Kaukasus im Frühsommer
eine kleine Rundreise für erste Eindrücke 16,5 Tage, ca 1500 km und etwa 34 000 hm
Start: Tiflis Endpunkt:TiflisReisende mgabri und natash
Fahrräder: reisetaugliche, ältere Fahrräder auf Mountainbikebasis
Übernachtung: Zelt und feste Unterkünfte
Ich habe versucht die Strecke auf Gpsies nach zu basteln. 100% stimmt die nicht, aber so ungefähr. Die Strecke rückzus von Zugdidi nach Tiflis haben wir mit dem Nachtzug zurückgelegt, um unsdas Beradeln dieser stark befahrenen Route zu ersparen.
Das Bastelwerk findet Ihr
HIER Von einem Besuch des Kaukasus träume ich schon mehrere Jahre, seitdem ich einmal Bilder dieses Landstrichs erblickt habe.
In meiner Vorstellung geben sich wilde Berglandschaften, bizarre Felsen und alterwürdige Kirchenanlagen ein Stelldichein, bewohnt von gastfreundlichen, überlebenstüchtigen aber auch kriegerisch gesinnten Menschen, die teils archaischen Bräuchen und Sitten anhängen. Das Ganze gepaart mit Resten der untergangenen Sowjetunion, der der ganzen Region ganz sicher viele jener wenig dekorativen aber auch vertrauten Anstriche verleiht, die vielen exsozialistischen Staaten auch heute noch anhängen, egal ob sie sich an der Ostsee, am kaspischen Meer oder irgendwo dazwischen oder dahinter befinden.
Und weil sich im Gegensatz zu Rußland, Armenien und Georgien für Bürger der EU visafrei bereisen lassen und außerdem ein Direktflug der Lufthansa von München nach Tiflis angeboten wird, ergreifen wir die Gelegenheit die Kaukasusregion kennen zu lernen.
Weil ich Berge mag, bietet die Topographie beider Länder eine viel versprechende Grundlage. Die Anzahl der Straßen ist laut vorher erworbener Karte sehr übersichtlich und ich lege vorher ein paar Eckpunkte fest, die ich besuchen möchte. Die sind aber nicht in Stein gemeißelt und wie immer bin ich sicher, dass Teile der Route sicherlich anders verlaufen werden, als wir uns das vorher gedacht haben.
Der Flug von München geht am Abend und im Flughafen geht es eher ruhig zu.
Nur an unserem Gepäckschalter gibt es ein wenig Aufregung, weil man sich weigert unsere Fahrräder ohne Kartonverpackung mit zu nehmen. Dass man uns bei der Hotline etwas anderes erzählt hat, läßt die Dame am Schalter vollig kalt, was meinen Blutdruck in Sekundenschnelle in die Höhe treibt. In einem Kofferladen kann ich dann große Kartons auftreiben, was dem Trend zu schrankwandähnlichen Ungetümen geschuldet ist und mir gerade sehr entgegen kommt. Klebeband und Folie habe wir in ausreichenden Mengen dabei und eine Stunde später haben wir unsere Fahrräder zu unhandlichen Gepäckstücken verarbeitet, die gewiss die Freude jedes Gepäcktransporteurs erhöhen, aber sie entsprechen den Vorgaben.
ArmenienTiflis-Marneuli-Bagratashen-Noyembrian- Voskepar-IljevanIn Tiflis angekommen dämmert der Morgen und es regnet ohne Unterlaß.
Wir versuchen in Vermeidung der mehrspurigen Straßen auf Nebenwegen in Richtung Innenstadt zu gelangen, was uns durch heruntergekommene Plattenbauviertel führt und während räudige Hunde nach unseren Reifen schnappen, stecken wir bereits bis zur Felge im Schlamm.
Genervt kehren wir um und begeben uns auf eine autobahnänliche Straße, wobei wir nach unserem schlammigen Abstecher aussehen, als wären wir seit Monaten unterwegs.
Das ist uns aber gerade vollkommen gleichgültig und nach einem ersten Kaffee in einer Imbißbude, wo eine Gruppe Schulkinder unsere Fahrräder mit großer Neugierde aus einer sicheren Distanz heraus beäugt, während uns ein freundlicher Herr aus Kachetien von der Schönheit seiner Region erzählt,sieht die Welt schon einmal wieder deutlich freundlicher aus.
In einem Marktgelände kaufen wir Vorräte, suchen vergebens nach Gaskartuschen für unseren Kocher, verwöhnen uns mit einheimischen Backwaren und fliehen aus der Stadt in Richtung Süden, was auf den vielbefahrenen mehrspurigen Straßen nicht ganz die reine Freude ist.
Hier treffen wir zwei Reiseradlerinnen aus Berlin, die jedoch aus Richtung Türkei kommen und zunächst Baku zum Ziel haben. Wir trennen uns freundlich winkend.
Nach einigen Kilometern flaut der Verkehr etwas ab und der Regen hat sich vorübergehend auch verzogen.
Wir halten, um an einem Straßenstand ein Kilo Kirschen zu erwerben, die uns nach kurzem Geplänkel über das woher und wohin zum Geschenk gemacht werden, was angesichts der Armut der Verkäufer ein wenig beschämend ist.
Wir unternehmen einen Abstecher auf eine Nebenroute, von der wir vermuten, dass sie hinter einer Bergkuppe nicht mehr befestigt sein wird. Sie führt duch eine schöne ruhige Steppenlandschaft.
Dabei überrascht uns ein Gewitterschauer, den wir unter einem Maulbeerbaum verbringen und wir drehen bedauernd um. Eine erneute Schlammschlacht benötigen wir heute nicht.
Weil wir uns nach wie vor an der Hauptrasse befinden, kann man alle paar Kilometer in einen Imbiß, einer Bar oder einem Kaffee einkehren und als wir uns an der armenischen Grenze eine Unterkunft suchen, haben wir bereits etliche Biere und verschieden gefüllte Fladenbrote verkostet. Das wird durch die Tatsache erleichtert, dass die einheimische Schrift fast immer mit der kyrillischen untertitelt ist und wir automatisch von jedem auf russich angesprochen werden. Da der Wortschatz der Einheimischen auch keinen Literaturpreis verdient hat, kommen wir mit unseren dürftigen Russichkenntnissen bestens zurecht, nur die nuschelige Aussprache ist zuweilen gewöhnungsbedürftig.
An einem Gasthof habe ich eine aus der Küche tretende Frau nach einem Zimmer gefragt und die führt uns in ein leicht derangiertes Gebäude, das sich um mehrere Rebstöcke gruppiert.
Die etwas heruntergekommene Grenze nach Armenien queren wir erst am nächsten Morgen.
Die Straße leert sich zusehens und das Wetter ist nach wie vor gewittrig mit tief hängenden Wolken.
Die Landschaft wird zusehens bergiger. Richtige Falten hat die Erde hier geschlagen, Bäume sind in den höheren Lagen keine mehr auszumachen
.
Die armenischen Orte, die wir durchqueren sind ausnahmslos von einer zweckmäßigen Häßlichkeit.
Unsere Anwesenheit wird mit freundlicher Neugierde zur Kenntnis genommen. Man versucht uns hilfsbereit bei unserer weiteren Suche nach einer Gaskartusche zur Seite zu stehen, aber leider läßt sich nirgendwo eine auftreiben.
Dafür erstehen wir die köstlichsten Aprikosen, die man sich vorstellen kann und die in Begleitung eines verdünnten Joghurts der hier Tan genannt wird, in unsere Mägen gelangen.
Die Straße windet sich bergauf und bergab und wir pausieren auf einer blumenbewachsen Wiese.
Nach wenigen Minuten nähert sich eine Gruppe Kinder, die ein etwa zwölfjäriges Mädchen nach vorne schubst. Schüchtern kommen sie vor uns zu stehen und das Mädchen beginnt eine Konversation auf englisch. “Where are you from, I like your bicycle, do you like Armenia” usw.
Nachdem die erste Neugierde gestillt ist, wir erfahren, dass es sich um eine Schulklasse aus Iljevan handelt, die hier im Schullandheim weilt und das Mädchen die Klassenbeste ist, ziehen sich die Kinder zurück.
Kurze Zeit später sind sie wieder da und setzen mir einen geflochtenen Kranz aus Margeriten aufs Haar. Danach folgt ein großer Blumenstrauß und bevor die Wiese vollkommen ihrer Blumen beraubt wird, brechen wir dann auf. Mein Rad ist prächtig geschmückt und die Kinder winken. Wir winken zurück und machen uns an die weitere Auffahrt.
Später müssen wir uns entscheiden, ob wir in das Flußtal in den Skiort Diljan abzweigen wollen oder ob wir lieber eine gewundene Straße an der armenischen Ostgrenze wählen wollen.
Die Straße nach Diljan ist gesperrt, wie wir feststellen, wir wenden uns also nach Osten.
Wir befinden uns quasi an der Kante zur Grenze nach Aserbaidjan. Wir passieren eine Kaserne, an den Hängen befinden sich abruchreife Häuser, zerschossene Mauern, ausgebrannte Kirchen. Der Konflikt zwischen den beiden Ländern ist noch lange nicht vorbei, auch wenn gerade ein vorübergehender Waffenstillstand eine Ruhepause verschafft.
Die Straße windet sich sehr eindruckvoll auf und ab. Es herrscht gewittrige Schwüle, die uns den ein und anderen Schweißtropfen entlockt.
Dabei führt die Straße auch an sich in Armenien befindlichen aserbaidjanischen Enklaven vorbei. Diese Orte sind nur von einer Straße aus zugänglich und haben ansonsten keinen Kontakt zum feindlichen Nachbarn, so scheint es.
Insgesamt wirkt die ganze Gegend ziemlich ausgestorben, der Verkehr sehr spärlich.
Unser Wasserverbrauch ist ganz beträchtlich. Hierbei kommt uns die Tatsache zu Gute, dass alle paar Kilometer eine Trinkstelle zu finden ist, aus der frisches Quellwasser sprudelt. Diese Quellen sind ausgeschildert und eine Bank gibt es dort meistens auch.
