Ciao a tutti,
Anfang Oktober hatte ich noch ein paar freie Tage. Ursprünglich wollte ich «
rough stuff» durchs Simplongebiet (Nanzlicke - Furggu – Passo di Monscera), bis ich feststellte, dass dort oben Schiessübungen der Armee stattfinden würden. Dann dachte ich an eine Querpasstour Nufenen – Gotthard – Lukmanier, aber leider war der Nufenen wegen eines Wintereibruchs geschlossen. So habe ich denn am Vorabend der Abfahrt folgende Tour zusammengebastelt:
Tag 1: Curaglia – Lukmanierpass – Passo di Gana Negra – Capanna Bovarina (
Karte)
1) Mit Bahn und Bus geht’s nach Curaglia bei Disentis/Mustér. Curaglia habe ich bereits auf meiner
Bünder Tour durchfahren. Die Busfahrt von Disentis nach Curaglia hat den Vorteil, dass ich so die Tunnels und Galerien in der Schlucht des Rein da Medel vermeiden kann – und natürlich gewinne ich ein bisschen an Höhe :-) Ab Curaglia kraxle ich in angenehmer Steigung los Richtung Lukmanierpass. Die Luft ist frisch, der Himmel blau, der Verkehr arm, die Berge bunt:
2) Sogn Gions, gleich nach der Abzweigung ins Cristallina-Tal (dieses wird bei Bild 19 nochmals eine Rolle spielen):
3) Blick zurück ins Val Medel. Dank der einen oder anderen Galerie ist der Lukmanier ganzjährig offen. Kleiner Tipp für Offroad-Liebhaber: man kann von Curaglia bis zum Pass fast durchgehend auf Landwirtschaftswegen fahren.
4) Der Preis für die Wintersicherheit: die Passhöhe befindet sich in einer Galerie, so dass ich erst beim Hospiz das traditionelle Passschildfoto anfertigen kann:
5) Im Hospiz trinke ich was und frage dann die Dame hinter dem Tresen, ob der Passo di Gana Negra auf der Ostseite mit dem Velo Probleme bereite. Sie denkt, dass es gehen sollte – ufff, es tut immer gut Ermutigendes zu hören! Und so sieht der Gana Negra auf der Westseite aus – los geht’s:
6) Ich muss zwar fast alles stossen, aber ich komme trotzdem ziemlich vorwärts:
7) Der Weg ist angenehm und wäre wohl mit MTB runter fahrbar:
8) Der Passo di Gana Negra ist erreicht…
9) …und es folgt eine hügelige Zwischenebene:
10) Dann folgt ziemlich blockiges Gelände, und ich stosse nochmals ordentlich, diesmal runter:
11) Der herrliche Blick auf die Adula-Kette. Ich merke, dass die Schatten schon recht lang sind, und rufe rasch auf der Bovarinahütte an um ein Bett zu reservieren. Im Herbst ist es am späteren Nachmittag ein schönes Gefühl, wenn man weiss, dass das Ziel ein warmes Bett und nicht mehr weit ist!
12) Die Alpe di Bovarina mit ihren zwei Seelein; im Hintergrund die Staumauer von Luzzone:
13) Ich esse noch etwas und lege mich ein bisschen hin. Es ist Herbst, die Gräser wiegen sich im Wind, die Sonne hat noch ein bisschen Kraft. Schön einfach, einfach schön.
14) Ich kann der Glungge im Vordergrund nicht wiederstehen und hüpfe rasch rein – ah, herrlich!
15) Und dann ist auch schon die Bovarinahütte erreicht. Ein schöner Ort!
16) Es hat nur wenige Gäste, und ich habe eine ganzes Zimmer für mich. Das Hüttenwartpaar geht am Sonntag in Pension – muss ein spezielles Gefühl sein! Es ergeben sich interessante Gespräche, und irgendwann sinke ich müde und zufrieden ins Bett.
Tag 2 : Capanna Bovarina – Lago Retico – Verzaira – Lago Retico – Capanna Bovarina – Campo Blenio – Biasca – Bellinzona – Gordola – Sonogno (
Wanderkarte,
Velokarte)
17) Am nächsten Morgen frühstücke ich ausgiebig, danach geht es ohne Velo durch wunderbare Hänge…
18) …hoch zum Lago Retico:
19) Ich gehe noch bis zum Pass Cristallina (nicht zu verwechseln mit dem Passo di Cristallina zwischen Bedretto- und Bavonatal) und gucke auf der anderen Seite ins Val Cristallina. Fast bereue ich es ein bisschen das Velo nicht dabeizuhaben, denn nach ca. 400 Hm käme eine Alpstrasse nach Sogn Gions (siehe Bild 2). Vorsicht: das Val Cristallina ist ein Übungsplatz der Schweizer Armee und daher zeitweise komplett gesperrt.
20) Aber egal: die Ebene mit dem Lago Retico ist schlicht schön und herrlich ruhig und daher auch für sich einen Ausflug wert. Einzig der Lärm von in grosser Höhe fliegenden Verkehrsflugzeugen stört zwischendurch. Schade.
