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#795835 - 01/30/12 11:59 AM
Re: Marokko - Berber, Berge, Wüste, Werte
[Re: joeyyy]
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Ich habe die Idee, dass wir uns vorbereiten müssen auf eine Migrationsbewegung in den nächsten Jahrzehnten, die etwas von der Goten-Wanderung haben wird. Und da werden wir gezwungen werden, unsere Kulturen zu durchmischen.
Das sehe ich etwas anders. Europa ist derzeit sehr reich und kann sich aufgrund der Finanzen viel mehr Leisten als andere Länder. Diese Finanzmittel werden durch eine Wissensgesellschaft und die Firmen, die dieses Wissen umsetzen erwirtschaftet. Ohne diese Finanzüberkapazitäten funktioniert unser derzeitiges Europa nicht. Vielen ist z.B. nicht bewusst, das Deutschland und viel andere Länder hier sich nicht mal selbst richtig ernähren könnte, wenn nicht massiv mit Düngemittel und Futtermitteleinkauf aus dem Ausland nachgeholfen würde. Europa ist bereits jetzt überbevölkert. Ein durch die Klimaerwärmung verdorrtes Südeuropa und überflutete Niederlande machen die Sache nicht besser. Zuwanderung ist vor diesem Hintergrund nur dann sinnvoll, wenn die Wissensgesellschaft in der heutigen Weise erhalten werden kann. Das bedeutet qualifizierte Zuwanderung und auch nur dann, wenn diese Zuwanderer überhaupt benötigt werden. Das ist heute so wie in Zukunft. Unkontrollierte Masseneinwanderung wird Europa so zerstören, das es für niemanden mehr attraktiv ist. Ich stehe deshalb auch voll auch zu Frontex und halte derzeit Frontex für weniger naiv, als die Annahme einer friedlichen Vermischung der Kulturen, die bereits heute bei unserem hohen Wohlstand nicht funktioniert. Was die Zukunft in 50 Jahren bringen wird ist mit derart vielen Unsicherheiten behaftet, das sich eine Betrachtung für mich kaum lohnt. Die nächsten 5 Jahre zu überblicken ist schon schwer genug. Vielleicht entwickelt sich in Europa ein friedlicher und toleranter "Euroislam", der Zuwanderung aus Nordafrika und die Eingliederung der Zuwanderung erleichtert. Vielleicht entwickelt sich Nordafrika auch so positiv, das Auswandern eh nicht mehr nötig wird. Es könnte sogar sein, das die Deutschen wieder mehr Kinder bekommen. Träumen ist erlaubt, aber für absehbare Zeit setze ich auf Frontex.
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#796052 - 01/30/12 10:11 PM
Re: Marokko - Berber, Berge, Wüste, Werte
[Re: HyS]
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Lieber Henning, lieber Gerold und die beiden Jörgs. Ich lese hier mit großem Interesse mit und obwohl Ihr hier mit viel Vorsicht argumentiert und begründet beschleicht mich eine gewisse Furcht vor einem möglichen Mißverstehen des Diskussionsverlaufes. - Wir reisen alle mehr oder weniger, manchmal mit mehr oder weniger Vorsicht und Achtung, in Gegenden mit anderer Kultur deren Werte wir nicht teilen müssen oder können aber zumindest tolerieren sollten. - Migration und Globalisierung sind zusammenhängende gesellschaftliche Fakten. Die Verlierer migrieren, die Sieger reisen. -Den Begriff der "Verwässerung" und "Durchmissung" finde ich sehr problematisch. Ich wohne in Berlin Neukölln, kein wirklicher Vorzeigekiez, mit großem Bevölkerungsanteil mit "Migrationshintergrund" ich stamme aus dem Ruhrgebiet und habe das hier gewählt, weil es mich an zu Hause erinnert. Ich bin kein Sozialromantiker und sehe auch das ein Zusammenleben verschiedener Kulturen und Wertesysteme oft nur ein Nebeneinanderleben ist. Aber es ist ein großer Fehler zu glauben und zu fordern das Integration nur von den Zuwanderern ausgehen muß. Wir leben in einer Einwanderungsgesellschaft und werden das nur zusammen hinbekommen. Jeder Zwang der aus Angst entsteht wird zu Gewalt führen. Wir müssen weg kommen von den Kategorien "Die" und "Wir". - Frontex ist ein sehr fragwürdiger Verein und kostet jedes Jahr viele Menschen das Leben. klick Gruß, Peter
