Nachdem ich für die Vorbereitung meiner ersten Radtour mit Zelt etliche hilfreiche Tipps aus dem Forum bekommen habe, will ich Euch natürlich nicht vorenthalten wie es gelaufen ist. Hier also mein Reisebericht:
Rad fahre ich schon immer gerne, auch das Campen im Zelt kenne ich von vielen Reisen noch aus Kinder- und Jugendtagen. Die Kombination aus beidem reizte mich, seit ich einigen Radlern auf dem Nachhauseweg den Platz zum heimatnahen Campingplatz zeigte. Sollte es möglich sein, sein Gepäck auf das Nötigste zu beschränken und dies mit dem Rad, weitestgehend unabhängig und ohne allzu feste Ziele durch die Gegend zu fahren? Es sollte!
Geplant hatte ich für diese Tour schon frühzeitig. Sicher ein halbes Jahr lang, und die Vorfreude wuchs von Tag zu Tag. Am Tag der Abreise wich die dann allerdings einer gewissen Nervosität, ob das alles so richtig ist, was ich hier anfing. Aber der Reihe nach:
31.08.2013 1 Tag vor der Abreise19.00Uhr: Die Tickets für die Bahnfahrt von Frankfurt nach Bayreuth liegen bereit. Das Rad ist noch einmal gründlich geprüft, die Kette geschmiert. Die Radtaschen sind geschnürt. Das Packen klappte gut. Außer einem Paar Ersatzschuhen ging alles in die Seitentaschen. Das Zelt und die anderen Campingartikel finden in dem Gepäcksack längs auf dem Träger platz. Die Fuhre ist schwer (Rad & Gepäck 39kg), aber noch tragbar, wenn eine Treppe im Fahrtweg steht. Nun gibt es kein zurück mehr. Die Stimmung wechselt zwischen Vorfreude und Bangen, so wie das Wetter momentan wechselt. Eine Fahrt im Regen wäre sicher kein guter Einstand in das Metier Radreise.
01.09.2013 Tag der Abreise; Bahn: Frankfurt-Bayreuth / Rad: Bayreuth-Lichtenfels 66km 8.00Uhr: Es geht los! Mit der S-Bahn zum Frankfurter Hauptbahnhof. Dabei schon einmal das Umsteigen geübt. Dank der liebevollen Unterstützung meiner Partnerin, die im ÖPNV deutlich versierter ist als ich, klappt das alles problemlos und ich besteige in Frankfurt den Zug nach Würzburg. Glücklicherweise ein Doppelstockabteil. Ich kann neben meinem Rad Platz nehmen. Andere Radfahrer folgen.
9.30Uhr: Die Bahn fährt ab und nimmt Fahrt auf Richtung Würzburg. In Hanau steigt ein Reiseradler zu, wir kommen ins Gespräch über das Thema Radreise und Unterkunft. Er berichtet auf sehr angenehme Art über die Suche nach geeigneten Zeltplätzen und die Tagesleistungen mit Gepäck auf dem Rad. Seine Worte wirken beruhigend auf mich, bis zur Ankunft in Würzburg beschäftigt mich nur noch das Umsteigen mit dem bepackten Rad.
11.30Uhr: Umstieg in Würzburg. Das Rad ist kurz vor dem Einlaufen in den Bahnhof wieder voll bepackt. Da ich mir den Bahnhofsplan vorher angesehen hatte, ist der Weg eigentlich klar. Nicht lange nach dem Lift suchen, Rad schnappen und Treppen runter und wieder rauf. Der Zug ab Würzburg ist nur ein Mehrzweckwagen mit enger Tür und schon recht voll. Mit mir passen noch zwei andere Radreisende hinein, 12 weitere müssen draußen bleiben. Unterwegs wieder sehr angenehme Gespräche mit anderen Radlern. Man findet sofort Gesprächsstoff über Reiseziele und Dauer. Sehr angenehm.
13.00Uhr: Die Sonne lacht, der Himmel ist nur mäßig bewölkt. Ich will endlich auf´s Rad!
14.00Uhr: Ankunft in Bayreuth bei bestem Wetter. Jetzt geht es endlich los. Die Fuhre rollt prima heran an den Roten Main, der hier eher nach einem kanalisierten Bachlauf aussieht. Dass ein Flussradweg nicht immer nur topfeben verläuft, wird sich im Laufe des Nachmittags noch herausstellen. Gerade im Bereich des Oberlaufes warten doch einige kurze und knackige Steigungen. Ich fahre zur Zeit vorrangig nach dem Track von gpsies, was sich nicht immer als glückliche Wahl herausstellen wird. An manchen Stellen geht der GPS-Weg durch ein Feld und ist besser für einen Trecker als für ein Trekking-Rad geeignet.
