habe wunderbar geschlafen, nur die Mückennetze über den Betten haben Löcher. Aber mittlerweile stören mich die Piekser nicht mehr. Sie nerven nachts mal für fünf Minuten mit einem Jucken, das ich aber mittlerweile gut ignorieren kann.

Ich freue mich über ein üppiges Frühstück ohne Reis und Bohnen und sitze dann um neun im Boot, das mich mit noch ein paar anderen Leuten nach Livingston bringt. Livingston ist ein typischer Karibik-Ort, untypisch für Guatemala. Dort leben hauptsächlich Garifuna, dunkelhäutige Nachfahren afrikanischer Sklaven und europäischer Piraten. Und die Garifuna leben auch hauptsächlich nur dort.

Die Fahrt über den Rio Dulce durch den Dschungel ist spannender und schöner als die Stadt Livingston. So schlendere ich durch die Stadt, esse in einem Straßenrestaurant eine sehr leckere Fischsuppe und warte am Hafen auf die nächste Lancha zurück ins Kangaroo.

Am Abend ziehe ich dann meine Badehose an und bade vor dem Hostel im Rio Dulce. Greg, der Besitzer hat eine Liane an einem hohen Baum angebracht, an der ich schaukeln und dann ins Wasser springen kann. Herrlich.

Beim Abendessen lerne ich John aus Nebraska kennen. Er ist Maurer und versucht hier, seine Probleme zu überdenken. Seine Frau kommt aus Guatemala, hat aber ihre Familie nach Nebraska nachgeholt und John fühlt sich jetzt ausgenutzt. Auch fühlt er sich missverstanden. Er ist einfach nur Mann, sie ist auch noch Mutter eines Kindes aus einer früheren Beziehung. Und Frauen, die Kinder aus früheren Beziehungen haben, sind in erster Linie eben Mütter. Ganz natürlich. Aber für den Mann, der dann möglicherweise als Nichtvater ihrer Kinder, aber als aktueller Lebenspartner in das Leben einer existierenden und erprobten Mutter-/Kinder-Familie tritt, wird es beliebig schwierig. Patchworkprobleme. Und dann auch noch international. Wir quatschen bei drei bis fünf Bier ziemlich viel, verabreden uns für morgen zum Frühstück und dann kann ich gegen zehn Uhr abends wunderbar müde einschlafen.

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Fortsetzung folgt...
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#1117497 - 03/30/15 09:39 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
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Mittwoch, 4.2.2015: Von Rio Dulce nach El Estor




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El Estor, wo zum Kuckuck liegt El Estor?

Das wird mein Etappenziel heute sein, nachdem ich entschieden habe, nicht direkt nach Honduras zu fahren sondern ins Hinterland nach Semuc Champey, zu dem Ort, wo das Wasser sich versteckt. Greg, der Chef des Kangaroo, bestätigte meine Befürchtungen, dass die Straße von Rio Dulce nach Copan eine Haupttransportroute für die ganzen Erze ist, die im Hinterland abgebaut und in Puerto Barrios verschifft werden. Das tue ich mir nicht an. Außerdem habe ich jetzt zwei alte Maya-Ruinenstädte gesehen, die dritte in Honduras tausche ich virtuell gegen ein Naturspektakel in Guatemala ein.

Erstmal aber wird in Ruhe gefrühstückt. Ich chille bis um zehn und frühstücke dann mit John aus Nebraska. Jetzt erzählt er mir alles. Der Typ ist Maurer, braucht gerade eine Auszeit von seiner Frau, die aus Guatemala stammt. Familiending. Er wollte eine attraktive Frau, kriegt eine Familie mit 16-jährigem Sohn, Schwager, mehreren Schwägerinnen und einer Schwiegermutter. Alle Letztgenannten bestimmen seit sechs Jahren sein Leben. Jetzt ist er für zwei Wochen ins Paradies ausgewandert, um Fragen zu stellen und Antworten zu finden. Die soziale Hektik, sagt er, passt nicht in das Leben in Nebraska. Das Leben dort sei wie das Land, sagt er: flach. Und genau das macht er jetzt zwei Wochen lang: flach leben. Mit dem Kajak durch die Mangroven chillen, in Rio Dulce, einem kleinen Kaff mit lautem Durchgangsverkehr, Pizza essen, im Kangaroo an der Theke abhängen.

Gegen halb zwölf setze ich mit John über und fahre von Rio Dulce aus nicht Richtung Süden sondern Richtung Westen. Gute Entscheidung, aber erst ab El Estor. Denn bei El Estor liegt eine der zehn größten Nickel-Minen der Welt und die Straße dorthin ist zwar eine zweitklassige, aber das macht es nur enger. Hitze, Staub und Lärm machen mir ganz schön zu schaffen.

Aber ich kann fahren, wegfahren. Die Menschen in den Pueblos direkt an der Straße nicht. Die Häuser stehen wirklich direkt an der Straße und sind aus Bambusrohr und Schilfgras gebaut. Das heißt, sie sind offen. Die Laster dröhnen keine drei Meter entfernt an ihnen vorbei, mit der Geschwindigkeit, die die Straßen hergeben, nicht die angemessen wäre, um spielende Kinder und streunende Hunde zu schützen. Und nachts, sagt eine Comedor-Besitzerin, wird das noch schlimmer. Da geben sie richtig Gas. Diese Trucks sind keine Laster, wie sie in Deutschland fahren, sondern alte amerikanische Riesendinger, die laut, dreckig und angsteinflößend sind. Die Amis bauten sie für lange, gerade Straßen, nicht für zweitklassige guatemaltekische Hinterlandwege.

Die Luftwirbelbremsen, die die Dinger anwerfen, wenn es bergab geht, dröhnen locker mit über 100 Dezibel. Und es geht häufig bergab hier, auch in den Pueblos.

Irgendwie komme ich dann doch in El Estor an. Die Stadt ist größer als ich dachte. Im Lonely Planet wird ein Hotel empfohlen, das leider besetzt ist. Ich fahre zum nächsten und habe mehr Glück. Nach einer ausgiebigen Dusche gehe ich zum Lago Itzabal, dem größten See des Landes. Dort geht gerade die Sonne unter, ich setze mich auf einen Fähranleger und gebe mich der Stimmung hin.

Es ist ja so, dass man sich schon mal verlieben kann – ich meine jetzt nicht in andere Menschen. Ich meine auch nicht Sachen wie ein Fahrrad oder einen Fotoapparat. Auch nicht Tiere, wobei die ja rein juristisch Sachen sind. Auch nicht in Hamburger, wie uns die Werbung von Mc Donalds weis machen will. Wobei: Wenn man in Tiere verliebt ist, darf man keine Hamburger lieben, jedenfalls nicht die von Mc Donalds. Aber das nur am Rande.

Ich meine Verlieben in eine komplexe Idee, eine Utopie oder in ein Land. Und wenn so etwas wirklich geht, dann bin ich in Guatemala verliebt.

Ich meine, Bayern ist nett, Italien und Kanada auch. Auch Ostfriesland hat seinen Charme. Aber nein, die haben nicht das, was ich meine.

Guatemala hat mich irgendwie gefunden. Oder ich es. Ich dachte immer, dass ich vielleicht mal nach Freiburg ziehe. Das hat sich jetzt erledigt. Wenn ich irgendwann mal wirklich wegziehen wollte, dann nach Guatemala.

Tja, warum dieses kleine, vom Bürgerkrieg noch vernarbte Land? Ich weiß es nicht wirklich. Es wird von Kanadiern und dem belgischen Solvay-Konzern ohne Skrupel und Rücksicht auf indigene Kultur ausgebeutet, die Bauern holzen die Urwälder ohne Sinn und Verstand ab, die Regierung ist korrupt, die Kriminalität hoch, die Laster sind laut, überall liegt Müll rum, tote Kühe inklusive.

Und dennoch fühlte ich mich in noch keinem Land so herzlich (sic!) willkommen wie hier.

Da ist das ständige Winken und freundliche Rufen der Menschen vom Straßenrand. Auch wenn ich als “Gringo” sicher eine Besonderheit bin. Noch nie habe ich so viele Menschen gegrüßt wie hier. Hier gilt wirklich, dass ein Lächeln die kürzeste Entfernung zwischen zwei Menschen ist.