Wir kommen sogar an einem Luxusrastplatz vorbei, der neben der Quelle auch noch mit überdachten Pavillions zum sitzen, einem gemauerten Ofen und einem Toilettenhäusle ausgestattet ist. Wenn es nicht so früh am Tag wäre, wäre das auch ein ausgezeichneter Platz für die Nachtruhe.
Oben an der Kuppe angekommen, hat man einen sehr schönen Blick hinüber nach Aserbaidjan
bevor sich die Straße wieder bergab stürzt.
Gegen frühen Abend gelangen wir in das vom Weinbau geprägte Tal bei Idschevan.
Der dort liegende Weinbauort Iljevan begrüßt uns mit abruchreifen Fabriken
Wir rollen zunächst einmal ins Stadtzentrum, wo wir uns auf ein Bier bei einem Schaschlikstand am Rande eines kleinen Parks niederlassen.
Und weil wir schon einmal so gut sitzen bestellen wir ein Essen
und als sich der Standbesitzer nach dem dritten Bier zu uns setzt und wir lustig plaudern, fällt uns ein, dass wir uns langsam einmal Gedanken über einen Übernachtungsplatz machen könnten.
Als könnte unser Gastgeber Gedanken lesen, schlägt er uns vor, hier bei ihm zu zelten. Er selbst wohnt mit seiner Frau in einem mit Decken verhangegenen Verschlag, der Teil eines ehemaligen Restarants ist. Ich frage verwundert, ob das wirklich kein Problem sei - hier, hier mitten in der Stadt, direkt neben einem Prachtbau, der aussieht, als sei er das Rathaus.
Nein, alles kein Problem, versichert er und wir machen uns frohgemut an die Verkostung eines einheimischen Maulbeerbrands, der ganz vorzüglich mundet.
Iljevan-Idschevan-Getik-Chambarak-Sevan SeeAm nächsten Morgen bekommen wir auch noch einen Kaffee serviert, der hier nach türkischer Art zubereitet wird, was ich sehr schätze. Dazu gibt es einen Teller frisch gepflückter Maulbeeren und ein weiterer mit russischem Konfekt. Das gibt Kraft für die Fahrt, heißt es.
Und bevor wir uns an die Abfahrt machen, wird mir zum Abschied noch eine prachtvolle Rose überreicht, die fortan meine Taschen zieren darf.
Weiter geht es auf der Strasse Richtung Diljan, die breit ausgebaut und ziemlich kaputt gefahren ist und auf der am Morgen vor allem Kuhherden unterwegs sind.
Wir biegen dann aber auf eine kleine Straße ab, die sich in Richtung Süden, abermals an der Grenze zu Aserbaidjan in einem schönen felsigen Flußtal entlang schlängelt.
Bis zum Kloster Goshavank ist reger Verkehr. Es ist Sonntag und busseweise werden hier Kindergruppen hochgefahren. Wir verzichten angesichts unseres wenig pfleglichen Erscheinungsbilds auf den Klosterbesuch. Unter den sonntäglich herausgeputzten Kirchenbesuchern hätten wir uns ausgenommen wie die Landstreicher.
Wir fahren also weiter durch verschlafene Orte, in denen es wenige gedrungende Häuser, kleine Läden und einige Gebäude gibt, die aussehen als seien es Erholungsheime für die Werktätigen.
Auf der Strasse sind jedoch vornehmlich Rindviecher unterwegs.
Die Strasse, die kontinuierlich ansteigt, befindet sich zwischendrin in einem erweiterten Zustand der Auflösung. Da hat dann auch noch ein Bergrutsch nachgeholfen, was sehr holprige Folgen hat. Danach kommt dann jedoch nagelneuer Asphalt auf dem wir wunderbar dahingleiten, während die Berge um uns herum immer höher werden und die schwarzen Regenwolken näher rücken.
Und dann kommt, was kommen muß - es regnet. Erst leise, dann stärker, dann sehr ergiebig.
Binnen weniger Minuten sind wir klatschnass, bevor wir überhaupt daran denken können unsere Regensachen anzulegen. Bäume zum unterstellen gibt es in dieser steppenartigen Landschaft auch keine.
Während uns also das Wasser aus allen Poren tropft, kommt uns ein vollbesetzter Lada entgegen, macht bei unserem Anblick eine Vollbremsung, ein Mann springt heraus und ruft uns zu, dass wir mitkommen sollen.
Wir fahren hinterher und nach wenigen Metern biegen wir zu einem Bauernhof ab. Kurz darauf, wir waren glücklicherweise geistesgegenwärtig genug uns beim Betreten des Hauses die Schuhe auszuziehen, sitzen wir in einem rosafarbenen Wohnzimmer und uns wird ein wohlduftender Kräutertee in die Hand gedrückt.
Die Hausherrin, die etwa zwei Köpfe kleiner ist als ich, versucht mich in einem Pullover in Kindergröße zu zwängen, was nicht von Erfolg gekrönt ist, so dass ich mich genötigt fühle zu versichern, dass mir wunderbar warm sei, was nach dem Genuß zweier selbstgebrannter Schnäpse, die dem Tee folgen, auch nicht gelogen ist.
Dann kommt bereits der gekochte Hammel auf den Tisch.
Es folgen weitere Speisen und Getränke, von denen das interessanteste die Stängel des auch hierzulande bekannten kaukasischen Pestwurzes gehören. Diese werden jung geerntet, bevor er ungenießbar wird, in Salz und Essig eingelegt und dann als Vorspeise gegessen. Das Ergebnis schmeckt ungewohnt, aber delikat.
Unsere weitere Unterhaltung wird vor allem durch einen Herrn bestritten, der im Bezirk Krasnodar arbeitet und deshalb ein fabelhaftes Russisch spricht. Der Hausherr fragt noch kurz, ob wir des Kurdischen mächtig seien, was wir bedauernd verneinen müssen.
Nachdem die üblichen Fragen nach woher, wohin, Familie, Kindern und Beruf geklärt sind, nimmt unsere Unterhaltung schwierigere Themen an, was mein zweifelhaftes Russisch sehr stark an seine Grenzen bringt.
Es geht, wie angesichts der Gegend nicht weiter verwundern sollte, um den Krieg mit Aserbaidjan.
Die Grenze verläuft direkt über der östlichen Bergkuppe und über diese seien sie auch gekommen, an einem Nachmittag, als die halbe Einwohnerschaft des Ortes bei der Arbeit gewesen sei und hätten alle erschossen, die sie hätten erwischen können. Der eine hat seinen 17 jährigen Bruder verloren, der andere eine Schwester. Man schüttelt die Faust, die Wut ist zu spüren.
Wie das zur Zeit der Sowjetunion gewesen sei, frage ich. Ja, da wäre das kein Problem gewesen mit der Nachbarschaft, aber das wäre die Sowjetunion gewesen und die gäbe es ja nicht mehr. Jetzt sei alles anders. Der Nachbar im Osten, das wären Muslime und sie Christen, das passe nicht zusammen, das gäbe nur böses Blut.
Sie verweisen an den Genozid der Türken an den Armeniern, aber das wäre ja lange her, der heutige Feind sei weniger die Türkei, als vielmehr Aserbaidjan.
Auf keinen Fall sollen wir uns hier in die Berge im Osten wagen, da lauerten Heckenschützen.
Wieso man so plötzlich vom verbrüderten Volk zum Feind wird, möchte ich dennoch wissen, aber das wird nicht so richtig beantwortet. Vielleicht verstehe ich auch die Antworten nicht so recht, immerhin habe ich mittlerweile schon ein wenig Alkohol getrunken, mein Glas füllt sich schneller als es geleert wird.
Dann hat es aufgehört zu regnen und wir besuchen gemeinsam eine Quelle, und danach ein Denkmal zum Gedenken an die Gefallenen des Aserbaidjankonflikts.
In der örtlichen Kirche, die nach dem Niederbrennen durch den feindlichen Nachbarn wieder neu aufgebaut wurde, zünden wir dann noch etliche der dünnen langen Bienenwachskerzen, die typisch für orthodoxe Kirchen sind, zum Gedenken an. Während dessen hat sich bereits das halbe Dorf um uns versammelt. Und bevor wir zum weiteren Verbleib aufgefordert werden, man hat bereits vor, uns zur Jagd einzuladen, machen wir uns an die Weiterfahrt Richtung Chambarak.
Von hier geht es über einen frisch asphaltierten Paß von etwa 2300m Höhe hinunter zum Sevan See.
Der Sevan See liegt auf 1900m Höhe, ist quasi die Adria der Armenier und wird in den Sommermonaten von den erholungssuchenden der Hauptstadt Jerewan bevölkert.
Jetzt Anfang Juni ist es hier noch ausgesprochen ruhig.
Wir steuern einen Campingplatz an, der noch geschlossen hat, was aber wie uns versichert wird, kein Problem sei, kurz vor uns sei schon eine polnische Radlergruppe eingetroffen.
Und weil die Strandbar geöffnet ist, genießen wir dort den Abend bei einer Sevanseeforelle vom Grill und einem Glas armenischen Wein. Während wir den Sonnenuntergang am See bewundern, lassen wir die Eindrücke des Tages Revue passieren. Es ist kaum zu glauben, dass wir erst wenige Tage unterwegs sind.
Shorza-Tsovagyugh-Sevan- Hrasdan-Aragyugh-Hartavan-AragatsDer See zeigt sich am nächsten Morgen in der Sonne und wir können die schneebedeckten Bergriesen erkennen, die hinter den Ufern in die Höhe ragen
Wir teilumrunden den See auf einer laut Karte gut ausgebauten Straße, die jedoch zunächst vor allem ein Flickenteppich aus Schlaglöchern ist. Der Straßenzustand bessert sich erst, als wir auf die von Norden kommende Straße stoßen, die durch einen Tunnel zum See führt und an dessen Westufer weiter geführt wird.
