Tag 11 -
StreckeWohlgeruht sollte es heute in die Abruzzen gehen. Auf dem Weg dahin wurde ein grandioses Tal zwischen Roccasecca und Casalvieri leicht bergan dem Verlauf eines Flusses folgend durchquert. Am Eingang dieses Tales wurde ausgiebig gefrühstückt (neben den bereits angesprochenen Grundnahrungsmitteln hatten sich inzwischen Getrocknete Tomaten, Ricotta und Brot einen Stammplatz auf dem Speiseplan erkämpft). Nicht ein Auto gab es auf diesen 15 Kilometern zu sehen, dafür einige morgendliche Spaziergänger, mit denen man zumindest versucht hat sich zu unterhalten. Meistens reichte schon das Wörtchen „tedesco“, um beim „Gesprächspartner“ einen Redeschwall auszulösen. Dass ich davon nichts verstand wurde zwar so hingenommen, aber irgendwie auch komplett ignoriert.
Auf dem weiteren Weg lag das Dörfchen Alvito, dessen Partnerstadt das gleichnamige portugiesische Alvito war. Offenbar hatten deren Bürgermeister jeweils einen Clown gefrühstückt und befanden das für unheimlich lustig. Ist es ja auch irgendwie.
In San Donato Val Di Comino wurde auf einer Parkbank mit Blick auf die zurückliegende Landschaft diniert, während auf der Bank nebenan der halbe Ort damit beschäftigt schien, sich mit einer älteren Frau zu unterhalten. Ständig kamen und gingen Leute. Möglicherweise ist ihr Mann verstorben, die Frau sah ziemlich traurig aus. Vielleicht war es aber auch nur der Kanarienvogel.
Der weitere Anstieg ließ sich sehr angenehm fahren, immer wieder schöne Ausblicke und kein Verkehr, bis man nach weiteren 800 Höhenmetern die Passhöhe erreichte, um dann wieder ein wenig an Höhe zu verlieren, Opi zu beglotzen und sich dann mit Tom in Pescasseroli zu treffen. Auf dem Marktplatz das typisch italienische Gewimmel, es war üblich, gegen Abend zum Dorfmittelpunkt zu pilgern und sich mit Hinz und Kunz über derlei Gewäsch zu unterhalten. Aber innerhalb einer halben Stunde war es auch wieder wie ausgestorben.
Tom nächtigte mal wieder in einer von Menschenhand geschaffenen künstlichen Überdachung (ein Albergo), während ich der Gefahr, von einem Bären verschlungen zu werden mutig ins Auge blickte und mein Zelt in die Pampa stellte. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich nachts zeitweise genau deswegen tatsächlich mit Pfefferspray in der Hand im Schlafsack lag. Zum Glück fing es aber irgendwann an zu regnen, sodass dieser die anderen nächtlichen Geräusche – die ständig irgendwelchen Bären in die Schuhe geschoben wurden – überlagerte.
Irgendwas Religiöses. Warum man deshalb die abgebrannten Dosenkerzen auf der gegenüberliegenden Straßenseite in den Graben entsorgen muss, bleibt mir schleierhaft. Die angesprochenen 15 km Talweg Der mittägliche Rastplatz in San Donato Val Di Comino letzterer Ort von oben Opi, auf der anderen Seite des Passes (Bild von Tom) Irgendwo in dieser Gegend stand später mein Zelt Tag 12 -
StreckeFrohen Mutes und leider ohne Bärenkontakt fuhren wie heute Richtung L’Aquila. Nachdem es auf einem Umweg nochmal etwa 200 m nach oben ging (die eigentlich geplante Strecke war gesperrt), führte die Straße stetig leicht nach unten. Eine sehr angenehme Art zu fahren, zumal die Umgebung einen alpinen Charakter aufwies und dieser somit viel Beachtung geschenkt werden konnte. Nach Durchquerung einer recht ruhigen Ebene sollte auch heute nochmal eine Passhöhe von 1400 m überwunden werden.
