Hier erst mal eine Auswahl an Eindrücken und Bildern, dann ein paar Erfahrungen zur Ausrüstung und am Ende die Tour-Daten tabellarisch.
Island - wo man über völlig unterschiedliche Landschaften und Naturerscheinungen auf engsten Raum staunen kann: Vulkane, Gletscher, Geysire + heiße Quellen, Wasserfälle + kalte, glasklare Flüsse, Wüste, saftiges Grasland, Küste + Fjorde, Wüste, Lavafelsen und sogar ein wenig Wald ...
Mit Rad und Zelt unterwegs kann ich die Schöpfung, das Wetter und die Naturgewalten besonders direkt erleben: oft rascher Wechsel von wärmenden Sonnenstrahlen und Regen, kalte strömende Flüsse beim Furten und wohltuende Bäder an heißen Quellen, gelegentlich Wind an der Grenze der - Radelbarkeit - ...
Die Route: Runde im Uhrzeigersinn, ab Keflavik 1860 km, siehe
Karte Sorry, Kartenverlage verstehen wenig Spaß bei nicht genehmigten Veröffentlichungen. Uli Reykjavik - eine eher entspannte + gemütliche Hauptstadt mit dem Teich Tjörnin mitten im Zentrum.Trotzdem muss ich mich in der Einkaufsstraße Laugarvegur am Stau vorbei mogeln. Dafür gestaltet sich das Befahren der autobahnartigen 4-6-spurigen Straßen dort wegen geringer Verkehrsdichte zwar etwas ungewohnt, aber doch stressfrei.
Die Almannagja-Schlucht in Þingvellir, wo die amerikanische und eurasische Platte auseinander driften und schon 930 das erste Parlament tagte.Bei den touristischen Highlights wie Þingvellir, Geysir, Gullfoss usw. treffe ich regelmäßig auf Menschenaufläufe. Aber auf den Strecken dazwischen kann ich meist eine herrliche Ruhe genießen. Island hat 320.000 Einwohner (bei gut ebensoviel Touristen im Jahr) auf 103.000 km², macht im Schnitt 3,1 Einwohner pro km².
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Geysir Strokkur in Aktion & GullfossDann auf ins Hochland - die Kjölur-Route ruft:
Erste Berg- und Gletscherblicke hinter dem Gullfoss &
Geothermalgebiet Hveravellir: Öskurhöll = brüllender Hügel & Bláhver = blaue QuelleVor dem 2. Bad im natürlichen Hot Pot in Hveravellir nach dem Abendessen: Etwas befremdlich finde ich zum einen den (Personen-)Füllungsgrad und zum anderen, dass einige Badende ihre Bierdose am Beckenrand stehen haben. Nach etwas Zögern, aber wegen der wohltuenden Erfahrung meines 1. Bades traue ich mich dann doch dazu. Die Leute entpuppen sich trotzdem als freundlich + vernünftig (ist auch nur Leichtbier) und einige sogar als Radler, so dass sich noch ein konstruktiver Erfahrungsaustausch ergibt.
Dann weiter über Stauseen-Landschaft überwiegend bergab, aber bei Gegenwind wieder auf die Ring-(=Haupt)straße und der Hauptstadt des Nordens Akureyri entgegen.
Goðafoss, in den Gesetzessprecher Þorgeir im Jahre 1000 im Zuge der Christianisierung der Sage nach seine Götzenbilder entsorgteIn Reykjahilð am Myvatn ein Bummeltag + Einkauf für die nächsten 5-6 Tage, denn der nächste Hochlandabstecher steht an.
Myvatn (= Mückensee) mit Preudokratern und LavaformationenVorbei an den brodelnden Schlammtöpfen mit Schwefelaroma von Namafjall geht es in Richtung Odaðahraun (=Missetäterwüste) in eine zunehmend wüstenartige Landschaft.
Auf dem Weg zur Caldera Askja zieht der Tafelberg Herðubreið (= die Breitschultrige) meinen Blick immer wieder auf sich und freundlicherweise befreit er sich sogar noch vollständig von seiner Wolkenhaube.
HerðubreiðBei meiner ersten Furt werde ich von 3 Jeep-Besatzungen beobachtet. Spannend! Die 1. (Isländer) gibt offen zu, dass sie neugierig ist und sie fragen, ob sie mir irgendwie helfen können. Die anderen beiden (Deutsche) glotzen nur. Ich bin erst mal vorsichtig, lade einen Teil des Gepäcks ab und laufe 2 mal durch den doch nur knietiefen Fluss (die Räder des Jeeps waren komplett im Wasser verschwunden - aber ich habe eine weniger tiefe Route gefunden). Klappt wunderbar!
