Die zweite portugiesische Reise: Lissabon . Coimbra . Viseu . Lapa
....................................................16.09. 2014 - 21.09.2014
Nach dem ersten Teilstück auf der Via Lusitana, von Alcoutim nach Guarda im letzten Frühsommer, wollte ich den zweiten Teil nach Santiago dieses Jahr im Herbst starten. Hin- und Rückflug nach Lissabon gab es für 130,- Euro
. Ich gab mir für die Strecke durch den Norden Portugals und zurück nach Lissabon 4 Wochen Zeit. Doch während meiner diesjährigen Sommertour
Bayern lockt..... spielte mein linkes Knie verrückt. Es knickte mehrfach weg. Ich lag urplötzlich auf der Nase und konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren. Dazu blockierte es manchmal, und ich war nur noch unsicher auf den Beinen. Dadurch bin ich auch wenig zum Radfahren gekommen und konnte mir die erhofften kräftigeren Oberschenkel abschminken. Der Herr im weißen Kittel meinte zum MRT:
"Da ist was drin, was da nicht hingehört. Das muss raus!" Den OP-Termin legte ich auf die Zeit nach der Portugaltour, auch wenn der Doc meinte, wir sollten sofort operieren, denn Fahrradfahren sei das beste Training. Doch mit einem frisch operierten Knie wollte ich nicht in den Norden Portugals.
Vorweg: ich habe das Knie meistens geschont, bin immer einen Gang niedriger als gewohnt gefahren und habe, sobald es weh tat, meine Etappe beendet. Die Strecke strich ich zusammen und startete mit dem Rad erst in Coimbra, nachdem ich zunächst von Lissabon den Zug nahm. Die Strecke und die Bedingungen kannte ich ja vom letzten Jahr.
. Coimbra Vom Flughafen in Lissabon geht es schnurstracks runter zum Bahnhof Oriente, dem Zentrum der Betonwüste, die anlässlich der Weltausstellung 1998 aus dem Boden gestampft wurde. Da der Flug verspätet war, sonst aber alles bestens funktionierte, kam ich erst spät in meinem gebuchten Hotel Astoria in Coimbra an und war sofort vom Hotel und von dieser Stadt begeistert. Studenten feierten ihr erstes Jahr und führten die Neuen ins Studentenleben mit verschiedensten, teilweise
haarsträubenden Ritualen ein.
Doch das wahre Elend siehst Du erst am Tag.
Coimbra hat die älteste Uni Portugals. Jeden Tag kommen hunderte Schaulustige, um sich dieses Kleinod portugiesischer Kultur anzuschauen. Sie betrachten ehrfurchtsvoll die altehrwürdigen Gebäude, stehen staunend in den viele Jahrhunderte alten Portalen, nachdem sie mit Bussen von Studiosus oder Neckermann hoch zum UNESCO-Welterbe gefahren wurden. Für einen Blick in die Hinterhöfe bleibt bei den geballten Programmen wenig Zeit. So kommen die Besucher gar nicht erst da hin, wo die Studenten studieren, wo sie sich in den Pausen aufhalten, wo sie Pläne für die Zukunft schmieden. Was sind das für verkommene Innenhöfe und dreckige Aufenthaltsbereiche bei den Naturwissenschaftlern.
Während repräsentative Bereiche mit großem Aufwand herausgeputzt und präsentiert werden, verkommt der Rest der Stadt. Sind die zu erwartenden
finanziellen Mittel aus dem Fond der UNESCO nicht sinnvoller in der Infrastruktur der Uni angelegt, als in geputzte Fassaden? Sind meine Worte zu drastisch? Mag sein. Doch ich kapiere nicht, wie Portugal dauerhaft aus dieser Traurigkeit herauskommen will. Ich mag die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Portugiesen. Sie hätten besseres verdient. Trotzdem ist es erstaunlich, mit welcher Gelassenheit die Studenten ihr Dasein hier aushalten und gleichzeitig so herzlich und fröhlich feiern können.
Coimbra hat einen wunderschönen botanischen Garten, den
Jardim Botânico. Es lohnt sich wirklich, hier ein paar Stunden zu verbringen. Für die Unerschrockenen gibt es einen Klettergarten durch die Baumwipfel.
Auch wenn es in Coimbra regnet, sind die Restaurants in der Rua da Sola schon
eine Sünde wert.
Dieses Bild könnte eine Überschrift für den augenblicklichen Zustand der Städte im Norden Portugals sein.