Im Grunde braucht man für den Mainradweg gar keine Karte, die Beschilderung reicht völlig. Aufpassen muss man halt, damit kein Schild übersehen wird.
17.00Uhr: Die geplanten 67km bis zum CP in Lichtenfels ziehen sich, der Wind bläst über die offenen Felder und bremst mich gewaltig aus. Langsam kommt Zeitdruck auf, denn der CP schließt um 1900Uhr. Die Kaffeepause wird daher durch die Zufuhr diverser Riegel aus der Lenkertasche ersetzt, die Trittfrequenz schon am ersten Tag ein wenig angezogen.
18.20Uhr: Der CP Lichtenfels liegt vor mir. Ich checke ein, mit 6,40€ wird er der Platz mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis der Reise sein. Die Stellflächen sind locker verteilt, die sanitären Anlagen Tipp-Top gepflegt und die Duschen laden förmlich zum Dauerduschen ein. Abends geht es auf Empfehlung des Platzwartes zur örtlichen Dorfgastronomie, auf der Karte steht Rindfleisch in Meerrettichsoße, lecker!
Für den ersten Tag bin ich mit dem Verlauf höchst zufrieden, auch die Fahrleistung ist mit 66 gefahrenen Kilometern an diesem Nachmittag in Ordnung.
02.09.13 2.Tag Lichtenfels – Grafenrheinfeld 122kmEigentlich sollte die Tour heute in Sand am Main enden. Jedoch kam es anders...
7.00Uhr: Leider war die erste Nacht im Zelt nicht so ruhig, wie erhofft, denn die Nachbarn tagten noch bis in die Nacht vor ihrem Wohnmobil. Ebenso ereilte mich ein anderer typischer Kardinalsfehler nach vielen Jahren Campingabstinenz: die Luftmatratze war viel zu hart aufgeblasen. Aber wir lernen!
Ich sitze somit um 7.30Uhr ein wenig fröstelnd in meinem Klappstühlchen und warte auf die Brötchen. Auch hier ein Lob an den CP Lichtenfels, der Brötchenwagen kommt pünktlich und hat eine gute Auswahl.
9.00Uhr: Die Fahrt geht los. Das Packen hat hervorragend geklappt, da das Zelt völlig trocken war. Alles fand wieder seinen Platz, nur der Himmel versprach einen trüben Tag. Ich komme trotz mäßigem Gegenwind und ein paar einzelnen Regentropfen sehr gut voran. Vorbei an der eingerüsteten Basilika Vierzehnheiligen in Bad Staffelstein bin ich schon um 14.00Uhr in Sand.
Dort baute direkt vor dem CP gerade die Kirmes auf und drohte mit einer unruhigen Nacht. Der Tag war noch lang und ich beschloss, weiter zu fahren. Die Radkarte zeigte mir einen CP in Schweinfurt-Sennfeld, den ich zuerst ansteuerte. Gegen 17.00Uhr erreichte ich den CP am Naturfreundehaus und es verschlug mir die Sprache! Vor Ort sah es aus, als wäre dies ein Friedhof für Caravans. Nach der ersten Inspektionsrunde kam mir die zahnlose „Dame“ der Rezeption entgegen. Bei entsprechender Windrichtung wäre sie erst zu riechen gewesen, puh.
Der Platz liegt extrem ungünstig zwischen Autobahn und Hauptverkehrsstraße, für Unruhe ist also gesorgt. Für mich war klar: SOFORT WEG HIER. Ich erinnerte mich, dass ich in Schweinfurt an dem Jugendgästehaus vorbei gekommen war. Also dort hin und gefragt. Mit 35€ als Erwachsener im EZ nicht gerade ein Schnäppchen. Leider sei man voll belegt, so die Dame der Rezeption und auf solche Übernachtungen auch nicht eingerichtet??? Ich fragte mich ernsthaft, wofür denn dann, und zog weiter. Ein Anruf einer Pension in Grafenrheinfeld aus der Radkarte versprach ein freies Zimmer, ich reserviert und machte mich beruhigt auf den Weg.
Dort angekommen erwarteten mich neben einem sehr ordentlichen Städtchen eine komfortable Unterkunft und für den nächsten Tag noch einige Fotomotive. Eine schöne Entschädigung für den Unterkunftsmarathon.
Immerhin kamen so heute 122km zusammen, Umwege bereinigt sind es weitere 110km am Main entlang Richtung Heimat.