21) Ich wandere dann noch hoch bis Verzaira…
22) …und geniesse die Sicht Richtung Südwesten (Val di Campo und die Gipfel der Leventina),…
23) … Süden (Valle di Blenio),…
24) …und Osten (Piz Terri et al.):
25) Zurück beim Lago Retico hüpfe ich noch rasch rein. Um die Moderation nicht mit unnötigen Diskussionen im Stil von «wie viel Nacktheit ist auf rad-forum.de erlaubt?» zu belasten übe ich mich in Selbstzensur und dokumentiere stattdessen den Dunst rund um den Pizzo Pianco:
26) Anschliessend purzle ich wieder zur Bovarinahütte runter und besteige dort mein Velo. Beim Bovarina Bike Trail ist das Meiste auch mit Dropbar fahrbar; hier ein mildes Stück:
27) Ungefedert wie ich bin weiche ich sobald wie möglich auf noch mildere Wege aus:
28) Ob Campo Blenio wird noch ordentlich geschlauft,…
29) Kurs nach Campo Blenio kann man Marias Segen erbitten…
30) …bevor es wild durch die Brennoschlucht geht:
31) Nach all den Wanderwegen und Strässchen erscheint mir die breite Strasse zwischen Olivone und Acquarossa fotowürdig:
32) Ab Dongio erwische ich per Zufall den hübschen Veloweg nach Biasca. Nach Biasca finde ich es dann irgendwann dermassen unhübsch, dass ich es einfach fotografieren muss:
33) In Lodrino kann ich dem Riale di Lordino nicht widerstehen, und trotz der nahen Autobahn mache ich Essens- und Badepause. Hier ist das Wasser nicht so kalt wie beim Lago Retico, und ich schaffe es in den 10 Sekunden Selbstauslöserzeit ganz rein, daher keine Zensur :-)
34) Schöne Wege versöhnen mich mit dem Riviera genannten Ticino-Talabschnitt:
35) Fischer im Ticino:
36) Schafe auf dem Feld:
37) Dann ist schon Bellinzona erreicht. Ich mag Städte nicht, daher nur ein lausiges Belegbild:
38) Irgendwo zwischen Giubasco und Gordola hole ich Jari ein. Er ist Lehrer und auf dem Heimweg nach Locarno. Er erklärt mir den Tessiner Autoirrsinn und weiss, wo ich Abbiegen muss für ins Val Verzasca. Falls Du das per Zufall liest: danke Jari, war eine nette Fahrt! Ab Gordola geht’s steil rauf. Kurz vor dem ersten Tunnel rufe ich im Hotel Alpina in Sonogno an und reserviere ein Zimmer für heute Abend. Im Herbst fährt es sich gleich ganz anders, wenn man auf eine warme Mahlzeit und ein wohliges Bett zusteuert :-) Entsprechend motiviert düse ich auf die steilen Berge des Val Verzasca zu:
39) Ta-ta, Lavertezzo mit der Verzasca und der Römerbrücke. Seit dieser Spot auf Instagram geshared wurde wird er leider total gehypt und ist overtouristed, omg:
40) Das Val Verzasca ist recht lang, aber zum Glück nur am Anfang fies steil. Ab Gerra finde ich es dann sehr lang (nebenbei: Gerra hat eine interessante
Gemeindestruktur). Wann kommt Sonogno??
41) Da ist es! Schön!
42) Kurzer Abstecher zur berühmten Schwarzen Madonna:
43) Beim Nachtessen im Alpina landet zwei Mal der Helikopter auf der Wiese. Ist eventuell Sonogno bereits so hype, dass sich reiche Mailänder am Wochenende einfliegen lassen? Nein, der Grund ist wahrscheinlich viel trauriger: in den stotzigen Bergen zwischen Verzasca und Maggia ist eine Wanderin tödlich verunglückt, und der Heli hat anscheinend ein Mitglied der Rettungskolonne geholt und zurückgebracht.
Tag 3: Sonogno – Cabiói – Sonogno – Locarno – Centovalli – Malesco – Valle Loana – Malesco – Domodossola (
Schweizerkarte,
Italienkarte)
44) Nach dem Frühstück erkunde ich noch ein bisschen das hintere Val Verzasca. Dabei begegne ich ein paar Kühen…
45) …und einem Schild, welches ich noch nie gesehen habe: in Cabiói ist die MTB-Route zu Ende:
46) Cabiói versprüht den Charme der Kleinheit:
47) Ich purzle wieder nach Sonogno zurück und folge der MTB-Route. In Frasco haben diese zwei unscheinbaren Objekte Spezialfunktionen: das
Familienhotel dient im Winter als Notunterkunft, falls die Lawinengefahr zu gross ist. Und der Teich? Ist das Wassertankbecken für Helilöscheinsätze bei Walbdbränden.
