21. Tag (11.10.2012), Castro Urdiales – Treto und Rückfahrt mit dem Zug bis Bilbao
Strecke: ca. 35 kmHeute ist nun der letzte Fahrtag, ich erreiche heute den westlichen Endpunkt der Tour. Leider wird es, nach einem sonnigen Morgen, im Laufe des Tages zunehmend wolkiger und regnerischer.

Das Vernünftigste wird sein, am frühen Nachmittag in einen Zug der Schmalspurbahn zurück nach Bilbao zu steigen und dort zu übernachten. Morgen muss ich sowieso abends in Hendaye sein für den TGV Richtung Paris übermorgen früh; das wäre dann morgen von Bilbao mit Euskotren mit Umstieg in San Sebastián problemlos möglich, und es würde reichen, einen Zug am frühen Nachmittag zu nehmen, so dass ich noch Zeit haben werde, mir heute Abend und morgen Vormittag und Mittag Bilbao in Ruhe anzusehen. Die Alternative, die ich im Laufe des Tages zunehmend verwerfe, wäre, zu versuchen, bis Santander zu gelangen. Dann müsste ich heute dort übernachten, morgen sehr früh einen Zug nehmen und wäre, mit zweimal Umsteigen (Bilbao und San Sebastián), wenn alles gut geht, ebenfalls morgen abend in Hendaye, aber wenn die beiden Anschlüsse nicht klappen… Außerdem hätte ich dann keine Möglichkeit mehr, das gestern nur flüchtig in Augenschein genommene Bilbao noch einmal ausführlicher und nicht nur vom Zugfenster aus zu besichtigen.
Also erstmal bis zum kleinen Ort Adal Treto in der Nähe von Laredo, wo die Schmalspurbahnlinie, die hier, bei Castro Urdiales, einen weiten Schlenker ins Hinterland macht, erstmals wieder an die Küste trifft. Kurz nach drei könnte ich hier einen der wenigen der täglich verkehrenden Züge nehmen.
Wie meistens, komme ich nicht allzu zeitig los.

Es bewölkt sich leider zusehends. Die Landschaft erscheint mir hier in Kantabrien karger, rauher als zuvor im Baskenland. Ich folge weiter der gut ausgebauten N 634, mit wenig Autoverkehr dank der parallel, immer wieder in Sichtweite verlaufenden Autobahn, die auf kühnen Viadukten die Täler durchquert, denn die Landschaft ist auch hier, ganz nahe der Küste, sehr gebirgig, wie auch die vergangenen Tage. Ich sammle, ab und zu mit Meerblick und vor grandioser Bergkulisse, auf meiner heutigen recht kurzen letzten Etappe noch einige hundert Höhenmeter. Auch die Küstenvariante des Jakobswegs kreuzt wieder, wie gestern, mehrfach die Straße.






Ich erreiche nach einem längeren, steigungsreichen Schlenker ins gebirgige Hinterland die Küste bei Laredo. Eine riesige Ansammlung von Bettenburgen. Der Massentourismus, von dem sämtliche Orte, die ich bisher an der nordspanischen Küste gesehen habe (und auch auf der nächsten Tour weiter westlich sehen werde), weitgehend verschont geblieben sind, hat hier brutal zugeschlagen. Aber zum Glück nur hier, die weitestgehende Abwesenheit derartiger massentouristischer Auswüchse ist es (neben der Landschaft), weswegen ich die spanische Atlantikküste auf dieser Reise und dann auch im folgenden Jahr schätzen gelernt habe.

Nur ganz kurz sehe ich mich in Laredo um. Aufgrund des recht späten Aufbruchs am Vormittag ist es nun, nach nur ca. 25 km, schon gegen 14 Uhr. Die Station Adal Treto der Schmalspurbahn liegt noch ein paar Kilometer weiter westlich, den Zug kurz nach 15 Uhr werde ich also bekommen. Nach dem Ort Colindres mit seinem Fischereihafen überquere ich den Mündungstrichter des Río Asón (Ría de Treto), so wie es parallel auch die Autobahn und die Bahnlinie tun.


Am anderen Ufer erreiche ich die kleine Station Treto der Schmalspurbahn (Ferrocarriles de Vía Estrecha – FEVE). In ca 20 Minuten kommt der Zug zurück Richtung Bilbao. Während die küstenbegleitende Schmalspurlinie in den letzten Jahren im Bereich der Ballungsgebiete wie Santander, Bilbao und San Sebastián zweigleisig ausgebaut, elektrifiziert und teilweise in moderne Stationen in den Untergrund verlegt wurde und in einem engen, s-bahn-ähnlichen Takt betrieben wird, verkehren zwischen den großen Städten nur zwei bis drei Züge täglich. Dies ist heute der letzte, außer einem um 20 Uhr. Es hat angefangen, leicht zu regnen. Die Entscheidung ist gefallen. Diese adrette kleine Bahnstation ist der Endpunkt meiner Tour.


