Mai 2013............. die erste portugiesische Reise ........................... von Lissabon in die Algarve beschreibt die
erste Anreise zur Via Lusitana
...............Track bei Caminaro Via Lusitana ........ Teil I von Alcoutim nach Guarda im Juni 2013 ............................Via Lusitana.....tausend&vierzig nach Santiago (Reiseberichte)September 2014...die zweite portugiesische Reise ............................ von Lissabon nach Lapa beschreibt die
zweite Anreise zur Via Lusitana
.................Track ab Coimbra bei Caminaro Via Lusitana ........ Teil II von Lapa nach Santiago de Compostela im September 2014 Oktober 2014....... die dritte portugiesische Reise ............................ beschreibt die
Rückreise von Santiago de Compostela nach Lissabon
.....................Track bei Caminaro Bevor ich losgefahren bin, habe ich hier im Forum 2012 eine Fragerunde gestartet:
Portugal, Via Algarviana und Via Lusitana (Länder) Den Rückweg von Santiago hielt ich mir offen.
Rückweg von Santiago de Compostela (Länder) Viel Vergnügen
BILD ist an allem Schuld:1975: Es muss irgendwann im Juli gewesen sein. 4 Typen hocken vor dem Schwimmbad von Biarritz auf der Strandpromenade, drehen Locken in ihre Haare und kauen auf ihren Bärten rum. Aus den offenen Autotüren der 16ps Ente mit Fliehkraftkupplung tönt aus scheppernden Lautsprechern vom Kassettenrecorder die Musik von King Crimson und Yes. Die Sonne scheint, und wir bekommen irgendwie die
BILD in die Finger. In großen Lettern wird gewarnt, Portugal zu besuchen. Die Linken seien zwischen halb-links und ganz-links tief zerstritten. Sie würden das Land ausplündern. Die Bürgerlichen verlassen reihenweise Portugal. Es sei gefährlich, dorthin zu reisen. Die NATO steht kopf.
"Fahr'n mer jetzt, oder heut Nachmittag?" Die Frage war schnell geklärt. Wir gaben Stoff Richtung Südwest, während wir darüber diskutierten, welche Farbe die Welt haben müsse. 1974 fand in Portugal die
Nelkenrevolution statt. Estado Novo und die faschistische Diktatur von Salazar und Caetano waren Geschichte. Es war sehr bürokratisch, über die Braun-Rote Grenze von Spanien nach Portugal zu kommen. Es war schwierig, den weiteren Weg zu finden, denn ausnahmslos alle Straßenschilder waren übermalt. Irgendwie landen wir mitten in Lissabon auf einer Großdemonstration mit tausenden Menschen aus den ehemaligen Kolonien Angola, Portugiesisch-Guinea und Mocambique. Aufbruchstimmung. Party. Nach den Fahnen zu urteilen, ist die Farbe der Welt ein klares Rot, abgetönt im Rauch der Joints. So etwas habe ich nie wieder gesehen.
Zu den Klängen vom
Tankerkönig fahren wir jodelnd weiter in die Algarve und landen in Lagos. Es war meine allererste Reise nach Portugal. 5 weitere sollten bis 1981 noch folgen.
2012: Meine Begeisterung für Portugal und die Herzlichkeit der Menschen hat nie nachgelassen. Folglich musste ich einmal mit dem Fahrrad in die westliche Algarve. Ich wollte zurück an die Orte meiner fröhlichen Studentenzeit. Gleichzeitig bin ich ein wenig angefixt von den Berichten derer, die mit dem Rad nach Santiago fahren. Durch Zufall entdecke ich das Buch von Herrmann Hass über die Via Lusitana. Ich habe also nichts besseres zu tun, als die aufgeführten Orte als Track für das Navi zu verbinden. Die zu fahrende Strecke von Lissabon nach Santiago de Compostela war geboren. Es sollte meine erste Flugreise mit einem Fahrrad im Gepäck sein.