Da ich mal wieder schneller an Höhe gewann, wartete ich in Ovindoli auf Tom und aß zu Mittag, mal wieder getrocknete Tomaten, an denen ich mich inzwischen allerdings ein wenig überfressen hatte. Und so verließen diese nach kurzem Gastspiel auch wieder den Speiseplan. Allerdings wollte Tom einfach nicht kommen, sodass ich langsam auf den Gedanken kam, dass dieser die Umfahrung Ovindolis wahrgenommen hatte und inzwischen dem Tagesziel näher war als ich. Also weiter. Wegen einsetzendem Regen machte ich auch keine Pause mehr, sondern fuhr straff bis kurz vor L’Aquila durch. Immerhin war es bei Regen und der angesprochenen Höhe von 1400 m ziemlich kalt. Das wurde durch die Abfahrt auch nicht wirklich besser. Da ich Tom wider Erwarten nicht einholte, kam der Gedanke, ich sei doch noch vorn, was angesichts eines von der Sonne aufgewärmten Steines (die im Tal offenbar erst wieder verschwand als ich kam) eine prima Pause bedeutet hätte.
Aber nix wars, der wartete schon mit Speichenbruch im Zentrum L’Aquila’s auf mich, scheint gefahren zu sein wie ein Berserker. Was Tom schon am Telefon andeutete, ich aber nicht so recht glauben wollte, bewahrheitete sich beim Versuch, ins Zentrum zu kommen. In Folge des Erdbebens von 2009 war noch immer jede zweite Straße gesperrt, von den restlichen 50% waren gefühlte 90% Einbahnstraßen, die vom Zentrum wegführten, weswegen das Ganze eher einem Labyrinth mit nur einem möglichen Weg glich. Das Zentrum machte den Eindruck einer Geisterstadt (abgesehen vom Militär, das wohl Plünderungen verhindern sollte), viel ist hier nach 2009 nicht passiert, sehr viele Gebäude sind nur sehr notdürftig gegen den Einsturz gesichert. Tom war allerdings nicht allzu schwer zu finden.
Die wenigen Leute waren sehr hilfsbereit, sodass wir wenigstens eine Ahnung davon bekamen, wo wir hier einen Radladen finden konnten. Zu allem Überfluss gab der Schlauch in meinem Hinterrad den Geist auf (der erste Platten). Da es bereits ca. 18:00 Uhr war und, fehlte die Zeit, den Schlauch jetzt zu wechseln und dann einen Radladen für Toms gebrochene Speiche zu suchen. Also hieß die Devise: Aufpumpen – nach Radladen durchfragen – Aufpumpen - …
Klappte dann doch ganz gut, im Radladen das bekannte Bild: Einer arbeitete, zehn standen rum und quatschten blöde. Allerdings half mir einer davon ehrenamtlich beim Flicken des Reifens, sodass wir eine halbe Stunde später wieder startklar waren. Campingplätze und abgelegene Campingmöglichkeiten waren allerdings Mangelware, die Übernachtung in einem überdachten Etwas war unausweichlich. Eine entsprechende billige Möglichkeit war aber auch nicht allzu leicht zu finden. Ein Albergo wurde gerade renoviert, eine Bekannte der Inhaberin hatte allerdings noch ein Doppelzimmer frei. Da sie des Englischen nicht allzu mächtig war, stieg sie kurzerhand ins Auto und fuhr hin – und wir mit dem Rad hinterher. Lustig. Das Zimmer kostete für beide zusammen 50€ und wir waren froh, noch etwas gefunden zu haben. Es gab dann noch ne Pizza, für italienische Verhältnisse war die ganz akzeptabel, d. h. sie war ziemlich gut.
Die Abfahrt aus den Abruzzen (Bild von Tom) Eigentlich das einzige Mohnfeld, das wir unterwegs zu Gesicht bekamen (Bild von Tom) L’Aquila. Wer genau hinsieht, erkennt die äußerst notdürftigen Reparaturen (Bild von Tom) Tag 13 -
StreckeZwar hatte ich nachts gut geschlafen, aber irgendwie war ich am nächsten Morgen trotzdem von allem irgendwie genervt. Wie das eben manchmal so ist. Nachdem wir ein paar Kilometer in die falsche Richtung gefahren sind (Tom hatte aus Versehen die falsche Route auf seinem GPS-Gerät. Für diesen Tag hatten wir zwei Alternativen zur Auswahl), entschied ich, den heutigen Tag allein zu fahren. Nicht primär deswegen, ich brauchte einfach mal wieder meine Ruhe.
Dennoch unterhielt ich mich eine Weile mit dem an der nächsten Straßenecke stehenden Obsthändler, der – genau wie der Typ im Cilento – ein paar Jahre in Frankfurt verbrachte.