Das Bad im 25 °C warmen milchigen Kratersee Viti mit kräftigem Schwefelaroma ist ein besonderes Erlebnis. Und der charakteristische Geruch begleitet mich in meinen Handtuch für den Rest der Reise.
VitiDer Wind bläst mich sehr flott wieder aus dem Hochland auf die Ringstraße - ein komisches Gefühl, wenn die eigene Staubfahne vor einem her fliegt. Nachdem meine Route einen U-Turn macht, komme ich bergab trotz Teer-Belag kaum auf 2stellige Geschwindigkeiten. Am nächsten Tag entscheide ich mich nach kurzer Testfahrt gar für eine Bus-Etappe, weil ich bei dem heftigen böigen Wind nicht annähernd kontrolliert geradeaus fahren kann. Im Bus treffe ich die Radler aus dem Hot Pot von Hveravellir wieder.
Tankstelle in MöðrudalurVon Egilstaðir geht es über den Öxi-Pass zu den Ostfjorden hinunter. Salzige Meeresluft steigt wieder in meine Nase.
Dann das etwas andere Thermalbad: irgendwo in den Ostfjorden stehen 2 Fischbottiche mit unterschiedlich warmem Wasser mitten in der Landschaft (genialer Tipp von 2 Mädels auf dem Campingplatz).
Thermalbad mitten in der LandschaftAb Höfn begleiten mich rechts die riesigen Gletscherflächen des Vatnajökull und links das Meer mit tosender Brandung.
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Gletscher+Meer & Gletscherlagune Jökulsarlon, an der ein James-Bond-Film gedreht wurdeDann ist auch der Skaftafell Nationalpark nicht mehr weit. Beim Spaziergang zum Svartifoss mit den markanten Basaltsäulen + zum Aussichtspunkt Sjonasker: viele Leute schauen mich etwas eigenartig an. Ich kann nicht eindeutig herausfinden, ob das an meinen knallorangen Crocs-Schlappen auf dem Bergwanderweg, am meinem Hinken, an meiner penetranten Knoblauchfahne, an der Kombination von alldem oder an sonstwas liegt ...
SvartifossWeiter geht es kontrastreich durch die weite, flache Schotterebene Skeiðararsandur zwischen Vatnajökull und Meer mit noch deutlich sichtbaren Spuren des Gletscherlaufes von 1996 und Nupsstaður mit der netten kleinen Torfkirche vorbei.
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Brückenreste im Skeiðararsandur & Torfkirche in NupsstaðurDann schlägt das Wetter um - es regnet teils kräftig und der böige Wind hauptsächlich von links dreht kräftig auf. Ein überholender Jeep unterbricht mir plötzlich kurz den Wind und ich finde mich mit meinem Rad in der Böschung wieder (Gott sei Dank feines Geröll - also eher weich). Die beiden Radler, die 1-2 Stunden nach mir auf der Strecke waren, berichten von einem umgekippten Wohnmobil und im Straßengraben liegenden verlassenen Motorrädern. An dem Tag freue ich mich jedenfalls heil angekommen zu sein und entspanne mich am Nachmittag - wohlverdient, behaupte ich mal - in der sundlaug (= Schwimmbad, in Island meist im Freien und immer mit hot pot).
Rotzfrecher Vogel in KirkjubæjarklausturDas nächste Highlight, der Hochlandabstecher nach Landmannalaugar gestaltet sich nicht nur wegen der etwa 15-20 Furten sehr feucht - es tropft auch ausgiebig von oben. Aber ich lasse mir den Spaß nicht verderben und genieße die abwechslungsreiche, Gott sein Dank nicht nur vernebelte Landschaft mit den bunten Bergen und das Bad im warmen Bach trotzdem.
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Vor dem Furten & Rhyolith-Berge bei LandmannalaugarLetztlich an der Süd- und Westküste, mit kräftigem Wind, dafür außergewöhnlich trocken und mit Wellness-Einlage in der Blauen Lagune zurück nach Keflavik und zum Flieger nach München.
Vom Flughafen nach Hause radle ich an der Isar entlang durch viel Wald, ohne Wind und bei "Kurzarm-Temperaturen" - nach Hause - willkommenes Kontrastprogramm und erstes Wiedergewöhnen an den Alltag ...
Erfahrungen/Ausrüstung:Rad:
MTB mit breitem Rennradlenker (mag ich), Starrgabel, gefederte Parallelogramm-Sattelstütze + 2,5 Zoll-Reifen (im Hochland komfortabel): würde ich wieder so machen - ein Nachteil war im meinem Fall, dass ich nicht nur die Bremsen aushängen, sondern auch mindestens einen Bremsbelag lösen musste, um ein Laufrad (mit aufgepumpten Reifen) demontieren zu können - und viel Platz für Achter bleibt bei Hinterbau und Gabel dann auch nicht, dafür kann man den Luftdruck flexibler variieren.