Die erste portugiesische Reise: ....................................................Lissabon . Sagres. Lagos . Silves . Alcoutim
Track bei Caminaro....................................................20.Mai 2013 - 03. Juni 2013
Den Flug von Düsseldorf nach Lissabon buchte ich bei der TAP für 88,12 Euro. Das Fahrrad kostet 35,- Euro (heute 50,-) und muss nicht verpackt werden. Die Abfertigung klappte ganz hervorragend und meine Alpträume lösen sich in Luft auf, als in Lissabon das Rad und mein Gepäcksack übers Gepäckband rollen. Beim Starten des Navi stelle ich fest, dass ich die Kacheln der Garmin Karte von Lissabon nicht übertragen habe. Die TOPO Lusitana sollte aber ausreichen.
Mit Schwung radle ich los. Auf einer Verkehrsinsel kommen mir zwei Stewardessen entgegen. Während ich zwischen ihren blauen und braunen Augen einen Weg links oder rechts vorbei suche, knallt ein Poller an meine rechte Vorderradtasche. Ich finde mich auf dem Asphalt vor den beiden Hübschen wieder. Nix passiert! Schade. Mit dummem Gesicht schau ich mir die beiden noch mal aus der Froschperspektive an.
Auf der weiteren Fahrt zum Hotel lerne ich das erste Mal die rücksichtsvolle Fahrweise der Portugiesen kennen. Sie fahren mit Handzeichen, Augenkontakt und freundlichen Gesten im Miteinander von Bussen, Taxen und Straßenbahnen. Nur einmal auf der ganzen Reise hat ein bekloppter Audifahrer versucht, den Abstand vom rechten Außenspiegel zu meinem linken Ellenbogen möglichst klein zu halten. Das war auf einer breiten Landstraße irgendwo im Alentejo ohne Gegenverkehr.
Im Hotel
Pouso dos Anjos gibt es einen kleinen Innenhof im 1.OG fürs Rad und im 2. OG eine Terrasse fürs Wohlbefinden. Außerdem liegt das Hotel so, dass Du ohne große Steigungen über spiegelndes Kopfsteinpflaster dort hinkommst. Mit staunenden Augen schlendere ich durch die Stadt, genieße die Leichtigkeit und freu mich auf eine spannende Reise. Auch den zweiten Tag verbringe ich noch in Lissabon. Es gibt viel zu schauen, und dieser morbide Charme des Unperfekten nimmt mich in meiner naiven Unbedarftheit am Anfang der Reise gefangen. Mit der
Straßenbahn fahre ich durch die unterschiedlich geprägten Stadtteile und werde zu einem Mojito und einer üppigen Platte verschiedenster Meeresfrüchte mit dem notwendigen Werkzeug eingeladen.
Dass
THE SEXIEST WC ON EARTH wesentlich farbiger als diese grau-gelb-blasse Stadt ist, sollte ich erst später erfahren.
Lissabon . Pedreiras . Setubal 56 km mit 700 HM in dieser flachen Gegend machen mich groggy, und ich frage mich, warum die Portugiesen ihre Strassen mit 11% Steigungen bauen müssen. Könnte man nicht……….? Nein! Sie können nicht, und sie wollen nicht.
Aber die Strecke ist wunderbar. Erst mit der Fähre über den Tejo, vorbei am besten Fischrestaurant der Stadt in Cacilhas zur
Jesusstatue. Ein Rennradler hält mich an, wünscht mir "Bom Caminho" und wir kommen ins Gespräch. Das war schön. Das war selten. Die Sorge, dass die N10 schlecht zu fahren sei, ist unnötig. Sie hat einen breiten und sicheren Seitenstreifen. Auf der N378 Richtung Pedreiras und der Schotterstrasse durch den Parque Natural Da Arrábida fühle ich mich allerdings ersichtlich wohler, auch wenn es vor der Küste auf der N 379-1 richtig hoch geht. Der Ausblick auf die grüne Küste mit ihren kleinen Buchten ist fantastisch, und die Papageienfraktion schaut leicht verdattert, als ich ihnen auf der Abfahrt grüßend entgegen komme. Der Campingplatz vor Setubal hat einen hammerharten Boden, widerliche Sanitäranlagen und freundliche Pächter im Restaurant.