......... der Hinterhof der Chemiker
......... hier studieren sie a-Quadrat plus b-Quadrat gleich c-Quadrat
......... wahrscheinlich ist Demut das erste, was Studentinnen hier lernen sollen.
Mich befremdet es, dass junge Frauen sich so vorführen lassen. Und wenn ich schon im anderen Bericht John Lennon zitiert habe, dann fällt mir zu der Situation das noch ein.
"Woman is the nigger of the world" ......... kennt von euch noch jemand die Serie
Belphégor oder Das Geheimnis des Louvre? ......... ein paar Eindrücke aus der Stadt und vom botanischen Garten
Coimbra . Santa Comba Dão Endlich sitze ich wieder auf dem Rad. Die Bewegung tut gut.
Entlang des Rio Mondego führt die N110 leicht hügelig und beschaulich bergan. Es macht Spaß, durch das Tal zu fahren. Die Kiefern verströmen einen Duft von Sonne und Süden, ohne dass es zu warm ist. Wie ich schon in dem botanischen Garten in Coimbra gerochen und gespürt habe, scheint hier ein besonderes Mikroklima zu herrschen, dass es vielfältigen Pflanzen erlaubt, zu gedeihen. Sicher wäre es eine Freude, dem Mondego bis zur Quelle oder zur Mündung zu folgen, doch meine Planung bestand darin, dass ich die Bahntrasse nach Viseu erkunden wollte. Nun gut, die N110 verwandelt sich kurz vor dem Barragem da Aguieira auf wundersame Weise zu einem autobahnähnlichem Dreieck.
Da schreib ich jetzt aber besser nix zu…………………………………
Der Weg hoch zur Staumauer ist richtig steil und die von mir ausgesuchte Brücke der N2 über den
Rio Dao ist leider nicht für Fahrradfahrer befahrbar. Also düse ich im strömenden Regen über Montagua nach Santa Comba und bekomme ein kleines muffiges Zimmer. Das Abendessen wird für mich im Restaurant förmlich zelebriert, während extra zu meinem Wohl der Fernseher eingeschaltet wird. Die abendlichen Schauer werden langsam zur Routine. Irgendwoher muss ja diese grüne Hölle ihren Nährstoff herbekommen.
Santa Comba Dão . Viseu ..............Bahntrasse die erste…….. Die IP3 über den Rio Dao ist scheinbar für Fahrzeuge aller Art erlaubt. Ich habe keine gegenteiligen Schilder gesehen. Der Einstieg zur
Ecopista do Dao befindet sich auf der
nördlichen Seite der Bahngleise. Ein schmaler, sandiger Pfad führt zum Radweg. Die südliche Zufahrt existiert nicht, beziehungsweise ist mit Zäunen unter der Brücke vernagelt. So sind sie hier, die Landbesitzer. Fahrradfahrer unerwünscht.
Der Belag besteht aus feinem Asphalt, ist blau, grün und orange gestrichen und führt durch unberührte Naturlandschaften entlang des Rio Dao. An die luftigen Gitter der Brücken mit Blick in den Abgrund muss man sich gewöhnen. Ich bin alleine auf der Trasse. Weit und breit ist kein Mensch zu sehen. An einer Kreuzung im Nirgendwo jagen mich völlig unerwartet plötzlich zwei Hofhunde mit lautem Gekläffe. Sie kommen von rechts. Sie sind schnell, doch ich bin schneller. Trotzdem schlägt mein Herz bis zum Hals. Ich fange an zu japsen, drehe mich mehrfach um und bin fix und fertig.
Ein paar Kilometer später traue ich meinen Augen nicht. Ist das ein Fuchs? Es ist ein Fuchs. Er sieht mich und haut ab.
"Rache. Jetzt bist Du fällig!" Ich gebe Gas und rase hinter ihm her.
Von diesen Bahntrassen kommt man nicht so einfach weg. Entweder gibt es Zäune oder Böschungen, die dich auf der Trasse halten. Doch der Fuchs kennt sich aus, findet die Lücke und verschwindet schon bald, nachdem er mich gesehen hat. Irgendwo muss es hier was Essbares geben, denke ich mir. Keine 500 Meter weiter befindet sich auf der rechten Seite ein Altenheim.
Sollte sich hier jemand über drei Backroller wundern?