Die Natur ist famos, auch wenn hier gerade im großen Stile der Regenwald gerodet wird. An der Basis wissen die Menschen hier aber, dass das nicht richtig ist.

Ach, was soll ich denken? Wer bitte will mit dem Kopf begründen, was das Herz entscheidet?

Wir alle haben Lieblingsirgendwasse und mein Lieblingsland ist jetzt Guatemala.

Ich fotografiere ein wenig, dann setze ich mich wieder, neben eine junge Frau im Arztanzug. Ich lese nur “Dra. Kim” auf dem Namensschild und frage sie auf englisch, ob sie hier irgendein Praktikumsjahr mache. Sie antwortet auf spanisch, dass sie hier ganz normale Kinderärztin sei und in der örtlichen Klinik arbeite. Ich bin überrascht, da ich in ihr eine Amerikanerin oder Kanadierin vermutete. Nein, sie kommt aus der Ciudad, wie die Guatemalteken ihre Hauptstadt nennen.

Wir kommen ins Gespräch, dabei stellt sich heraus, dass sie in Kuba studiert hat, wie so viele Ärzte aus Lateinamerika. Mir kommt zugute, dass ich für einen Spanischkurs mal ein Referat über das Gesundheitssystem in Kuba recherchiert und gehalten habe.

Nach wenigen Augenblicken steht fest, dass wir uns noch stundenlang unterhalten könnten und so lade ich sie zum Abendessen ins nächste Restaurant am See ein. Schön, dass ich mir das leisten kann und noch schöner, dass Kim die Einladung annimmt. Wir essen die örtliche Spezialität, eine Fischsuppe, bei der ich zwar den Fisch und die Garnelen sehen kann, aber die Suppe nicht. Wie lecker Essen schmecken kann, wenn die Zutaten frisch sind! Hier in Zentralamerika wird gar nicht viel gewürzt – Salz genügt. Den Geschmack erhält das Essen durch die Zutaten und ihre Kombinationen.

Kim würde gerne bei den Ärzten ohne Grenzen arbeiten, möchte aber ihre Familie nicht verlassen, die ein Stück weit auf sie angewiesen ist. Es ist eine Familiengeschichte, in der der Bürgerkrieg in Guatemala und in El Salvador eine wichtige Rolle spielt.

Gegen Mitternacht bringe ich sie dann zu ihrem Hotel, in dem sie die Woche über wohnt. Wir verabschieden uns herzlich mit gegenseitigen Einladungen nach Guatemala Ciudad und nach Hannover. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nochmal nach Guatemala reisen werde. Und dann hoffe ich, Kims Einladung annehmen zu können.

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Fortsetzung folgt...

Edited by joeyyy (03/30/15 09:44 PM)
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#1117527 - 03/31/15 07:06 AM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
memy
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Dank dir für den informativen Bericht und die lebendige Schreibe, die sich mit Vergnügen liest!
Auf die wordpress Seiten (und damit auf deine Fotos) kann ich hier nicht so einfach zugreifen, aber das werde ich gewiss nachholen.

Danke!
Horst
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#1117698 - 03/31/15 04:30 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: memy]
joeyyy
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In Antwort auf: memy
Dank dir für den informativen Bericht und die lebendige Schreibe, die sich mit Vergnügen liest!
Auf die wordpress Seiten (und damit auf deine Fotos) kann ich hier nicht so einfach zugreifen, aber das werde ich gewiss nachholen.

Danke!
Horst


...Oh, Du bist im Iran? Da will ich nächstes Jahr hin. Wordpress steht da wohl auf der schwarzen Liste, oder? Vielleicht kriegen die ja demnächst den Knoten mit dem Atomprogramm durchgeschlagen und dann wird das dort auch wieder etwas lockerer.

Damit Du nicht so lange warten musst, hier noch ein paar Eindrücke:











Gruß,

Jörg.
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Off-topic #1117818 - 04/01/15 09:42 AM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
memy
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Ja, wordpress, facebook etc sind hier nur unter zuhilfenahme von vpn einzusehen. Da ich bislang auch gut ohne diese "Hilfsmittel" ausgekommen bin, fange ich damit während der letzten 2-3 Wochen im Iran auch nicht mehr an.

Ich bin mir sicher, daß der mittlerweile möglich erscheinende Wegfall der Embargos auch viele negative Entwicklungen mit sich bringen wird. Wenn das Land, durch den Anschluß an die internationalen Geldmärkte, erstmal offen ist für die großen Konzerne, wird Konsum auch hier einen anderen Stellenwert bekommen. Und ob es in 5-10 Jahren dann noch so viele kleine Einzelhändler gibt wie heute und ob der Anteil der national produzierten Güter genauso hoch bleibt, wie er dato ist... kann man zumindest bezweifeln. Ich denke so eine Entwicklung kann langfristig eine ganze Gesellschaft umkrempeln.
Aber vielleicht erweist sich die Regierung um Rohani ja als klug genug um das alles etwas zu reglementieren/auszubremsen.

Ich wünsche dir weiterhin so tolle Reisen und viele interessante Begegnungen
Hoffentlich bin ich noch so lange unterwegs, dass ich es mal bis nach Zentralamerika schaffe - ein Ecke dieser Welt, die ich auch gerne 'erfahren' würde.

Horst

ps: Was "cenotes" sind mußte ich nachschlagen - bestimmt ein tolles Erlebnis dort schwimmen zu gehen.
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#1118221 - 04/02/15 05:43 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
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Donnerstag, 5.2.2015: Von El Estor bis auf eine Passhöhe 1.000 Höhenmeter





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Ich wache auf mit tollen Gedanken. Der Abend gestern hat mich darin bestärkt, den jungen Leuten die Zukunft anzuvertrauen, die wir alle brauchen.

Hinter El Estor geht es dann rauf in die Berge. Zuvor komme ich an der Nickel-Mine vorbei, die hier in der Region, aber auch im ganzen Land, Wohl und Wehe bedeutet. Sie ist die größte ihrer Art in ganz Zentralamerika. Die Leute reden viel von ihr. Präsident Pérez bezeichnet sie als die größte Investition Guatemalas.

Niemand kann mir sagen, wozu Nickel eigentlich gebraucht wird und die Menschen hier sind der Meinung, Pérez hätte einen Deal mit den Russen gemacht, die das Land jetzt ausbeuten.

Da ich ja mein iPad dabei habe, schaue ich schnell mal nach: Die zyprische Solvay-Group, eine russische Investment-Firma, übernahm die Mine vor zwei Jahren von einer kanadischen Firma, nachdem immer wieder Menschen verschwanden, vergewaltigt oder gleich ermordet wurden, die sich gegen die Mine und ihre furchtbaren Auswirkungen stellten. Die kanadische Firma muss sich wohl in Kanada für Ermordungen und Vergewaltigungen hier in Guatemala wegen ihrer Mine verantworten und so hat sie die Mine an die Russen verkauft. Die müssen sich nicht verantworten.

Nickel wird hauptsächlich zur Herstellung von Edelstahl benötigt. Und zwar für Edelstahl, den wir dann in unseren Waschmaschinen, Spülen, Kochgeschirr und ähnlichem wiederfinden.

Okay, also kann ich noch nicht mal großartig rum mosern, schließlich habe ich eine Geschirrspül- und eine Waschmaschine. Na gut, meine Spüle ist aus Keramik, aber die Auspuffanlage meiner alten BMW ist aus Edelstahl und sicherlich noch weitere Gegenstände in meinem Besitz. Es ist aber auch ein Drama: Mein Konsum kostet mich Geld und an ganz anderer Stelle auf dieser Erde die Menschen Lebensqualität.

