Lange hin und her überlegt, wo sollte es hingehen über Pfingsten. Dann entschied ich mich: Durchs Elsass nach Basel. Zugticket für die Rückfahrt gekauft, dann nochmal recherchiert, hm, irgendwie klappt das nicht mit Frankreich, auch die Schweiz ist noch nicht so ganz klar. Und selbst BaWü nicht. Gut, ich kaufe immer stornable Tickets, also kostete mich das 10 EUR fürs Nicht-Nachdenken.
Also gut, dann Hessen Nord-Süd. Bad Karlshafen nach Neckarsteinach. Von der Weser an den Neckar. Mit dem Rennrad und "Bikepacking"-Equipment, aber nicht so ganz cool, mit Hotelübernachtungen. Und komplett vorgeplant per komoot - soviel vorab: Das hat gut geklappt. Nur einmal stand ich vor einem nicht asphaltierten Waldweg, der eigentlich asphaltiert sein sollte, laut komoot. Sonst top.
Um viel vom Tag zu haben, fuhr ich extrem früh los, 4.37 Bahnhof Frankfurt-Rödelheim. Kurz entschlossen habe ich doch noch die Regenjacke mitgenommen und auf die Satteltasche geklemmt - denk dran, sie vor Abfahrt noch richtig festzuzurren, dachte ich mir noch. Dann die Zugfahrt, leerer ICE nach Göttingen, gewöhnungsbedürftig die Maske. Man darf sie ja abnehmen zum essen ...
Um kurz nach 8.00 war ich in Bad Karlshafen. Fuhr ein paar Kilometer weseraufwärts zum nördlichsten Stück Straße Hessens. Und auf dem Weg dorthin verlor ich die Regenjacke. Auf dem Foto fehlt sie schon. Bad Karlshafen ist aber tatsächlich ein sehenswertes städtchen, barocke Stadtgründung - eine Abwechslung zu all dem Fachwerk, was mich dann bis in den Odenwald begleiten würde.
Die Jacke ist schon weg – Graffiti der anderen Art
Pufferküssers Traum
Dann der erste Stopp, Zierenberg. Los ging es mit dem vielen Fachwerk. Eines der vielen kleinen Städtchen, deren Namen ich schon mal gehört hatte, aber die ich noch nie gesehen habe. Dieser Teil Hessens ist mir ziemlich unbekannt - Unentdecktes vor der Haustür, sozusagen.
Anfahrt auf Zierenberg – Mjam – Vierbeiner bewacht Zweirad
Habichtswald
Weiter entlang des gefühlt kleinsten Gebirges der Welt, des Habichtswalds. Unbekannt, schrieb ich oben, aber doch nicht völlig ungewohnt. Hessen halt, "Heimat"-Bundesland. Mittagessen sollte es in Fritzlar geben, und es war langsam nötig, spürte ich. Immerhin waren jetzt schon über 80 km absolviert.
Corona-Prozedere vor dem Essenfassen
Fachwerk, Fachwerk, Fachwerk
Rückblick auf Fritzlar
In der Folge kamen ein paar Hügel, wegen des erhöhten Körpergewichts nahm ich sie nicht ganz leicht, trotz des netten Rückenwinds. Die letzten Kilometer bis Stadtallendorf ging es dann bergab. Zum großen Teil auf asphaltierten Waldwegen, einsam, locker. Zudem gewann die Eintracht endlich mal wieder ein Spiel, das beflügelte auch. Und ich entschied mich, im REWE mein Hotelzimmerpicknick zu kaufen und zur Sportschau zu verzehren. Stadtallendorf schaute ich mir also nichtmal an, es ist aber auch nicht die schönste Stadt, als Rüstungsstandort vermute ich einige Kriegszerstörung. Fachwerk gibt es kaum noch, es dominieren 60er- und 70er Jahre. Immerhin die Heimat von Nutella, Ferrero-Küsschen und Mon Cherie.
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Am nächsten Morgen dann Corona-Frühstück im Hotel. Abends musste ich schon ankreuzen, was ich wollte, morgens gab es dann ein Beutel mit allem drin. Nach dem abendlichen Hotelzimmerpicknick nun ein
Hotelzimmerfrühstück
Aufs Rad – und wieder begrüßte mich Rückenwind. Zunächst ging es etwas auf und ab, eine kurze Pause machte ich schon in Grünberg. Das Fachwerk hatte mich wieder.
Rückblick auf Grünberg
Nun wurde es so langsam ein etwas seltsames Erlebnis. Ich war auf einer Radreise, gut, keine richtig ausgedehnte, aber doch drei Tage lang – und ich fuhr durch die Wetterau, eines meiner Rennradreviere. Echzell, Reichelsheim, Florstadt, Heldenbergen, Windecken. Alles andere als unbekanntes Hessen. Mittagspause dann in Hanau, meiner Geburtsstadt. Und ich stellte fest, dass die Coronavorschriften manchmal sehr genau genommen werden. Auf dem Marktplatz ein Restaurant, das ich eigentlich gerne mag (sofern ich das für irgendwas in Hanau sagen kann). Man sitzt auf dem Platz mit Blick auf das Gebrüder-Grimm-Denkmal. Aber man muss durch das Restaurant durch zu den Plätzen. Ich meldete also drinnen an, dass ich gerne mein Rad – kein ganz billiges – draußen in Sichtnähe platzieren möchte. Okay, darf ich. Also fuhr ich wieder herum, stellte es an die Absperrung und stieg über das Seil. Ui. Das durfte ich nicht, wurde ich ziemlich schroff angewiesen. Okay, dann wollte ich auch nicht und fuhr wieder. Okay, die machen auch nur ihren Job, aber nee, da hatte ich keinen Bock mehr und suchte etwas anderes.