Ich verzichte also darauf, die noch ca. 40 km bis Santander zu fahren (auch aufgrund des Regens) und entscheide mich, durch die Umkehr an dieser Stelle die Zugrückfahrt etwas entspannter zu gestalten, anstatt morgen mit drei Zügen und Umstieg in Bilbao und San Sebastián unter Inanspruchnahme fast des gesamten Tages und ohne die Möglichkeit, noch einmal Bilbao anzusehen, ganz von Santander nach Hendaye zu fahren. Ein ganzes Stück nach Kantabrien hinein habe ich es nun also geschafft, Santander habe ich nun nicht erreicht, geschweige denn die Picos de Europa, aber es war eine wunderbare Tour, deren Ziel ich ja ohnehin bewusst von Anfang an nicht festgelegt hatte. Ich bin sehr zufieden.
Pünktlich kommt der kleine, aber sehr moderne, komfortable und mit großzügigen Fahrradstellplätzen ausgesattete Dieseltriebzug.

Hier endet also die Radreise. Aber kaum dass ich sitze, beginne ich schon, neue Reisepläne zu schmieden. Die spanische Atlantikküste ab hier weiter Richtung Westen muss ich unbedingt demnächst auch noch unter die Räder nehmen. Und tatsächlich bin ich dann im folgenden Jahr, dem Oberlauf des Ebro folgend, nach Überquerung der Kantabrischen Kordillere und dann abwärts entlang des hier mündenden Río Asón, genau an dieser Stelle wieder an die Küste gestoßen, bin sie weiter Richtung Westen geradelt und habe über Santander (sehr sehenswert) schließlich auch die Picos de Europa erreicht, die ich dann auch dank mitgeführter Wanderschuhe nicht nur beradeln, sondern auch bewandern konnnte. Aber das bleibt einem weiteren Reisebericht vorbehalten.
Die Bahnlinie schlängelt sich malerisch über zahlreiche Viadukte und durch zahlreiche Tunnels durch die küstenbegleitende Kordillere, ohne Meerblick, immer etwas im Hinterland, aber mit traumhaften landschaftlichen Ausblicken, die fotografisch einzufangen mir aber trotz der wirklich bescheidenen Geschwindigkeit kaum gelingt.

Eine Fahrt auf den Strecken der FEVE oder von Euskotren ist mehr als nur ein Mittel, von A nach B zu kommen, sondern jedem Nordspanienreisenden, der ein wenig eisenbahnbegeistert ist, als Attraktion wärmstens zu empfehlen.
Nach knapp zwei Stunden landschaftlich reizvoller Fahrt erreicht der Zug schließlich die Vororte von Bilbao, die Strecke wird zweigleisig und verläuft nun durch moderne unterirdische S-Bahn-Stationen. Der historische Kopfbahnhof der FEVE, neben dem deutlich größeren Hauptbahnhof der staatlichen Eisenbahngesellschaft RENFE gelegen, ist aber in seinem ursprünglichen Zustand belassen. Hier wartet gerade einer der touristischen Traditionszüge, der Transcantábrico, auf seinen Einsatz.

Charakteristisch für den FEVE-Endbahnhof ist seine prächtige Jugendstilfassade, die mir gestern bei der Fahrt durch die Stadt bereits aufgefallen ist.


Morgen werde ich am frühen Nachmittag vom am anderen Ufer des Nervión gelegenen Endbahnhof der baskischen Schmalspurbahn, Atxuri, wo ich gestern angekommen bin, weiter Richtung Hendaye fahren. Nun gilt es aber, ein möglichst zentrales und preiswerte Quartier für die Nacht zu finden.
Auf dem Weg zum Tourismusbüro sammle ich noch einige Eindrücke des Stadtviertels links des Río Nervión.

Die Dame im Tourismusbüro meint, es werde mit einer Unterkunft aufgrund des morgigen spanischen Nationalfeiertages und irgendwelcher Veranstaltungen in der Stadt schwierig werden. Umso überraschter bin ich, als ich mitten in einer der Altstadtgassen auf Anhieb ein Zimmer in einer sehr einfachen, aber sehr netten Pension für 25 Euro finde, sehr ähnlich der in San Sabastián. Ich muss halt mein Rad mehrere Stockwerke die Treppe hinauftragen, was mir aber nichts ausmacht.
Nachdem ich mich einquartiert habe, verbringe ich den Abend in der Altstadt. Auf der großen, quadratischen, zentralen Plaza (Plaza Nueva) herrscht, wohl wegen des Vorabends des Nationalfeiertags, reges Treiben. Obwohl es leicht regnet, sind die Tapas-Bars brechend voll, und ebensoviele Menschen bevölkern davor, regengeschützt, die den Platz umgebenden Kolonnaden. Mehrere Kapellen und Gesangsgruppen spielen auf und ziehen von einer Bar zur nächsten, es wird traditionelle baskische Musik und baskischsprachiger, meist mehrstimmiger, Gesang vorgetragen. Die Stimmung ist ausgelassen, es wird zu den Klängen der Kapellen getanzt. Ein sehr schöner Abend zum Ausklang der Reise.
Fortsetzung folgt…