Und das Schlimme daran ist ja, dass die Menschen hier in Guatemala, die unter dieser Mine leiden müssen, die im Kampf gegen Unterdrückung und Enteignung sterben, überhaupt nicht die Möglichkeit haben, sich die Dinge zu kaufen, die mit dem geförderten Erz hergestellt werden. Keine Familie hier in den Bergen besitzt eine Waschmaschine. Es gibt ja noch nicht mal überall fließendes Wasser oder Strom hier. Mir kommen in den Momenten solcher Gedanken unsere Diskussionen, die wir zuhause in Deutschland führen – zum Beispiel ob jetzt Obst abgepackt oder lose verkauft werden soll – eher klein vor. Und ich fühle mich unwohl, wenn ich an den traumatisierten Kindern vorbeifahre, die auf den Armen nicht weniger traumatisierter junger Mütter an den Straßen sitzen, über die die riesigen Trucks die Erze und den Urwald wegfahren und dafür Brennstoffe, Öl und Chemikalien zur Mine hin bringen. Eine Kiosk-Besitzerin kurz vor Panzos erzählt mir, dass die Mine in den achtziger Jahren stillgelegt wurde, damals starben angeblich rund 3.000 Guatemalteken durch Militär und Geheimdienst, weil sie sich gegen die Ausbeutung ihres Landes und Zer- und Umsiedlung widersetzten. Seit der Wiederinbetriebnahme der Mine vor rund zwei Jahren sind auf den Straßen am Lago Izabal zwischen Panzos und Rio Dulce weder Hunde noch spielende Kinder mehr zu sehen. Die Lastwagenfahrer nähmen keine Rücksicht auf die Schwächeren. Das kann ich als Fahrradfahrer absolut bestätigen.

Mehr als darüber berichten und mein Umfeld zum Nachdenken anregen kann ich allerdings auch nicht. Ich wünschte, ich wäre Journalist und könnte ohne Zeit- und Finanzdruck Zusammenhänge recherchieren. Ich nehme mir das Recherchieren für zuhause vor und will jetzt hier weg. Will die Mine nicht mehr sehen und die Trucks nicht mehr hören und riechen. Ich biege jetzt ab, Richtung Cahabón.

Die Straße, die mich erwartet, ist nicht wirklich eine Straße. Eher ein Weg aus Steinen und Lehm. Und dieser Weg führt in die Berge, jetzt gerade berauf. Obwohl es die erste Straße ist, die ich fahre, auf der es wohl egal ist, ob man bergauf oder bergab schiebt. Denn Fahren funktioniert hier nicht, mit einem Reiserad auf 40er Straßenreifen.

Die Reifen nehmen den Lehm und lauter kleinere Kieselsteine wie Kleber auf und schmieren ihn von innen ans Schutzblech, so dass alle zehn Meter beide Räder blockieren, wenn sich ausreichend Kleber zwischen Reifen und Schutzblech angesammelt hat. Ich suche mir einen Stock am Wegesrand und stochere den Raum zwischen Reifen und Schutzblech wieder frei. Dann schiebe ich zehn Meter, dann stochere ich. Dann schiebe ich zehn Meter, dann stochere ich. Ich versuche es am Wegrand, ich versuche es in den Fahr-Rillen, ich versuche es in der Mitte des Weges. Es bleibt das Selbe: Dann schiebe ich zehn Meter, dann stochere ich.

Diese Art des Radreisens hat auch etwas Kontemplatives. So brauche ich nicht viel denken, muss mich aber konzentrieren, brauche nicht auf den Verkehr achten, muss aber dennoch mit ihm rechnen. Ich gehe einfach. Gehe mit meinem Fahrrad an der Hand. Ich frage mich, ob ich ein Einzelgänger bin. Ich würde jetzt, hier, niemanden bei mir haben wollen. Ich genieße es, allein zu sein. Ich bin nicht einsam. Nur allein. Kann ich das sagen, weil ich weiß, dass zuhause Menschen auf mich warten? Weil ich weiß, dass ich in eine Gemeinschaft eingebunden bin? Wie wäre es, wenn ich das nicht wäre? Wäre ich dann auch so gern allein und dennoch nicht einsam?

Ohne Beachtung können wir nicht leben. Das steht fest. Also brauchen wir immer den anderen, um uns selbst wahr zu nehmen, uns zu erkennen und uns zu versichern. Aber muss der andere – oder besser: Die andere – immer die selbe sein? Kann das nicht auch gestern Kim und heute die Kioskbesitzerin und morgen irgendein anderer Reiseradler sein?

Nein! Kann nicht! Jedenfalls für mich. Ich liebe. Ich liebe einige wenige Menschen, denen ich immer wieder ganz nah sein möchte. Für die ich Verantwortung trage – und das sogar gern. Somit trage ich auch Verantwortung für mich selbst. Ich könnte mir nicht vorstellen, ohne diese Verantwortung für mich selbst und für andere zu leben. Ein Einzelgänger geht einzeln durch sein Leben. Das bringt mit sich, dass er unmittelbar nur für sich selbst Verantwortung übernimmt. Selbst das könnte man in Frage stellen. Damit können ihm Meinungen anderer Menschen ihm gegenüber komplett egal sein. Weil er als Einzelgänger ja keinen anderen Menschen liebt. Beim Nachdenken kann ich für mich feststellen, dass das für mich nicht zutrifft.

Also bin ich kein Einzelgänger. quod erat demonstrandum, Erleichterung. Wie oft schon musste ich mich mit dieser absurden Einschätzung auseinandersetzen. Menschen, die mich nicht gut kennen, schätzen mich schnell als Einzelgänger ein. Können sie jetzt, ich kann das beruhigt ignorieren.

Es beginnt wieder zu regnen. Ich bin jetzt auf rund 1.000 Höhenmetern und es ist fünf Uhr nachmittags. In einem kleinen Bergdorf sehe ich eine Kirche und frage bei einem Kioskbesitzer, ob der Pfarrer hier wohnt. Der Mann versteht mich nicht. Ich versuche es mit anderen Worten, immer noch kein Gespräch. Ein junger Mann kommt dazu und übersetzt. Nein, der Pfarrer wohnt in Cahabón, rund zehn Kilometer entfernt. Ich frage, ob ich neben der Kirche übernachten könnte. Da müsste ich den Pfarrer fragen. Ich frage, ob ich irgendwo übernachten könnte. Die beiden Männer schauen mich fragend an. Ich erkläre, dass ich ein eigenes Haus und ein eigenes Bett dabei hätte und nur einen kleinen Platz bräuchte, der einigermaßen gerade sei. Der ältere Mann spricht eine der alten Maya-Sprachen, deshalb können wir uns nicht verstehen. Ich hätte nicht geglaubt, dass es hier Menschen gibt, die kein Spanisch sprechen. Nur die jungen Leute, die im Tal in die Schule gehen, würden Spanisch lernen, sagt der jüngere der beiden.

Ich kann mein Zelt auf dem zentralen Dorfplatz aufstellen, der sogar überdacht ist. Das Dach bringt allerdings nicht viel, da das Dorf auf einem Pass liegt und der zentrale Platz dem Wind komplett ausgesetzt ist. Dieser Wind bringt den Regen dazu, horizontal zu prasseln. Ich beginne als erstes, mir fette Steine am Wegesrand zu suchen, da ich das Zelt nicht mit Heringen abspannen und gegen den Wind sichern kann. Die dem Wind zugewandte Seite befestige ich mit meiner 10-Meter-Wäscheleine an den Dachpfosten des Marktplatzes. Der Rest wird mit den Findlingen abgespannt.

Ich habe mein Zelt noch nicht ganz aufgebaut, da steht auch schon das halbe Dorf unter dem Dach und schaut mir zu. Vor allem die Kinder sind sehr interessiert. Sie freuen sich ob der kurzweiligen Abwechslung und laufen und tanzen um mich, das Fahrrad und das Zelt herum. Es kommt natürlich wie es kommen musste, einer der Bengel stolpert über eine Abspannleine und fällt auf die Nase. Ich helfe ihm auf, er weint und ich gebe ihn in die Arme seiner Mutter. Die lächelt, tröstet ihren Kleinen und der ist ganz schnell wieder unten. Die Leute hier sehen solch einen Vorfall absolut locker. Ich vergleiche: Was rennen die Mütter auf den hannoverschen Spielplätzen wie die aufgeregten Hühner durcheinander und beschimpfen sich und ihre Kinder gegenseitig, wenn das eigene Kind plötzlich eine blutende Nase hat… Ich hänge ein paar Klamotten über die Abspannleinen, damit diese besser sichtbar sind.

Der Kioskbesitzer scheint hier so etwas wie der Dorfälteste zu sein – er lädt mich zu sich nach Hause zum Abendessen ein. Die Einladung nehme ich gerne an, entgehe ich doch so den ganzen Fragen der versammelten Dorfgemeinschaft, die ich leider nicht verstehe und somit auch nicht beantworten kann.