Die Stärkung in Form von Pfirsichen war aber auch nötig, es sollte 700 m nach oben zum Lago di Campotosto gehen. An sich nett anzuschauen, wenn da nicht der Regen, ein weiterer Platten und eine gesperrte Straße nach Campotosto – die ich in der Hoffnung, mit dem Rad durchzukommen trotzdem fuhr und deshalb 10 km hin und 10 km zurück wieder mal eher im Sinne „Der Weg ist das Ziel“ zu verbuchen waren – gewesen wären. Zudem war wohl mal wieder Wochenende, zumindest waren die Grillplätze, die großzügig um den See verteilt waren, zum Bersten gefüllt. Offenbar wirkte ich aber nicht wehleidig genug, keiner bot mir was an.
Die ausgeschilderte Umleitung begann direkt mit einem weiteren Platten, wieder hinten, offenbar war ich zu blöd, den Reifen ordentlich zu flicken. In Mascioni (mir fällt gerade auf, dass die hier verlinkte Strecke in dieser Hinsicht geringfügig falsch ist) hielt man allerdings mal wieder nichts von Straßenschildern. Hieß also, jede Straße einzeln zu versuchen (machbar, da es nur eine Straße gab, die wirklich aus dem Ort hinausführte). Blöderweise führte genau eine der anderen Sackgassen einen äußerst steilen Weg bergab, an dessen Rand ein ziemlich großer und aggressiver freilaufender Hund ein Grundstück bewachte. Bergab kein Problem, aber als ich unten die Straße im See enden sah, war mir nicht so recht wohl, diesen Hund auch bergauf zu passieren. Nur so viel: Die Oberschenkel haben gewaltig gebrannt, als ich den Hund nach wilder Flucherei und Pfefferspray im Anschlag endlich abgehängt hatte.
Dann wieder bergab, Pause mit heißer Schokolade in Amatrice, es regnete mir inzwischen zu stark, was durch die Abfahrt natürlich zur Auskühlung führte. Zudem machte der örtliche Supermarkt erst wieder in 1,5 Stunden auf, die wohl letzte Möglichkeit, heute noch etwas die Vorräte aufzufüllen, sonst war den ganzen Tag nichts in der Richtung zu sehen. Das hieß zwar, nicht wie geplant im Piano Grande übernachten zu können, aber das war mir an der Stelle egal. Saß ich also am Straßenrand, plötzlich kam Tom vorbeigesaust. War ich mir gestern ziemlich sicher, ihn hinter mir zu haben, hätte ich heute wetten können, er hätte mich wegen der 20 km Umweg und den zwei Platten überholt. Aber der hatte sich wohl auch verfahren, meinte, es wird eh nicht aufhören zu regnen und Supermarkt kommt bestimmt auch noch einer. Stimmte beides nicht, war trotzdem angenehm, wieder zu zweit zu fahren und das Piano Grande rückte dadurch auch näher. Da es dafür nochmal einen Pass von über 1500 m üNN zu überwinden galt, mussten nochmal etwa 800 Höhenmeter vernichtet werden. Darauf hatte Tom (den ich an dieser Stelle das letzte mal überhaupt sah – da ich hier von meiner Radtour berichte heißt das für den Leser nun, er muss sich nun komplett mit meinen scheußlichen Bildern arrangieren) keine Lust, sodass ich den Anstieg wie gehabt alleine in Angriff nahm.
Da inzwischen auch mein letzter Proviant vertilgt war, keimte in mir die Angst und das Gefühl, ich würde unter Salzmangel leiden, sodass ich konsequenterweise meinen Schweiß konsumierte. Auch die Anstrengungen des zurückliegenden Tages waren deutlich zu spüren, häufige Pausen waren trotz der Kälte unabdingbar. Der phänomenale Anstieg und die inzwischen scheinende Sonne konnten dies allerdings mehr als kompensieren. Auch das Piano Grande (eine etwa 3x7 km große Hochebene) entschädigten für so einiges, die Bilder sprechen für sich. Und auch wenn ich mir hier eine Erkältung zuzog (nachts waren die Temperaturen nicht allzu weit vom Gefrierpunkt entfernt, der starke Wind tat sein Übriges. Zumindest kam hier mal das Schlafsackinlet zur Verwendung), die mich später drei Tage schachmatt setzte, ich würd‘s wieder so machen.