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#796061 - 01/30/12 10:42 PM
Re: Marokko - Berber, Berge, Wüste, Werte
[Re: pottkind]
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Hallo, - Frontex ist ein sehr fragwürdiger Verein und kostet jedes Jahr viele Menschen das Leben. Frontex kosten kein einziges Menschenleben, aber wer auf unverantwortliche Weise als Schlepper agiert, der hat welche auf dem Gewissen. Wer Einwanderung auf illegale Weise duldet, der lockt weitere Einwanderer an, die ebenfalls auf diese Weise auswandern und dabei umkommen können. Frontex verhindert einen ungeregelten Massenansturm und das ist gut so. Aber es ist ein großer Fehler zu glauben und zu fordern das Integration nur von den Zuwanderern ausgehen muß. Integration kann nur beidseitig erfolgen. Von Zuwanderern erwarte ich allerdings, das sie sich in die Gesellschaft einfügen und nicht diese infragestellen. Aufgabe eines Einwanderungslandes ist es, die am besten passenden Einwanderer zu finden und einwandern zu lassen, so wie das Australien, Kanada, die USA und andere erfolgreiche Einwanderungslänger auch machen.
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#796126 - 01/31/12 09:03 AM
Re: Marokko - Berber, Berge, Wüste, Werte
[Re: pottkind]
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- Wir reisen alle mehr oder weniger, manchmal mit mehr oder weniger Vorsicht und Achtung, in Gegenden mit anderer Kultur deren Werte wir nicht teilen müssen oder können aber zumindest tolerieren sollten. Genau so ist es - ich teile die Werte (meist) nicht "toleriere" bzw. achte sie aber wenn ich dort radle oder reise, weil ich ja der Gast bin (kurze Radhosen in Marokko sind übrigens nirgendwo das Problem, wenn das Rad in der Nähe ist - nur weil das da angesprochen wurde. Auffallen wird man nur, wenn man in "normalen" kurzen Hosen herumspaziert (und da natürlich auch nicht zB in Agadir). Wenn sich jemand hier beklagt zB als Kopftuchträgerin schlechtere Job-Chancen zu haben - nona, wenn man auf das Tragen eines Dirndls besteht wird man vielleicht auch nicht als Schalterbeamtin in einer Bank in Marrakesch angestellt (um es jetzt einmal blöd und plakativ auszudrücken). Ja wir leben ein einer Einwanderungsgesellschaft und sollten uns die Einwanderer (so wie Australien, Neuseeland etc.) aussuchen. Unangenehmer Nebeneffekt wenn das nicht passiert ist nämlich der Umstand, dass die Massenzuwanderung ungelernter Arbeitskräfte den einheimischen White trash zusätzlich unter Druck setzt, was sich in stets sinkender Lohnquote für underdog-jobs und in weiterer Folge in Wahlerfolgen für Parteien niederschlägt, deren einzige Thema die Ausländerfrage ist (FPÖ, wahre Finnen oder Schweden, Vlaams Block, Front National und wie sie alle heißen). Und im Hintergrund sitzen feixend deren Geldgeber und freuen sich darüber, dass sich der Pöbel selbst beschäftigt und von den wahren Macht- und Verteilungsfragen abgelenkt wird. Lieber Frontex bevor den Rechten der Marsch durch die Institutionen gelingt... Gruß Gerold
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#796251 - 01/31/12 04:17 PM
Re: Marokko - Berber, Berge, Wüste, Werte
[Re: gerold]
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Hallo Gerold!
Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen.
Lg Charly
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Wenn es nicht um`s Leben geht,geht es um Nichts. | |
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#796271 - 01/31/12 05:30 PM
Re: Marokko - Berber, Berge, Wüste, Werte
[Re: joeyyy]
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Ich habe nichts (oder noch nichts) beizutragen, möchte aber aus meiner Sicht hervorheben, dass joeyyy seine Eindrücke und Gedanken über ein topgraphisch relativ nahes, aber kulturell relativ fernes Land im besten Sinne nachdenklich beschreibt und die Diskutanten argumentativ den gelegten Faden aufnehmen und dadurch eine intelligente Annäherung an sehr schwierige und komplexe Themen entsteht.
Chapeau an alle. Wo bitte gibt´s das sonst noch? Ich lese die Beiträge in diesem Faden mit Erkenntnisgewinn und großer Sympathie.
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Allen gute Fahrt und schöne Reise. | |
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#797831 - 02/05/12 01:11 PM
Re: Marokko - Berber, Berge, Wüste, Werte
[Re: joeyyy]
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Bevor ich auf Eure Ideen und Anregungen, Sichtweisen und Einstellungen eingehe, wollte ich noch meinen Reisebericht abschließen: 3./4. Dezember 2011 – Melilla: Letzte Insel der Harmonie? Mein erster Reisebericht, der komplett fertig geworden ist. Ziemlich viel Arbeit - macht aber echt Spaß. Und im März geht's schon wieder nach Kuba. Könnte mir mal einer meinen Job abnehmen? Gruß Jörg.
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#797932 - 02/05/12 05:43 PM
Re: Marokko - Berber, Berge, Wüste, Werte
[Re: joeyyy]
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Hast du das, was du im Naturkundemuseum über die Berber gelernt hast mit der Realität verglichen? Die wurden dort im Museum wohl etwas als "edle Wilde" stilisiert. Bezüglich der Ehrlichkeit des gesprochenen Wortes habe ich folgende Erfahrung gemacht: Die Wahrscheinlichkeit bei einer Einladung zum Tee in einem Teppichladen zu landen ist sehr hoch. Die Wahrscheinlichkeit, das die Steine, die die Berber an den Pässen verkaufen echt sind geht gegen Null, auch wenn sie 100mal behaupten das sie echt sind. Teils sind die Steine (einfache Kristalle, die künstlich gefärbt wurden, oder sogar gänzlich künstliche, nachgemachte Edelsteine) sogar recht hübsch und sie könnten sie vermutlich auch als Kunsthandwerk verkaufen, aber man belügt lieber die Touristen.
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#798036 - 02/05/12 11:00 PM
Re: Marokko - Berber, Berge, Wüste, Werte
[Re: HyS]
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Hast du das, was du im Naturkundemuseum über die Berber gelernt hast mit der Realität verglichen? Die wurden dort im Museum wohl etwas als "edle Wilde" stilisiert. Bezüglich der Ehrlichkeit des gesprochenen Wortes habe ich folgende Erfahrung gemacht: Die Wahrscheinlichkeit bei einer Einladung zum Tee in einem Teppichladen zu landen ist sehr hoch. Die Wahrscheinlichkeit, das die Steine, die die Berber an den Pässen verkaufen echt sind geht gegen Null, auch wenn sie 100mal behaupten das sie echt sind. Auch wenn meine Reise lange her ist: es scheint sich wenig geändert zu haben. Auch damals waren die meisten marokkanischen Worte, Versprechungen und Ankündigungen nicht das geringste wert. Ich radelte damals von Frankreich über Spanien, hielt damals auf der Hinreise Spanien schon für extrem rückständig und Marokko für das reinste Mittelalter, Auf der Rückreise dann hielt ich Spanien bereits für die strahlende Neuzeit.