Das Haus, in das ich komme, ist ein einziges Zimmer, zirka 20 Quadratmeter groß. Die Wände sind aus Holz, Fenster gibt es nicht. Zwischen Dach und Wänden ist an allen Seiten ein zirka 20 Zentimeter breiter Spalt, durch den der Wind rein- und wieder rausgelangen kann. Das muss er auch, da der Ofen, der in der Mitte des Hauses steht, keinen Schornstein hat. Und der Ofen brennt immer, mit Holz.

Es ist dunkel hier, in diesem Raum. Das Ofenfeuer gibt etwas Licht, außerdem sind Kerzen aufgestellt.

An den Wänden stehen Betten, der Fußboden ist wirklich noch Boden. Erde, die festgetrampelt ist. Am Ofen stehen die Mutter und die Großmutter. Der Dorfälteste ist der Vater. Zwei Söhne und eine Tochter sind auch da und sitzen auf den Betten. Zwischen den Beinen der Familie scharren einige ziemlich zerrupfte Hühner und ein Hahn, der auch nicht viel besser aussieht, nach Essensresten. Der Familienhund und die Katze verstehen sich offensichtlich einigermaßen, ignorieren sich aber in gegenseitiger Abneigung. Nur das Hausschwein bleibt draußen angebunden – ist wohl nicht stubenrein.

Ich bekomme einen Becher mit süßem Kaffee, ein paar frisch gebackene Tortillas und eine Fünf-Minuten-Terrine zum Abendessen. Die Familie isst allerdings nicht mit. Sie schaut mir zu und fängt an, mir Fragen zu stellen. Der eine Junge übersetzt fleißig hin und her. Wo ich herkomme, warum ich hier sei, wieviele Kinder ich hätte, wo meine Frau sei. Das sind die Standardfragen, die hier in Mittelamerika immer als erstes gestellt werden.

Während ich esse, beantworte ich geduldig die Fragen und stelle selber welche. So erfahre ich, dass es in diesem Dorf keinen Strom und auch kein fließendes Wasser gibt. Das Nachbardorf ist zwar versorgt, aber die Leitungen und Rohre hierher würden rund 50.000 Dollar kosten und das müssten die Dorfbewohner selbst finanzieren. Die Beamten in Cahabón seien knallhart, Geld von der Regierung gibt es nicht.

Die Leute hier haben aber kein Geld, müssen zusehen, dass sie ihre Familien ernährt kriegen. Die Dorfbewohner, die Arbeit haben, arbeiten in der Mine. Jeden Morgen um fünf kommt ein kleiner Bus und holt die Leute zur Arbeit ab. Wieder zurück sind sie dann gegen sieben Uhr abends. Sechs Tage die Woche. Perspektiven? Keine. Es herrscht zwar Schulpflicht in Guatemala, aber nach der Schule gibt es keine Arbeit. Ich las ein Schild auf dem Weg hier hoch: “Wir arbeiten jeden Tag, haben aber keine Arbeit!”

Gegen acht verabschiede ich mich dann und möchte wissen, was “Adios” auf Kekchí, der Sprache dieser Region, heißt. Das ist nicht ganz so einfach, da es nicht einfach nur “Adios” heißt sondern irgendwas mit Geistern, Sternen und Nacht. Und dann kommt die Phonetik dazu. Die Laute kommen aus der Kehle, dem Zwerchfell und zischen, singen und knacken innerhalb der Worte. Ich versuche es aufrichtig mehrere Male, aber selbst ein ordinäres Wort wie “Bett” kriege ich nicht ausgesprochen.

Ich glaube, dass ich gerade zur Belustigung der Anwesenden beitrage und frage gar nicht erst nach, was ich da eigentlich gerade gesagt habe.

Mein Zelt steht noch und ist auch wieder allein. Ich putze mir noch die Zähne, krabbel schnell rein, säubere mich mit ein paar Feuchttüchern und verkrieche mich schnell in meinen Schlafsack. Es ist sogar endlich mal kühl des nachts.

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Fortsetzung folgt...
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#1118908 - 04/06/15 10:28 AM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
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Freitag, 6.2.2015: Von einer Passhöhe auf 1.000 hm über Utopia nach Cahabón



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Die Nacht ist laut und nass, der Wind peitscht Regen ans Zelt. Ich konnte am Abend weder duschen noch mich waschen, immer war jemand da.

Etwas ist besonders bei den Mayas: Einer sieht dich immer – auch unterwegs. Der ruft oder pfeift kurz, dann sehen dich alle. Vor allem die Kinder. Ich kriege so langsam ein Gefühl für das Besondere dieser alten Kultur. Nach Chichen Itza und Tikal und auch meinen Begegnungen hier macht sich in mir der Gedanke breit, dass sie auf eine besondere Weise weniger Individuen sind sondern eher Wissens-, Glaubens-, Wohn- und Handelnsgemeinschaft.

Das deutete auch John im Hotel Kangaroo an, der ja mit einer Guatemaltekin liiert ist. Wenn in ihrer Familie etwas passiert, passiert das gleichzeitig mit allen. Und hier, im Urwald, habe ich das Gefühl, dass das auf die komplette Gruppe, über die Familien hinaus, ausgeweitet ist.

Am Morgen gegen vier kommen die ersten Collectivos, um die Arbeiter in die Mine zu bringen. Ich schlafe auf dem zentralen Platz, der auch gleichzeitig Treffpunkt für die Arbeiter ist. Sie sehen das Zelt, leuchten es an und reden darüber. Nachdem die ersten weg sind, kommen um fünf die nächsten. Das geht bis sieben, dann kommen die Kinder wieder.

Um halb acht stehe ich auf, packe zusammen und gehe rüber zum Dorfältesten, der mich am Abend noch zum Frühstück eingeladen hatte. Ich bin die Attraktion hier, kann nicht mal unbeobachtet pinkeln. Und das bei absolutem Schietwetter. Der Wind ist so stark, dass das Dach des Platzes nutzlos ist, der Regen kommt von der Seite.

Ich esse zum Frühstück den gleichen 5-Minuten-Nudeltopf mit Tortillas wie gestern abend. Und es gibt wieder einen lauwarmen Zuckerkaffee. Ich freue mich mit den Leuten, dass sie mir überhaupt etwas anbieten können.

Und wieder sind alle hier versammelt. Ich frage, ob ich etwas Geld für die Stromleitung da lassen kann und gebe dem Sohn 50 Quetzales, das sind rund sechs Euro.

Der Abschied ist herzlich, ich gebe allen die Hand und versuche, auf Kekchí “Adios” zu sagen. Ich hab’s schon wieder vergessen, der Begriff war viel zu lang und außerdem kann ich ihn sowieso nicht aussprechen. Wir lachen nochmal, dann fahre ich.

Ich muss noch ein paar Höhenmeter hoch, dann geht’s bergab. Die Piste ist so schlecht und der Lehmboden so glitschig, dass ich auch bergab schiebe. Die Regenmontur, die ich anhabe, ist schon bei der nächsten Hochschiebepassage unangenehm warm. Also packe ich das nasse Regenzeug auf die Packtaschen und schiebe weiter. Es ist so warm, dass der Regen nichts ausmacht. Die Leute hier laufen auch einfach so ohne Schutz herum.

Endlich habe ich die ganzen Laster hinter mir gelassen, ich habe immer wieder ganz lange Ruhe, bevor dann doch ein kleiner kommt, oder ein Moped oder ein Collectivo – das sind die Kleinbusse hier, die alle Leute aufpicken und wieder rauslassen, die das wollen.

Der Preis, den ich für meine Ruhe zahle, ist hoch. Es geht dauernd hoch und runter. Hochschieben, runterschieben. Und viele Passagen sind dabei so steil, dass meine Schuhe keinen Grip aufbauen und ich nur in Trippelschritten hochkomme. Und wenn der Grip da ist, dann zähle ich zehn Doppelschritte und mache dann eine Pause von fünf Atemzügen. So komme ich zwar langsam hoch, aber ich komme hoch. Und der matschige Lehm klebt alles fest. Vor allem setzt sich zwischen Schutzblech vorn und Reifen immer wieder alles zu.

Beim Bergabfahren klappert und scheppert dann die ganze Fuhre, so dass ich fürchte, die Packtaschen würden irgendwann abfallen. Sie halten aber. Dafür löst sich eine Schraube eines Flaschenhalters, was ich zum Glück rechtzeitig bemerke. Aber ich schaue alle paarhundert Meter, ob noch alles am Rad ist und rüttel mit den Händen an allen Anbauteilen, um zu prüfen, ob noch alles fest ist. Und schau an, den Ständer muss ich auch gleich nochmal festschrauben.

