Hier der Reisebericht zu unserer Italienreise. Ich hoffe, er gefällt euch und ihr bekommt ein paar Impressionen wie Italien im Hochsommer ist. Viel Spaß beim lesen......
Süditalien - Eine Reise durch die Basilikata und Kalabrien
Tag 1 Do, 02.Aug. 2012
Eine der einfachsten und günstigsten Methoden mit dem Fahrrad die "Fernen Länder" Europas zu bereisen, ist die günstige Fluggesellschaft von Ryanair. Man darf dort keinen Fensterplatz, Snacks oder gar was zu trinken erwarten, aber sie fliegen einen halbwegs sicher und für wenig Geld in viele schöne Gegenden Europas. Unser Ticket führte uns am 02. August vom schönen, aber auch sehr abgelegenen Niederrheinflughafen in Weeze (zwischen Rhein und Holland) ins warme sonnige Süditalien, genauer gesagt nach Bari, der Hauptstadt von Apulien. Dort sollte unsere Tour starten, die uns jeden Tag aufs neue schöne Erlebnisse, Landschaften und Begegnungen bringen sollte.
Radvorbereitung
Spät sind wir auf dem Flughafen in Bari gelandet. Bis wir die Räder fertig präpariert hatten, war es bereits nach halb 8 und die Dämmerung setzte schon ein. Bis zum Campingplatz in Giovanazzo waren es nochmals 10 km, die wir zusammen mit vielen rücksichtsvollen Autos und ohne uns auszukennen zurücklegen mussten. Müde und hungrig fanden wir dann gegen halb 10 den ausgewählten Campingplatz direkt am Meer am. Es war schon lange dunkel, aber immer noch lauschig warm. Der Campingplatz war voll mit Italienern, die vor ihren sehr professionell ausgebauten Wohnwagen gerade das Abendessen zubereiteten. Wir bauten schnell das kleine Minizelt auf und da wir im Flugzeug kein Campinggas mitführen durften, haben wir in der nahegelegenen Pizzeria direkt am Meer unseren großen Hunger mit einer unsagbar leckeren Pizza gestillt. Die Pizzeria war auch die letzte Möglichkeit mit der Außenwelt in Kontakt zu treten, den es gab hier WLAN for free. Die nächsten 14 Tage werden wir von der Außenwelt abgeschnitten sein, was auch mal ganz schön schön sein kann im Zeitalter ständiger Erreichbarkeit und Internetnutzung.
Tag 2 Fr, 03.Aug. 2012
Bevor es nun mit den Rädern ernst werden soll, hatten wir erstmal einen Urlaubstag eingelegt. Klimatisieren, Einkaufen, Baden und möglichst wenig Stress standen heute auf dem Programm. Zuerst einkaufen im nahen Ort, dann frühstücken und dann ans Meer. Der Strand bestand aus natürlichen Kalksteinterassen, auf denen viele kleine Krabben sich fortbewegten. Das Wasser war glasklar und man konnte kleine Fische beobachten. Und das Wasser war warm wie eine Badewanne und herrlich erfrischend. Beim analysieren der Kalksteine habe ich mir leider den Fuß blöderweise umgeknickt und meine Profitrekkingsandale verlor eine Schnalle. Um für Ausgleich zu Sorgen hat Torsten sich seine Sandalen mit Meerwasser ruiniert, da seine Sohlen wohl doch nicht Salzwasser-Resistent waren. Da wir sowieso noch Campinggas besorgen mussten, lohnte sich nun auch ein Radausflug ins nahe Bari.