Vor gut 100 Tagen war Hanau Schauplatz eines Terroranschlags, die Erinnerung daran ist überall in der Stadt sicht- und spürbar.
Auf nach Süddeutschland
Dann überquerte ich den Main, noch immer auf gut bekannten Wegen. Der Wind kam nun mehr von der Seite, und es war ziemlich warm. Seligenstadt war gerammelt voll an diesem schönen Sonntag, ein Eis hätte mich eine unbestimmbare Wartezeit gekostet, also fuhr ich weiter. Auch Babenhausen hat eine Eisdiele. Und so langsam drohte das letzte Hindernis des Tages, die Steigung zwischen Groß-Umstadt und Höchst im Odenwald. Ich hatte mehr Sorgen davor als sie mir letztlich Schwierigkeiten bereitete. Gut, es waren keine 200 Höhenmeter – aber meine Bergform ist weit, weit entfernt.
Nach Stadtallendorf hatte ich mir mit Höchst eine weitere Stadt als Übernachtungsort ausgesucht, die man nicht wirklich als Perle bezeichnen kann. Aber egal, nettes Hotel, netter Hotelier und eine Ratsschänke, die großes zubereitete: Kochkäseschnitzel. Kochkäse ist der Grund, warum man den Odenwald lieben muss. Der Ratsschänke geht es jedoch nicht so gut, ich unterhielt mich mit dem Kellner, der nicht wusste, ob das Haus dieses Jahr überlebt. Zwar dürfen sie wieder aufmachen und Gäste bedienen, aber der größte Teil der Einnahmen sind Veranstaltungen. Feuerwehrfeste, runde Geburtstage etc. Und das wird noch eine Zeit fehlen. Trotz allem, das Kochkäseschnitzel war großartig und mein Trinkgeld recht üppig – die Sorgen kann es jedoch nicht vertreiben.
Mjam
Frisöre haben ein Händchen für geistreiche Wortspiele …
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Das Frühstück gab es übrigens als Buffett. Geht also. Viel in Plastik verpackt, aber insgesamt doch deutlich netter als der Verpflegungsbeutel gestern morgen. Der Odenwald hielt heute einen Pass für mich bereit, über Beerfelden sollte es hinunter an den Neckar gehen. Also bewegte ich mich mehrfach zum Buffett. Und fuhr langsam los. Die schönen Städte kommen unterwegs, wie gestern. Heute war es Michelstadt, am frühen Pfingstmontagmorgen noch recht leer, das dürfte sich wohl im Laufe des Tages geändert haben.
Das berühmte alte Rathaus von Michelstadt
In Beerfelden war es dann richtig steil – aber da ist man auch schon fast oben. Und hat viele Kilometer schöne Abfahrt vor sich, mit einigen schönen Ausblicken in Täler und auf Orte mit sehr seltsamen Namen.
Das Dorf da unten heißt tatsächlich Falken-Gesäß…
Am Neckar. Hirschhorn.
Dann war ich am Neckar. Hirschhorn, und hier war schon deutlich mehr los. Die kleine Altstadt schenkte ich mir und fuhr weiter, nun auf dicker Bundesstraße, neckarabwärts. Neckarsteinach ist der südlichste Ort Hessens. Bis ganz an den Neckar kann man am südlichsten Zipfel nicht fahren, daher ist das Beweisfoto etwas
unspektakulär.
Neckarsteinach itself dagegen ist schon schön
Wieder zu Hause merkte ich beim Blick auf die Karte, dass das vielleicht gar nicht der südlichste Punkt war, dass es eine Neckarschleife weiter an der Grenze zu Baden-Württemberg vielleicht noch ein paar Zentimeter südlicher ist – aber seisdrum. Ich fuhr weiter, immer noch mit Rückenwind, der aus Nordost kam – und in mir den Entschluss reifen ließ, von Heidelberg doch nicht möglichst weit nach Norden zu fahren. Sondern weiter nach Westen nach Mannheim, um von dort mit der Bahn heimzufahren. Zudem ließ irgendwie die Motivation nach, ich hatte das Ziel ja erreicht.
Heidelberg war knallvoll, ich beließ es bei dem Beweisfoto auf der Brücke und ergriff die Flucht.
Ein Soda-Tor in Edingen
Durch die Quadrate erreichte ich den Hauptbahnhof von Mannheim.
Und das war es. 365 km, 11 Landkreise, sonnig, windig, schön. Es macht also auch mit wenig Gepäck Spaß. Die Fotos sind übrigens alle mit dem Handy gemacht, eine Kamera hatte ich nicht dabei. Und sie sind vorwiegend hochkant, wegen - böse, böse - Instagram. Aber was soll's, ein paar querformatige sind auch dabei, obwohl ich erst gar nicht plante, hier einen Reisebericht zu schreiben. Ist aber schon lange her seit dem letzten, also warum nicht.
Und das war er.