Hier im Hinterland spricht kaum jemand mehr spanisch. Meine Fragen nach dem Weg werden immer wieder mit Achselzucken beantwortet. Dafür kichern die Frauen häufig, wenn sie mich sehen. Die Kinder rufen “Gringo!” hinter mir her. Ich weiß nicht immer, ob das nun ein Schimpfwort ist oder eine Neckerei. Ich antworte meistens im gleichen Tonfall mit “Chico!”.

Die kleinen Läden hier haben vor allem extrem süße Getränke und salzige Chips in allen Variationen. Vor einem allerdings entdecke ich Bananen und kaufe gleich mal drei Stück, da ich Hunger habe. Ich frage den Besitzer nach einem Comedor, einer kleinen Küche, die es hier überall gibt und die ganz gutes Essen verkaufen. Er fragt, ob ich auch mit ihm und seiner Familie essen würde, was ich bejahe. Es ist wieder wie bei meinen letzten Gastgebern gestern abend und heute morgen: In der Hütte laufen Hühner rum, ein Hund schläft auf dem Boden und die Frauen und Kinder stehen am Herd. Der ist aus Stein und qualmt den Holzruß in die Luft. Alle leben hier den Tag über mit den Tieren. Der Fußboden ist die Erde, auf der die Hütte steht. Fließendes Wasser gibt es auch hier nicht, dafür große Krüge mit Wasser. Wenn ein Topf gewaschen ist, wird das Dreckwasser einfach auf den Boden gekippt. Es versickert halt. Ich frage nach der Müllabfuhr. Die gibt es hier in den Bergen nicht. Die Dorfbewohner verabreden sich unregelmäßig, bringen all ihren Müll zusammen und verbrennen ihn einfach. Organischer Müll landet direkt ohne Kompostierung in den Flüssen oder auf den Feldern.

Ich frage mich in solchen Situationen, ob wir es uns erlauben dürfen, mit den Fingern auf die anderen zu zeigen. Natürlich ist es falsch, die Umwelt über Gebühr zu belasten, aber was haben wir denn vor tausend Jahren und spätestens seit der industriellen Revolution gemacht? Ich werde wieder erinnert: Wir schimpfen auf Guatemala. Aber wofür wird, bitteschön, Nickel verwendet? Wo landet dieses Metall am Ende? In “unseren” Autos, Waschmaschinen, in unserem Konsum. Und dann auf afrikanischen Müllhalden. Den zerstörerischen Beginn und das dreckige Ende unserer Konsumkette blenden wir aus. Also dürfen wir solange nicht urteilen, bis wir selbst anfangen aufzuhören. Aufhören mit dem Konsumwahn, mit dem schneller, höher, weiter. Aber das ist Utopia. Und Utopia hat noch nie funktioniert.

Warum eigentlich nicht, und was funktioniert denn dann – verdammt nochmal? Alles, was ich bisher über Utopia gelesen oder gehört habe, basiert auf dem perfekten Menschen. Und irgendwann merkt der Utopianer, dass es zu viele nicht perfekte Menschen gibt, die aber auch in Utopia leben. Also schmeißt der Utopianer diese raus oder versucht, sie umzuerziehen oder gleich ganz zu töten – im Sinne des großen Ganzen. Und damit zerstört der Utopianer sein Utopia. Die Weltgeschichte gibt uns unzählige Beispiele. Nicht-Utopia tötet zwar auch, aber ohne Schuldzuweisungsmöglichkeiten.

Worauf können wir Menschen denn dann noch bauen, wenn wir nicht mal auf uns selbst bauen können?

Der Versuch einer Antwort – inspiriert vom guatemaltekischen Bergland: Hmm, vorausgesetzt, die Physiker haben Recht: Dann hat es rund fünfzehn Milliarden Jahre vom Urknall bis jetzt gedauert. Davon gibt es den Menschen – sagen wir: 150 Tausend Jahre. Das ist besser zu rechnen und sind überschlagene Nullkommanulleins Promille Menschzeit in der Raumzeit. Ich glaube nicht, dass sich diese Zahl signifikant erhöhen wird, bis der Mensch der Natur und dem Rest des Universums wieder Platz macht. Fatal? Klar. Hoffnungslos? Nein. Schließlich macht Denken Spaß und es gibt ein gutes Gefühl, zumindest eine Ahnung von einem möglichen Utopia zu haben. Und das wird kommen. Ohne uns. Vielleicht ist es das Paradies? Wer wirklich die Hoffnung für sich und die Menschheit behalten will, muss die rationale Hoffnung durch eine spirituelle ersetzen.

Um drei erreiche ich nach knapp 30 Kilometern Tagesetappe ziemlich ausgelaugt Cahabón, eine alte Kolonialstadt mit einer mächtigen katholischen Kirche, mitten in den Bergen. Eigentlich will ich heute noch nach Semuc Champey, aber das schminke ich mir ab, da das Höhenprofil dorthin nicht so ganz zu meiner derzeitigen körperlichen Verfassung passt. Ich baue mein Zelt im Garten eines alten Hotels auf, wo ich endlich duschen kann.

Das Betreiberpaar ist sehr nett. Das Hotel ist ausgebucht, ich bekomme aber den Platz, ein Abendessen und ein Frühstück. Über den Preis reden wir dann… genau: Mañana!

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Fortsetzung folgt...
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#1121149 - 04/13/15 09:20 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
joeyyy
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Ich mach's mal kurz heute: Samstag, 7.2.2015: Von Cahabón nach Lanquin

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Fortsetzung folgt.
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#1121750 - 04/15/15 09:48 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
joeyyy
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...und könnte noch ein weilchen Dauern, der komplette Bericht. Hier gehts erstmal weiter:

Sonntag, 8.2.2015: Mit den Touris in Semuc Champey



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Fortsetzung folgt.
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#1122529 - 04/18/15 10:26 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
joeyyy
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#1122563 - 04/19/15 11:18 AM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
Mooney
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Deine Beiträge gehören immer wieder zu den Höhepunkten der Berichterstattung. Vielen Dank!

Wolfgang
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#1125024 - 04/27/15 05:24 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: Mooney]
philipp_k
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Vielen Dank für den tollen und langen Bericht und dass du dir die Mühe machst so vieles so genau zu beschreiben. Ich schwelge gerade in Erinnerungen, da ich von 2004 auf 05 für ein halbes Jahr als Rucksäckler dort auf einer ähnlichen Route unterwegs war. Die Bilder vom gerodeten Regenwald beschäftigen mich bis heute. Ebenso die krassen Monokulturen in Honduras. Seither habe ich keine konventionellen Bananen mehr gegessen. Mein Lieblingsort war Lago Attitlan - scheinbar warst du da nicht. Wie dir hat mir auch Guatemala am besten gefallen, auch wenn mich ebenfalls die gesamte Reise Horrornachrichten von überfallenen Bussen begleitet haben. Gerne würde ich mal wieder zurück, kann mir aber vorstellen, dass sich die Umweltsituation in den letzten 10 Jahren noch rapide verschlechtert hat. Leider war ich damals auch auf einem dermaßen Lowbudgettrip unterwegs, dass ich das Angebot mit den Cennotes nicht wahrgenommen habe. Sicher auch ein Highlight in der Gegend. Bin mal gespannt von welchen Orten du noch so schilderst, die ich ebenfalls bereist habe.

Ach und wenn es nicht Guatemala wird, dann kommste halt doch nach Freiburg ;-)

Grüße
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#1131860 - 05/25/15 06:52 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
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Weiter geht's: Mittwoch, 11.2.2015: Vom Lago de Güija nach Ahuachapán

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Fortsetzung folgt.
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#1138401 - 06/21/15 10:02 AM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
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#1138628 - 06/22/15 07:29 AM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
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Dein Bericht gefällt mir, auch wegen der vielen tollen Bilder. Weiter so!
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#1142061 - 07/08/15 08:27 AM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
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Freitag, Samstag, 13./14. Februar 2015: Costa de Bálsamo bis Zacatecoluca und in die grüne Schildkröte

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Warm ist es nachts im Zelt. Der Fels ist von der Sonne aufgeheizt und gibt diese Wärme gerade wieder ab. Außerdem fahren die Laster hier die ganze Nacht durch, so dass ich schlecht schlafe.