Touristenfreies Meer bei Giovinazzo
Vorher wurden wir aber erstmal von unseren italienischen Campingnachbarn zum Mittagessen eingeladen. Eine Familie aus der Nähe von Bari, die ihre gesamten Sommerferien auf diesem Campingplatz verbringen. Und die italienischen Sommerferien sind lang und dauern fast die gesamten drei Sommermonate. Der Vater sah aus wie der Enkel von Francis Ford Copolla, aber er war sehr gastfreundlich und interessiert was uns in diese schöne Gegend geführt hat. Zum Glück konnten er und seine Enkelkinder ein wenig Englisch und so erzählten wir ihm was wir vorhaben und wir unterhielten uns über die Menschen und Sitten Italiens. Dabei serviert uns die Frau Spaghetti mit Thunfisch, Fleisch, was aussah und schmeckte wie Rindfleisch aber dann doch Pferd gewesen sein soll, Carussellos (eine Gurkenart), Feigen, Pfirsiche, Eis und Bier. Hier wurden wir zum ersten Mal mit der italienischen Gastfreundschaft konfrontiert, und es sollte beileibe nicht das letzte Mal gewesen sein.
Als die Hitze gegen Nachmittag langsam nachließ (und es war noch keine wirkliche Hitze) machten wir uns auf den Weg und versuchten die 20 km ins Stadtzentrum zu gelangen. Nur läuft das mit dem Verkehr in Italienischen Großstädten etwas anders. Es gab jede Menge Einbahnstraßen oder Straßen, die nicht zum Ziel führten, sondern in Randzonen enden. Mit etwas Phantasie und Improvisation fanden wir doch den Weg und schwammen mit dem chaotischen Verkehr in die Innenstadt. Zum Thema Verkehr muss man in Italien sagen: Es sieht chaotisch aus und es wird viel gehupt, Ampeln werden oft ignoriert und wer glaubt die Autos halten am Zebrastreifen, der irrt sich gewaltig. Aber der Verkehr hat seine Regeln und die lauten: Jeder achtet auf den anderen, und jeder nimmt Rücksicht. Gehupt wird auch nur, um die anderen zu warnen und nicht um sein Recht als stärkerer einzufordern, wie wir es aus Deutschland kennen. Am Zebrastreifen muss man einfach losgehen und sie halten wie von Geisterhand gesteuert an. Wir hatten nicht eine einzige komische Situation auf unserer Tour und wir sind teilweise Straßen gefahren, auf denen wir hier schon längst eine Ansage im Radio bekommen hätten "Radfahrer auf B75 unterwegs!!" und mit Gefängnisstrafe im Knast gelandet wären.
In Bari sollte man sein Rad niemals alleine stehen lassen. Überall und bereits von unseren Campingfreunden wurden wir gewarnt auf unsere Räder und Sachen aufzupassen. Es scheint wohl ein heißes Pflaster zu sein, welches nur von Neapel übertroffen wird. Wir finden allerdings nur freundliche Menschen und finden mit deren Hilfe auch schnell einen passenden Schuhladen, wo Torsten neue Tevasandalen bekommt und den kleinen Campingshop, wo wir unsere Gasflasche bekommen. Ansonsten hatte Bari nicht viel zu bieten und wir machen uns wieder auf den Rückweg. Um nicht wieder lange suchen zu müssen, fahren wir einfach den Garmintrack wieder rückwärts.
Wieder auf dem Campingplatz angekommen, machte sich mein Fuß dann doch bemerkbar. Dick angeschwollen war mein Fuß mittlerweile und das laufen tat immer mehr weh. Auf dem Rad merkt man sowas ja nicht wirklich. Das Eis vom Nachbarn hat die Schwellung gut abklingen lassen, aber ob ich am nächsten Tag fahren könnte, war mehr als fraglich. Ein denkbar schlechter Start was die Gesundheit betrifft....
Tag 3 4.08.2012
Giovinazzo (Bari) - Matera
71 km, 770 HM
Heute wird es nun ernst. Die erste Etappe unsere Italientour ging los und führte uns in die berühmte Stadt Matera in der Region Basilikata. Um 9 Uhr hatten wir Zelt, Klamotten und allen anderen Kram auf unseren Rädern verstaut und obwohl es noch früh ist, schien die Sonne schon kräftig vom Himmel.
Aufbruch vom Campingplatz
Die Strecke führte uns zuerst ins 10 km entfernte Bitonto, wo wir in der Panaderia (Bäckerei) Frühstück besorgten und in einem kleinen Park den alten Männern zusahen, die sich überall in der Mittelmeerregion in den Parks zum quatschen treffen, während die Frauen vermutlich zu Hause die Arbeit verrichten.
Die Landschaft, durch die wir zu Beginn fuhren, bestand aus unzähligen Olivenplantagen. Bereits aus dem Flugzeug konnte man sich ein Bild über das Ausmaß dieser Plantagen machen. Die Straßen sind zum Teil ziemlich stark verdreckt. Überall wird hier der Müll an der Straße weggeschmissen, ab und an sieht man Tierkadaver und vor allem unzählige Plastikflaschen. Würden sie in Italien das Pflaschenpfand einführen, wäre es ein sehr sehr reiches Land. Die Straße ist recht eintönig, ging sie doch kilometerweit einfach nur geradeaus und immer leicht bergauf. Aus der zweispurigen wurde eine vierspurige Straße und es wurde mit jeder Minute immer heißer. 46°C zeigte das Thermometer bereits am frühen Nachmittag an und wir mussten unter Brücken immer wieder Pausen einlegen. Nach 40 km Anstieg war dann aber endlich Altamura in Sicht. Eine etwas größere Stadt, wo wir wieder kalte Getränke, Obst und Schatten bekamen. Unser Wasser in den Trinkflaschen hatte nahezu gefühlte Siedetemperatur erreicht. Mittlerweile hatte sich nun auch die Landschaft verändert. Aus den riesigen Olivenhainen wurde eine wellige verdorrte Landschaft mit weitläufigen Feldern. Kurz bevor wir die ersehnte Stadt erreichten, mussten wir nochmal ein Stück steil bergauf fahren. Ohne die Weintrauben, die am Straßenrand wuchsen, hätten wir das nicht mehr geschafft ;-). Und dann fanden wir auch einen kleinen Obstladen, wo wir kalte Cola und leckere Pfirsiche kaufen konnten. Große Supermärkte durfte man in diesen Gegenden nicht erwarten. Das meiste wird in kleinen Minigeschäften verkauft, die zwischen 13 und 17 Uhr aber wegen der Siesta meist geschlossen sind.
Olivenhaine auf den ersten Kilometern