03.09.13 3.Tag Grafenrheinfeld – Randersacker 83kmNach einer entspannten Nacht und einem reichhaltigen Frühstück in der Pension werden beim örtlichen Discounter noch die Getränkevorräte aufgefüllt und die Technik kurz gecheckt. Gestern knackte es in der linken Kurbel, wenn ich mehr Druck gab. Mein Verdacht bestätigte sich, das erst 2000km alte Pedal hat schon merklich Spiel. Gibt es keine haltbaren Plattformpedale mehr, oder ist mein Antritt zu stark? Nicht weiter schlimm, bis nach Hause wird es noch halten.
9.00Uhr: Mich erwartet ein sonnenreicher Tag, der mich durch die schönen Orte Stammheim, Schwarzach und Volkach führt und bei herrlichem Wetter tolle Fotomotive liefert.
15.30Uhr: Nach 83km stehe ich in Würzburg Randersacker, jedoch liegt der CP Kalte Quelle auf der anderen Mainseite und die befahrbaren Brücken sind entweder 10km vor oder hinter mir. Bleibt als Alternative noch die Treppe der Staustufe. Das Hochtragen funktioniert hier nur mit Hilfe der freundlichen Passanten, da die Treppe recht schmal ist.
Drüben angekommen, reserviere ich mir einen Platz auf dem CP, der mit 10€ der teuerste der Reise sein wird. Die Ausstattung ist in Ordnung, die sanitären Anlagen gerade noch OK, könnten aber alsbald eine Sanierung vertragen. Man stößt dort auf sehr viele Hinweisschilder, scheinbar muss man den meisten Gästen alles schriftlich mitteilen. Störend ist auch der Geräuschpegel der nahe gelegenen Eisenbahnstrecke.
Ich vertreibe mir den Nachmittag in Randersacker und sitze abends im Hocker vor meinem Zelt, genieße die Abendstimmung und die Ruhe am Main. Der Kopf ist voll mit schönen Eindrücken des Tages und ich weiß schon jetzt, dass dies nicht meine einzige Radreise bleiben wird.
04.09.13 4.Tag Randersacker – Lengfurt 94km7.00Uhr: Guten Morgen. Die Nacht war ruhiger, als befürchtet, die Bahn hat scheinbar auch einen eingeschränkten Nachtfahrplan. Nebenan wird zu dieser frühen Stunde ein Zelt aufgebaut. Die Heringe schlägt er mit einem Holzschuh in den Boden. Ob das die niederländische Methode ist, konnte nicht geklärt werden. Der Himmel ist schon zu dieser Zeit vollkommen klar und mein erster Weg wird mich heute in eine Apotheke führen, um eine radreisetaugliche Packung Sonnencreme zu beschaffen.
Der klare Himmel an diesem Morgen hat zur Folge, dass das Zelt außen sehr feucht ist. Es braucht seine Zeit, bis es halbwegs trocken gelegt ist. Nach einem Frühstück mit dem gelieferten Brötchen ist dann Aufbruch.
9.00Uhr: Ich radele los, lasse den Campingplatz mit seinen Stimmen und Geräuschen hinter mir, kurbele in die Stille des Morgens. Der Blick geht in die Weite der Landschaft mit Ihren Weinhängen und im Kopf stimmt der aktuelle Ohrwurm ein. Zur Zeit ist das „Keep your head up“ von Ben Howard und das Lied passt perfekt zur Stimmung... Gänsehautstimmung! Meine Mutter wird später dazu sagen „Fast eine spirituelle Stimmung“ und ich finde, Sie hat vollkommen Recht!
Nach kurzer Zeit erreiche ich Würzburg. Ein Besuch der Innenstadt ist obligatorisch. Der Trubel ist aber nicht mein Ding. Ein Touripaar aus Spanien versucht mich im Querformat mit Marienkapelle abzulichten. Nur ein paar Fotos, dann weiter.
Lieber verweile ich in den kleineren Städtchen, wie zur Mittagszeit in Karlstadt. Ich sitze in der Altstadt mit Blick auf schönes Fachwerk, mein Fahrrad im Blick, kann ich dem Treiben zusehen und gemütlich auf mein Essen warten. Nach einem Salat mit Putenbrust will ich noch schnell beim Discounter die Getränkevorräte auffüllen. Vor der Tür ist ein nervtötender Kläffer angeleint, der noch bis in den hintersten Winkel des Ladens zu hören ist. Beim Verpacken der Vorräte am Rad ist er genau neben mir und ich meine, mein Trommelfell platzt. Diese Situation reizt mich, bringt meinen Puls unnötig nach oben. Schnell wieder auf´s Rad und die Strecke, Kopfmusik an, Titel kennt ihr ja inzwischen...
