Hallo Kanis,
die beschriebene Strecke kommt mir bekannt vor, auch wenn meine Erfahrungen hierzu schon 10 Jahre zurückliegen, hoffe ich, dass Du damit noch etwas anfangen kannst.
Edirne ist gleich zu Anfang der Höhepunkt von "Trakya" - dem europ.Teil der Türkei. Hier im Geburtsort des berühmtesten Moscheebauers aller Zeiten, M.K. Sinan, hat er mit der Selimiye-Moschee sicher eine der schönsten Gotteshäuser der Türkei errichtet. Wir sind damals über eine Woche durch Bulgarien geradelt und über den kaum befahrenen griechischen Grenzübergang Kastenes (stundenweise nur geöffnet) nach Edirne gekommen - und es war wie im Schlaraffenland, diese Auswahl an köstlichen Speisen nach der kargen kommunistischen Mangel-Küche, ich glaube ich habe noch nie soviel gegessen wie an diesem ersten Abend in der Türkei. Die weitere kaum befahrene Landstraße über Kirkareli (absolut nichts sehenswertes)-Pinarhisar (Burgruinenreste)-Vize (geringe Burg/Kirchenruinenreste)- Saray- Yassiören - Belgrader Wald nach Kilyos am Schwarzen Meer gehörte wohl zu den schlechstesten Straßen Europas überhaupt- ein tiefes Asphaltloch reihte sich an das andere. Das Slalomfahren um diese Krater war nur wegen des geringen Autoverkehrs möglich. Landschaftlich ist es ein weitläufiges Hügelland mit großen Feldern, Sonnenblumen, lichtem Wald, aber auch mit Zäunen von militärischen Sperrgebieten. Je weiter man sich Istanbul nähert, desto höher werden die Berge bis man schließlich ganz im dichten Laubwald steht, der einen eher an Mitteleuropa erinnert. Dort aus dem Belgrader Wald bezieht/bezog die Metropole auch ihr Trinkwasser, wovon noch große byzantinische Aquädukte zeugen (ähnlich dem Pont du Gard in Frankreich, aber besser erhalten!) Kilyos ist der Strand-Badeort der Istanbuler High Society und der verschleierten arabischen Haremsfrauen! Soweit ich mich erinnere, war dies kein frei zugänglicher Strand. Nochmals über den Berg (tolles Panorama vom Bosporus) nach Sariyer und dann auf einer ebenen Küstenstraße entlang der Meeresenge nach Istanbul. Der starke Verkehr schmälerte nicht den Genuss auf dieser Straße zu radeln: 1. die best geteerte Straße der europ.Türkei 2.tolle Landschafts-und Schiffsaussichten. 3. jede Menge kulturelle Denkmäler,4.die wohlhabendsten und säubersten Aussenbezirke Istanbuls und last but not least der ständig kolabierende Verkehr (70% Taxis), bei dem man als Radler wesentlich schneller vorankommt als die Autos. Radfahren in Istanbul würde ich nicht als gefährlich bezeichnen, eher als anstrengend wegen der Hügellage. Für den Ausflug nach Asien unbedingt eine der vielen Personen-Fähren benutzen z. B. nach Haydarpasa - dies ist viel lebensnäher und authentischer als die etwa die beiden Autobahnbrücken. Das schönste an einer Türkei-Reise sind jedoch immer die Begegnungen mit der äusserst gastfreundlichen Bevölkerung. Bei nur 3 Abenden in Trakien habe ich eine Stadtführung erhalten -ohne Bakschisch-Erwartung des Führers, ein Abendessen zu Hause bei einer bis dato absolut unbekannten Familie, eine Teilnahme an einer Hochzeit, nächtliche Diskusionen mit türk.Soldaten über Gott und die Welt sowie die Verpflichtung auf einer dunklen Dachterrasse bei einem Besäufnis mit Efes-Bier und Raki mitzumachen, bei dem ich mich aufgrund meiner Alkoholabstinenz, Unkenntnis der deutschen Bundesliga und durch meine motorlose Verkehrsmittelwahl bei den Türken als Bewohner eines anderen Sternes entlarvt sah. Eine Erwartung wurde jedoch an all die Gastfreundschaft geknüpft, nämlich später einmal all die positiven Seiten der Türkei in der Welt kundzutun. Viel Spaß bei der eigenen Erfahrung bzw. Erradelung.
Frank