Geht es Euch aber auch so wie mir, dass Ihr erst im Nachhinein das Gefühl habt, dass die gerade erst abgeschlossene Radreise was ganz Besonderes war? Und nicht schon auf der Radreise selber.
Ja und nein. Einige Momente der Reise werden vielleicht erst auf dem Papier deutlich. Da bin ich manchmal über so manche Zahl verblüfft, was der kleine Körper so leisten kann. Manchmal sind es auch Reaktionen von Mitmenschen viel später, die mit ihrem Erstaunen das eigene Gefühl neu aufleben lassen - etwa wenn man wie selbstverständlich seine Route beim Diavortrag vorstellt und durch das Publikum eine Raunen geht. Auch für gut befundene Fotos oder willkommen empfangene Infos, Geschichten oder vermitteltes Reisewissen geben einem das Gefühl, über den Rand des Lenkers geschaut zu haben - eine gute Tour gemacht zu haben - etwas Besonderes getan zu haben.
Ein wichtiger Moment ist das Ende der Reise. Wenn ich vielleicht im Zug sitze oder im Flugzeug. In kurzer Zeit läuft die Tour dann im Zeirafferfilm mehrfach vor den Augen ab. Da ist das Gefühlsleben der Tour noch präsent und man weiß gleichzeitig, was bzw. dass man die Tour geschafft hat. Es gibt auch Wehmut darüber, dass es zu Ende ist. Die Freude an der Rückkehr hängt ja stark davon ab, was einen zu Hause erwartet. Das ist natürlich je nach persönlichem Umfeld und der Arbeit, die man hat, sehr unterschiedlich.
Die meisten Momente von Glücksgefühlen, von dem Besonderen der Tour sind jedoch live. Das können Momente sein, einen großen Berg mal wieder zu bezwingen. Hier kommt das Glücksgefühl jedoch meist auf der Abfahrt, ich kann gar nicht glauben, dass ich Ähnliches auf der anderen Seite hochgefahren bin. Es kann auch der Glücksmoment eines Wendepunktes der Reise - etwa der südlichste Punkt der Reise sein - wie beim Anblick der Brücke von Dubrovnik. Dann gibt es diese Landschaften, die mich überwältigen - vielleicht auch nur ein Murmeltier am Wegrand - wo das Staunen manchmal in leicht feuchte Augen übergeht. An manchen Tagen sind es soviele Eindrücke, dass ich sogar schon Angst vor der Überreizung habe. Oder ich reflektiere das Besondere durch Menschen, die mir Mut und Komplimente zusprechen - seien es andere Radler oder auch Autofahrer.
Im letzten Jahr war es am Ende der Reise, als ich nach gesundheitlich schwierigem Intermezzo doch noch das Ziel der Reise so erreicht habe, dieses Überwinden von so vielen Hürden, Leiden und Freuden - und dann war da diese Weite des Meeres - im Dunst ohne Horizont - und diese versöhnliche Sommerwärme am Ende. Manchmal wird mir der Tag auch besonders bewusst, wenn ich abends etwas Gutes esse - dann sehe ich das Essen als eine Belohnung für das Geleistete an. Deswegen ist mir das eigenbrödlerische Herumköcheln vor dem Zelt noch in den letzten Stunden des Tages nicht willkommen.
Es gab eigentlich noch nie ein größere Radreise, wo ich nicht ein oder auch ein paar Tränchen in den Augen hatte.
Durch Betrachten der Fotos nach einer Radreise bekomme ich oft ganz andere und auch schönere Eindrücke von einer radreise, als auf der Reise selber. Ich hätte z.B. auf der Sardinientour nie gedacht, was ich da tolles gesehen und erlebt habe.
Das ist eigentlich ein objektiv nachvollziehbarer Vorgang. Das Gedächtnis ist voller Erinnerungen und Bildern und doch verliert es gleichzeitg jede Menge Bilder. Manches Foto kann einem wieder auf die Sprünge helfen.
Ein Foto ist auch ein anderer Bildausschnitt als der des menschlichen Auges. Da wirkt manches stärker. Andererseits lassen sich insbesondere Panoramen nie so überwältigend mit der Kamera einfangen wie live gesehen. Bei Details ist es oft umgekehrt.
Ein weiterer Grund ist, dass man sich sehr schnell an fremde Landschaften gewöhnt. Betrachtet man später die Bilder , wirken sie exotischer, weil in einer anderen Umgebung (im deutschen Winter etwa) wahrgenommen. Manchmal ist auf den Bilder auch Sonne zu sehen, die man dann hier an manchen kurzen Tage so sehr vermisst. Nun, auch hier werden die Zeiten irgendwann wieder freundlicher - dann schaust du weniger Bilder an und fährst wieder leibhaftig durch die Heimatlandschaften.

Ach ja, noch etwas. Motivation ist für mich auch, bestimmte Ziele zu erreichen, wie z.B. ein festes Ziel wie das Nordkap oder bestimmte Pässe etc.
Man was hatte ich für einen Adrenalinausstoss als ich z.B. das Nordkap erreicht habe! War schon echt irre!
Dito.