17.00Uhr: An Marktheidenfeld vorbei nähere ich mich Lengfurt und dem CP Main-Spessart. Zuvor will aber noch der steile Berg davor bezwungen werden, denn der Platz liegt in luftiger Höhe. Die letzten Meter muss ich schieben. Dafür entschädigt der Platz mit Luxusausstattung. Sanitäre Anlagen vom Feinsten, Laden, Gaststätte, Schwimmbad nebenan, was will man mehr.
Nach 94km baue ich mein Zelt auf einer großen Grünfläche mit Blick auf Trennfurt auf, sehr schön.
Leider ist die Gastronomie im nächsten Ort nicht üppig. Vor dem einzigen Restaurant steht die Familie und wartet auf Kundschaft. Also zurück zum CP. Dort besteht das Abendbrot aus einem Brotzeitteller in illustrer Camping-Familienatmosphäre.
05.09.13 5.Tag Lengfurt – Miltenberg 59km8.00Uhr: Die Nacht war wunderbar ruhig, die Sonne drückt schon früh den Nebel aus dem Tal. Imposante Bilder. Da die heutige Etappe nur bis Miltenberg gehen soll, lasse ich mir mehr Zeit mit dem Frühstück und dem Zelt trockenlegen. Während ich meine Taschen schnüre, merke ich, wie die Nachbarn gespannt darauf warten, wie das alles auf einem Fahrrad Platz finden wird. Nun, es ist nicht der erste Tag und alles findet seinen Platz, auch wenn mir das Packen heute nicht so recht von der Hand geht.
10.00Uhr: Aufbruch. Ich rolle gemütlich am Main entlang. Die Temperatur ist schon erstaunlich hoch und die Getränkevorräte schwinden schnell. Um 1300Uhr bin ich kurz vor Miltenberg und mache noch eine kurze Rast, um wenigstens die Füße im Main zu kühlen. Gerne wäre ich auch eine Runde geschwommen, aber das hat bisher nicht reingepasst; am ersten CP mit Badestelle war es noch zu kalt.
Die letzten Meter in Miltenberg muss ich wieder schieben, denn meine Station bei meiner Mutter liegt weit oben am Berg. Schon ohne Gepäck ist das mit dem Rad eine echte Herausforderung, mit Gepäck keine Chance. Um 15.00Uhr bin ich nach 59km angekommen. Für diesen Nachmittag und Abend ist nun genug Gesprächsstoff meinerseits vorhanden und ich nutze die Sonnenstunden, um das Zelt zu trocknen und sauber zu verpacken. Morgen geht es auf die letzte Etappe über Seligenstadt nach Hause.
06.09.13 6.Tag Miltenberg – Offenbach 107kmDie Nacht in einem richtigen Bett ist schon erholsamer als die Luftmatratze, jedoch fehlt die Atmosphäre im Zelt. Es ist 7.00Uhr, die Sonne hängt gerade noch hinter den Miltenberger Weinhängen und es wird wohl wieder ein sehr warmer Tag. Zum Frühstück gibt es heute natürlich einen aufgebrühten Kaffee. Nun ist auch klar, was auf der nächsten Tour verbessert wird, Instantkaffee geht gar nicht. Ich starte um 9.30Uhr und rolle den gestern erklommen Berg herunter an den Main. Nun fahre ich über die bestens ausgebauten Radwege, habe erstmals auf dieser Reise Rückenwind und komme bei lockerem Tritt erstaunlich schnell voran.
Um 11.00Uhr sind schon 35km auf dem Tacho. Die Gegend wechselt nun vom Wein- zum Apfelanbau, die Apfelweinmetropole kommt merklich näher.
Bis zum Mittag habe ich Seligenstadt erreicht, Zeit für eine Pause am Mainufer. Ich schaue der kleinen Mainfähre zu und genieße die Sonne. Immer noch habe ich das Gefühl, stetig bergab zu rollen und so beschließe ich, dem Main noch bis Offenbach oder Frankfurt zu folgen.
Vorbei an Mainaschaff, Hanau und Mühlheim schaffe ich es noch bis Offenbach. Nach 107km verabschiede ich mich vom Main, den ich über 6 Tage bei nahezu perfektem Radfahrwetter begleiten konnte.
Es war eine tolle Tour mit einprägsamen Momenten, spontanen, netten Kontakten und interessanten Gesprächen.
Tschüß Main.
Nach 555km hat mich das urbane Leben wieder. Ich besteige in Offenbach die S-Bahn und lasse mich nach Hause kutschieren. Auf Innenstadtverkehr habe ich nach so vielen, schönen Kilometern keine Lust. In Gedanken plane ich schon die nächste Tour...
Viele Grüße
Dirk