Vom Odenwald in das hessische Ried / Von Erbach nach Lindenfels Den Schildern des R4 in Richtung Norden folgend, verlasse ich Erabch. Der Radfernweg begleitet mal mehr und mal weniger nahe die Mümling. Gerade mal 50 Kilometer lang, entspringt das Flüsschen in Beerfelden um von dort in den Main zu fließen. Da ich zum Rhein möchte, ist schon am Start klar, dass wir und wieder trennen müssen. Auf der östlichen Seite der Mümling, fließt der Verkehr aus der Region über die die B 45 in Richtung Rhein-Main-Gebiet ab. Vom ständigen kommen und gehen auf einer dieser Hauptschlagadern des Odenwalds, ist hier zu Glück fast nicht zu spüren.
Schon wenige Kilometer nach dem Start, lohnt noch ein Besuch in der Historischen Altstadt von Michelstadt. Die kleine Stadt ist ein idealer Ort für Menschen mit einem tieferen Interesse an Geschichte. Neben dem historischer Gasthof "Grüner Baum", gibt es noch das alte Rathaus, die Synagoge und viele andere Gebäude und Orte mit Geschichte. Da es noch zu früh für eine erste Kaffeepause ist, lasse ich den Ort rechts liegen und bleibe der Mümling noch ein bisschen treu.
Auf der Höhe von Erbach und Michelstadt, lugen ab und an noch die Gewerbegebiete durch, danach sind es Streuobst- und Blumenweisen, die das Bild bestimmen. Das der Radweg sich auch bei Bad König in der Nähe seines Gewässers hält, mag landschaftlich attraktiv sein, für hungrige Radfahrer ist es eher unpraktisch. Also fahre ich geradeaus in den Ort hinein und stärke mich beim nächsten Bäcker. Auch sonst hätte es Bad König verdient, dass der Radweg durch das Zentrum führt. Immerhin gibt es neben der Altstadt auch ein Schloss und für Radler die hier Übernachten, bietet sich die Odenwald Therme zum Entspannen an.
Welches Ereignis auch immer dem Hinterteil des Namensgebers von Etzen Gesäß zugestoßen ist, es war wohl kein angenehmes. Ich fahre jedenfalls schnell weiter, nicht das mir auch noch mein Hintern ….
In Grumbach heißt es die Mümling und den R4 zu verlassen. Jetzt steht mir wieder mal eine Steigung in Ost West Richtung bevor. Vielen Dank für die nette Begleitung, denke ich mir noch und schon steigt die Straße an. Bis Forstel zieht sich eine wenig befahrene Straße auf die Höhe hinauf. Dort öffnet sich der Wald und der Blick über die Landschaft wird frei.
Hier treffe ich dann auf den Radfernweg R9. Was auch immer die Planer des Radwegs hier geritten hat, der R9 zweigt vor dem Erreichen der römischen Villa Haselburg, in den nächsten Ort ab und das obwohl die Reste der Villa zu den wohl bedeuteten Funden am Odenwälder Limes zählt und der Ort sich besten für eine Pause eignet. Die Aussicht von hier oben ist einfach beeindrucken, kein Wunder, dass die Römer hier ihre Villa bauten. Die Lage hier oben ist traumhaft und die Weinberge an der hessischen Bergstraße, sind auch nur einen Steinwurf entfernt.
In Brensbach schon wieder das gleiche Phänomen. Der R9 verläuft durch die Seitenstraßen am Ortskern vorbei, direkt zur B 38. Nach dem Überqueren der Bundesstraße, darf man dann auf einem geschotterten Weg der Ortsumgehung folgen, an Brensbach vorbei fahren, um an das andere Ende des Dorfs zu gelangen. Wer gleich in Brensbach bleibt und dort nach Süden abbiegt, fährt durch den Ort, hat weniger Verkehr und spart sich den geschotterten Abschnitt. Den Radweg können nur Autofahrer so geplant haben.