48) Die MTB-Route von Sonogno nach Brione ist abwechslungsreich und auch mit dem Cutthroat herrlich zu fahren:
49) In Lavertezzo muss natürlich ein Bad sein! Ich streife meine alte Badehose über, welche mich zum Sexiest Man Alive nach George Clooney macht, und platziere mich zwischen ein paar Tauchern. Ich find’s immer wieder beeindruckend, was die alles für Krempel dabeihaben – und vor allem die Relation zwischen «Zeit im Tauchanzug» und «Zeit im Wasser»: da schneide ich mit meiner Badehose doch deutlich besser ab :-)
50) Jedenfalls sitze ich nach 20 Minuten wieder im Sattel und streife an Corippo vorbei…
51) …zur Diga di Contra. Wem dieses Bauobjekt irgendwie bekannt vorkommt, es aber nicht einordnen kann: guckt mal
hier:
52) Über Locarno (Stadt, ergo schnell durch :-)) geht es auf Schotterwegen…
53) …über den Schotterlieferanten Maggia…
54) …und noch mehr Schotterwegen….
55) …zur nächsten Badestelle, dieses Mal bei Intragna, an der Melezza:
56) Eine Goldrute leuchtet goldig in der Herbstsonne:
57) Nach Intragna ist fertig geschottert: das Tal wird so eng und steil, dass es knapp Platz hat für eine Strasse und eine
Schmalspurbahn (Achtung: keine Fahrradmitnahme!):
58) Schön, dieses Centovalli! Der Verkehr hält sich noch einigermassen in Grenzen, und die Steigungen sind angenehm:
59) Ich hoffe Ihr habt Verständnis dafür, dass ich nicht auf einen Zug gewartet habe :-)
60) Nach Camedo ist die Schweiz zu Ende, und Bella Italia erwartet mich. In der Nähe des riesigen Santuario der Madonna del Sangue in Re (sorry, kein Foto…) esse ich einen Teller Pasta, und die Wirtin packt mir liebevoll noch ein paar Dolci in Alufolie ein und gibt sie mir mit auf den Weg – Grazie tanto! Bei Malesco biege ich ins Valle Loana ein: es folgen ein paar Kilometer und viele Höhenmeter auf einem geteerten Strässchen durch Wald, Wald und Wald. Diese kleine Perle kennt nicht mal quaeldich.de, erstaunlich :-) In Fondo li Gabbi erreiche ich den Strassen- und Talabschluss; ein schönes Plätzchen. Hier kann man sich verpflegen und übernachten…
61) …und grössere und kleinere Wanderungen unternehmen. Gemäss Swisstopo könnte man auf einem Fahrwanderweg (?) noch ein paar hundert Höhenmeter weiter hochholpern, bis zur Alp Cortonuovo:
62) Ich holpere nur noch bis Le Fornaci. In Erwartung der kommenden Abfahrt zurück nach Malesco geht mir das
Lied von Stiller Has nicht aus dem Kopf: «Tüet die Rölleli dra, o när lööters lah loufe, eifach lah fahre, lah loufe» :-) Die Abfahrt ist dann in der Tat ziemlich geil und läuft gut!
63) Auf einem Radweg geht es in wildem Auf und Ab nach Druogno und von dort auf der Hauptstrasse durchs Vigezzo Richtung Domodossola. Warnung an diejenigen, welche diese Tour in der Gegenrichtung machen wollen: der
lange Tunnel bei Paiesco ist schlecht belüftet und hat bei mir sogar beim Runterfahren Hustenreiz ausgelöst. Rauf hätte ich den nicht fahren wollen… Auf der Karte sieht es so aus, als könne man den Tunnel auf der alten Strasse umfahren, aber ich bin nicht sicher, ob die wirklich noch offen ist; jedenfalls ist auf der Ostseite ein Sackgasse-Schild angebracht. Gemäss Swisstopo-Karte kann man eventuell holprig über Trontano und Marone ausweichen.
Schnell ist dann Masera mit seinen Türmen erreicht, und dann rausche ich noch ein paar Kilometer durch die Ebene nach Domodossola. Dort nehme ich schliesslich den Zug, zurück ins geliebte Wallis :-)
Fazit: Das Tessin ist ein schöner Flecken Erde, und Italien macht auch immer wieder Freude! Am ersten Tag hat auch das
RSF-Motto «I never go for a walk without my bike» viel Freude bereitet: mit dem leichten Cutthroat ist auch längeres Stossen kein Problem, v.a. wenn man wie ich gerne wandert. Bezüglich Tourmöglichkeiten mit dem Cutthroat ist die Auswahl im Tessin jedoch nicht ganz so riesengross wie auf der Alpennordseite, denn es gibt nicht exzessiv viele Alpstrassen (was ich grundsätzlich gut finde). Entsprechend sind Touren im Stil von «auf der Alpstrasse auf der einen Seite bis auf >1800müM hoch, danach 200-500 Hm Hike&Bike, und dann auf der anderen Seite in gleicher Art runter» nicht hundertfach vorhanden. Es hat aber schon ein paar Perlen, welche ich mir sicher mal noch genauer anschauen will: Passo del Naret, Passo dell’Uomo, Passo S. Jorio, etc. Tessin, ich komme wieder :-)