Unterschiedliche Hochland- Pistentypen:
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frisch „gehobelt“ & Löcher mit heller Soße & Waschbrett/Wellblechsandige Passagen:
Aus eigenen Erfahrungen und dem Austausch mit anderen Radlern ergibt sich: Je breiter die Reifen, je geringer das Gesamtgewicht, je feuchter die Witterung und je weniger Wind in den Tagen zuvor, desto eher sind sandige Abschnitte fahrbar.
Aber auch unter allergünstigsten Bedingungen gibt es wohl Abschnitte, die nie fahrbar sind (z. B. weite Strecken auf der F910 Askia - Sprengisandur). Auf der F88 sind diese aber bei guten Bedingungen und, wenn man einen guten Blick für die Ideallinie entwickelt hat, vernachlässigbar.
Wind:
Gegenwind ist zwar mühsam, aber für noch gefährlicher halte ich starken Wind von links (bei Rechtsverkehr). Denn vorbeifahrender Verkehr unterbricht den gewohnten Wind. Das Hinein- und Hinausfahren aus dem Windschatten des anderen Fahrzeugs bringt einen gewaltig aus dem Gleichgewicht. Bei Gegenverkehr kann man sich halbwegs darauf einstellen und ggf. kurz anhalten, aber den Verkehr von hinten hört man nicht mit Sturm in den Ohren …
Planen sollte man eher vorsichtig und flexibel, denn der Wind hat erheblichen Einfluss auf die machbaren Tageskilometer. Erlebt habe ich dort Wind aus allen Richtungen und mit Rückenwind kann man weniger gutmachen, als man mit Gegen- und Seitenwind verliert.
Zelt:
Sollte natürlich regen- und sturmtauglich sein. Das Problem ist, dass man solche Bedingungen vorher nicht einfach mal zu Testzwecken herbei zaubern kann.
Vor der Reise war ich schon recht zuversichtlich, aber auch nicht 100%ig sicher - aber mein schon etwas betagtes VauDe Blue Sky (wohl eher wenig verbreitet: Tunnel mit unterschiedlich großen, leicht eckigen Bögen, an denen das Außenzelt mit Haken aufgehängt wird) hat sich als tauglich erwiesen.
Ich würde dort auf jeden wieder Fall mit Zelt reisen, da im Sommer die anderen Unterkünfte an touristischen Orten oft ausgebucht sind; und das Preis-Leistungs-Verhältnis der Campingplätze ist völlig in Ordnung.
Kocher/Kartuschen:
Habe mich für Gas entschieden, weil ich bei dem wechselhaften Wetter auch in der Apsis kochen können wollte (würde ich mich bei Benzin mit meinem MSR Whisperlite eher nicht trauen, bei dem gut dosierbaren und kontrolliert brennenden Gaskocher schon).
In der ersten Augusthälfte konnte man auch noch alle Kartuschen-Typen kaufen (Tankstellen oder Supermärkte), später gegen Saisonende gab es nur noch Restbestände (meist Stechkartuschen, die ich nicht brauchen konnte). So habe ich mich sicherheitshalber vielfach auf die überall verfügbaren China-Nudeln mit der extrem kurzen Kochzeit verlegt, um Gas zu sparen. (Mit Knoblauch und Käse verfeinert, kann man das auch regelmäßig essen, finde ich.)
Spannend fand ich es auch immer wieder typisch isländische Produkte zu probieren:
Frühstück mit rugbraud (fast kuchenartiges, süßes Roggenbrot) und skyr (quarkartig)Auch das Leichtbier aus dem Supermarkt fand ich nicht so verkehrt (nach Prof. Piendl, Weihenstephan, eh das ideale Sportgetränk).
Kosten:
Vor Ort bin ich mit weniger als 12 Euro pro Tag ausgekommen (fast immer Campingplatz (bis zu 6 Euro) + selbst kochen; inkl. Blaue Lagune (23 Euro, teuerste Investition, Ganztagstarif, gibt es nicht anders), Busfahrt, neue Wollsocken, kleine Mitbringsel).
Tour-Daten: Höhenmeter: barometrisch gemessen und oft nicht direkt nach Etappenende abgelesen, also fehlerbehaftet (durch das wechselhafte Wetter/Luftdruckschwankungen eher größerer Fehler als in heimatlichen Gefilden)
Fazit: empfehlenswert
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Noch Fragen? Fragen!
Schöne Grüße,
Anja
Spezies – durch gedankenstriche ersetzt