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------------------------ Grüsse Stephan | |
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#798038 - 02/05/12 11:10 PM
Re: Marokko - Berber, Berge, Wüste, Werte
[Re: joeyyy]
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Chapeau, du hast einen sehr lebendigen Bericht geschrieben. Ein großer Geländewagen hält direkt vor dem Restaurant – ein „originalgetreuer Touareg“ und vier amerikanische Touristen steigen aus und setzen sich an den Nachbartisch. Karla und ich diskutieren, ob eine solche Form von Urlaub legitim ist oder nicht. Über diese Aussage muss ich allerdings schmunzeln. Halten sich doch die meisten unangepassten Low-Budget-Touris für die besseren Menschen und die besseren Besucher. Das Gegenteil ist allerdings meist richtig. Erstens entsprechen die vermutlich konventioneller gekleideten und nicht zeltenden Amis eher als ihr dem konservativen Weltbild der Einheimischen. Vor Allem aber geben sie den Einheimischen die Möglichkeit, an Ihnen entsprechend ihrer Wirtschaftskraft ihres westlichen Landes zu verdienen. Am unproblematischsten für ein exotisches Land sind meist die abgeschotteten Clubtouristen.
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------------------------ Grüsse Stephan | |
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#798113 - 02/06/12 11:04 AM
Re: Marokko - Berber, Berge, Wüste, Werte
[Re: joeyyy]
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Also, erstmal danke für den Bericht und vor allem die großartigen Fotos. Von mir auch noch eine kritische Anmerkung: Mir stößt es etwas auf, wenn in einem Bericht über eine Flugreise der Klimawandel beklagt wird, unter dem Marokko wahrscheinlich stärker zu leiden haben wird als Deutschland.
Gruß
Johannes
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#798176 - 02/06/12 02:25 PM
Re: Marokko - Berber, Berge, Wüste, Werte
[Re: joeyyy]
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Danke an alle für die Lektüre der Texte und die Kommentare. Ich bin überwältigt von der Vielfalt und der Intensität, mit der Ihr Euch mit den Gedanken auseinandersetzt. Und will angemessen darauf eingehen.
Ich möchte konkret anfangen, dann abstrakt werden und (hoffentlich - jedenfalls absichtlich) versöhnlich schließen:
Ich habe alle Flüge CO2-kompensiert. Marokko kostete 40 Euro, Kuba 150. Könnte ich PDF hier hochladen, würde ich es mit den Zertifikaten tun. Werde ich vielleicht noch in meinem Blog einbauen.
Ich bin autofrei, fernsehfrei, Bahncardbesitzer, Carsharer, heize meine Wohnung im Winter auf maximal 17 Grad, ziehe dann warme Socken und einen Pullover an. Ich kaufe lokal wo es geht und Bio. Ich versuche, das Transitiontown-Konzept zu leben, soweit es zu mir passt.
Bin eigentlich ein idealer Hartz-4-ler, so wie Herr Sarrazin das von mir gefordert hat.
Dennoch kann ich meinen CO2-Fußabdruck selbst wenn ich einfach nur hier rumsitzen würde, nicht unter sechs Tonnen drücken. Allein dadurch, dass ich in Deutschland lebe und die Daseinsvorsorge-Infrastruktur anteilig auf mich umgelegt wird. Nun könnte ich die sechs Tonnen über den Ablasshandel wie beim Fliegen auf die zwei Tonnen drücken, die mir als Mensch dieser Erde zustehen, wenn ich das Zwei-Grad-Ziel bis 2050 erreichen wollte. Ich könnte auch die wilde Sau spielen und - wie die meisten meiner Zeitgenossen - sagen: Nach mir die Sintflut, lass doch erstmal die anderen anfangen. Und wenn die das dann tun, suche ich die Nadel im Heuhaufen und wenn ich sie gefunden habe, sage ich zufrieden: Siehste! Warum soll ich denn dann, wenn nicht mal der Öko-Weltverbesserer das macht?