Nachdem wir eine ansehnliche Reihe verfallener Hotelbauten und abruchreifer Fischrestaurants passiert haben, was der schönen Gegend einen Hauch von Melancholie und Verzweiflung verleiht, kommen neue Restaurants und Hotelanlagen ins Bild zwischen denen sich Autoteilehändler und Fischverkäufer auf die restlichen Freiflächen gequetscht haben. Ein merkwürdiger Anblick, wenn man bedenkt, dass wir zunächst in eher naturbelassenem Ambiente gestartet und dann durch Ruinen weitergefahren sind. Das hier ist ganz offensichtlich das schickere Seeufer.
Besser gefallen hat uns das andere.
Wir biegen zum Zwecke des Frühstücks und Einkaufs nach Sevan ab, wo eine autobahnähnliche Abfahrt hinführt und die alsbald in einen rumpeligen Feldweg überleitet. Die Einfahrt nach Sevan macht keinen sehr vertrauenserweckenden Eindruck.
Wir kurven ein wenig durch die Stadt, finden aber weder ein Kaffee noch eine Bäckerei und auch Gaskartuschen gibt es nur in der Ausführung für den Militärkonvoi. Und die ist uns mit den zärtlichen geschätzten 20kg dann doch zu schwer.
Wir finden doch einen Bäckerei-Imbiß, genehmigen uns eines der zahlreichen gefüllten Fladenbrote, deren Inhalt oft eine Überraschung ist, wenn man die Sprache nicht so recht versteht und trinken dazu einen Tan (Ayran). Alternativ hätten auch mehrere Schaschlik und Kebab-Stände Ihre Dienste angeboten, aber zum Frühstück muß man so etwas schon ernsthaft mögen.
Und weil wir kurz darauf einen Laden finden, der Kaffee anbietet, statten wir auch diesem einen Besuch ab und ziehen wohl gestärkt wieder ab, von einer Bezahlung des Kaffees will der Ladenbesitzer nichts wissen, obwohl ich den Eindruck habe, dass er jeden Dram gebrauchen kann.
Wir verlassen die Stadt auf einer kleinen Straße, die Sonne scheint und die Steppe blüht in den schönsten Farben.
Über den Bergen braut sich bereits das nächste Gewitter zusammen, es ist aber noch nicht so nahe gekommen, als dass man sich Sorgen machen müsste.
Wir kommen durch einen Ort, dem durch ein hochmodernes Gaspromwerk ein wenig Wohlstand zu Gute kommt, wie es scheint. Hier machen wir eine kurze Verschnaufspause auf einem Bänkle, das neben einer Wasserstelle und einem Heiligen plaziert ist, mit Blick auf den modernen Wohnungsbau, der in diesem Ort etwas gediegener aussieht, als anderswo in diesem Land.
Die von uns dabei verkostete Estragonlimonade, die hier ausgesprochen beliebt ist hingegen, schmeckt schon ein wenig gewöhnungsbedürftig.
Auch die Denkmäler und Straßenrandkunstwerke, die hier und da am Straßenrand stehen, treffen sicherlich nicht jedermanns Geschmack, wenn auch eine gewisse Dramatik in der Darstellung nicht zu leugnen ist.
Ebenso häufig finden sich ausgebrannte Autowracks am Straßenrand. Bei dem hier gepflegten Fahrstil ist es kein Wunder, dass das ein oder andere betagte Vehikel das hier im Einsatz ist, plötzlich den Dienst quittiert. Und das vor einer wirklich wunderbaren Kulisse, die sicherlich auch ohne die schwarzen Wolken beeindruckend gewesen wäre.
Seit einiger Zeit habe ich ein drängendes Problem: Ich muß mal. Und wir finden nirgendwo eine Toilette, auch die Tankstellen, die bisher an den größeren Straßen zuverläßig mit einfachen Sanitäranlagen aufwarteten, haben hier noch nicht einmal einen Bretterverschlag. Bäume und Sträucher gibt es auch nicht, nur endlos weites Grasland, in dem man eine wunderbare Sicht in alle Richtungen hat. Und obwohl hier wenig Menschen unterwegs sind, ist es fast ein Naturgesetz, dass sich gerade dann jemand nähert, wenn man gerade dabei ist die Hose sinken zu lassen. Bevor allerdings alles zu spät ist, verschafft eine kleine Baumgruppe Abhilfe.
Später machen wir auch eine kleine Pause und beobachten, wie die Wolken in unsere Richtung ziehen.
Danach geht es weiter auf guten und weniger guten Untergründen
Dann nähern wir uns dem Berg Aragats, der höchste im heutigen Armenien, nachdem der heilige Berg der Armenier der Ararat, heutzutage auf türkischem Hoheitsgebiet liegt. Beide Berge stehen sich quasi wie Zwillinge mehr oder weniger gegenüber und bilden markante Punkte in der steppenartigen Hochebene der Umgebung.
Der Aragats meint es nicht gut mit uns, er hängt in Wolken und schickt einen Regenschauer vor, den wir in einer überdachte Bushaltestelle bei einem vorher erworbenem Bier abwarten können.
Langsam stellt sich auch wieder die Übernachtungsfrage. Auf den nässedurchtränkten Wiesen möchten wir ungerne zelten und im Ort Aragats, der sich an den Fuß des gleichnamigen Berges drängt soll es ein Hotel geben.
Das gibt es auch, ist von einer Mauer umgeben und durch ein Tor verschlossen. Eine Klingel ist nicht zu finden. Dafür ereilt uns einmal wieder ein Regenguß und wir stellen uns unter einem Vordach unter.
Gegenüber hängt eine Frau aus dem Fenster eines Plattenbaus und will uns ins Haus winken.
Wir befürchten weitere Alkoholgelage und bleiben wo wir sind. Dann kommt auch noch ein Mann ins Fenster und kurz darauf steht er neben uns und zieht uns in den Hausflur, der groß, ärmlich, aber sehr sauber ist und wo wir unsere Räder abstellen.
Tropfend geleitet er uns nach oben, wobei wir an Wohnungen vorbeikommen, die statt einer Tür nur durch Wellpappenkartons verschlossen sind oder auch durch eine Wolldecke.
Wir gelangen in eine Wohnung, die aus einer kleinen Küche und einem weiteren Raum besteht, der mit zwei Sofabetten, die tags durch eine Decke geschützt sind und einem wackeligen Tisch möbliert ist. In der Ecke trohnt ein Fernseher. Und während uns die Hausherrin schwarzen Tee serviert, der uns nach russischer Art mit Marmelade vorgesetzt wird, schauen wir eine Art “Russland sucht den Superstar” auf einem russischen Sender. Moderiert wird das Ganze von einem Künstler, der durch die Räume der Petersburger Ermemitage flaniert und das wirkt in dieser armseligen Wohnung in diesem armenischen Bergdorf mindestens ebenso exotisch wie zwei nasse deutsche Radfahrer.
Ich lobe die hervorragende Himbeermarmelade, die ein unnachahmlich fruchtiges Aroma besitzt und unsere Gastgeberin gibt zu, außerhalb des Dorfes einen kleinen Garten zu besitzen, in dem sie Obst und Gemüse zum eigenen Verbrauch anbaut.
Das Paar spricht auch miteinander russich, was die Vermutung nahe legt, dass einer oder beide dieser Volksgruppe angehören.
Um die Singerei auf dem Bildschirm ein wenig abzukürzen, merken wir an, dass wir eigentlich das benachbarte Hotel hätten aufsuchen wollen. Da zückt der Mann sein Telefon, eines jener Exemplare, die hier vor dem Aufkommen der Smartphones gefragt waren und bespricht sich mit einem unsichtbaren Gegenüber.
Kein Problem sagt er, das Hotel öffne gleich, er kenne den Wachmann.
Und als wir das Haus wieder verlassen, steht die komplette Einwohnerschaft des Hauses, die anscheinend mit der Belegschaft des benachtbarten Krankenhauses identisch ist, um uns herum, begutachtet die Räder und grüßt schüchtern.
Dann rollen wir durch die Hotelmauern und befinden uns in einer anderen Welt. Ein nagelneues Gebäude wird von einem gepflegten Garten umrahmt und der Wachmann, ein sehniger, knotiger, älterer Mann führt uns durch das eher schicke Innere und zeigt uns mehrere Zimmer, die eher Suiten gleichen. Wir sollen uns einfach eines aussuchen.
Dann hält er mir das Telefon ans Ohr und ich handele mit dem Chef des Hauses einen Preis aus - auf französisch.
Wir schlendern noch ein wenig durch den Ort, dessen Straßenränder von Schneeresten geziert werden, um noch Getränke und Brot zu kaufen. Der Dorfladen erfährt einen unerwarteten Ansturm als wir in seinem Innern weilen. Offensichtlich sind wir besser als jedes Fernsehprogramm.
Aragats-Aparan-Alagyaz-Norashen-Attik-Pemzashen-Maralik-Azatan-GyumriNach einem sehr üppigen Frühstück, es sind eigens drei Frauen angerückt, um es für uns aufzutischen, geht es zurück und ein Stück auf die Hauptstraße,die sehr wellig und kaputt gefahren, doch einigen LKW -Verkehr aufnehmen muß.
Später biegen wir auf eine kleinere Route ab, um den Aragats zur Hälfte zu umrunden.
Verkehr gibt es nun so gut wie keinen mehr, aber dafür hängt uns eine Schlechtwetterfront im Nacken, es hat merklich abgekühlt.
Rund um den Aragats liegen kleine Dörfer. Einige davon werden von kurdischer Bevölkerung bewohnt, die dem jesidischen Glauben anhängen.
In einem Ort pausieren wir zum Einkauf in einem Lebensmitteladen und verzehren Brot und Getränke auf der davor stehenden Bank. Sobald wir uns dort nieder gelassen haben, kommt die Ladenbesitzerin heraus und fragt, ob sie uns nicht schnell einen Kaffee kochen solle.