Na ja, meist ist es so, dass ich dann zwar nachts nicht ganz so tief schlafe, aber frühmorgens nochmal so richtig weg bin. Dann drehe ich mich auf den Bauch, zupfe mir mein Seiden-Inlett auf der Isomatte zurecht, schmeichel mich mit meiner Wange dran und falle wunderbar tief in den letzten Schlaf der Nacht – schon in der Vorfreude auf den kommenden Tag.

Meistens ist die Freude auch gerechtfertigt, so auch heute.

Ich frühstücke – wie verabredet – wieder im Comedor. Esekiel ist schon da und bedient einen Tisch mit guatemaltekischen Lastwagenfahrern. Ich setze mich zu ihnen, um ein wenig über das Leben der Trucker in Mittelamerika zu erfahren.

Die Jungs sind total nett, ich werde ausgefragt über meine Ziele, meine Familie und bis hin zur letzten Schraube meines Fahrrads. Somit kriege ich von deren Leben gar nicht so viel mit.

Am Ende ist es ein herzlicher Abschied: Der Chef des Comedor fühlt sich sehr geehrt, umarmt mich. Ich bin sehr überrascht, freue mich und lasse noch ein ordentliches Trinkgeld für Esekiel da.

Jetzt geht’s erstmal wieder weg von der Küste, in die Hügel der Costa de Bálsamo. Anstrengend ist es, und schön. Die Landschaft ist grandios, der Pazifik, den ich immer wieder sehe, strahlt eine ruhige Kraft aus, eine Kraft, deren Gewalt sich erahnen lässt.

Die Menschen sortieren sich ja gerne ein. Der eine Hamburger ist ein Alster-Hamburger, der andere ein Elbe-Hamburger. Der eine Berliner ist ein Wessi, der andere ein Ossi. Ich bin ein Pazifik-Möger, im Gegensatz zu den Atlantik-Mögern. Gut, der Atlantik bietet die Karibik. Aber ich halte den Pazifik für ruhiger, für gelassener, für kraftvoller und mächtiger als den Atlantik. Ich mag ruhige Kraft. Ich mag Leute und Sachen, die nicht angeben. Ich mag Leute und Sachen, die nicht launisch sind. Und der Pazifik ist weniger launisch als der Atlantik.

Heiß, es ist heiß. Es ist heiß und einer dieser heißen Tage, an denen ich eine übergroße Lust auf kalte Cola habe. Ich komme an einem Kiosk vorbei und kaufe mir eine kalte Cola. Das mache ich allerdings nur, wenn sie die heimischen Colas haben. Die heißen dann Tu-Cola oder Big Cola oder irgendwie anders. Kein Geld nach Atlanta, was nicht hierbleiben könnte. Außerdem sind mir noch die Human-Rights-Watch-Bilder der Kinderarbeiter auf den Zuckerplantagen El Salvadors im Kopf. Coca-Cola wurde damals als Killer-Coke angeprangert. Mittlerweile werden die sich wieder ein wenig grün gewaschen haben, aber die vielen Grundübel, die von dem US-Multi ausgehen, bleiben.

Ich sehe, dass der Kiosk gleichzeitig ein Friseurladen ist und spüre im Geiste kaltes Wasser über meinen Kopf fließen. Die Friseurin bittet mich in ihren Laden und freut sich auf die allerersten blonden Haare, die sie schneiden darf. Ich winke gleich ab: Einfach nur mit der Maschine oder Abstandhalter rüber. Kahl rasieren, das soll sie mich. Auf dem Kopf. Und den Urwald an Kinn und Wangen zurechtstutzen.

Ich genieße die Behandlung. Zum ersten Mal seit 1999 oder so sitze ich wieder mal auf einem Friseurstuhl. Seither rasiere ich mir den Kopf immer selber. Und zum ersten Mal lasse ich mir mit einem Rasiermesser den Bart stutzen. So ein Messer, mit dem die Handlanger der Mafia den Handlangern der Justiz gerne mal die Kehle durchschneiden. Ich bin in El Salvador und hier gibt es eine Mafia. Ich gebe mich der Auslieferung hin und stelle mir vor, in Palermo als kleiner Dealer im Salon von Don Corleone rasiert zu werden.

Meine Mafia-Patin schäumt meinen Bart ein und schärft das Messer auf klassische Weise an einem Ledergürtel.

Diese Plastikschürze, die die Friseure einem immer umwerfen, klebt an meinen verschwitzten und schweißgesalzenen Armen, ein ekliges Gefühl. Jetzt, wo ich jeden Luftzug als Erfrischung nehmen würde, staut diese Folie meine eigene Hitze unter sich und um mich.

Aber ich vergesse dieses Gefühl, da ich meinen Kopf jetzt nach hinten lege und kühles Wasser über Stirn und Schläfen an den Ohren vorbei über den Hinterkopf rinnt. Herrlich.

Nach einer halben Stunde ist diese Wellness-Behandlung vorbei und ich kann erstmals die Leute verstehen, die gerne in diese Wohlfühltempel gehen, um sich berühren und verwöhnen zu lassen. Ich zahle eineinhalb Dollar und nehme mir vor, meine Freundin mit Wasser zu massieren, wenn ich wieder nach Hause komme. Wellness im Fitness-Studio? Alles schön. Aber wie schön ist es, das von einem Menschen zu erhalten, den man liebt? Haben die Wellness-Fans niemanden zuhause, der das kann?

Nach neunzig anstrengenden Kilometern komme ich in Zacatecoluca an, einer größeren Provinzhauptstadt. Gleich hinter dem Ortseingang finde ich ein Hotel, das damit wirbt, 24 Stunden am Tag geöffnet zu haben. Ich frage nach einem freien Zimmer und zahle acht Dollar für die Nacht. Die kalte Dusche ist herrlich: Wellness, Teil zwei für heute.

Auf Wellness, Teil drei verzichte ich dankend. Ich wohne in einem Stundenhotel, in dem man mich normalerweise mit weiblicher Begleitung erwarten würde. Da ich die nicht habe, bietet mir der Mann an der Rezeption eine Gelegenheit, das auszugleichen. Gegen Geld, versteht sich. Ich lehne dankend ab und kaufe mir dafür eine kühle Flasche Pilsener.

Am Ende ist es in Ordnung. Ich kann meine Wäsche waschen und werde heute nacht von einem Rent-a-Cop bewacht. Mit Gewehr im Anschlag mal wieder.

Ich schlafe gut, auch wenn nachts immer mal wieder irgendwelche Gestalten an meinem Fenster vorbei huschen.

Frühstück gibt es hier – wie in den meisten Hotels – keins. Also mache ich mich fertig und fahre durch die Stadt. In einem Supermarkt hole ich mir Bananen, Kuchen und einen Kaffee. Mein Rad lasse ich einfach unbewacht draußen stehen. Das mache ich immer so. Selbst hier, in El Salvador, ist das kein Problem. Draußen schaue ich auf die Karte. Ich will in die Tortuga Verde, die grüne Schildkröte. Das ist ein Hostel, das im Reiseführer als Top-Spot angepriesen wird. Auch deren Internetseite verspricht langsames Leben und einfache Dinge, die einen sauberen und grünen Lebensstil in Harmonie mit grünen Schildkröten und anderen Meerestieren ermöglichen. Na, das ist doch mal was.

Allerdings sagen Straßenkarte in der Lenkertasche und Sonne am Himmel rund 120 heiße Kilometer voraus.

Ich suche nach einer Bus-Station, um vielleicht mit dem Bus nach Usulutan zu fahren und ein wenig abzukürzen. Aber hier in Zacatecoluca verstehe ich das Bus-System nicht. Es gibt mehrere Gesellschaften, die die Routen unter sich aufgeteilt haben. Ich finde heraus: Einen Bus nach Usulutan gibt es nicht. Nur nach Santa Ana. Da war ich aber schon. Ich könnte nach San Miguel fahren, über Apastepeque. Da will ich aber nicht hin. Und natürlich nach San Salvador. Da will ich erst recht nicht hin, außerdem liegt das hinter mir und nicht vor mir. Und außerdem nehmen die Busse hier keine Fahrräder mit.