Aber mir persönlich würde das keinen Spaß machen, würde ich mich doch des Aussinnens von Alternativen entledigen. Denn dabei, beim Denken und Überlegen empfinde ich häufig eine tiefe Befriedigung - vielleicht manchmal auch so etwas wie Glückseligkeit.
Ich war beim Lesen echt hin und hergerissen: Soll ich mich rechtfertigen im Sinne von "Habe ich das nötig"? Soll ich das was ich schon geschrieben habe, nochmal in andere Worte fassen? Soll ich mich ganz zurückziehen? Gibt es überhaupt ein echtes Interesse mit einer eher fragenden Grundhaltung und der Bereitschaft des Akzeptierens von Dualitäten? Werden die überhaupt gesehen?
Wie vermittel ich jetzt meinen Eindruck über geschriebene Worte, ohne den "Eingeschnappten" zu riskieren?
Ja, ich hatte manchmal das Gefühl, missverstanden werden zu wollen. (Geht das überhaupt?)
Beispiel: Ich war genauso verärgert über diese permanente Anbaggerei, fühlte mich richtig verarscht von den Menschen (auch, aber nicht nur: Berber) in Marokko, die mich in ihre Teppichläden lockten. Habe ich doch so oder ähnlich auch geschrieben. Dennoch darf ich doch traditionelle Haltungen gut finden und sie soweit übernehmen, wie sie zu mir passen. Was muss ich jetzt rechtfertigen?
Und "Nein": Ich will nicht, dass morgen früh um sieben Uhr fünfhundertachtunddreißig Afrikaner, Inder, Südamerikaner und andere Zeitgenossen vor meiner Tür in Hannover stehen, klingeln und von mir Frühstücksbrötchen wollen, weil ich auch gerade welche esse und es diese in ihrer Heimat nicht gibt.
Aber ich kann meine Beobachtungen und Erlebnisse mit meiner mathematischen Fähigkeit zur Induktion und Extrapolation nutzen und eine Entwicklung prognostizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eintrifft wenn alles so weiterläuft wie bisher. Und diese Entwicklung und Prognose am Ende beschreiben. Und daraus Erkenntnisse nutzen, um eine Entwicklung zu fördern, die die negativen Konsequenzen mildern mag.
Genau das tue ich. Und schreibe ich. Und riskiere, dass einzelne Aussagen außerhalb des Zusammenhangs meines Gesamtkonzepts missverstanden werden. Was ich manchmal glaube.
Aber das ist auch wieder wunderbar für mich, um entweder am Konzept zu feilen oder an der Art der Beschreibung meines Konzepts. Und es zeigt mir, dass ich nicht der Einzige mit einem Konzept bin. Und es schön ist, Konzepte zu vergleichen.
Das soll's dann auch mit dem Abstrakten gewesen sein.
Ehrlich gesagt: Ich weiß gar nicht, ob mein Konzept das Richtige ist. Und ich weiß auch nicht, ob es sinnvoll ist, sich auf Massenwanderungen mit einer positiven Grundhaltung den wandernden Menschen gegenüber einzustellen. Wir sind vorgeprägt in unserer Einstellung Veränderungen gegenüber: Bitte nicht! Und schon gar nicht, wenn wir dabei auch noch abgeben müssen. Das liegt in unseren Trieben, Genen, Überlebensstrategien, die wir ja seit tausenden von Jahren mit uns rumtragen. Insofern ist ein "freiwilliges Abgeben" wider die menschliche Natur. Und damit mein Konzept vom Teilen, Entschleunigen und Schrumpfen in großen Teilen widersinnig und absurd. Und das wird mir durch die hiesigen und anderen Kommentare deutlich.