Wir haben zwar große Lust auf Kaffee, würden den aber in Hinblick auf das Wetter gerne in geschlossenen Räumlichkeiten zu uns nehmen.
Und weil wir hoffen in den nächsten Orten derartiges zu finden, brechen wir auf.
Wir finden nichts, außer viel Landschaft mit verstreuten Häusern
und Ortsmitten, die aussehen als hätte irgendeine Katastrophe stattgefunden. Es gibt abgewrackte Fabriken, brüchige Häuser und bröselige Wegsteine und alte, knochige Männer mit grauen Schirmmützen und alte Frauen in schwarzen Gewändern, die trotz Kälte und Nässe in erstaunlich gut erhaltenen Parkanlagen sitzen, als warteten sie auf bessere Zeiten.
Diese kleinen Parks bilden überhaupt meistens das gar nicht mal unangenehme Zentrum fast jeden größeren Ortes.
Wir fahren also weiter und schaffen es wie ein Wunder, an der Gewitterfront vorbei zu fahren.
Dabei sehen wir interessante Vehikel
und wildromantische Frühlingswiesen. Bei soviel Schönheit vergesse ich glatt das drohende Unwetter
Wir steuern Gyumri an (ehemals Leninakan), die zweitgrößte Stadt des Landes.
Am Orteingang rückwärtsblickend taucht er erstmals aus den Wolken- der Aragats.
In Gyumri suchen wir uns eine Herberge, die am Rande der Stadt auf einem Hügel in einem kleinen Park gelegen ist und erkunden die Stadt, die an vielen Stellen in einem zerfallenen Zustand ist. Ende der 80er Jahre hat hier ein großes Erdbeben gewütet und die Folgen sind bis heute noch nicht ganz beseitigt.
Die zentrale Innenstadt hingegen, wurde ganz hübsch wieder hergerichtet, aber nur wenige Straßen abseits stehen wir bis zum Knöchel im Schlamm.
Es gefällt uns hier aber trotzdem sehr gut und wir lassen uns in einer Art Buffet eine Auswahl einheimischer Speisen schmecken. Ausnahmweise einmal erregen wir nahezu keinerlei Aufmerksamkeit, was ungemein erholsam ist.
Gyumri-Marmaschen-Ashtosk-Bavra-Zdanovakani-Gorelovka-OrlovkaJetzt sind wir schon mehrere Tage in Armenieen und haben noch keines der zahlreichen berühmten Klöster dort besucht. Das wollen wir heute ändern und wählen eines, das sich im Gegensatz zu allen anderen nicht auf einem Berg befindet, sondern in einem Flußtal. Das liegt nicht nur geschlenkert auf dem Weg, wir erhoffen uns auch eine schweißärmere Erreichbarkeit, was, wie sich später herausstellt, natürlich ein Irrtum ist.
Nach dem wir die morgendlich ausgestorbene Stadt Gyumri nach der erfolgreichen Suche nach einem Kaffee und einer Bäckerei verlassen, peilen wir auf ruhiger Route das im 10ten bzw frühen 11ten Jahrhundert erbaute Kloster Marmaschen an.
Und weil wir uns auf einer Hochebene befinden, müssen wir eine schottrige Piste in die tiefe Senke hinunter hoppeln, in der sich das Kloster befindet.
Wir begegnen kurz einem Geländefahrzeug aus Calw – Nordschwarzwälder, Ostälber und Oberschwaben trifft man tatsächlich zuverlässig an den abwegigsten Winkeln der Welt und danach sind wir alleine. Mit einer einst beeindruckend großen Klosteranlage, von der überwiegend noch Trümmer erhalten sind. Zwei intakte, restaurierte Kirchen stehen aber noch, die größere der beiden ist geschlossen.
Die kleinere ist geöffnet und gefällt durch Ihr schlichtes Interieuer.
Wir schlendern durch die Anlage, bewundern die uralte Handwerkskunst, die Kreuzen, Gebäuderesten und aufwendig behauenen Steinen anhaftet und rüsten uns für die Weiterfahrt, als ein vollbesetzter Lada anbraust.
Die Insassen des Fahrzeugs verkünden, dass sie die größere Kirche jetzt öffnen werden und ob wir hineingehen wollen.
Wir wollen und eine junge Frau, die auf einem Stein eine Decke mit allerlei Devotionalien und Souvenirs ausbreitet, erteilt uns eine persönliche Führung durch die Gemäuer, die mit jedem Stein uralte Geschichte ausdünsten.
Nachdem ich der Frau eine Kleinigkeit abgekauft habe, außer uns ist weit und breit auch kein anderer Besucher zu sehen, nötigt Sie uns in die Kirche, wo sie sich auf den Knien niederläßt, wir halten es vorsichthalber einmal genauso und anfängt mit hoher dünner Stimme ein Gebet zu singen.
Weil meine eigenen Gesangskünste auch stark verbesserungswürdig sind, weiß ich diesen beherzten Einsatz durchaus zu schätzen. Die anwesenden Männer richten derweil Bündel voller Opferkerzen für die erhofften nächsten Besucher zurecht. Mehr als etwa 10-12 Personen täglich, kämen jedoch selten an Werktagen, sagen sie.
Zum Abschied bekommen wir noch mehrere Handvoll würzig duftenden Bergthymian geschenkt, mit dem Hinweis, dass dieser einen guten und kräftigenden Tee ergäbe.
Dann machen wir uns an die schweißtreibende Auffahrt, die aufgrund des rutschigen Untergrunds ein wenig mühevolles Unterfangen ist.
Weiter geht es auf einer gut fahrbaren, staubigen Piste, die weiter auf die Hochebene führt. Der Fluß hat immer wieder enge, tiefe Furchen in die Landschaft gegraben. Diese kleinen Schluchten verschaffen uns ein ständiges auf und ab und ergeben ein Landschaftsbild, das mir gefällt, vielleicht auch deshalb, weil es mir relativ fremd ist.
Die Dörfer liegen weit verstreut und sind oft in keinem guten Zustand.
Zum Ausgleich schmücken bunte Blumenteppiche das Weideland, bevor wir uns wieder auf die Hauptstraße begeben, um nach einem kleinen Paß in Richtung georgische Grenze zu kommen.
Wir versuchen unsere letzten Dram in ein Essen anzulegen, was sich mangels Gelegenheiten als relativ schwierig gestaltet.
Wir finden aber nach einiger Zeit einen schönen Imbiß, wo wir hervorragend bewirtet werden, das frisch gezapfte Bier ist unserer Laune auch nicht abträglich und danach sind wir schon an einem spärlich besuchten Grenzübergang.
Passend zur Frequentierung hört dann auch der Asphalt wieder auf, und wir schenken einer englisch-dänischen Reiseradlerfamilie, die uns entgegen kommt, unsere letzten Dram.
Sie sind auf dem Weg in den Iran und relativ schockiert über den ärmlichen Zustand der Orte in Georgien, in das sie vor zwei Tagen aus der Türkei kommend eingereist sind.
Wir verraten Ihnen, dass das in Armenien nicht wohlabener werden wird, was sie kaum glauben wollen und machen uns an die Weiterfahrt.
Auf einer schönen Blumenwiese mit tollem Blick stellen wir am Abend unser Zelt auf
GEORGIENOrlovka-Ninotsminda-Akhalkalaki-Gado-BakurianiDer nächste Morgen führt uns weiter an der Stadt Ninotsminda vorbei zum Grenzort zur Türkei Akhalkalaki. Dort hoffen wir einen Frühstückskaffee zu ergattern, was uns nicht gelingt. Einen Fleischspieß zu bekommen wäre jedoch einfach, aber danach steht uns nicht der Sinn, auch ist uns der Ort, der durch eine Burganlage gekrönt wird, nicht so richtig sympathisch.
Bei der Aussfahrt entdecken wir eine Tankstelle an der drei deplaziert wirkende junge Leute in hipper partygerechter Städterkleidung sitzen und einen Kaffee trinken.
Bevor ich fragen kann, wo sie den Kaffee her haben, stürzt eine der Frauen auf mich zu und fragt ob ich englisch spreche und ob wir eine Karte der Gegend haben.
Wir breiten unsere Karte aus und sie fotografiert das Ganze von allen Seiten mit ihrem I-Phone, während die anderen beiden die Karte beäugen und uns fragen, wie sie am besten nach Tiflis kommen. Sie sind ganz erstaunt, wie weit das noch weg ist und noch erstaunter, dass eine Verständigung auf Englisch hier sehr schwierig ist, weil man allgemein auf russich angesprochen wird.
Die drei kommen aus Teheran, wo man offensichtlich keine Landkarten der Nachbarländer erwerben kann und wollen fernab von religiösen Zwängen ein paar nette Tage verbringen.
Wir wünschen gute Weiterfahrt, der Tankwart hat derweil seinen Kaffeeausschank geschlossen und rückt auch keinen mehr heraus und wir machen uns ohne den wohltuenden Trank an die Weiterfahrt. Immerhin steht heute noch ein Pass an.
Und bevor dieser beginnt endet der Asphalt, deshalb verwundert es wenig, dass der Verkehr sehr überschaubar ist. Genau genommen besteht er im Augenblick nur aus uns beiden und wir beginnen die aussichtsreiche aber auch holprige Auffahrt
Weiter oben sind viele Kuhherden unterwegs und einer der Hirten will von mir wissen, wie es mir hier gefällt. Ich lasse den Blick über Berge, Schneereste und Blumenwiesen schweifen und antworte es gefiele mir hier gut, es ist wunderschön - krassivi. Er strahlt und winkt, ich winke zurück.
Zwei Steinbrucharbeiter halten Ihren Transporter neben mir an und reichen mir einen Stein aus dem Fenster. Was soll ich mit dem Stein denke ich, aber nein, es ist ein Pilz ! Ein riesengroßes Prachtexemplar, dass ich oben auf meinen Taschen festschnalle.
Oben am Pass befindet sich dann ein Polizeiposten, der jeden anhält und während unsere Personalien genauestens geprüft werden, bewundere ich in Gesellschaft zweier schwer bewaffneter Polizisten die Aussicht.