Setubal . Arzinhal . Santiago Do Cacem Beim Warten auf die Fähre nach Troia erzählt mir ein älterer Herr, dass die Zeit der extremen Linken und der extremen Rechten vorbei sei.
"Nur noch die Sonne in der Mitte des Herzens ist wichtig." Ein schönes Bild. Eine sehr fragwürdige Einstellung zur Realität. Portugal hat seine Vergangenheit nicht wirklich aufgearbeitet. Die alten Strukturen und Verbindungen sind präsent und die Machtelite steht immer noch sehr weit rechts.
Nun gut. Ich bin gespannt auf den Weg nach Santiago Do Cacem. Die Strecke wurde mir als Alternative zur Küstenstrecke über den Lagoa de Santo André nach Sines empfohlen. Die N261 ist aber eng und voller Verkehr. Ich fand das bergauf nicht nett. Nett war das französische Pärchen, das auf dem Weg Richtung Porto nach Saint-Nazaire war, um von dort der Eurovelo 6 nach Budapest zu folgen.
S.d.C. bietet von der Burg einen weiten Blick zur Küste.
Santiago Do Cacem . Vila Nova de Milfontes . Almograve Wäre ich besser mal an der Küste geblieben. Der vorgeschlagene Track führt auf der N261-3 schnurstracks auf die Autobahn und bietet dem Radreisenden keine sichtbare Möglichkeit, eine andere Straße zu benutzen. Die zweite Ausfahrt ist die meine.
Nach verschlungenen Wegen durch Raffinerieanlagen erreiche ich im Küstennebel einen riesigen Kreisverkehr mit separaten Abbiegespuren. Außer mir ist in dem Kreisel für 10 Fahrspuren kein anderer Verkehrsteilnehmer. Es war nicht der einzige Irrsinn, den ich gesehen habe. Die Hürden, um Europäische Zuschüsse für die fragwürdigsten Projekte zu bekommen, sind scheinbar niedrig. Sehr niedrig!
Wie sagte mir 1979 ein ehemaliger Berliner Aussteiger:
"Weißt Du Jürgen, wenn Portugal in die EWG eintritt, dann eröffne ich hier ein Beratungsbüro für die Bauern." Aus seiner kleinen Hütte heraus hatte er sich relativ schnell eine Rinderzucht nahe Odemira aufgebaut. Brasilianische Landarbeiter und der Bürgermeister waren ihm, auch bei anderen Subventions- und Grundstücksgeschäften eine große Hilfe.
"Steuern zahlen? Warum? Zahlt doch keiner hier."Endlich bin ich an der Westküste. So langsam verzieht sich der Nebel, und ich atme tief die salzhaltige Luft ein. Die kleine Strasse mit dem alten Asphalt kommt mir bekannt vor. Irgendwo hier bin ich mal mitten in der Nacht mit der 75/5 auf einen Acker geraten. Heute brennt der Lorenz mit 41°. Die Gegend ist flach und Porto Covo ein nettes Dorf. Das meint auch ein argentinisches Ehepaar aus Patagonien. Die beiden sind auf Radreise von Faro nach Porto. Sie freut sich, dass sie 7 Gänge mehr am Rad hat. Ich entschuldige mich für meine läppischen 14 Gänge mit den Worten: " Sorry Ma'am, I'm a poor man."
Nach ausgiebigem Gequatsche gibt es mittags die ersten Sardinen der Tour in Vila Nova de Milfontes. Dafür bin ich hier. Gegrillter Fisch und ein kaltes Bier im Schatten. Dafür komme ich gerne wieder hierhin.
Der Strand bei Almograve ist neu für mich. Er ist wunderschön bei Ebbe. Die Sonne versinkt im Meer. Muschelsucher krabbeln zwischen den Felsen rum. Herrlich. Bei der Restaurantauswahl hatte ich Pech. Die Jugendherberge war ausgezeichnet.