dann wird die Landschaft immer trockener

kerzengerade Straße nach Altamura
Ausgedörrt und Trocken ist die Landschaft
Endlich erreichten wir den Altstadtkern von Altamura, der wirklich wunderschön war. Kleine enge Gassen, Blumen vor den Häusern, Skulpturen und kaum eine Menschenseele. Auf einem nahezu verlassenen Kirchplatz machten wir unsere Pause und wurden plötzlich von einer Hochzeitsgesellschaft überrascht, die gerade um die Ecke kam. Wir saßen gerade auf den Kirchtreppen und tranken unsere leckere kalte Cola, als der Fotograf unsere Räder entdeckte. Spontan hat er sie gleich als Fotomotiv mit eingebaut und den Bräutigam auf mein Rad gesetzt. Fasziniert schauten wir dieser faszinierenden Szene zu. Eben noch in der staubigen Einsamkeit und gleich darauf mitten unter extrem schön gekleideten Italienern, die ganz interessiert daran sind, was wir in dieser Gegend zu suchen haben. Und das war einer der schönen Augenblicke, die man auf so einer Tour erleben darf. Gerade noch fuhr man durch die "Hölle", es war unsagbar heiß und anstrengend und man könnte sich tausend andere schöne Dinge vorstellen, als auf dieser gottverdammten Stupiden langweiligen Straße durch die Hitze zu fahren und dann kam man in diese schöne Altstadt und durfte diesem schönen "Treiben" zusehen. Sowas ließ alle Anstrengungen wieder schnell vergessen.
Kirche in der Altstadt von Altamura