Die Abfahrt fällt mir schwerer als das Auffahren, ich konnte das auf Schotter noch nie besonders gut,zumal mein Pilz mindestens zweimal vor dem Sturz in den Abgrund gerettet werden muß und ich tröste mich mit den blühenden Rhodendronbüschen am Straßenrand,die ganze Hänge einnehmen.
während im Gebirge bereits wieder ein Gewitter heranzieht.
In Bakuriani, einem kleinen Skiort, sind wir dann am Nachmittag. Hier können wir endlich unseren Frühstückskaffee trinken und eine warme Mahlzeit gönnen wir uns noch dazu, während das Gewitter an uns vorbeizieht.
Außer ein paar russischen Touristen, die durch die Straßen flanieren ist hier nicht viel los und wir machen uns an die Weitererfahrt in Richtung des Kurorts Borjomi.
Vorher biegen wir einen Feldweg ab, der uns vermeintlich zu einer Quelle weist.
Nach einigen steilen Holper- und Schiebeeinlagen kommen wir an einen Bach, neben dem ein kleines flaches Wiesenstück dazu einlädt das Zelt aufzustellen. Eine Quelle finden wir nicht.
Einen Wasserfall gibt es aber und unser Versuch den Pilz zum Abendmahl zu grillen muss leider aus Mangel an trockenem Holz abgebrochen werden.
Borjomi-Akhalkalaki-Abastumani-Sairme-Bagdhati-KutaisiAm nächsten Morgen kämpfen wir uns gut ausgeruht den Abhang vom Bach zur Straße hoch und machen uns auf den Weg nach Borjomi.
Die ersten Kurorte zweigen rechts und links der Straße ab, wir passieren die ersten Quellanlagen in einem kleinen Park, wo wir durstig unsere Flaschen auffüllen.
Bevor wir uns nach Borjomi begeben, wo wir uns auf der fürstlichen Promenade im Kurpark ein Frühstück genehmigen und das Treiben beobachten.
Borjomi ist bereits seit der Zarenzeit ein bekannter Kurort, sein verblichener Charme erinnert ein wenig an Baden-Baden, allerdings ist die flanierende Besucherschar hier auch gelegentlich jünger.
Nachdem ich eine Kostprobe des berühmten Heilwassers genommen habe, bin ich angenehm überrascht. Da ich bereits einmal nach dem Testen eines in Rußland beliebten Heilwassers das Gefühl hatte das tote Meer zu verschlucken und nur mit Mühe einen Würgereiz abwenden konnte, erwartete ich einen ähnlichen Geschmack.
Diesmal ist der Salzgehalt zwar vorhanden, aber nicht ganz so dominat. Genaugenommen finde ich ihn perfekt für schweißtreibende Bergfahrten und stärke mich fortan gerne mit einem Schluck.
Der weitere Verlauf der Straße ist wenig aufregend und eher verkehrsreich. Und in etwa so beliebt bei Reiseradlern wie der Donauradweg. In kurzen Abständen treffen wir mehrere Reiseradler- aus Deutschland, England, Spanien und den Niederlanden. Sogar ein Mitglied dieses Forums ist dabei. Ausnahmslos alle kommen vom Schwarzen Meer und wollen weiter nach Tiflis. Etliche mit dem Ziel Pamir Highway.
Mit einem Niederländer, der als einziger in die gleiche Richtung fährt wie wir auch, fahren wir einige Kilometer gemeinsam. Sein geruhsames Tempo ist uns heute gerade recht, der gestrige Tag war doch anstrengend und heute schlaucht die vorgewittrige Schwüle, die sich im weiteren Tagesverlauf in einem Gewitter entlädt, das wir im Kaffee eines Supermarktes aussitzen.
Von dem Niederländer trennen wir uns in Akhalkalaki, wo er der Straße in Richtung Westen zum Goerdzi Paß und Schwarzen Meer weiter folgt, während wir in ein Flußtal abbiegen, das über einen weiteren Paß zu dem Heilwasserort Sairme führt.
Wir kommen in ein schönes, enges, felsiges Flußtal und durch eher unscheinbare Kurorte, bei denen einzig einige Schilder darauf hinweisen, dass es sich um touristische Einrichtungen handeln könnte. Alles ist eher ruhig und beschaulich und die Straße geht in einen
Lehmbelag über, der aufgrund der Regengüsse von kleinen schlammigen Tümpeln geziert wird.
Hier überholt uns ein Auto, bleibt neben uns stehen und der Fahrer will wissen wo wir her kommen.
Die weitere Konversation erfolgt dann auf Deutsch. Wir werden davor gewarnt heute noch auf den Pass zu fahren um dort zu zelten, da hätte es Wölfe. Aber es gäbe in einigen Kilometern eine Forellenfarm, die ihm gehöre, da könnten wir etwas essen und auch übernachten, wenn wir das wollen.
Das hört sich doch ganz gut an, finden wir und steuern die Fischzucht an.
Dort angekommen, es ist Wochende , steht bereits eine Marschrutka (Minibus) aus Tiflis, die Grille glimmen, das Bier schäumt und man kann an netten Pavillions an einem kleinen See Speisen und Getränke genießen. Ganz Vorwitzige lassen sich auf den See hinausrudern um dort zu speisen
Während wir unsere gegrillte Forelle genießen, kommt der Herr von vorhin an unseren Tisch und wir plaudern ein wenig.
Er wohnt und arbeitet in Bremen, im Urlaub aber kommt er hierher und arbeitet am Ausbau seiner touristischen Anlagen.
Zusätzlich zum Restaurantbetrieb baut er auf der gegenüberliegenden Straßenseite auch noch ein Hotel. Es wäre noch nicht ganz fertig, aber einige Zimmer seien bereits sauber ausgefegt, in denen könnten wir übernachten, falls es uns in der Fischzucht zu viel Betrieb sei.
Das Angebot nehmen wir gerne an und die Hunde des Hofes belagern unsere Fahrräder, die wir im Erdgeschoß des Hotels abgestellt haben und verjagen jeden Eindringling, der sich auch nur in Sichtweite blicken lässt.
Tags darauf, die Wachhunde haben uns anstandslos passieren lassen, erklimmen wir ausgeruht den Pass. Die Straßenverhältnisse sind eher ruhig, nur gelegentlich müssen wir uns die Straße mit vierbeinigen Verkehrsteilnehmern teilen
hin uns wieder sieht man auch Almen
oder die mit Plane abgedeckten, zeltähnlichen Unterkünfte der Hirten.
Wir genießen die schöne Wegführung durch eine wirklich ansprechende Landschaft.
An einem Straßenabzweig wäre es sogar zu einem Zeltplatz gegangen. Wir haben jedoch keinen Bedarf, der Tag ist noch jung und das Wetter sieht so aus, als bliebe es nicht ewig friedlich.
Aber sicherlich sind die saftigen Wiesen auch nicht auf eine langalthaltende Dürre zurückzuführen.
Wir setzen uns in die Blumenpracht und genießen
den Ausblick bei einem altbackenenm Käsebrot aus unserem Proviant, das wir mit frischen Tomaten aufgebessert haben.
Bei der Abfahrt treffen wir zwei polnische Radfahrer, die sich gerade den Berg hoch quälen und nachdem wir uns nach kurzem Plausch verabschiedet haben, kommt das erwartetete Gewitter, das wir mit Hilfe unserer Zeltunterlegplane, die wir zum Schutz über uns halten unter einem Felsüberhang stehend versuchen trocken zu überstehen. Das Gewitter dauert länger als erwartet und während mein planenhaltender Arm von Krämpfen geplagt wird, bahnt sich ein nasses Rinnsal in meinem Rücken den Weg über mein Bein zu den Socken, wo es ein wenig verweilt um den Stoff vollzusaugen, weiter zu den Schuhen.
Wir sind heilfroh als es nur noch leise tröpfelt.
Die weitere Abfahrt wird sehr rutschig und als Micha am Ortseingang von Sairme, wo wieder Asphalt einsetzt, an einer Kirche auf mich wartet, hat sich breits ein Mönch zu uns gesellt, der uns zu einem hochgeistigen Umtrunk, der hier Tschatscha genannt wird, einladen möchte.
Weil wir noch nicht einmal ordentlich gefrühstückt haben, lehnen wir ab und besuchen das nächste Kaffee, wo wir uns ein ausgedehntes Mal gönnen, während wir unseren Blick durch Sairme schweifen lassen.
Dieser Kurort ist sehr gediegen und wirkt sehr modern und westlich, ganz anders als die Orte die wir bislang zu Gesicht bekommen haben.
Im Kurpark kann man in verschiedenen Pavillions die unterschiedlichen Heilquellen verkosten.
Dann machen wir uns an die Weiterfahrt in Richtung Tiefland. Die fruchtbare, grüne Ebene erreichen wir bei Bagdhati. Hier ist es trockener als im Gebirge und gut 15 Grad wärmer. In den Gärten wachsen Feigen, Trauben und Granatäpfel in verschwenderischer Fülle.
Nach etlichen flachen, flotten Kilometern erreichen wir die Stadt Kutaisi, wo wir in den Aussenbezirken ein Hotel beziehen. Abends schlendern wir noch durch die umliegenden Straßen.
Kutaisi-Tsaltubo-Tsageri-LenthekiNachdem wir in einer Bäckerei unter der Begleitung der neugierigen Blicke einer georgischen Familie ausgiebig gefrühstückt haben, machen wir uns auf kleinen Straßen auf den Weg aus der Stadt.
Zunächst einmal bleibt es eben und wir erreichen den bei Stalin beliebten Kurort Tskaltubo, der seit dem Zerfall des Sowjetunion und dem Abchasienkrieg jedoch an Popularität verloren hat.
Mittlerweile wurden Teile der Kuranlagen aber wieder hergerichtet und erstrahlen in alter Pracht.