Almograve . Aljezur . Monte Clerigo - heute Abend spielt Bayern gegen Dortmund um die Krone des Fußballs im Wembley Stadion
- heute möchte ich an den schönsten Strand der Welt und zu Maria & Joseph
- heute fahre ich ein ganz arg trauriges Gefühl spazieren
Von Almograve fahre ich direkt nach Zambujeira und über die N120 Richtung Odeceixe. Am Ribeira de Seixe quere ich die Grenze vom Alentejo zur Algarve und komme mit 32kg Gepäck und Wasser beim nächsten Anstieg mal wieder an meine Schmerzgrenze. Doch es macht mir nichts aus. Irgendwann taucht das Hinweisschild auf, dass es noch 10 km bis Aljezur sind. Ich erinnere mich an ewige Fahrten auf
der alten 75/5, das Ankommen in verschiedenen Enten und diesem Gefühl, endlich angekommen zu sein. Den letzten Hügel vor Monte Clerigo hatte ich mit seinem Anstieg jedoch leichter in Erinnerung.
Die kleine weiße Kapelle oben vorm Strand leuchtet noch immer.
Endlich schaue ich wieder auf die schönste aller Buchten.
Ich sitze auf der Steinmauer, schaue auf Monte Clerigo und heule Rotz und Wasser. Vor einer Woche habe ich erfahren, dass ein alter Freund den Kampf gegen den Krebs nicht gewinnen kann. Die Ärzte geben ihm noch 10 Monate mit Chemotherapie. Werden wir uns noch einmal sehen? Die Erinnerungen tun verdammt weh. Gleichzeitig habe ich das Bedürfnis ihm noch etwas von diesem Ort unserer gemeinsamen Freude zu erzählen. Ich spreche ihm auf den AB. Es fällt mir schwer. Später schreibe ich noch eine Postkarte. Frank starb im Frühjahr 2014. "Lieber Frank, wir hatten viele schöne Jahre miteinander. Es war eine supergeile Zeit. Vielen Dank für Deine Freundschaft. I Wish You Were Here." Stunden später rolle ich vor die Strandbude von Maria & Joseph, deren Rechnungen wir damals selber schreiben durften. Beide konnten nicht rechnen und das Addieren von unserem Verzehr war zuviel für sie. Beide sind schon lange tot, doch ihre Tochter lebt. Sie und ihre Tochter heißen Maria. Mama Maria vermietet sehr angenehme Zimmer.
Wie in jeder Portugiesischen Kneipe, wie in jedem Restaurant gibt es auch hier einen Fernseher. Bei Fisch, Wein und einem ordentlichen Münchener Weißbier bin ich aber fast der einzige, der sich für das Endspiel der CL interessiert. Es sollte nicht die einzige Niederlage der Dortmunder in den nächsten 8 Tagen bleiben.
Den folgenden Tag verbringe ich mit Wäsche waschen, rumtrödeln und Spaziergängen auf Holzwegen, die zwar ins Nichts führen, aber von der EU finanziert wurden. So gibt es mal wieder neue Naturschutzgebiete. Die Kamera klickt unaufhörlich. Der Himmel ist so blau wie damals, das Wasser immer noch eiskalt und wegen der heftigen Unterströmungen zum Schwimmen auch viel zu gefährlich. Man braucht übrigens 16 kräftige Jungs, einen sehr guten Schwimmer mit Rettungsring, Geduld und ein langes Tau, um jemanden von da draußen an Land zu ziehen.
Ob vielleicht manchmal jemand im Sommer vor seinem Zelt in den Dünen hockt und im Kreis seiner Freunde frisch geschlachtete Kaninchen grillt?
Monte Clerigo . Carrapateira - heute möchte ich an einen anderen schönsten Strand der Welt
- heute Abend ist wieder Kampfgeist angesagt.