Lago Di Campotosto. Ich hatte mehr erwartet. Am Fuß des Aufstieges zum Piano Grande Piano Grande Rechts unten ist mein Zeltplatz zu erkennen Die Königskerze, auch als Alpenklopapier bekannt. Und ich muss sagen: Sie trägt diesen Beinamen zu Recht! Katastrophentourismus am eigenen Leib Tag 14 -
StreckeDie letzten Tage waren nicht nur physisch, sondern auch psychisch ziemlich aufreibend. Deswegen sollte es heute ein wenig ruhiger werden, zumindest wollte ich mich nicht hetzen. Wieder einmal hatten wir unterschiedliche Ziele, Tom wollte Assisi und Co. begutachten, ich lieber den Lago Di Bolsena und den Monte Amiata noch mitnehmen. Man hätte sich grob wieder in der Gegend um Montalcino treffen können. Leider war Tom für mein mobiles Kommunikationsgerät nicht mehr erreichbar, auf SMS kam keine Antwort und Anrufe gar nicht erst durch. Da macht man sich natürlich ziemliche Gedanken. Da frühere SMS schon manchmal nicht das gewünschte Ziel erreichten, hab ich mir das Ganze damit erklärt. Stimmte letztendlich ja auch.
Bevor die Beine wieder ihren Dienst aufnehmen konnten, musste in Norcia ordentlich Süßkram und anderes verzehrt werden. Der weitere Weg führte durch ein ansehnliches, wenn auch verkehrsreiches Tal gen Spoleto, bis man auf etwa 300 m üNN vor einem Anstieg stand, der aber einer vorherigen Pause bedurfte (ich bin den Weg von Norcia ziemlich gerast, da zogen hinter mir schon wieder Wolken auf, denen ich entgehen wollte. So langsam war die Lust auf Regen vergangen). Die Pause wurde etwas länger, ich war doch noch ziemlich kaputt, das Stündchen Schlaf tat gut, machte mich aber nicht wirklich wacher. Irgendwie fühlte ich mich eher ein bisschen wie auf Drogen, der Joghurtbecher, der dem Griff meiner Hand entkam und sich übers Vorderrad ergoss, verlängerte die Pause um eine halbe Stunde. Nicht weil das Rad wieder sauber gemacht werden musste (das würde eh der Regen in bälde für mich erledigen), sondern weil ich aus dem Lachen nicht mehr herauskam. Die Szenerie war mir irgendwie zu absurd um ernst genommen zu werden.
Der weitere Weg ist bis auf die zwei ziemlich ansehnlichen Pässe nicht sonderlich erwähnenswert, bis ich hinter Todi ein schönes Plätzchen am Feldrand in einer Toskana-ähnlichen Landschaft zum campieren fand. Obwohl die heute befahrenen Straßen teils ziemlich überflutet waren, hatte ich wohl einen Sinn für Regen entwickelt, den habe ich heute dank hervorragendem Zeitmanagement ziemlich gut umkurvt.
Todi Tag 15 -
StreckeEmpfehlen möchte ich die SS79bis zwischen Todi und Orvieto. Hügelig, nette Landschaft, kein Verkehr und gute Straße. Irgendwie sind die Attribute für jeden Anstieg gleich, der hier ist schön, der andere ist schön und ein wieder anderer auch. Aber so richtig fällt mir da nix ein, wie ich das besser beschreiben könnte, auch wenn sie alle recht einzigartig schön sind.
Eigentlich wollte ich nur an Orvieto vorbeifahren, aber als mir die Stadt dann von der Gegenseite herunterkommend ins Auge fiel, entschied man sich dafür – wenn man schon mal hier ist – doch noch hoch zu quälen. Trotz viel Tourismus eine wirklich schöne Stadt mit unheimlich vielen Sehenswürdigkeiten, lohnt sich auf jeden Fall. Auch wenn man nicht an so historischem Zeugs interessiert ist, einfach nur durch die engen Gassen zu fahren hatte definitiv viel Schönes. Am früheren Nachmittag erreichte ich dann den Lago di Bolsena. Baden, abends zelten und den Tag darauf weiter fahren, so der Plan. Allerdings fing ich trotz hoher Temperaturen an zu frösteln, mir wurde klar: Das gibt ne Erkältung. Die erste Nacht wurde dann aber doch noch im Gebüsch verbracht. Da regnete es auch mal wieder.