Weil es heute recht schwül ist, steuere ich eine Heilquelle an, bei der gerade eine Gruppe eleganter Damen mitlleren Alters dabei ist sich in Selfie-Pose zu schmeißen und fülle eine meiner Trinkflaschen. Als ich gerade zu einem herzhaften Schluck ansetzen will, fällt mir eine der Frauen in den Arm. Das Wasser enthielte Radium, warnt sie, ich dürfte es nur in geringen Mengen konsumieren.
Wir kaufen also im nächsten Laden eine Flasche “Borjomi” sowie eine Birnenlimonade - sicher ist sicher.
Danach wird unsere Route hügeliger. Auch wenn wir nun nicht sehr hoch gelangen, geht es ständig auf und ab, was bei der drückenden Schwüle doch anstrengender ist, als man meinen könnte.
Dann hören wir das vertraute Surren von Rennrädern. Daraufhin rauscht bergauf eine Gruppe Rennradler an uns vorbei wie eine Fata Morgana. Auf dem Begleitfahrzeug steht “Tour de Georgia” und einer der Fahrer, auf dessen Rücken der Schriftzug “Ukraina” prangt, winkt uns zu - dann sind sie an uns vorbei geschossen.
Ob das eine Touristenaussfahrt, ein Rennen oder ein Training war, konnten wir beim besten Willen nicht erkennen. Aber es waren ganz sicher die einzigen Rennradler, die uns auf der ganzen Tour begegnet sind.
Dann verlassen wir das Hügelland mit einer rasanten Abfahrt um uns in das enge Flußtal zu begeben, dass uns nach Lentheki und damit nach Swanetien und in den hohen Kaukasus bringen soll.
Die Straße ist angenehm aspahltiert und sehr wenig befahren und führt in eine enge Schlucht mitten in die Eingeweide der Berglandschaft hinein. Vor allem Kuhherden belagern die Fahrbahn, mit und ohne menschliche Begleitung. Statt des erwarteten Anstiegs führt der Straßenverlauf ständig auf und ab und so sind wir schon nicht mehr ganz frisch, als sich ein Jungstier aus einer auf der Straße verweilenden Rindergruppe löst und in einen wütenden Gallopp verfällt um Michas Verfolgung aufzunehmen.
Ich fahre hinterher und betrachte das Rennen, das sich die beiden liefern. Micha gewinnt. Nach etwa fünf Kilometern wird das Tier von Durchfall geplagt und dreht dann bei der nächsten Gelegenheit auf eine Wiese ab, als das Tal sich öffnet.
In Lentheki steuern wir eine Unterkunft am Straßenrand an, in der zwei ältere in mehrere Lagen Tücher gehüllte Frauen wie Matriarchinnen in der Küche vor einem großen Ofen residieren. Zur Vereinfachung der Kommunikation holen die beiden eine Dame meines Alters, die russisch spricht.
Wir werden mit den unvermeidlichen gefüllten Käsebroten und einem kühlen Bier bewirtet und erhalten ein schönes Zimmer mit Blick in die Schlucht.
Die örtlichen swanetischen Wehrtürme aus dem Mittelalter, die am Ortseingang zu sehen sind, beherbergen ein Museum.
Bevor wir unsere Reise durch Swanetien fortsetzen, möchte ich noch ein paar Worte zu den gefüllten Käsebroten, hier Chatapouri genannt, verlieren.
Diese Brote sind mit Käse gefüllt und überbacken und dienen als Grundnahrungsmittel. Es gibt sie fast überall zu kaufen, sie sind sättigend, schmackhaft und preisgünstig. Nach mehreren Tagen der Chatpouriernährung jedoch, stellt sich ein gewisses klebriges Gefühl im Magen ein, ganz so als würde man über einen längeren Zeitraum jeden Tag ein Käsefondue zu sich nehmen. Spätestens dann ist ein Wechsel in der Ernährung angezeigt, etwa indem man auf die mit Linsen oder Fleisch gefüllten Fladenbrote umschwenkt. Wohl bekomms.
Lentheki-Ushguli-Mestia-ZugdidiNach dem morgendlichen Verzehr eines Chatapouri zum Kaffee brechen wir auf. Weil das Leben in Georgien selten vor 9 Uhr beginnt, haben die meisten Läden noch geschlossen, auch Bäckereien, die man meist am Geruch und an dem offenen Fenster erkennt, durch das das Brot hindurch gereicht wird, sind noch nicht aktiv.
Ein einsamer Laden hat auf, aber dort gibt es nicht viel- wir erwerben Limonade, eine Gurke sowie eine Packung russischer Kekswaffeln und hoffen, dass uns das reichen möge bis Ushguli, das wir am Abend zu erreichen gedenken.
Am Laden gesellt sich bereits ein Hund zu unseren Rädern und trotz diverser abschreckender Maßnahmen, haben wir, ob wir wollen oder nicht, ab sofort einen Begleithund.
Die Straße führt weiterhin auf und ab und verliert nach einigen Kilometern Ihren Belag, der irgendwann wieder, einsetzt, aufhört, wieder kommt und dann ganz verschwindet.
Die Regenfälle der letzten Tage sind deutlich zu merken, stellenweise müssen wir uns durch tiefe Schlammtümpel kämpfen, während unser Begleithund tapfer alle dörflichen Hundeattacken abwehrt. Zwischendrin gibt es aber auch gut fahrbare Streckenabschnitte
Im weiteren Wegeverlauf nimmt jedoch der Schlammfaktor zu und wir verlieren mehr Zeit, als wir das gedacht hätten.
In kurzen Pausen vespern wir unsere nun rigoros rationierten Kekse – da kann der Hund noch so niedlich gucken – es gibt für Ihn nur Krümel und damit basta. Die Gurke ist auch nur noch zur Hälfte vorhanden und die Limonade geht auch langsam zu Neige, was bei dem Geschmack aber auch nicht schade nicht.
Dann, wir queren gerade den ersten von mehreren Gebirgsbächen, die über unseren Weg mäandern, treffen wir eine Gruppe Mountainbiker, die, wir sind ganz offensichtlich nicht cool genug um sich mit uns zu unterhalten, aus Tschechien stammen. Es folgt ein japanischer Motoradfahrer sowie ein Pärchen aus Italien, das ebenfalls mit dem Reiserad unterwegs ist.
Sie verrraten uns, dass die Strecke nicht besser wird und dass es unwahrscheinlich ist, dass wir es noch bis Ushguli schaffen werden.
Danach eiert uns noch eine Gruppe Briten mit Randonneuren entgegen, die nicht sehr glücklich aussehen und kurz darauf treffen wir eine Gruppe Reiseradler aus Polen, die gerade pausieren.
Das geht hier wirklich zu wie in der Rush-Hour, offensichtlich stehen Fahrradspiele im Schlamm hoch im Kurs – und wir sind mittendrin. Das ist ganz erstaunlich, vor allem, wenn man bedenkt, dass wir noch auf keiner unserer Reisen derart viele Reiseradler getroffen haben.
Die Polen bezweifeln ebenfalls, dass wir es noch bis Ushguli schaffen, erzählen uns aber, dass vor dem Pass noch ein Dorf käme, in dem ein Imbiß existiere.
Das bestätigt dann noch ein Insasse eines Landrovers mit Berliner Kennzeichen, der zwei weiteren tschechischen Radfahrern folgt und der uns freundlicherweise eine Flasche Mineralwasser überläßt.
Danach geht es endlich kräftiger bergauf und der Straßenbelag wird steiniger, was einmal eine echte Abwechslung zum Schlamm darstellt.
Dann sehen wir erwähntes Dorf, ein verschneites Bergpanorama im Rücken, vor uns liegen. Unter einem mit Wimpeln verzierten Unterstand, der neben einer Bretterbude, deren Schild “Fast-Food” verkündet, steht ein Radfahrer und winkt. Und als Micha den Unterstand erreicht hat, ich bin noch ein wenig entfernt, fängt es an zu schütten.
Ich hechte zu dem Unterstand, ein vierschrötiger Mann kommt aus dem Holzhäusle und fragt (auf russich, englisch spricht er Fast-Food-Schild hin oder her nämlich keines) ob wir Bier, Salat, Käse, Tee oder Brot haben wollen.
Alles - sagen wir und lassen uns neben dem anderen Radfahrer nieder, der sich als Marek aus Krakau vorstellt.
Als das Brot auf den Tisch kommt, hat der Hund sich dieses schneller geschnappt, als man einen Stein werfen kann. Und während das Vieh genüßlich unterm Tisch kaut, erfahren wir, dass das auch das letzte Brot gewesen sei, was für wahre Begeisterungsausbrüche sorgt, die der Hund, blöd ist er ja nicht, in geraumen Sicherheitsabstand abwartet.
Eine Stunde später, es geht auf den späten Nachmittag zu, Salat und Käse sind längst vertilgt, hat es sich eingeregnet. Vom Ushba Gletscher, den man gerade noch gesehen hat, ist nichts mehr zu erkennen und wir bezweifeln nun auch, dass wir heute noch nach Ushguli kommen.
Um uns über das Wetter hinweg zu trösten, öffnet unser swanetischer Gastgeber eine Flasche Tschatscha und nachdem wir die zur Hälfte geleert haben ist es auch gar nicht mehr so furchtbar kalt und nass.
Wir sitzen also da und plaudern, während um uns herum der Himmel herab kommt. Zunächst einmal tauschen wir die üblichen Informationen nach Name, Beruf, Familie.
Und während der Tschascha zusehens leerer wird, geht es einmal wieder um Politik.
Unser Gastgeber wedelt mit seinem Arm in Richtung Berg Ushba- “dahinter beginnt Russland” sagt er und was er von den Russen hält, schiebt er gleich hinterher – es ist nicht besonders freundlich. Aber – er wendet sich Micha und mir zu, wir Deutschen wären ja ohnehin Vasallen der Amerikaner und, er verzieht die Lippen, die Franzosen und die ganze EU gleich mit dazu. Und besser als die Russen wären die keinesfalls.