Etwas wehmütig fahre ich los und kurve ins Vale da Telha. Angeblich hat der genannte Berliner Austeiger auf der ehemaligen Piste von Aljezur nach Monchique eine reiche Frau im dicken Auto getroffen, die am Strand von Arifana einen Hotelkomplex und einen Yachthafen bauen wollte. Ob die Story stimmt? Ich weiß es nicht. Doch es gibt eine von diesen unsäglich zusammengewürfelten Ferienhaussiedlungen, die überall an der Küste entstanden sind. Grausam. Also zurück auf die N120 bis Valinhos und weiter auf der N268 Richtung Sagres. Die durchschnittliche Steigung hier an der Küste beträgt 10m/km. Das ändert sich erst später.
Den nächsten Holzweg erreiche ich in Carrapateira. Der Weg ist neu, der Strand ein Traum. Immer noch! Ein einsamer blauer Bulli steht auf dem großen Parkplatz, wo im Sommer die Surfer in Mengen parken und leben. Ich komme mit den Karlsruhern ins Gespräch, bekomme Kaffe, und irgendwann baue ich mein Zelt in den Dünen auf. Wir wollen zusammen essen gehen. Ein Professor aus Lissabon wird auch kommen. Es war sehr entspannend am Strand. Der Abend verlief herzlich, das Essen war schon sehr empfehlenswert, und ich erfuhr so einiges über die augenblickliche wirtschaftliche Situation im Land. Nicht nur die Zockermentalität der Banken hat nach 2008 für das wirtschaftliche Chaos im Land gesorgt. Nach Einführung des Euro sind die Zinsen von 10% und mehr auf Rekordtiefs gefallen. Der
Escudo konnte nicht mehr abgewertet werden. Das Geld lag quasi auf der Strasse. Die offenen Rechnungen für den gebauten Irrsinn werden jetzt bezahlt. Sein Professorengehalt sank von 3.500,- Euro auf 1500,- Euro. Damit ist ein Leben in Lissabon kaum mehr möglich. Dass die andauernde Korruption und Steuervermeidung im Land die Lage nicht verbessert, scheinen die Verantwortlichen nur langsam zu begreifen.
Den abschließenden Kaffee tranken wir gegen 22:00 Uhr am Bus in neuer Begleitung.
Nein, ich meine mit neuer Begleitung nicht die neu angekommenen Surfer. Ich meine den Fuchs. Dass sich ein Fuchs so furchtlos präsentiert, hätte ich nicht gedacht. Er schleicht um des Bus, schnüffelt am Fahrrad rum und ist nicht zu bewegen, sich zu verziehen.
"Das kann ja ne lustige Nacht im Zelt werden", denke ich mir, räume alles ins Zelt und krabble mit einem angstvollen Gefühl im Bauch in den Schlafsack. Es ist ruhig. Zudem wurde mir versichert, dass der Fuchs zahm sei. Er lebe von den Lebensmittelabfällen der Surfer.
Nettes Kerlchen, mag man meinen!
Alles bleibt ruhig, der Wind lässt das Außenzelt leicht flattern, die Augen werden schwer, und ich schlafe ein.
23:30 UhrEs raschelt. Der Wind? Das Zelt? Nein! Es raschelt anders, eher tierisch, animalisch. Ein Schatten, ein Krabbeln, funkelnde Augen im Schein der Stirnlampe in der Apsis vom Zelt.
Trillerpfeife und in die Hände klatschen. Der Fuchs ist weg.
Denkste!
Er springt aufs Zelt. Er springt noch mal aufs Zelt. Dreimal, viermal. Die Trillerpfeife antwortet, die Hände klatschen. Ruhe. Ich lege mich genau in die Mitte vom Zelt. Eingerollt, klein, angstvoll!
Ich döse wieder ein.
"Der will spielen, der verteidigt sein Revier, der hat Junge", was weiß ich.
01:30 Uhr Die Sau ist zurück. Sind es zwei? Ist das jetzt die versammelte Familie? Ich weiß es nicht. Wieder Sprünge aufs Außenzelt. Trillerpfeife und ein fester Schlag mir der Hand auf den Boden. Die Sau kommt wieder in die Apsis. Die Schnauze vom Fuchs stößt ans Innenzelt. Ich schlage mit dem Schlüsselbund in die Richtung. Wieder herrscht diese trügerische Ruhe! Er kommt noch einmal zurück, springt aufs Zelt. Ich schlage zurück und wieder ist er weg.