Lago Di Corbara eine der engen Straßen von Orvieto OrvietoTag 16 – 18Den nächsten Tag verbrachte ich bis mittags an der Promenade von Bolsena (die haben dort hervorragendes Eis!), bis sich der Himmel so langsam verfinsterte. Der billigste Campingplatz kostete 13€ (denen war es egal, ob man nur ein kleines Zelt aufbaut oder im Wohnwagen anrückt..), hatte aber wenigstens überdachte Sitzmöglichkeiten. Ich kam auch keine Sekunde zu früh, ein regelrechtes Unwetter ereignete sich. Da war ich dann doch ziemlich froh, dieses mit meiner Erkältung nicht in freier Natur verbringen zu müssen.
Die nächsten drei Nächte verbrachte ich hier, konnte eigentlich nur sitzen und liegen, jeder Schritt war eine Überwindung. Erhöhte Temperatur hatte ich auch. Insgesamt wohl nur ne leichte Erkältung, die eine Weiterfahrt trotzdem unmöglich machte. Allerdings schien der gesamte Campingplatz um mein Wohlergehen besorgt zu sein, neben einer Tee-Flatrate zweier Holländer wurde ich am zweiten Abend von zwei Deutschen zu Spaghetti Bolognese eingeladen (eher ein Fertiggericht), den dritten Abend kredenzte mir ein holländisches Paar das gleiche (dieses mal alles selbstgemacht, mit Salat hinterher. Ein wahrer Gaumenschmauß nach all dem Mist, den ich mir die vergangenen Wochen in die Figur geschüttet hatte).
Tag 19 -
StreckeTrotz gemäßigter Geschwindigkeit, so richtig wollte es nicht laufen. Klar war ich von den letzten Tagen noch ein wenig geschwächt, aber die Anstiege waren in aller Regel schlicht und einfach steiler. Dazu ein ständiges auf und ab hinter dem See, das mir ziemlich schnell auf die Nerven ging.
Vor Castell’Azzara wartete ich in einer Hütte, die wohl irgendeinen religiösen Zweck erfüllte, noch einen Regenguss ab, der aber nicht kam. Scheinbar war die als nutzlos erscheinende Warterei doch recht sinnvoll, die weitere Strecke schien ziemlich was abbekommen zu haben. Der weitere Weg lief aber ziemlich gut, war hübsch anzusehen und verlief größtenteils durch Wälder am Rande des Monte Amiata.
Hinter Seggiano wurde das Zelt in einer Olivenplantage am Hang aufgestellt, die Gefahr entdeckt zu werden war mir mittlerweile relativ wurscht, allerdings leistete ich mir in dieser Nacht mal wieder anderweitig eine Dummheit:
Nachts begann ein Gewitter. Irgendwie kam mir in den Sinn, dass es nicht sonderlich günstig ist, sich währenddessen in einem Zelt mit Aluminiumstangen aufzuhalten. Ein recht naher Blitz trieb mich deshalb aus dem Zelt und ließ mich eine Weile auf einem freien Fleckchen zwischen den Bäumen ausharren, um dann pünktlich bei Ende des Regens völlig durchnässt (trotz Regenjacke) wieder ins Zelt zu kriechen. Wenn da mal nicht die nächste Erkältung im Anmarsch ist..
SeggianoTag 20 -
StreckeDieser Tag verlief schon wesentlich besser, mitten durch die Toskana. Schön anzusehen, kein Regen und durchweg halbwegs moderate Steigungen. Lediglich das Weiterfahren nach der mittäglichen Pause inklusive Schläfchen hätte ich mir am liebsten erspart, die Kopfschmerzen waren schon recht nervig.
Kurz vor Siena endete die Straße plötzlich abrupt in einer Autobahnauffahrt, der Umweg wäre mal wieder recht unerfreulich gewesen. Wagemutig entschied ich mich dafür, auch mal die Autobahn zu nutzen. So richtig lief das allerdings nicht, die Überholspur war andauernd von irgendwelchen Sonntagsfahrern verstopft, sodass ich durch das ständige Abbremsen nicht wirklich schnell vorankam. Aber waren ja zum Glück nur 3 km.
