Einer der schönsten und abwechslungsreichsten Fernwanderwege Frankreichs ist der Grande Randonnée (GR)
Chemin de Saint Guilhem . Der Weg ist in Deutschland wohl noch relativ unbekannt. Er führt durch großartige Landschaften in den Cevennen von der grünen Hochebene des Aubrac nach
St. Guilhem-le-Desert unweit von Montpellier. Das hat uns inspiriert für eine Radtour von acht Tagen mit dem (Elektro)-Rad. Als Sahnehäubchen erweiterten wir die Route bis
Carcassonne mit seiner mittelalterlichen Festung.
Die Route, die wir mit Komoot geplant haben, verläuft größtenteils auf kleineren, verkehrsarmen Sträßchen. Obwohl die Strecke durch recht einsame Landschaften führt, sind immerhin drei UNESCO-Welterbestätten vertreten: die Causses und Cevennen, der Canal du Midi und die Festung von Carcassonne.
Übernachtet haben wir auf Campingplätzen. Es gibt am GR aber auch Gites d'Etape und andere Unterkünfte (ausführliches Unterkunftsverzeichnis auf der
Website des GR).
Von Carcassone führt eine Bahnverbindungen nach Béziers, von wo man mit einer direkten Bahnlinie zurück ins Aubrac kommt. Radmitnahme ist auf beiden Linien kein Problem.
Leider hatten wir Kamera-Probleme, deshalb gibt's nur Handy-Bilder.
Erster TagUnser Startpunkt ist
Aumont-Aubrac (1.100 m), wo wir das Auto am Bahnhof stehen lassen. Am Ortseingang gibt es eine Käserei, in dem der lokale Aubrac-Käse verkauft wird. Da noch ein wenig Platz in den Packtaschen ist, wird als erstes Verpflegung eingekauft. Heute ist auch noch Markt, frische Kirschen passen noch in die Lenkertasche.
Die erste Halbtages-Etappe führt über die Hochebene. Aubrac ist Weideland. Mit Orchideen, Narzissen, Küchenschellen. Und Ginster. Und vielen Steinen. Und viel Gegenwind. Nach dem Col d'Aubrac (1.300 m) geht es nach
St. Chely d'Aubrac hinunter. Das Dorf hat einen kleinen Campingplatz. Die gesamte Strecke ist auch eine Etappe des französischen Jakobswegs. Entsprechend viele Pilger überholen wir unterwegs.
Das ehemalige Kloster und Pilgerhospiz aus dem 12. Jahrhundert in Aubrac. (40 km, 450 m Hm)
Zweiter TagAm Rand des Aubrac-Plateaus fahren wir durch Weiden, Wäldchen und Ginster. Besonders hart heute: den ersten Kaffee gibt es erst nach 50 Kilometern in La Canourgue. Die Gegend hier ist sehr einsam, nur kleinste Weiler und Gehöfte liegen am Weg.
Eine zwölf Kilometer lange Abfahrt bringt uns von 1.100 Meter auf 500 m ins Lot-Tal hinunter. In La Canourgue machen wir erstmal Siesta im kleinen Stadtpark am Fluss. Danach geht es auf die nächste Hochebene, die Causse de Sauveterre. Über dreißig Grad, kaum Schatten - oh herrliches Radfahren!
Völlig gedörrt und ausgetrocknet erreichen wir die
Gorges de Tarn. Von der Causse führt eine großartige Abfahrt hinunter in die Schlucht zum mittelalterlichen Dorf
Sainte-Enimie.
Sainte-Enimie schmückt sich mit dem Label "Les Plus Beaux Villages de France" (Die schönsten Dörfer Frankreichs). Hier konzentriert sich der Tourismus. Drei Campingplätze, Kanuanbieter, Bars und Restaurants.
In einer Bar mit Blick auf den Fluss probieren wir Aligot, ein typisches Gericht der Gegend: Aubrac-Käse mit Kartoffelpüree und Creme Fraiche. Das hat womöglich genügend Kalorien, um die vergangenen Etappen auszugleichen ...
(77 km, 1.270 HM)
Dritter TagVon Sainte-Enimie steigt eine kleine Straße über sieben Kilometer auf die nächste Hochebene, die trockene Causse Méjean. Highlight hier ist die große Schauhöhle Aven Armand.
Im netten Städtchen
Meyruies beschließen wir die Kurzetappe. Etwas außerhalb Richtung Florac liegt ein schöner, einfacher Campingplatz direkt am Fluss (Le Pré de Charlet).
(30 km, 680 HM)
Vierter TagKühl und bedeckt ist es heute. Wir durchqueren im Nebel und Nieselregen das Mont Aigual-Massiv. Dichter Buchen-Tannenwald, haufenweise Orchideen am Straßenrand, aber leider keinerlei Aussicht im feucht-kalten Nebel.
Nach knapp 25 Kilometern erreichen wir an der Abzweigung zum Mont Aigual mit 1.299 m den höchsten Punkt heute. Einen Abstecher zum zweithöchsten Gipfel der Cevennen sparen wir uns bei dem Wetter.
Auf der Südseite der Berge wachsen Kastanienwälder. Der Nebel lichtet sich, mit jedem Meter wird es wärmer. Wir rollen entspannt etwa tausend Höhenmeter bergab.