30 Minuten Ruhe, 30 ewige Minuten zusammengekauert in der Mitte vom HubbaHubba.
Ich döse wieder ein. Irgendwann muss doch Schluss sein. Bitte!
Grossangriff!Es wird plötzlich sehr laut, zu laut, zu nah. Ist es das ganze Vieh? Ist es nur sein Schatten? Plötzlich hockt dieser Fuchs auf dem Innenzelt. Ich schreie, Panik-Attacke.
Mit dem 3-fach Akku der Stirnlampe schlage ich nach oben. Feste. Gnadenlos. Der Fuchs ist weg. Ich sehe einen Riss im Innenzelt, bekomme plötzlich richtig Angst. "So überstehst Du diese Nacht niemals." Sie ist noch so lang. Ich hocke mittlerweile angezogen auf der Isomatte und mach mich klein. Ganz klein,
Garbhasana. 02:30 UhrWieder rascheln. Ich haue mit der Hand auf den Boden, zerschlage dabei meine schöne Brille. Der Fuchs ist wieder weg. Meine Angst bleibt. Wohin soll ich mitten in der Nacht? Erinnerungen an den
Kampf von Pi mit dem Tiger im Rettungsboot werden wach. Das will ich nicht. Nein, ich habe keine Lust, mit dem Fuchs um mein Innenzelt zu streiten.
"Zeltbruch mit Fuchs" könnte vielleicht eine mögliche Geschichte wert sein.
Erst mal weg hier. Ich packe alles zusammen in die 4 Taschen, ziehe die festen Schuhe schon im Zelt an und schleppe alles auf den Holzsteg nebenan. Hier fühle ich mich im Mondlicht sicherer.
Ich hole das Rad, baue das Zelt ab, stelle alles auf den Holzsteg und werde langsam ruhiger, während ich die Gegend absuche. Keine funkelnden Augen mehr zu sehen. Das Rad ist irgendwann beladen.
03:00 UhrIch halte das Faltschloss fest in der rechten Hand und gehe mit dem Terra zum Parkplatz. Da ist es wieder, dieses mörderische Funkeln. Das Vieh lässt mich nicht in Ruhe. Ich habe verloren, gebe auf und fahr weg. Er hinterher. 200 Meter weiter sehe ich ihn nicht mehr. Wohin jetzt? Ein Hund schlägt an. Auf der Hauptstrasse setze ich mich auf den Fußweg, rauche eine Kippe und bleibe einfach auf meiner Bastmatte sitzen.
Da zeltest Du nach Jahren mal wieder wild am Strand und erlebst so eine Scheisze. Das ist ungerecht!
Die Zigaretten werden knapp. Um 06:00 Uhr radle ich ins Dorf. Doch die Bar öffnet erst um 09:00 Uhr. Zurück zum Fuchs! Von den Karlsruhern bekomme ich Kaffee und Zigaretten.
Carrapateira . Sagres Wir frühstücken bis 11:00 Uhr im Dorf. Es ist eine nette Truppe mit mittlerweile 7 Leuten. So ist das hier im Westen.
Die Fahrt nach Sagres ist unspektakulär. Einen der Geheimtipps für den
einsamsten der allerschönsten Strände lasse ich rechts liegen. Ich bin einfach nur müde und nehme mir ein Zimmer mit Blick auf den Atlantik. Am nächsten Tag bleibe ich hier, fahre zum Cabo de São Vicente, lasse mir die Luft um die Ohren wehen, esse eine der letzten Bratwürste vor Amerika und erkunde in Sagres noch den Fischereihafen. Von Wohnmobilplätzen halte ich mich ab heute fern. Ich mag diese frische Seeluft. Ich liebe dieses Blau.