Eigentlich wollte ich mir auch Siena noch ansehen, aber die Lust dazu war in dem Moment recht gering (war auch schon recht spät) und so landete das Zelt mal wieder an einem zu diesem Zweck hervorragend geeigneten Wiesenrand.
Montalcino Tag 21 -
StreckeHeute wurde dann die nördliche Toskana durchfahren. Auch wenn natürlich auch hier das ganze drumherum was für’s Auge ist; so ganz kommen die erfahrenen Eindrücke nicht an die erste Hälfte der Tour heran. Auch die Begeisterung, Fotos zu machen ließ gewaltig nach. Natürlich ist auch diese Region durchaus sehenswert.
Eigentlich wollte ich auf einen Campingplatz in der Nähe Florenz‘, aber mehr als 10€ wollte ich dafür nicht zahlen. Schien nicht möglich zu sein, der Geiz setzte sich durch, sodass Florenz am selben Tag noch durchquert wurde (es war wohl Wochenende, der Verkehr hielt sich in Grenzen). Mal davon abgesehen sollte der nächste Tag wieder anstrengend sein, weshalb es durchaus nicht schaden kann, diesen nächsten Tag um ein paar Höhenmeter zu verringern. Und wieder mal konnte ein prima Zeltplatz gefunden werden, inzwischen störten mich auch die röhrenden Hirsche, die mich wohl als Eindringling sahen und mein Zelt die halbe Nacht umkreisten nicht mehr sonderlich.
FirenzeTag 22 -
StreckeDer Tag, der mir den letzten verbliebenen Nerv raubte. So richtig kam ich nicht in meinen Rhythmus, ich schaffte vielleicht ein Drittel der Strecke, bis ich mich ausgelaugt an den Straßenrand legte und dort fast zwei Stunden fristete. Die ständig vorbeifahrenden Motorräder waren bei der Reduzierung meiner Kopfschmerzen keine allzu große Hilfe.
Mehr schlecht als recht quälte ich mich über zwei Pässe mit etwa 900 m üNN, wobei ich die zweite Passhöhe und damit das auf diesem Pass liegende Refugio genau mit Eintreffen eines deftigen Gewitters erreichte, das meinen ohnehin schon aus den Fugen geratenen Zeitplan nochmals mächtig bedrängte.
Auf der folgenden Abfahrt regnete es zwar immer mal wieder, aber das war auszuhalten. Lediglich ein weiterer Platten erhitzte das inzwischen recht gleichgültige Gemüt. Ein paar Kilometer später spürte ich im Hinterrad eine seltsame Unwucht. Beim Bremsen – ich wollte natürlich nachsehen, was das denn sein könnte – gab’s einen Knall. Offenbar war ich zu blöd, die Bremsschuhe richtig einzustellen, diese waren zu weit oben fixiert, sodass die bei deren Abnutzung entstehende Kante beim Bremsen den Mantel und auch den Schlauch durchlöcherte.
Der Mantel wurde notdürftig geflickt, dem Schlauch widerfuhr das gleiche, dummerweise verlor ich die Dichtung des Dunlop-Ventils. Wenn ich hier nicht noch einen Ersatzschlauch im Gepäck gehabt hätte…
Bis kurz vor Dunkelheit fuhr ich aber noch so weit ich konnte, immerhin ging es Richtung Bologna, raus aus den Bergen und damit raus aus dem Regen. Zwischen Haselnussbäumen direkt neben einem Dorf wurde das Zelt errichtet, kein sonderlich guter Platz, aber das hätte hier wohl eh keinen interessiert.
Tag 23 -
StreckeBologna war ebenfalls recht angenehm zu durchfahren, nicht mit dem süditalienischen Chaos zu vergleichen. In San Giovanni in Persiceto dann nochmal ein Platten. Da hierfür der letzte Flicken seine Bestimmung fand, der nächste Radladen geschlossen war, ich dem Mantel einfach nicht mehr vertraute und keine Lust hatte, ohne Luft im Reifen in der Pampa zu enden, fuhr ich von hier mit dem Zug nach Verona und von dort zum Gardasee. Wie der Blick aus dem Zug verriet, hatte ich hier ohnehin nicht allzu viel verpasst.