Nun gibt es da aber so ein kybernetisches Prinzip, dass Systeme nur eine maximale Größe und/oder sowohl qualitative als auch quantitative Komplexität haben können. Und nehmen wir uns mal das System "Die Natur und das Klima auf der Erde" vor und betrachten es als kybernetisches System. Schwerpunkt "Mensch". Und versetzen uns mal in die Lage eines Außerirdischen in seinem Raumschiff, der dieses System im Zeitraffer seit - sagen wir mal - zehntausend Jahren beobachtet.
Eigentlich müssten wir die letzten zweihundertausend Jahre beobachten, denn solange ist der Mensch als "Homo irgendwas" in Afrika belegt. Aber wir beschränken uns der Dramatik wegen.
Also: Wir schauen eine Doku über die Erde mit zehntausend Jahren in einer Stunde. Die ersten fünfundfünfzig Minuten sind stinklangweilig. Plötzlich eskaliert die Situation - in den letzten fünf Minuten fangen die Menschen an, sich zu Millionen zu kloppen, in der vorletzten Minute überschreitet die Weltbevölkerung die halbe Milliarde, in der allerletzten Minute explodiert die Bevölkerung, haut sich zweimal kurz und klein, macht alles kaputt, was um sie rum ist und ist nicht mehr in der Lage, sich komplett zu ernähren. Wenn die Bevölkerung ein einziger Organismus wäre, würde die Diagnose lauten: Krank. Ziemlich krank. Kurz vor dem Kollaps.
Nochmal zur Erinnerung: Wir sind Außerirdische und beobachten. Nicht Deutsche, die - sagen wir mal - Teil der gesunden Lunge sind, während Leber, Magen und Darm von Metastasen zerlegt werden.
Die Doku endet mit dem heutigen Tage. Fortsetzung folgt.
Als Außerirdische sind wir neugierig: Wie würde bei der Dynamik der Ausblick für die erste halbe Minute der Fortsetzung dieser Doku aussehen? Nur die ersten dreißig Sekunden?
Das wären rund 85 Jahre - also bis zum Jahr 2100 und in etwa der Zeitraum, den unsere Kinder teils aktiv gestalten, teils passiv geschehen lassen müssen.
Na ja, und ich habe mit meinen im Blog beschriebenen Gedanken einfach mal ein einziges Szenario für die nächsten fünfzehn Sekunden zurechtgesponnen. Nenne es mal "Bevölkerungs- und Reichtums-Osmose".
Und halte es für realistisch weil unterschiedliche Konzentrationen immer das Bestreben haben, sich auszugleichen.
Aber wie gesagt: Wissen tu ich's nicht... Wer weiß das schon?
Aber eins bezweifle ich durchaus: Unser Wachstumsmantra mit dem Fokus auf immer mehr für immer weniger ist der falsche Weg. Denn das Osmotische Prinzip der Vielen wird stärker sein als der "Haben-und-behalten-Trieb" der Wenigen.
Und das System ist für uns Menschen irgendwann endlich: Ich glaube, dass bei zehn bis fünfzehn Milliarden Menschen Schluss ist mit dem Perpetuum Mobile "Erde". Die genaue Zahl versuchen Wissenschaftler auf der ganzen Welt herauszufinden. Und den genauen Zeitpunkt auch. Ein guter Anfang, der zeigt, dass zumindest die Denker schon mal auf dem richtigen Weg sind.
Gruß
Jörg.