Im Tal von
Le Vigan kommt die Sonne raus. Wir gönnen uns nach einer ausgiebigen Kaffee- und Einkaufspause noch eine Steigung und fahren auf die nächste Hochebene, die Causse de Blandas. Der erste Ort, Montdardier, soll einen Campingplatz haben. Der ist allerdings noch geschlossen. Zwei Kilometer außerhalb findet sich auf einem Bauernhof aber doch noch ein einfacher, rustikaler Zeltplatz. Wer mag, kann sich hier auch in Tipis oder Jurten einquartieren. In der Abenddämmerung singt eine Nachtigall ums Zelt, sonst ist es völlig ruhig.
(75 km, 1440 HM)
Fünfter TagAuf der Causse von Blandas stehen einige Dolmen und Menhire. Sogar einen großen Cromlech, einen prähistorischen Steinkreis, haben sie hier. Man muss etwas aufpassen, die Ausschilderung ist bescheiden. Der größte Menhir und der Steinkreis stehen auf eingezäunten Schafweiden, die kann man nur von der Straße aus sehen.
Der Dolmen du Planas direkt neben der D113 nach BlandasHinter Blandas tut sich ein tiefes Loch auf. Der
Cirque de Navacelles. Tief runter und auf der anderen Seite wieder hoch führt unsere Route.
Unten im schönen alten Dorf hat eine Créperie offen, die einen köstlichen Kastanienkuchen zum Espresso serviert.
Nach dem Anstieg auf die Causse de Larzac geht es relativ eben bis zur Abfahrt ins Herault.
Am Ende der Etappe kommen wir ins Weinbaugebiet am Fuß der Berge. Hier wächste der gute Coteaux du Languedoc. In Montpeyroux finden sich gleich mehrere Caves. Wir quetschen noch einen Biowein die Satteltaschen. Mehr geht leider nicht.
(50 km, 600 HM)
Sechster Tag Über die Herault-Schlucht erreichen wir frühmorgens
St. Guilhem-le-Desert. Auch dieses Dorf gehört zu den "Les Plus Beaux Villages de France". Früher war es eine wichtige Station am Jakobsweg und ein bedeutendes Kloster, heute eines derbeliebtesten ausflugsziele der Gegend. Die Gassen sind am Vormittag noch relativ leer und es gibt noch genügend Platz in den Cafés um die uralte Platane am Dorfplatz. Gegen Mittag kommen die Besucherscharen und es wird eng in den Gassen um das alte Pilgerkloster.
Wir fahren weiter durch Hügelland und Weinberge über Clemont-Herault zum Lac de Salagou, einem Stausee mit stahlblauem Wasser zwischen rötlichen Bergen. Am Südufer übernachten wir auf einem großen 4-Sterne-Campingplatz mit Pool und hervorragender Pizzeria.
(30 km, 350 HM)
Siebter TagWir verlassen den Lac Salagou und fahren durch eine bizarre Landschaft über einen Bergrücken ins Orb-Tal.
Dort stoßen wir bei Bédarieux eine Voie Verte, einen Radweg auf einer alten Bahntrasse. Passapais heißt die Strecke. 70 Kilometer zieht sich der
Passapais nach Westen. Mit Talbrücke, Tunnels, stillgelegten Bahnhöfen und Radservice-Stationen. Die Strecke ist geschottert, aber sehr gut für Reiseräder fahrbar. Perfekt, um Richtung Carcassonne zu kommen.
Nach knapp 30 Kilometer autofreier Bahntrasse erreichen wir
Prémian mit einem sehr schönen kleinen Camping Municipal. Der Platz ist leider komplett belegt, da ganz anscheinend halb Frankreich Himmelfahrt nutzt und campen geht. Der nette Platzchef findet für uns und unser Zelt doch noch einen wunderbar ruhigen Platz hinter einigen Mobilheimen.
(62 km, 660 HM)
Achter TagNach weiteren 20 Kilometern verlassen wir die angenehme Voie Verte und queren auf einer ruhigen kleinen Bergstraße die Montagne Noir, den südlichsten Bergzug der Cevennen. Eine Oldtimerrally kommt uns entgegen. Die Fahrer winken fröhlich und hinterlassen fetten Benzingeruch in den stillen Bergen. Da weiß man doch wieder, warum man irgendwann Katalysatoren eingebaut hat.
Nach einer rasanten Abfahrt aus der Montagne Noir kommen wir ins Weinbaugebiet um Carcassonne. Bei Trèbes treffen wir auf den Canal du Midi. Und erreichen nachmittags
Carcassonne nach 450 km.
(80 km, 1050 HM)
Neunter TagVon Carcassonne könnte man direkt mit der Bahn nach Béziers und an die Küste fahren. Wir entscheiden als "Zugabe" den Radweg am Canal du Midi zu fahren.
Besonders gut gefällt uns auf der Kanal-Etappe Le Somail mit seinen Cafés am Kanal, der Kanaltunnel Malpas und die Schleusentreppe bei Béziers. Schockierend ist allerdings, dass von den großen, alten, schattenspendenden Platanen am Kanal fast nichts übrig geblieben ist. 30.000 Bäume mussten wegen des Platanenkrebses in den vergangenen Jahren gefällt werden. Jetzt fährt man auf weiten Strecken schattenlos an frisch gepflanzten Bäumchen längs. Bis die wieder einen so schönen „Baumtunnel“ bilden, werden wohl noch etliche Jahre ins Land gehen.
Wir übernachten heute auf dem netten Camping Les Berges du Canal in Villeneuve direkt am Canal du Midi. Und fahren am nächsten Morgen in knapp vier Stunden mit der Bahn von Béziers aus zurück nach Aumont-Aubrac.
Kurzer Überblick von Aumont-Aubrac bis Carcassonne:
[bild]
http://www.fritzz.de/album/wp-content/gallery/cevennen2022/karte.jpg