Sagres . Salema . Lagos In Sagres beginnen zwei touristisch erschlossene Wege Richtung Faro. Die
Via Algarviana ist ein Wanderweg durch das Hinterland der Algarve bis Alcoutim. Über die Strecke gibt es einen Wanderführer, in dem die Autorin pauschal behauptet, dass der Weg auch für Radfahrer fahrbar sei. Doch von Tragestrecken durch Wasserläufe halte ich so gar nichts. Das was ich von dem Weg auf meiner weiteren Tour gesehen habe, ist für Reiseradler meines Erachtens auch wenig geeignet. Arnulf mag da vielleicht anderer Meinung sein
Dann gibt es die
Ecovia, ein Radweg entlang der Küste. Diesem werde ich bis Lagos folgen und erfahren, was es bedeutet, 20% auf losem Schotter zu schieben.
Über Vila Do Bispo geht’s nach Salema zum letzten der der schönsten Strände der Welt.
Genial. Der Wind bläst immer noch von Norden Richtung Meer. Windgeschützt stehen in der Bucht ein paar Busse. Die Aussteiger liegen noch in den Federn.
An alle, die dort hinwollen: Bleibt auf der Strasse. Der Radweg ist hinter Salema sausteil und gefährlich. Das gilt auch für die Teilstrecke zwischen dem Strand und Burgau. Die Warnhinweise in den OpenFietsMaps sind ernst zu nehmen.
Wunderschön ist es dort aber allemal:
. Lagos - Ich brauche eine neue Brille
- Ich muss zum Friseur
- Ich bin zuhause angekommen
Ich sitze in diesem Cafe, wo ich schon damals immer saß und stundenlang auf meine ehemalige SuL wartete, nachdem sie den Autoschlüssel auf dem CP in diesem französischen Klo versenkt hatte.
Stundenlang konnte ich hier frühstücken, mit Freunden palavern, sitzen, sinnen und Pläne für den Tag schmieden. Kennt ihr solche Plätze? Kennt ihr das Gefühl, irgendwo anzukommen und sich zu Hause zu fühlen? Hier ist solch ein Platz. Es gibt in meinem Herzen nur wenige davon. Auch wenn das Lagos der siebziger kaum noch zu erkennen ist, übt die Stadt immer noch einen großen Reiz auf mich aus. Sie ist voller Leben und nicht ganz so arg verschanduliert wie die Orte zwischen Lagos und Faro.
Die Gleitsichtgläser setzt der Optiker in ein neues Gestell. Der Friseur hat sein Handwerk ordentlich gelernt, und in dem Postgebäude muss man keine drei Stunden mehr auf ein Ferngespräch nach Deutschland warten. Das kleine Altstadthotel ist zuckersüß. Gute Bedingungen für einen Ruhetag.
Die 4 Holzkisten beinhalten weder Leichen noch Gebeine. Das Kreuz der Christusritter auf den Sklavengaleeren, die 400 Jahre mit dem Segen des Papstes Schwarzafrikaner nach Portugal und in alle Welt transportierten, ist auch nicht zu sehen. An der Stelle des ehemaligen
Sklavenmarktes befindet sich heute ein Museum, in dem meines Erachtens nur sehr dezent auf die unrühmliche Vergangenheit hingewiesen wird. Es darf in dem Zusammenhang keinen wundern, dass die Verschiffung aus Afrika von der ehemaligen Hauptstadt Nigerias aus organisiert wurde. Sie heißt Lagos.
Lagos . Portimao . Silves Ich verlasse die Küste, da ich den Teil bis Faro kenne und keine Lust habe, mich auf Golfplätzen zu verirren, aus denen es kein Entkommen gibt.
Hinter Portimao wird es heiß und bei 40° erreiche ich Silves. Die kleine Stadt am Rio Arade ist Heimat tausender Störche und liegt inmitten großer Orangenplantagen. Ich drehe ein paar Runden im Hotelpool, sitze auf alten Brooks Sätteln nahe der maurischen Burg, bekomme eiskalten Orangensaft in einem zauberhaften Cafe und lausche portugiesischen Gedichten unter schattenspendenden Arkaden. Die alte Frau spricht weniger, eher singt sie ihre Gedichte. Ich verstehe das Wort Lisboa, höre ihr Herz sprechen und vernehme aus dem Klang ihrer Stimme eine große Liebe oder Sehnsucht zur Haupstadt. Das ist ein sehr ergreifender Moment an diesem Tag. Ich muss noch oft an diese Begegnung denken.