Ich setze mich auf mein Rad, pfeife auf die 120 heißen Kilometer und fahre einfach mal los. Richtung Usulutan. Würde ich gerne. Also frage ich einige Leute nach dem Weg. Einige? Ja, einige. Wenn ich hier irgendwen nach dem Weg frage, sagen sie immer “Alla, alla, recto!” (frei übersetzt: “Da so", mit einer winkenden Handbewegung, die so ausgeführt wird, dass alle Himmelsrichtungen gemeint und richtig sein könnten. “Este calle?” frage ich dann mit einem ausgestreckten Zeigefinger in irgendeine Richtung und hoffe auf ein binäres “Si” oder “No”. Meistens ist das Fehlanzeige. “Alla, alla, recto!” heißt es. Dann schalte ich mein GPS ein.

Der Vulkan begleitet mich. Den ganzen Tag. Volcan de San Miguel. Majestät mit Krone, Orientierung für mich. Seine Erscheinung ist meine Richtung. Ich wundere mich über die Spiritualität meiner Gedanken. Die Menschen, die hier vor hunderten und tausenden von Jahren lebten, lebten mit den Meeren, den Wäldern und den Vulkanen. Diese Berge mit ihrer heißen Glut hatten besondere Bedeutungen für ihre Anwohner. Erhaben, bedrohlich, zumeist friedlich, manchmal mit einer Macht vernichtend, die unergründbar, unermesslich, unverstehbar war und immer noch ist. Also lasse ich mich vom Volcan leiten.

Und vertraue auf seine wohlmeinende Sicht auf mich.

Den ganzen Tag versuche ich, eine Mitnahmegelegenheit zu finden. Manchmal stelle ich mich an die Straße, wenn da schon andere stehen und auf den Bus warten, nur um festzustellen, dass dieser große Bus rappelvoll ist und mein Fahrrad auch nicht mitnimmt. Manchmal halte ich den Daumen raus, wenn ein Pick-Up vorbeikommt, nur um festzustellen, dass die Leute keine Lust haben, andere Leute mit Fahrrad mitzunehmen. Einer hält an und sagt, dass er mich gerne mitnehmen würde, aber es nicht darf, da er ein offizielles Auto der Regierung fährt.

Ich weiß nicht, was das Thermometer sagt. Viel, glaube ich. Weit über dreißig Grad. Die Leute in Zacatecoluca sagten, dass das hier der Hitzegürtel Zentralamerikas sei. Ich glaube ihnen. Und ich fahre erstmals trocken. Kein Wasser mehr an Bord und keine Ahnung, wie weit es bis zum nächsten Ort oder Kiosk ist. Mein Durst meldet sich und in einem dieser lang gezogenen Orte an der Straße frage ich eine Frau, wo ich das nächste Wasser bekommen könnte. Sie sagt, sie könne meine Flaschen mit ihrem Wasser füllen, sie hätte gerade frisches geliefert bekommen. Ich nehme das Angebot gerne an, zahle einen Dollar und fahre weiter.

Kurz darauf erreiche ich ein Kiosk, kaufe mir ausreichend Wasser für mich und meine Flaschen und lasse mir eine frische Ananas aufschneiden. Ich muss heute so ungefähr schon sechs Liter Wasser und Cola getrunken haben und war noch nicht einmal pinkeln unterwegs. Die Sonne zieht mir die Flüssigkeit aus der Haut, ohne dass ich schweißnass wäre. Zum Glück macht mir das nicht viel aus.

Noch rund zehn Kilometer bis zur Tortuga Verde. Selbst jetzt, am späten Nachmittag, kennt die Hitze keine Gnade. Und die Landschaft auch nicht. Es geht bergauf. Ich schiebe. Ich schiebe hoch, rolle kurz runter und schiebe wieder hoch. Pausenlos. Dann kommt ein hoher Hügel. Ich schiebe. Ein Pickup überholt mich und hält vor mir. Ich bin zu sonnensediert, um mir irgendwelche Sorgen oder Hoffnungen zu machen. Ein Salvadorianer steigt aus und empfiehlt mir, mit ihm über diesen Hügel zu fahren. Er fährt nach El Cuco, also ganz in die Nähe der grünen Schildkröte. Ich weiß gar nicht mehr, ob ich mitfahren will oder selber fahren will oder einfach nur hier stehen bleiben will. Das scheint er zu merken und klappt die Heckklappe seines Autos runter. Gemeinsam heben wir mein Rad mitsamt Gepäck auf die Ladefläche, steigen in die Fahrerkabine und fahren los.

So langsam begreife ich das Ganze und bedanke mich erstmal richtig. El Salvador habe sich in den letzten Jahren gemacht, sagt Jorge, mein Namensvetter aus El Cuco. Er spricht Englisch mit mir, hat zwanzig Jahre in Maryland, USA, gelebt. Dort sei es ihm jetzt zu gefährlich, sagt er. Als Nicht-Weißer könntest Du Dir nicht mehr sicher sein in manchen Gegenden der Staaten. Und das sagt einer, der dann nach El Salvador zieht. Weil es dort sicherer scheint als in USA! Na das ist doch mal eine verkehrte Welt. Ich denke ein wenig nach und kann nachvollziehen, dass aus Jorges Sicht das durchaus ernst gemeint ist.

Kurz vor El Cuco lässt Jorge mich dann raus und ich fahre locker bergab zur Tortuga, meiner Hoffnung, meiner Tagesinspiration, meinem Ziel!

Eine übergroße Flagge El Salvadors erwartet mich am Eingang zur Hostel-Anlage und mit ihr auch der Stolz eines geschundenen und ausgebeuteten Landes. Und Tom, ein freundlicher Amerikaner mit dem Esprit der 70er Jahre, der dieses kleine Paradies hier direkt am Pazifik-Strand aufgebaut hat.

Mein Zimmer teile ich mir mit Jean, einem Franzosen mitte dreißig, der zu Fuß und per Bus durch Mittelamerika reist. Er ist ein sympathischer Zeitgenosse, ruhig und ein wenig traurig wirkend. Er mag heute nicht viel reden, wir verschieben das Kennenlernen auf morgen früh beim Frühstück.

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Mehr Bilder gibt es hier (klick)

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Fortsetzung folgt.

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#1143933 - 07/15/15 09:23 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
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Sonntag, 15.2.2015: Ruhe für den Körper, Tumulte für die Gefühle

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Noch vor dem Frühstück gehe ich zum Strand. Schwimme das erste Mal in meinem Leben im Pazifik. Kraft pur. Das, was ich gestern schon gesehen und geahnt habe, kann ich jetzt mit meinem Körper fühlen.

Als Triathlet und Ironman kann ich gut schwimmen und bin auch schon Wettkämpfe mit knapp vier Kilometern im Meer geschwommen. Nie hatte ich mir Gedanken gemacht über Strömungen, Wellen, Salzwasser. Viel gehört hatte ich schon von Leuten, denen vom Wellengang beim Schwimmen schwindlig oder schlecht wurde. Oder beides. Ich kenne das nicht.

Aber ich bin bisher auch noch nicht im Pazifik geschwommen. Hier ist ein Surferparadies. Das heißt, dass die Wellen schon recht ordentlich und kraftvoll sind. Und so gehe ich voller Respekt ins Wasser. Am Strand sind die Wellen eher klein und unscheinbar. Das ändert sich nach rund fünfzig Metern im Wasser. Jetzt werde ich zum Treibholz. Ich gehe mit den Wellen hoch und runter, schwimme den Stellen entgegen, wo sich die Wellen brechen. Die erste Welle kommt auf mich zu, die sich wahrscheinlich genau über mir überschlagen wird. Ich tauche ab. Ich höre erst das normale Gluckern, dann ein Rauschen und dann ist Ruhe. Über mir wurde es dunkel, jetzt ist es wieder hell. Ich tauche wieder auf. Wie gerne würde ich surfen und mit diesen Wellen spielen können. Die nächste Welle kommt, ich versuche, mich steif zu machen und einfach nur mit meinem Körper auf ihr zu surfen. Kläglich, der erste Versuch. Die Gischt zieht mir fast die Badehose aus. Auch der zweite und der dritte Versuch enden ähnlich. Ich versehe mich wieder auf’s Drunterdurchtauchen.