Unser polnischer Radkollege versucht die positiven Aspekte der europäischen Union herauszustellen, Nationalismus sagt er, wäre kein Programm für die Zukunft.
Dann fängt es an zu gewittern und der Regen nimmt an Intensivität zu.
“Ihr könnt hier zelten”, sagt der Standbetreiber. “Oder Ihr schlaft hier unter dem Unterstand. Oder aber, Ihr kommt einfach mit zu mir nach Hause”.
Letztere Option erscheint uns die beste. Während unsere Gastgeber noch am Stand verweilt um auf irgendwelche Freunde aus Ushguli zu warten, brechen wir auf ins Dorf.
Wir finden trotz fehlener Hausnummern sogar das passende Haus, eine Miniaturausgabe des Unterstands befindet sich nämlich im Garten und während unser Hund ein angepflocktes Kälbchen ärgert, was Micha sofort unterbindet, lassen wir uns dort nieder und warten.
Nach einiger Zeit ist der Swane immer noch nicht aufgetaucht und gerade als wir dabei sind, die Zelte aufzuschlagen öffnet er seine Haustür.
Im Innern ist es eher karg. Drei eiserne Bettgestelle stehen auf einem Holzboden und an den Wändern hängen alte, verblichene Fotografien. Eine davon zeigt einen Onkel, der als Weltklasseringer vor über 50 Jahren sogar schon einmal in Deutschland war, wie unser Gastgeber stolz erzählt.
Dann sitzen wir um den Küchenofen, der schon mehrfach gesprungen ist, wärmen uns am Feuer und nagen an den eingelegten Pestwurzstengeln, die hier auf den Tisch kommen. Marek zaubert eine weitere Flasche Tschaschtscha hervor und ein weiterer wortkarger Mann in Militärkleidung kommt herein, stellt sich kurz vor und setzt sich auf einen Tee zu uns. Wir werfen unsere verbliebenen russischen Kekse ins Rennen.
Sie Swanen seien ein eigenes Volk, stellt unser Gastgeber heraus, und eine eigene Kultur und Sprache hätten sie auch. Das wissen wir schon und nicken. Irgendwie kommt dann die Sprache auf Sakaschwili, dem die einheimischen Herren wenigstens die Pest an den Hals wünschen und dann sind wir bei Stalin angelangt.
Toll wäre das unter Stalin nicht gewesen, aber immerhin- und das hören wir noch häufiger, wäre er ja Georgier. Aha.
Danach herrscht erst einmal Schweigen und wir hören nur die Flammen knistern und den Regen, der unermüdlich vom Himmel herunter rauscht.
Bevor wir uns dann in die Zelte verkriechen muss ich im Dunkeln noch einmal das Toilettenhäusle aufsuchen. Und weil unser Gastgeber mit seiner Taschenlampe nur dezent in die ungefähre Richtung leuchtet, lande ich im Misthaufen, wo sofort Myriaden von Stechmücken über mich herfallen.
Da ist es gar nicht schlecht, dass ich schon ausreichend Alkohol konsumiert habe, um mich nicht großartig über mein Missgeschick aufzuregen.
Am nächsten Morgen hat es sich vorläufig ausgeregnet. Wir kochen uns, Marek hat in Kutaisi am Flughafen an einem Gasprom-Stand nämlich eine Gaskartusche ergattern können, einen Kaffee, teilen uns die verbliebenen 4 Kekse und dann geht es los. Marek wendet sich Richtung Lentheki, Micha, der Hund und ich nehmen den Pass in Angriff, unser Gastgeber fummelt an seinem Auto herum, dessen Batterie den Dienst quittiert hat.
Durch eine wunderschöne Berglandschaft geht es, nachdem wir einige verfallene Häsuer passiert haben, die zur Zeit der Sowjetunion einen Betrieb zur zahnmedizinischen Technik begerbergt haben, wie wir gestern Abend erfahren haben, kräftiger aufwärts. Mal kann man fahren
mal ist es besser zu schieben
Ein einsamer Geländewagen kommt uns entgegen, ansonsten sehen wir keinen Menschen.
Kurz vorm Pass gelangt man in ein schönes, von höheren Bergen umgebenes Hochtal
und danch geht es dann bergab, nach Ushguli, während es in den höheren Lagen bereits wieder zuzieht.
In Ushguli, wir sind dort am späten Vormittag, es geht schon langsam auf den Mittag zu, gibt es dann plötzlich zahlreiche Gastronomiebetriebe. Im örtlichen Laden gäbe es sogar Gaskartuschen.
In einem Restaurant lassen wir uns nieder, neben uns am Tisch sitzt ein Pärchen aus Lüneburg und füllen zunächst einmal ganz in Ruhe unser Loch im Bauch. Der Hund bewacht derweil mit Argusaugen unsere Fahrräder, während eine Marschrutka voller Engländer anbraust, die ausgiebig die pittoresken Wehrtürme am Ortsrand fotografiert.
Wir verquatschen uns mit unseren Tischnachbarn, die mit einem einheimischen Führer unterwegs sind und über die abenteuerlichen Straßenverhältnisse stöhnen, was uns jedoch nicht großartig zu beeindrucken vermag und es ist schon weit nach Mittag, als wir endlich in Richtung Mestia aufbrechen.
Unser Hund hat sich nun entschieden, dass wir keine weitere Begleitung mehr nötig hätten und macht sich auf den Weg retour. Mehrfach drehe ich mich um und schaue, ob nicht doch ein schwarzes Fellknäuel angehechtet kommt und mir vors Vorderrad springt. Er taucht nicht auf und das macht mich tatsächlich ein wenig traurig.
Im weiteren Straßenverlauf kommen wir an mehreren mittelalterlichen Dorfanlagen vorbei,
zahlreiche Touristen werden mit Marschrutki und Geländewagen hierher gebracht, um das Bergpanorama zu bewundern. Auch etliche Wanderer sind unterwegs und eine Gruppe Chinesinnen posiert mit aufgespannten Schirmen bewaffnet vor dem Fluß.
Der Hund hätte seine wahre Freude an Ihnen gehabt und sich von jeder einzeln kraulen lassen, da bin ich sicher.
Der weitere Weg ist nach wie vor sehr schlammig und geht weiterhin auf und ab, wenn auch die matschige Straßenqualität des Vortags nicht ganz erreicht wird. Mittlerweile klebt der Schlamm ohnehin überall: Zwischen den Ritzeln, in der Kette, in den Haaren, es knirscht zwischen den Zähnen.
Micha kann bereits nur noch eingeschränkt schalten, was sich bei dem ein oder anderen Anstieg als nachteilig erweist.
Hübsch ist es aber dennoch.
Straßenbefestigungsarbeiten sind in vollem Gang. Und weil zu diesem Zweck die Straße erst einmal kräftig gewässert wird, klebt der Matsch bald auch an meinen Brillengläsern.
Dann kommt jedoch Asphalt und noch ein Pass und- wie sollte es anders sein- ein Gewitter.
Oben am Pass existiert ein Unterstand neben einem Heiligen, der ausnahmsweise einmal nicht von Kühen als Abort verwendet wurde. Hier wollen wir das Unwetter abwarten. Und weil es sich nach einer halben Stunde erst so richtig eingeregnet hat und auch noch empfindlich kalt wird, machen wir uns an die sehr ungemütliche Abfahrt.
Tropfnass fahren wir später in Mestia ein und weil ich bei einer Bachdurchfahrt, Brücken sind hier teils scheints schwer geächtet, ausgerutscht bin, sind auch meine Schuhe nass wie ein Schwamm. Das Schmelzwasser aus den Bergen ist in der Tat ganz schön kalt.
Wir nehmen das erste Gästehaus am Wegesrand und ich verlasse erst die heiße Dusche, als ich aufgehört habe zu zittern. Das ist vielleicht dekadent aber auch unglaublich wohltuend.
In Mestia herrscht am nächsten Tag bestes Wetter. Wir verlassen diesen Ort, der alle Annehmlichkeiten touristischer Infrastruktur bietet, aber auch entsprechend besucht ist, gut ausgeruht.
Ab hier ist nun unser weiterer Weg komplett befestigt und obwohl es weiterhin auf und ab geht, leicht zu fahren. Nur der sehr starke Gegenwind, der uns dazu zwingt selbst bergab kräftig in die Pedale zu treten, stört ein wenig.
Die Landschaft bleibt weiterhin ansprechend
Im Tagesverlauf begegnen wir einem jungen, radelnden Franzosen, der uns entgegenächzt. Ob es noch weit ist, möchte er wissen und ob wir in Ushguli gewesen seien.
Wir bereiten ihn ein wenig darauf vor, was ihn noch erwartet und er zieht in Erwägung die Hilfe einer Marschrutka beim weiteren Fortkommen in Anspruch zu nehmen. Ich selbst hätte es schade gefunden die Strecke nicht komplett mit dem Rad zu fahren, Matsch hin oder her, der gehört nun einmal dazu, finde ich. Und die Landschaft ist wirklich fantastisch. Aber das soll jeder für sich selbst entscheiden.
Gegen späten Nachmittag, wir sind zwischendrin kurz in einem Lokal eingekehrt, bezieht sich der Himmel erneut.
Wir machen uns langsam auch Gedanken darüber, wo wir in der Nacht bleiben wollen. Wie weit es noch bis Zugdidi ist, können wir überhaupt nicht abschätzen, weil der Wind das Fortkommen doch recht zähflüssig gestaltet.
Rechts und links der Straße haben Imker Ihre Stände aufgestellt, falls es regnet, können wir uns bei Ihnen unterstellen, denken wir noch, bevor es anfängt zu tröpfeln.
Wir finden ein leerstehendes Steinhäusle und stellen uns dort unter. Ein Imker gesellt sich zu uns, als der Regen kräftiger wird.
Er findet es gut, dass wir mit dem Rad hier unterwegs sind und der teilt uns mit, dass wir problemlos in der Hütte übernachten könnten. Die stände leer, nachdem die ein anderer Imker aufgegeben hätte und sie gehöre der Gemeinde. Jeder könne sie benutzen.
