10. Tag: Nicht mehr alleine
Guantánamo – Santiago de Cuba (92 km)
Montag, 13. November (sonnig)
Um 6.00 Uhr, das war Josus Vorschlag, der auch mir recht war, gab das bisher beste Frühstück in ganz Kuba. Der höhere Preis von dreieinhalb CUC war gerechtfertigt. Ich wollte die Sehenswürdigkeiten von Guantanamo fotografieren, bevor wir uns auf den Weg machten. Die Stadt ist recht überschaubar. Fast alle interessanten Gebäude befinden sich in der Nähe des „Parque Martí“. Beim Verlassen der Stadt besichtigten wir das Denkmal „Monumento de Heroes“.
Nachdem ich meine Bilder im Kasten hatte, gelangten wir ruckzuck auf eine sehr verkehrsarme Autobahn. Anstatt Werbeplakate gab es sozialistische Parolen zu lesen. Wir konnten ohne Probleme nebeneinander fahren, denn die Autobahn war sehr breit und es gab weniger Verkehr als auf einer normalen Landstraße. Uns kam eine größere Rennradgruppe entgegen. Ich hätte nicht vermutet, dass es kubanische Rennradfahrer gibt. Ein kubanischer Rennradfahrer, der nicht zu der Rennradgruppe gehörte, schloss auf uns auf. Francisco gewährte uns einen Einblick in die kubanische Rennradszene. Er ist ein Amateurrennradfahrer, der früher bei der Kubarundfahrt mitgefahren ist und heute bei deren Organisation mithilft. Den Großteil der Kommunikation übernahm Josu. Ich war eher der stille Zuhörer, aber ich verstand alles. Wir gewannen einen Einblick in das kubanische Leben und erfuhren eine Menge über den Radsport in Kuba, dessen größtes Problem, die Beschaffung von Rädern und deren Ersatzteilen ist. Nach gut 25 Kilometer war die Autobahn leider zuende. Die Straße war weiterhin von guter Qualität. Ich musste meine Mitradler ab und zu mal bremsen, um das eine oder andere Foto zu schießen. Bei einer Pause luden wir Francisco zu einer kühlen Limonade ein. Er revanchierte sich später, in dem er uns unbekannte Früchte an einem Obststand probieren ließ. Nach 30 Kilometer trennte sich Francisco von uns und wir fuhren alleine weiter.
Im Dorf Yerba wollten wir uns etwas zum Essen kaufen. Josu fragte nach einer Möglichkeit, aber es gab mal wieder nichts. Ich versuchte derweil Getränke zu kaufen. Der Verkäufer wollte einfach nichts verkaufen. Ich wartete zehn Minuten bis ich an der Reihe war. In diesem Moment kam frische Ware und die Kasse musste abgestimmt werden. Nach weiteren zehn Minuten gab ich auf. Wir machten noch eine kurze Pause. Josu ist ein ganz anderer Typ Mensch als ich. Er spricht einfach jeden an. In der Pause, unterhielt er sich mit einem ehemaligen Boxer und zwei jungen Sozialarbeiterinnen. Als wir aufbrachen, sah ich wie Ladenverkäufer seine Bude verschloss, obwohl noch fünf Kunden etwas kaufen wollten. Das ist also der real existierende Sozialismus, den ich erleben wollte.
In der Sonne zeigte mein Thermometer 49°C an. Im nächsten Ort La Maya versuchten wir etwas zum Essen zu bekommen. Ich hatte heute wahnsinnigen Appetit auf Pizza. In La Maya gab es eine Filiale der Restaurantkette „El Rapido“. Hier schlugen wir uns den Bauch mit Pizzen voll. Nach einer längeren Pause nahmen wir die letzten Kilometer nach Santiago in Angriff. Es ging zum größten Teil bergab und wir passierten den wahrscheinlich einzigen Tunnel auf Kuba. Die letzten 15 Kilometer waren die angenehmsten. Auf einer Autobahn, diesmal mit moderatem Verkehr, konnten wir fast ohne zu treten bis ins Zentrum von Santiago de Cuba rollen.
Ich überließ Josu die Zimmersuche, da er ein geringeres Budget als ich hatte. Die erste Casa Particular war ausgebucht und die zweite fand Juso in Ordnung und mit 25 CUC inkl. Frühstück und Abendessen auch im finanziellen Rahmen. Also nahmen wir diese. Die Casa Particular hatte nur einen entscheidenden Nachteil, sie befand sich im dritten Stock. Das Treppenhaus war so eng, dass man mit dem Rad fast nicht hochkam. Nachdem ich mein komplettes Gepäck oben hatte, beschloss ich, in Kuba kein Zimmer mehr zu nehmen, welches sich im dritten Stock befindet.
Abends unterhielten wir uns mit Tanja, der Besitzerin der Pension über das schwere Leben in Kuba. Josu machte nebenbei das Entertainmentprogramm für die Kinder des Hauses. An diesem Abend kristallisierte sich heraus, dass sich unsere Wege wieder trennen werden. Josu blieb zwei Nächte, ich dagegen drei, obwohl wir fast identische Routen hatten. Ich wollte am nächsten Tag unbedingt den Gran Piedra bezwingen, aber Josu war dafür nicht zu begeistern. Er entschied sich für die Stadt zu besichtigen und wollte am darauffolgenden Tag entlang der Südküste nach Niquero fahren. Sehr zum Unwillen von Tanja bestellte ich das Frühstück auf 6.00 Uhr. Auf dem Balkon ließen Juso und ich den Abend ausklingen.