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: | 15.7.2011 25.7.2011 |
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Käse mit Milben und Autos mit ABI
Ich radle von München nach Berlin und erfahre so einiges
"Darf´s ein bisschen mehr sein?" fragt mich dauernd der Metzger in mir, meint aber nicht die Wurst, sondern die Kilometer. Ja, es darf, es muss, denn ich hab mir fest vorgenommen, heute bis Regensburg zu kommen. Und dann sind´s bis nachmittags um 4 doch tatsächlich 137 an diesem ersten Tag meiner Tour von München nach Berlin geworden!
Die ersten 30 Kilometer bis Freising fliegen nur so an mir vorbei. So oft bin ich jetzt schon diesen schattigen Weg, immer ganz nah an der Isar entlang, gefahren. Erst hinter der "Domstadt" verlasse ich den Isarradweg. Es wird jetzt ein wenig hüglig, sanftes Auf und Ab in der Hallertau - oder besser auf Bayrisch: Holledau. Da fährt man lange zwischen hoch aufragenden Hopfenstangen, die jetzt - in der zweiten Julihälfte - dicht und grün belaubt sich links und rechts der Straße himmelwärts recken. Ab und an bekomme ich eine kleine Dusche von Insektengiften mit, denn heute haben sich alle Hopfenbauern verschworen, ihre Stangen mit Hilfe von laut brüllenden Motoren und Riesenpropellern zu besprühen. Da halte ich dann möglichst lange meine Luft an und kneife meine Lippen zusammen, damit das Gift "nur" auf meiner Haut bleibt.
Meine heutige Route habe ich mir mit Hilfe des ADFC-"Routenplaners" am Computer berechnen lassen und ausgedruckt. Diese Streckenführung ist aber nur teilweise hilfreich, denn oft stehe ich ratlos an Gabelungen, die laut Plan nicht existieren, oder vor unbefahrbaren Feldwegen, die laut Plan zu nehmen sind. Ich fahre dann doch lieber nach der Straßenkarte (Maßstab 1:200.000), vorbei an Pumpernudl, von Oberappersdorf nach Unterholzhäuseln. Auf diesen Straßen kommt man wenigstens vorwärts. Müssen ja schließlich 137 Kilometer werden, nicht wahr?!
In der größten Mittagshitze sehe ich dann bei Kelheim zum ersten Mal die Donau. Die ist aber gar nicht blau, sondern eher grau. Ich schwenke auf den Donau-Radweg ein und bin ab jetzt bis Regensburg nicht mehr allein. Dutzend- und rudelweise tummeln sich hier die Radler: Familien, Rentner, verliebte Paare, Bummelnde und Rasende - dafür ist der Weg aber auch wunderbar ausgeschildert und ausgebaut.
Bei der Wahl meines ersten Hotels ("Gästehaus Bavaria" - über HRS mit dem neuen Smartphone gebucht) war ich wohl zu geizig. Die Übernachtung kostet zwar nur 39,50 Euro, das Zimmer ist auch sehr, sehr sauber, dafür versprüht´s den Charme eines Aldimarkts, liegt weit außerhalb des Zentrums und direkt über einer Automatenspielhölle, von wo bis nachts um eins hämmernde Rockrhythmen herauf dröhnen.
Wie schön die alte Stadt ist, zeigt sich natürlich an solch einem sonnendurchwärmten Sommerabend, an einem Samstagabend noch dazu, in ganz besonders sympathischer Weise. Heerscharen von Touristen bummeln über die Steinerne Brücke, Weltkulturerbe, über den Rathausplatz, bewundern den Dom, auch ohne Domspatzen. Unter den Rundbögen der alten Donaubrücke lagern junge Leute auf den Donauwiesen in den langen Schatten des ausklingenden Tages. Leben, Lachen, Lust und Fröhlichkeit.
In einem überfüllten Biergarten, direkt an der Donau, unter schattigen Bäumen sitze ich zusammen mit einem herrlich frischen hausgebrauten Bier, einem knusprigen "Gockerl" - und mit einem tieftraurigen Mann (49 ist er, sagt er mir später), der mir die Geschichte seines momentan verkorksten Daseins erzählt: "Inschenöhr" ist er, aus Thüringen auf der Grenze zu Sachsen kommt er, in Scheidung lebt er, die Kubanerin, die er durch das Internet kennengelernt und schon einen Sohn in seine Ehe mitgebracht hat, saugt ihn aus, sie studiert Germanistik, scheint alle Tricks der deutschen Sozialgesetzgebung zu kennen, und er muss monatlich 1.300 Euro für sie und ihren Sohn bezahlen. So fern der Heimat ist er (na gut, sie auch), ganz allein ist er jetzt. Er liebt sie trotzdem immer noch. Das alles berichtet er in thüringisch-sächsischem Dialekt so herzzerreißend bekümmert, dass uns beiden die Tränen kommen.
Am späteren Abend, wieder auf meinem Zimmer, muss ich mit behelfsmäßigem Werkzeug ein Loch in meinen Gürtel schneiden, weil mir die Hose sonst über meinen schwindenden Bauch rutscht. So ein erfolgreicher Tag!.....
(Fortsetzung folgt)