Zunächst hatte ich den dritten auf dem Gepäckträger montiert und am Frontträger nur einen leichten Packsack mit Regenklamotten. Doch das Patria fährt sich besser und trägt sich leichter mit gleichmäßig verteiltem Gepäck. Irgendwann später landete der leichte Packsack allerdings auf dem Logo.
Viseu soll ja ganz schön sein. Also suche ich mir dort ein Zimmer und bin zunächst hoch erfreut. Ich treffe ein englisch sprechendes Pärchen auf Radreise. Sie kommen vom Douro, sind fix und fertig vom auf und ab der letzten 35 km. Morgen wollen sie mit Rückenwind und bergab nach Coimbra. Das sollte zu schaffen sein. Die beiden bleiben die letzten Reiseradler bis Ourense.
Mein Magen ärgert mich. Im abendlichen strömenden Regen schwitze ich unterm geliehenen Regenschirm, trinke Tee und esse ein paar Kekse. In Viseu haben sie Ampeln mit Countdown im Sekundentakt. Wenn grün ist, fangen sie an zu piepen. Mein Hotel befindet sich an einer Kreuzung.
8 Ampeln piepsen mich in den Schlaf.
Viseu . Vila Nova De Paiva Zwei Photos hab ich heute auf der Strecke gemacht. Die Landschaft ist öde und langweilig. Bevor die Wälder brannten, hat es hier bestimmt einladender ausgeschaut. Bevor sie alle auf die Idee kamen, Eukalyptus anzupflanzen, wuchsen hier Korkeichen. Muss schön gewesen sein. Immerhin hält mein Knie und die Temperaturen sind erträglich. In dem trostlosen Nest Vila Nova De Paiva mit den neuen Springbrunnen lande ich bei der gastfreundlichen Familie vom Restaurant David. Die waren wirklich herzlich. Selbst mein Fahrrad darf ich im Treppenhaus vorm Zimmer abstellen. Ich verbringe noch einen netten Nachmittag mit den Portugiesen. Ich hatte auch noch Glück, dass sie Englisch sprachen. Das ist im Norden die Ausnahme. Wenn überhaupt, dann spricht jemand französisch. Wir plauschen etwas über den besten Fußballverein der Welt und die allgemeine Situation im Land, bevor ich mich im ansonsten leeren Restaurant über das Abendessen hermachen darf.
Vila Nova De Paiva . Lapa ..............Kurzetappe bis 11:15 Uhr Heute habe ich es nicht weit.
Von der N323 biege ich rechts ab auf ein kleines Sträßchen, das sich abwechslungsreich mit maximal 11% durch die Landschaft windet. Zwei Mountainbiker überholen mich irgendwo rechts im Dickicht und grinsen sich einen, als sie mich an einer kleinen Brücke wiedersehen. Der tote Fuchs auf der Straße tut mir leid. Wahrscheinlich wurde er erschossen. Die Bauern haben alle Angst um ihre Hühner. Das Jagen von Füchsen ist zwar verboten, doch das interessiert hier im Norden niemanden. Wie mir glaubhaft versichert wurde, hat wohl jeder auf dem Land mindestens eine Knarre im Schrank. Dabei sind Automatikwaffen die Regel. Ob Schrot oder Patrone scheint dabei egal zu sein.
An einem
Kreisverkehr erreiche ich Lapa, genehmige mir mal wieder einen doppelten Kaffee und bin wirklich gespannt auf diesen Ort. Er sollte mich nicht enttäuschen.
Über altehrwürdiges Kopfsteinpflaster rolle ich durch die grauen Häuser und parke hinter der Kirche. Mein Terra steht auf heiligem Granit. Es herrscht Festtagsstimmung, Bauern verkaufen das, was sie anbauen. Familien versammeln sich auf der Wiese und feiern im Sonnenschein. Lebendiges, liebenswertes Portugal.
Ich erlebe zum ersten Mal in meinem Leben, was es bedeutet, an einem Sonntag in einem portugiesischem Wallfahrtsort zu sein.
Damit endet meine zweite portugiesische Aneise. Ab morgen bin ich wieder auf der
Via Lusitana unterwegs. Mal schauen, welch schöne Wege Herr Hass noch so aus dem Köcher gezaubert hat.
Danke fürs Lesen
Jürgen
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Um den zweiten Teil nach Santiago zu beschreiben, brauche ich noch Zeit. Es kann also etwas dauern.
Hier im Faden folgt abschließend die Fortsetzung mit der letzten, der dritten portugiesischen Reise………….