Impressionen

Altstadt

Kirchentor
Aber Altamura war nicht unser Ziel. Wir mussten die Kühle im Schatten der Kirche wieder verlassen und noch 20 weitere Kilometer zurücklegen. Diesmal aber nicht mehr nur bergauf, sondern in einer welligen Landschaft immer auf und ab. Nur die Straße, die wir ausgewählt hatten ist nicht die schönste, den mittlerweile fuhren wir auf der "B 75", einer autobahnähnlichen ausgebauten Bundesstrasse mit viel Asphalt, Leitplanken und keiner Möglichkeit, außer einer Abfahrt, dieser Straße zu entkommen. Aber es war nicht verboten mit dem Rad hier lang zu fahren und viele Alternativen was Straßen anbelangt gab es hier im dünn besiedelten Süditalien nicht. Und so fuhren wir 15 km auf dieser zum Glück nur mäßig befahrenen Straße bis kurz vor Matera. Aufgrund der vielen Asphaltflächen war die Hitze noch intensiver und der Wind kam wie ein Föhn von vorn. Hier machten wir auch unsere ersten Erfahrungen mit Feuer, denn in diesem Sommer ist es in Südeuropa besonders trocken und an allen Ecken und Enden brannte es. Meist waren es aber nur kleine Brände, wo Stoppelfelder brannten oder kleine Baumflächen. Als Schutz vor Feuerübergriffen haben die Bauern an den Feldrändern Schneisen angelegt, die das Feuer stoppen sollen.
Schnellstraße nach Matera
Gegen 17 Uhr erreichten wir endlich den kleinen Campingplatz (Masseria Radogna) auf einem Hügel in der Nähe von Matera. 2 km ging es nochmal durch eine schöne Karstlandschaft steil bergauf. Ich schob, aber Torsten fuhr noch. Der Campingplatz war kein Campingplatz im eigentlichen Sinne, sondern ein einsames kleines Haus auf einem Hügel, das ein kleines Restaurant betreibt und überwiegend Schulklassen durch dieses historisch und geologisch interessante Gebiet führt. Dazu gab es eine Campingfläche mit einem kleinen Duschhäuschen und Stromanschluss. Als wir ankamen, stand nur ein einziges Wohnmobil dort, welches am Abend noch von 3 weiteren ergänzt wurde. Wir bauten unser kleines Zelt unter einem Feigenbaum auf und duschten uns in der kalten Dusche erstmal den Staub und den Schweiß des Tages ab. Was für ein Luxus frisches Wasser doch sein kann. Eigentlich war der Plan deutlich früher in Matera anzukommen, damit man sich noch diese berühmt Stadt ansehen kann. Aber für die 70 km hatten wir heute so lange gebraucht, dass es doch schon zu spät war. Hier bei uns sind 70 km schnell gefahren, aber beim Tourenfahren sind die Gesetze andere, und wenn Steigung und Hitze dazukommen, dann können 70 km endlos lang werden. Wir hatten aber noch Zeit um uns Matera von einer ganz besonders schönen Seite anzusehen.

einsamer Campingplatz vor Matera
Badehaus

Blick vom Campingplatzhügel auf verdorrtes Land
Warum ist Matera so berühmt? Matera liegt an einer steil abfallenden Schlucht einer karstigen Hochebene, die durch den Fluss Gravina an dieser Stelle tief eingeschnitten wurde. Berühmt ist Matera für seine Höhlenwohnungen, den Sassi. Diese natürlichen Höhlen wurden wahrscheinlich schon seit der Jungsteinzeit besiedelt und in denen Menschen bis ins 20. Jahrhundert hin lebten. Der weiche Stein erlaubte es die Höhlen zu erweitern und nach den Wünschen der Menschen zu gestalten. Im Laufe der Zeit wurden die Höhlen durch Anbauten erweitert und ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, welches seit der Bronzezeit existiert versorgte die Menschen mit Wasser. Es entstand schließlich ein Gewirr aus Häusern, Straßen, Kirchen und Kellern, die quasi übereinander gebaut worden sind. 15.000 Einwohner lebten Mitte des 20. Jahrhunderts unter erbärmlich unhygienischen Verhältnissen und in den 50er Jahren wurden die Menschen in andere Stadtteile zwangsumgesiedelt und die Sassi verfielen. Seit den 80er Jahren wurden begonnen sie zu restaurieren und neu aufzubauen. Heute findet man hier viele Szenelokale und Künstlerateliere. Diese Sassi wurden dann 1993 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt und stehen unter Denkmalschutz. Außerdem dienten sie diversen Filme als Kulisse. Einer der letzten großen Filme, die hier gedreht wurden, ist die Passion Christi mit Mel Gibson.
Matera bei Sonneuntergang
Impressionen

Gravinaschlucht
Unser Campingplatz lag sozusagen auf der anderen Seite der Schlucht und so hatten wir in der untergehenden Abendsonne einen wunderschönen Blick auf diese übereinander gestapelte historische Altstadt. Und damit endet auch dieser dritte Tag. Er war zwar unsagbar heiß, aber irgendwie war es auch schön und sehr erlebnisreich.
Fortsetzung folgt....