Am Abend freue ich mich riesig auf der Dachterrasse eines irischen Pub über das verdiente Tripple des besten Trainers der Welt. Radfahrerherz, was willst Du mehr?
Silves . Alte . Salir ............Willkommen im Süden! Willkommen im Sommer!So langsam hab ich in diesen wunderschönen Hügeln bei 47° in der Sonne die Faxen von der Berg- und Talfahrt dicke. Es ist nicht wirklich steil, doch Du musst immer wieder runter zu den Flüssen und über den nächsten Buckel runter zum nächsten Bach. In Alte entschließe ich mich, Zelt & Co bald nach Hause zu schicken. Campingplätze gibt es sowieso nur noch selten auf der weiteren Strecke nach Santiago. In Salir ist eine Pension oben am Castello in der Garmin Karte eingetragen. Es gibt zwar 14% aber keine Pension. Dafür erhalte ich einen schönen Ausblick. Die Pension liegt an der Hauptstrasse neben dem Restaurant. Das Zimmer kostet unverschämte 30,- Euro ohne Frühstück. Im Restaurant erzählt mir ein Portugiese beim gemeinsamen Abendessen, wie er 1952 in Leipzig gearbeitet hat. Er wanderte nach Australien aus.
Salir . Cachopo . Martinlongo . Alcoutim ............Sie haben ihr Ziel erreichtAuf der N124 fühle ich mich mittlerweile wohl. Es gibt kaum Verkehr, die maximale Steigung beträgt 8%, und es gibt genügend Bars und Tankstellen auf dem Weg durch die Waldbrandgebiete der nördlichen Ostalgarve. Brunnen mit frischem Wasser sind ebenfalls genügend vorhanden.
Bereits um 08:00 Uhr sitze ich auf dem Rad, belagere schnell die erste Bar und frühstücke ein zweites Mal in Barranco Velho. Dabei fallen mir immer wieder
Hinweisschilder auf die
Via Algarviana auf. Sie führt durch verbranntes Land und folgt geschottert wirklich jeder Kuppe. Ich bleibe deshalb auf der Straße, die mich mit reichlich Schatten hoch zu den Windrädern führt. In der Mittagshitze ergattere ich ein herrliches Mahl in einer Straßenkneipe in Cachopo. Meinen Beinen geht’s gut und ich entscheide mich, doch noch nach Alcoutim zu radeln, um meine erste portugiesische Reise heute erfolgreich abzuschließen.
Dabei überquere ich mal wieder eine der leeren Autobahnen, staune über die Störche in Martinlongo und sehe eine der Pisten, die ich zunächst fahren wollte. Es ist wie es ist. Alle Wege, die auf der Marco Polo Karte als schwarze Linien eingetragen sind, vergisst Du besser und bleibst auf den asphaltierten Straßen. Portugal ist nicht der Böhmerwald. In Alcoutim erwartet mich ein Luxushotel mit Pool für 25,- Euro. Verdientermaßen kann ich mit Blick auf die spanische Grenze meinen Füßen nach 1000 hm etwas Ruhe gönnen.
........ Ruhetag in Alcoutim oder tausendundvierzig nach SantiagoIch bin am Startpunkt meines Weges nach Santiago de Compostela angekommen. Ab heute bin ich ein Pilger …………………………………………
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Link zum separaten Reisebericht:
Via Lusitana.....tausend&vierzig nach Santiago (Reiseberichte)---------------------------------------------------------------------------------------------------------
Hier im Faden folgt die Fortsetzung mit der zweiten portugiesischen Reise………….
Bis bald
Jürgen, der sich wünscht, dass dieses Kuddelmuddel nicht zu kompliziert zu verstehen ist