Nach einer halben Stunde lasse ich mich mit den Wellen wieder zum Strand treiben und gehe in mein Zimmer, um zu duschen. Jean, mein französischer Zimmergenosse, ist mittlerweile auch wach und wir gehen gemeinsam zum Frühstücken. Jean spricht nur wenig englisch, dafür allerdings sehr gut spanisch. Ich verstehe sehr gut spanisch und spreche sehr gut englisch. Wir einigen uns auf spanisch als Hauptsprache und ich darf hin und wieder ins Englische wechseln, wenn ich auf spanisch nicht weiterkomme. Das funktioniert gut.



Jean kommt aus Lyon und ist seit Weihnachten in Zentralamerika unterwegs. Allein, wie ich.

Seine Freundin, mit der er seit drei Jahren zusammenlebt, hat ihm gestern per Mail geschrieben, dass sie keine Perspektive mehr für eine gemeinsame Zukunft sieht und die Beziehung somit beendet. Jetzt ist mir auch klar, warum er so traurig und wortkarg ist. Und jetzt sitzt er hier mit einem Deutschen, der kein Wort französisch spricht und legt seine Gefühle auf spanisch offen. Ich weiß gar nicht wie ich reagieren soll, höre aber einfach mal zu.

Was ich verstehe, ist, dass es eine sogenannte Patchwork-Problematik ist. Jeans Freundin hat Kinder aus einer früheren Beziehung, Jean sieht sich nicht als Vater oder Vater-Ersatz. Sie fordert Entwicklung, er weiß gar nicht was damit gemeint ist. Sie fordert emotionale Resonanz, er weiß gar nicht was damit gemeint ist. Ich selbst kann mit diesen ganzen therapeutischen Begriffen sowieso nicht viel anfangen. Wenn eine Beziehung therapeutisch seziert wird, ist das meist der Anfang vom Ende.

Ich selbst kenne das mit diesen Patchwork-Beziehungen auch, bei mir hat es ebenfalls nicht funktioniert. Jean meint allerdings, dass das bei ihm gut funktionieren würde und dass diese Trennung absolut unnötig sei.

Dazu kann ich nicht viel sagen. Was mich aber wütend macht, ist die Tatsache, dass er mitten im Urlaub – aus heiterem Himmel – eine Mail erhält, die mit dutzenden verklärenden Worten irgendwelche Alibis auflistet. Ich finde so etwas feige. Ich bin für ehrliche Worte und für klare Trennungen, wenn es nicht mehr passt oder wenn die Gefühle weg sind. Aber per Mail über zehntausend Kilometer nach drei Jahren Beziehung? Und dann mit Begründungen, die der Gegenüber gar nicht versteht? Die auch noch suggerieren sollen, dass es an seiner mangelnden “Entwicklung” liegt? Klar – ich kenne die Beziehung nicht und auch Jeans Freundin nicht. Aber die Art und Weise dieser Trennung finde ich nicht in Ordnung.

Was Jean am meisten zu schaffen macht, ist die Tatsache, dass er hier keine Freunde hat, denen er sich anvertrauen kann, die ihn kennen und die mit ihm seinen Schmerz, seine Wut, seine Trauer teilen können. Das ist das Los des Weltenbummlers: Man lernt zwar überall tolle Menschen kennen, aber echte Freundschaften entwickeln sich daraus kaum. Die besten Freunde, die eigene Familie, die soziale Basis – alles ist zuhause, wo auch immer das ist. Ich weiß, dass ich Jean nie diese Rolle bieten kann. Er weiß das auch, fühlt sich aber dennoch erleichtert – allein dadurch, dass jemand zuhört und seine Gefühle und Gedanken nachvollziehen kann.

Das Leben meint es manchmal gut mit einem und manchmal nicht. Und Jeans Leben ist gerade nicht gut zu ihm. Aber er kommt am Ende klar, sagt er. Das erleichtert mich. Als Individualist, der er als Reisender nun mal ist, kann er immer wieder auf sich zurückfallen, sich immer wieder auf sich selbst und seine eigene emotionale Stabilität verlassen. Das kann ich nachvollziehen und von mir selbst auch so sagen.

Ich frage mich, wie ich in seiner Situation reagieren würde, was das mit mir machen würde. Ich weiß es nicht.

Manche Trennungen fielen mir leicht, manche schwer. Egal, ob von Frauen, Freunden, Jobs oder Möglichkeiten. Was haben sie letztlich gemacht? Mich stabiler. Und – komischerweise auch Lust auf mich selbst. Sie haben mir immer gezeigt, dass ich mich am Ende auf mich und mein Selbstwertgefühl verlassen kann. Bei aller Trauer oder aller Erleichterung war ich hinterher zwar immer allein, aber niemals einsam. Und habe immer eher die neuen Perspektiven für mich gesehen als die Verluste. Wer sagt denn, dass ein Glück immer ein Glück ist? Ein Unglück immer ein Unglück? Eine Trennung immer eine Trennung? Ein Anfang immer ein Anfang?

Ich versuche, Hermann Hesse auf englisch zu zitieren: “Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!”



Ich suche mir eine Hängematte im Schatten und genieße die Stimmung. In mir und um mich herum.

Menschen und Beziehungen. Ich glaube, es gibt nichts, was uns mehr beschäftigt als wir uns gegenseitig untereinander miteinander. Vor allem, wenn wir diese Dynamik aufbauen, die Beziehungen haben können. Dynamik heißt immer auch Energie. Diese kann einen hoch hinaus tragen und auch tief fallen lassen.

Alleine können wir nunmal nicht. Selbst der überzeugteste Globetrotter braucht Menschen, braucht den anderen, in dem er sich wiederfinden kann. Wer in eine Reise oder in die Wildnis flüchtet, kommt nicht weit. Weil er sich selbst ja immer dabei hat. Wer hingegen eine Reise oder die Wildnis sucht, um sich selbst zu deuten, hat gute Chancen, etwas Wertvolles zu finden.

Den ganzen Tag chille ich ab, wie meine Söhne sagen würden. Hier passt dieser Begriff ganz gut.

In der Tortuga-Cosmic-Cocina koche ich mir immer wieder mal einen Tee oder einen Kaffee, allesamt von Kooperativen aus Zentralamerika. Tom, der Gründer dieses Kleinods ist etwas jünger als ich und ein schwuler Amerikaner von der Westküste. Wir schwärmen von der Flowerpower-Zeit der Siebziger, die er als Kalifornier natürlich viel intensiver erlebt hat als ich. Tom lebt ein tolles Prinzip: Wenn junge Leute – egal aus welchen Teilen der Welt – hierher kommen und irgendwelche Fähigkeiten mitbringen, die hier irgendwie verwendet werden können, dann zahlt Tom Essen und Aufenthalt und lässt die Leute einfach machen. So hat die Tortuga einen Web-Auftritt durch einen jungen Kerl aus Maine, einen Kompost durch einen Wissenschaftler aus Kalifornien, eine Küche durch einen Mexikaner, der auch noch Yoga für die Gäste anbietet. Comunity at it’s best.

Tom erzählt auch von den Anfängen der Tortuga, kurz nach dem Ende des Bürgerkriegs. Was heute als Paradies durchgeht, war noch vor zehn Jahren ein einziger Improvisationskraftakt. Es gab nichts. Kein Geld, kein Material, kein Werkzeug, kaum Gäste. Aber es gab Idealismus, es gab Aufbruchstimmung. Und Nachbarn und Freunde. Das hat die Tortuga zu dem gemacht, was sie heute ist. Und Tom gibt viel von dem, was er von den El Salvadorianern bekommen hat, an sie zurück.

Am Abend, als alle Gäste weg sind, liege ich direkt am Strand in einer Hängematte und hänge meinen Gedanken nach. Sie kommen und gehen im Takt des Rauschens der Pazifikwellen. Ich schaue in den Sternenhimmel, sehe erstmals in meinem Leben einen Sternennebel. Ich erahne, warum unsere Galaxie Milchstraße heißt.

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Fortsetzung folgt.
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#1144039 - 07/16/15 11:40 AM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
Keine Ahnung
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Ein wirklich sehr schöner Bericht. Ich freue mich auf die Fortsetzung!
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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#1144050 - 07/16/15 12:07 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: Keine Ahnung]
Dombybike
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Underway in Germany

Echt toll geschriebene Berichte schmunzel Danke dafür, macht Spaß zu lesen!
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#1145785 - 07/25/15 11:17 PM Re: Centroamérica en bicicleta [Re: joeyyy]
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Besten Dank für's Lob, lese ich gern schmunzel
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