Drei Nächte hatte ich bis zur Abfahrt des Zuges in Verona noch zu überbrücken, die Campingplätze waren bei den Preisen keine ernsthafte Alternative zum Busen der Natur (ich fand sogar ein nettes Plätzchen in der Nähe von Pacengo).
Lago Di GardaTag 24 - 27Am nächsten Morgen war ich gerade dabei, mich aus dem Zelt zu quälen, als es anfing zu regnen. Also entschloss ich mich kurzerhand, einfach den kompletten Tag und die nächste Nacht liegen zu bleiben. Ziemlich öde, wenn man außer der Straßenkarte keinerlei Beschäftigungsmöglichkeit hat (dafür kenne ich die Straßen Italiens nun alle auswendig). Eigentlich hätte ich noch ein wenig am Gardasee langfahren wollen, allein die Vernunft verhinderte dieses Vorhaben, weshalb ich generell keine Strecken mehr zurücklegen wollte, die ich nicht in kurzer Zeit auch zu Fuß hätte zurücklegen können.
Die letzten beiden Tage verbrachte ich dann aber doch noch auf einem Campingplatz (8,60€, der einzige, bei dem man als einfacher Zeltbauer weniger zu zahlen hatte). Naja, irgendwie war die Zeit da nicht sonderlich beeindruckend (was nicht heißt, dass es nicht trotzdem schön war) Und so ging es gegen Abend wieder per Zug nach Verona, da nochmal durchs Zentrum geschaut und eine Pizza vertilgt, dem Treiben zugesehen und wieder zum Bahnhof geradelt (der Zug fuhr nachts um 1). Aus irgendeinem Grund machte der Bahnhofsangestellte die Wartehalle mit Wartenden drin dicht, auch die Zugänge zu den Gleisen waren versperrt. Zwar konnte das Rad drüber gehoben werden, was das Ganze sollte erschloss sich mir aber nicht so ganz. Der Rest war dann Zugfahren bis Leipzig. Genauere Erläuterungen dazu erspare ich mir, wie Zugfahren funktioniert wird wohl jeder selber wissen.
FazitIm Großen und Ganzen hat eigentlich alles ganz gut gepasst. Man hätte vielleicht im Vorfeld besser kommunizieren können, wie man sich die Übernachtungen vorstellt. Ich habe außerdem festgestellt, dass ich insgesamt wesentlich weniger kompromissbereit bin, als ich das von mir selbst erwartet hätte (komischerweise klappt das Zusammenleben in der inzwischen sechsten großen WG immer ziemlich gut). Weiterhin wird es das nächste Mal keine so durchorganisierte Tour geben (wenngleich immer mal ein Ruhetag drin gewesen wäre, Puffer war ja vorhanden), durch die vorherige Buchung der Rückfahrt mit festem Abreisedatum schwirrte dieses Datum ständig so ein bisschen im Kopf herum, weshalb ich mich nie voll und ganz auf den Augenblick konzentrieren konnte, sondern gedanklich immer schon ein Stück weiter war.
Italien selbst ist für Radfahrer natürlich ein unheimlich schönes Land, auch wenn ich mir manchmal ein wenig mehr Wildnis gewünscht hätte (selbst in Nationalparks waren große Teile der Landschaft eingezäunt). Besonders der südliche Teil glänzt durch große Abwechslung und großartige Landschaften. Für Flachlandradler aber wohl nur bedingt einsehbar. Die Infrastruktur (Zugverbindungen, Angebot und Öffnungszeiten von Supermärkten) ist natürlich nicht so gut organisiert wie in Deutschland, aber darauf kann man sich weiß Gott prima einstellen. Noch ein paar Worte zum Wildcampen: Auch wenn ich Deutschland insgesamt für tauglicher halte (zumindest der mir in dieser Hinsicht bekannte östliche Teil), wer wirklich wildzelten will, findet auch fast überall ein passendes Plätzchen. Es kann teilweise etwas schwierig sein, aber ich glaube, kein einziger Mensch hat mich die gesamte Zeit beim Campen gesehen.
Was die Menschen angeht, so hätte ich insgesamt ein wenig mehr Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit erwartet, wobei schon eher im südlichen Teil mehr von den Leuten kam. Wird aber wohl auch daran liegen, dass Reiseradler in Italien ganz und gar nichts Exotisches sind.
Für Fragen, Anregungen und Kritik (das schließt auch wüste Beschimpfungen mit ein) bin ich jederzeit offen.