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Edited by joeyyy (02/06/12 02:37 PM) |
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#798184 - 02/06/12 03:01 PM
Re: Marokko - Berber, Berge, Wüste, Werte
[Re: joeyyy]
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..ach ja, fast hätt' ich's vergessen: Bleibt die Frage, was das alles mit dem Reisen im Allgemeinen zu tun hat. Und dem Radreisen im Besonderen. Denn das interessiert das hiesige Forum. Ich bin ehrlich: Ich weiß es nicht. Aber ich selbst wäre ohne meine Radreisen nicht an diesen ganzen Gedanken hängen geblieben. Ich glaube zwar nicht, dass sich ein Leser oder eine Leserin aufgrund meiner Gedanken an eine andere Welt nach Marokko verirrt. Aber für die habe ich immer noch die Bilder mit eingestellt. Stellt sich doch gleich die nächste Frage: Warum ich das dann hier einstelle. Ach - ich glaube an die Wahlfreiheit und den Pluralismuswunsch der Leserinnen und Leser hier. Gruß Jörg.
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#798230 - 02/06/12 05:15 PM
Re: Marokko - Berber, Berge, Wüste, Werte
[Re: joeyyy]
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Beispiel: Ich war genauso verärgert über diese permanente Anbaggerei, fühlte mich richtig verarscht von den Menschen (auch, aber nicht nur: Berber) in Marokko, die mich in ihre Teppichläden lockten. Habe ich doch so oder ähnlich auch geschrieben. Dennoch darf ich doch traditionelle Haltungen gut finden und sie soweit übernehmen, wie sie zu mir passen. Was muss ich jetzt rechtfertigen? Werte und Haltungen zu übernehmen steht jedem frei, aber ich finde es seltsam, das du einerseits die traditionelle deutsche Pünktlichkeit mit Gegenbeispielen widerlegst und andererseits die Ehrlichkeit der Berber hervorhebst, obwohl du wie wir auch festgestellt hast, das die so gar nicht vorhanden ist. (zumindest nicht fremden gegenüber) Ich schätze auch Ehrlichkeit und Pünktlichkeit, aber deine Beispiele passen einfach nicht richtig. Wir sind vorgeprägt in unserer Einstellung Veränderungen gegenüber: Bitte nicht! Und schon gar nicht, wenn wir dabei auch noch abgeben müssen. Das liegt in unseren Trieben, Genen, Überlebensstrategien, die wir ja seit tausenden von Jahren mit uns rumtragen. Nein, das liegt daran, das die meisten Leute sich anschauen, wo und wie die Zuwanderung funktioniert hat und wo nicht. Da reichen sogar die letzten Jahrzehnte. Wir, die wir dir hier geantwortet haben, waren zusätzlich noch in Marokko und kommen aufgrund der dort gemachten Erfahrungen und dem Vergleich mit der bisherigen Zuwanderung eindeutig zu dem Schluss, das insbesondere die massenhafte Zuwanderung von Marokkanern weder für sie noch für uns sonderlich sinnvoll ist. Denn auch wir können Beobachtungen und Erlebnisse mit unseren mathematischen Fähigkeit zur Induktion und Extrapolation nutzen und eine Entwicklung prognostizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eintrifft wenn alles so weiterläuft wie bisher. Ich sehe es viel schlichter: hier prallen einfach verschiedene Weltanschauungen und Meinungen aufeinander. Das ist auch völlig OK so, denn die Meinungsfreiheit ist in Europa hoch angesehen. Dein Reisebericht war auf jeden Fall sehr schön zu lesen.
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#799540 - 02/11/12 07:30 PM
Re: Marokko - Berber, Berge, Wüste, Werte
[Re: joeyyy]
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Ich habe das Zelt, Kocher, Werkzeug, Luftpumpe. Kann somit auch alleine fahren. Aber Karlas Rad und Packtaschen sind seit gestern abend abgefertigt und jetzt wohl auch schon im Flieger – der hebt in genau 55 Minuten ab.
[/i]
Schöner Bericht und tolle Bilder! Da bekommt man Fernweh! Auch die Diskussion, die sich um Deinen Bericht entsponnen hat, finde ich sehr, sehr lesenswert!!!!! Kleiner Tipp am Rande: 55 Minuten vor "off block" ist noch kein einziger Koffer im Flieger
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Edited by würdjagern (02/11/12 07:31 PM) |
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