Nun heißt es für ein paar Kilometer, Augen zu und durch. Eigentlich ist es noch erträglich an der Bundesstraße entlang. Nach den schönen Straßen und der Ruhe bisher, ist es jetzt aber schon ein bisschen anstrengend, dass ständig die Autos an mir vorbeirauschen. Das gibt sich doch bald wieder. Der R9 verlässt die Bundesstraße und biegt, kaum habe ich die Gersprenz überquert, wieder ab um dem Bach auf seiner ruhigen Seite zu folgen. Vollkommen stressfrei fahre ich nun durch Beerfurth und Reichelsheim, immer etwas oberhalb der Gersprenz.
Dann kommt das, was am Ende eines Tals unweigerlich kommen muss. Der Radweg wendet sich dem Berg entgegen. Doch bevor er das tut, täuscht er mich mit voller Hinterlist. In dem erst noch eine kleinen Schwenk vom Berg weg macht, um sich dann voll in seine Arme zu werfen. Ich werfe mich voll in die Pedale und mittendrin im Anstieg voll auf eine Bank. Man geht das hier bergauf. Eine Ausrede für die Pause ist schnell gefunden. Am Horizont steht Schloss Reichenberg wie auf einem eigens dafür aufgestellten Sockel und wechselt unter den dahinrauschenden Wolken, immer wieder sein Gewand. Mal strahlt es hell und freundlich im Licht der Sonne, dann steht es düster unter der Last grauer Wolkenberge oberhalb von Reichelsheim.
Nach einigen Fotos, will der Rest der Steigung nun auch noch überwunden werden. Das Gewicht der Taschen und die nicht übermäßig bergtauglichen Übersetzung fordern den Beinen alles ab, was sie zu bieten haben. Trotz des kühlen Wetters, fühlt sich das Trikot immer noch ein Stück feuchter an. Als wäre es bis Winterkasten nicht genug, geht es am Ortseingang genauso weiter. Vermutlich sieht der alte Mann an seinem Hackklotz unter dem Helm einen roten Kopf und darüber die Dampfwolken. Zumindest schaut er so, als würden hier nicht besonders viele Radfahrer vorbeikommen. Auch in und hinter Winterkasten geht es noch weiter bergauf. Bis sich dann endlich die Erlösende Aussicht, bis hinunter ins Rheintal, vor mir eröffnet.
Hier oben zeigt sich wieder mal, wie erfolgreich mein Gehirn im Verdrängen ist. Mit jedem Meter den sich die Straße in die Horizontale neigt, verschwindet die Anstrengung aus dem Gedächtnis und ich freue mich hier oben zu sein. Mit dem Ausblick trifft mich allerdings auch der Wind wieder in seiner vollen Stärke. Die Geschwindigkeit bergab ist daher eher verhalten, dafür gleich doppelt so kalt. Bis nach Lindenfels muss ich noch ein Stück Bundesstraße fahren. Trotz dem Parkplatz „Schöne Aussicht“, mit der ebensolchen, ist das nicht wirklich so schön und so freue ich mich Lindenfels recht zügig zu erreichen.
Lindenfels stirbt langsam aus. Vor einem Jahr noch, gab es hier noch einen Einkaufsladen. Dort wollte ich auch mein Abendessen und etwas für den nächsten Tag einkaufen. Heute schaue ich auf verhangene Fenster. Immerhin kann ich mich noch an einer Dönerbude stärken. Sonst ist hier außer ein paar Kneipen und einem Bäcker kaum Infrastruktur vorhanden. Der einst blühende Kurort, hat die Zeit verpasst und ist auf dem besten Weg in die Bedeutungslosigkeit zu versinken. Selbst in meiner Pension geht es schon sehr sparsam zu. Die Heizung ist noch nicht angestellt und es fühlt sich an, wie in einem Kühlschrank. Ok, dann geht es früher ins Bett.
So das war es wieder für heute. Bald gehts es weiter.
MIt frischen Grüßen aus der Regembucht
Wolfgang