Das tun wir dann auch und bevor die Dämmerung hereinbricht, betrachte ich meine zerstochenen Beine, die fast aussehen, als wäre ich an den Pocken erkrankt
Am nächsten Morgen strahlt wieder die Sonne, im Norden hinter den Bergen liegt übrigens nun nicht mehr Russland, sondern die abtrünnige Republik Abchasien
Bis in die Ebene ist es gar nicht mehr weit, hier schlägt uns heiße luft entgegen, was wir zur Abwechslung als sehr wohltuend empfinden. Nachdem wir ausgiebig in einer entsprechenden Lokalität gefrühstückt haben, fahren wir noch am Vormittag in Zugdidi ein.
Zugdidi ist schon deshalb eine Pflichtstation, weil, wie uns ein Familienmitglied vorab mitteilte, es zumindest in Moskau das Synonym für das Ende der Welt ist. Und da wollten wir doch schon immer einmal hin.
Zugdidi ist ein ausgesprochen lebendiger und angenehmer Ort. Wir begeben uns zunächst zum Bahnhof, um eine Bus- oder Zugfahrt in Richtung Tiflis zu ergattern. Wir haben nun schon mehrfach erfahren, dass die Strecke von hier Richtung Osten stark befahren und unerfreulich sei.
Wir haben uns also entschlossen von Tiflis lieber noch einen Abstecher in Richtung Osten zu machen.
Wir erwerben Fahrkarten für den Nachtzug und treiben uns den Rest des Tages an verschiedenen Lokalitäten in der Stadt herum, plaudern mit einer Wirtin, gehen Essen und stossen mit einer alten Frau, die Bananen in einem Pappkarton verkauft hat, mit einem Bier an.
Auch die örtlichen Parkanlagen besuchen wir, bevor wir uns abends zum Zug begeben.
HIER GEHTS WEITER ZUM ENDETiflis-Rustawi-David Gareja-Udabno-Sagarejo-Ujarma-Bochorma-Magraketi-TiflisDie Zugfahrt verläuft problemlos. Der Schaffner, jeder Wagen hat einen eigenen, hat unsere Fahrräder einfach hochkant vor einer Tür verstaut. Das kostet wenige Lari extra und eine Quittung gibt es dazu auch.
Früh am Morgen sind wir in Tiflis, das wir, um die Uhrzeit sind die Straßen wie ausgestorben, in Richtung Osten schnell und sehr angenehm durchqueren.
In Swanetien haben wir ein italienisches Pärchen getroffen, die uns einen Besuch des Klosters David Gareja weit im Osten Georgiens, wärmstens ans Herz gelegt haben. Da wollen wir nun hin.
Dass es dort heiß und trocken sein soll, finden wir extrem verlockend. Von Nässe, Kälte und Schlamm haben wir nämlich ersteinmal genug.
Rustawi erreichen wir auf verkehrsarmer Route noch am Vormittag. Die Stadt ist von Ölraffinerien und rostigen Industrieanlagen umgeben, was zunächst keinen sehr einladenden Eindruck macht. Umso erstaunlicher ist die recht schicke Innnenstadt, die etliche hübsche gepflegte Häuser und Plätze vorzuweisen hat, wir genehmigen uns hier eine ausgiebige Pause in einem Kaffee.
Dann geht es auf ebener Strecke weiter, bevor wir einen holprigen Abzweig nehmen, von dem wir hoffen, dass er uns zum Kloster führen könnte. Als wir gerade dabei sind eine sandige Piste bergauf in Angriff zu nehmen, kommt uns ein polnisches Reiseradlerpaar entgegen. Die beiden bestätigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind, weisen aber bereits darauf hin, dass die Strecke nicht einfach werden wird.
Nach der Schlammschlacht der letzten Tage denken wir ziemlich überheblich, dass das so wild nicht sein könne.
Während also die Sonne zur Abwechslung einmal ziemlich heiß vom Himmel brennt, mühen wir uns durch den Sand bergauf. Der Weg verzweigt, wird mieser, steiler und wir vermuten nur, welche der Reifenspuren diejenigen sein könnten, denen wir folgen sollten. Gelegentlich treffen wir den ein oder anderen Soldaten, die hier Grenzssicherung betreiben.
Die Landschaft hat beinahe etwas wüstenähnliches und unterscheidet sich sehr stark von der, die wir bisher durchquert haben. Und auf der Strasse ist , auch das ist vollkommen anders als in anderen Landesteilen, nicht eine einzige Kuh zu sehen. Andere Tiere gibt es hingegen schon.
Nach einigen schweißtreibenden Stunden erreichen wir endlich nahezu ausgedörrt das Kloster, wo einige Marschrutki und Geländefahrzeuge Besucher ausspucken, von denen die Mehrzahl russich spricht.
Im Klosterladen erwerben wir zwei Flaschen eisgekühltes Wasser, ansonsten gibt es dort lediglich Postkarten, Devotionalien und religiöse Traktate und machen uns, die Räder haben wir auf dem Parkplatz abgestellt, an den Aufstieg zum Kloster.
Die Klosteranlage, die bereits im sechsten Jahrhundert enstanden ist, ist beeindruckend in den Fels gehauen worden und in den höhlenartigen Kammern sind auch heute noch die Zellen der dort wohndenden Mönche untergebracht.
Die ganze Anlage ähnelt einer Burgfestung. Das ist auch kein Wunder. Wenige Meter weiter, hinter einer kleinen auf einem Berg trohnenden Kapelle stehen Soldaten und bewachen die Grenze, dahinter beginnt bereits Aserbaidjan und damit die muslimische Welt.
Wir sind hinreichend beeindruckt und eine tolle Aussicht über die Landschaft der Umgebung hat man vom Kloster aus auch.
Nach der Besichtigung begeben wir uns wieder auf die Piste. Der Abzweig in den Ort Udabno verspricht jedoch bessere Wegequalität, da ist es kein Wunder, dass sämtliche Fahrzeuge, wenn man vom Militär einmal absieht, diese Route nehmen.
Wir bewundern, die Landschaft, die ganz anders ist, als die weiter westlich.
Wir kommen dann in den Ort Udabno, wo wir uns in einer Gartenwirtschaft auf ein Bier niederlassen.
Der junge Wirt erklärt uns, das er hier ein Hostel baut, ein Freund von ihm schleppt derweil eifrig Zementsäcke in das obere Stockwerk, das über eine wackelige Freiluftreppe zu erreichen ist und fragt ob wir seine ersten Gäste sein wollen.
Nun ist uns ein wackeliges Feldbett, mehr gibt es in dem Haus nämlich noch nicht, zu zweit nun doch zu unbequem. Der junge Mann ist jedoch erfinderisch. Kurz darauf rücken mehrere Familienmitglieder an und schnell ist aus ein paar Paletten ein Bett gebastelt, eine ältere Dame bringt Federbetten vorbei und zwei weitere schleppen Matratzen an. Da können wir nicht mehr nein sagen, zumal uns zur abendlichen Körpergygiene eigens mehrere Töpfe mit Wasser erhitzt werden. Auch werden wir.mit einem fantastischen Abendessen und selbstgemachtem Wein verwöhnt.
Der nächste Tag führt uns dann weiter in Richtung Kachetien. Diese berühmte Weinbauregion können wir aus Zeitmangel jetzt jedoch nicht mehr besichtigen, wir streifen sie nur kurz am Rande.
Wir pausieren an einem Weinausschank, dessen zugehöriger, schicker Laden bereits von einer Busladung voller Russen heimgesucht worden ist, die mit vollen Tüten wieder herauskommen.
Danach biegen wir auf kleinere Routen ab. Die Landschaft ist nun wieder anders, hier herschen dichte Wälder vor und wir erreichen auf hügeliger Route ein enges Flußtal, das schön und nahezu verkehrarm auf und ab führt.
Weil der Himmel mit einem Gewitter droht, schlagen wir unser Zelt direkt am Fluß auf, als es anfängt zu tröpfeln.
Im Laufe des Nachmittags und Abends bekommen wir Besuch von mehreren Familien, die hier ebenfalls zelten wollen. Wir sind hier nämlich in einem Naherholungsgebiet vor den Toren von Tiflis und es ist Wochenende. Nach einem kurzen Gruß suchen sie sich jedoch diskret eine benachbarte Stelle und einem lauschigen Abend am sanft rauschenden Fluß steht nichst entgegen, wenn man mal von einem gelegentlichen Regenschauer absieht.
Tags drauf geht es dann vollends nach Tiflis. Unsere Schlußroute ist weiterhin stark hügelig, mit einem längeren Anstieg in ein stark bewaldetes Gebiet, in dem vor allem Eichen vorherschen
und dann führt eine rauschende Abfahrt mitten in die Stadt, die wir bereits kurz nach Mittag erreichen.
Bei der Einfahrt in die Innenstadt, treffen wir zwei junge Reiseradler aus Berlin, mit denen wir uns auf ein Getränk niederlassen und machen uns später auf die Suche nach einer Unterkunft.
Das machen wir auf die altbewährte, altmodische Weise- wir klingeln bei einigen Hostels und Gästehäusern an denen wir vorbeikommen. Öffnen tut jedoch niemand, offenbar ist es heutzutage unumgänglich sich mit dem Smartphone auf einem Buchungsportal vorher anzumelden.
Weil wir auch an mehreren Hotels vorbeigekommen sind, versuchen wir unser Glück bei einem, das recht sympatisch in einer Seitenstraße gelegen ist und von einem kleinen Garten umgeben ist.
Auf unser Klingeln wird tatsächlich geöffnet und ein freies Zimmer gibt es auch. Der junge Mann an der Rezeption muss dafür zwar auf Booking-com nachschauen und uns dort auch einbuchen, aber das stört uns auch nicht.
Damit ist unsere Reise an ihrem Ende angelangt. Der letzte Tag führt nur noch in einen Farhradladen zwecks Kartonverpackungen für den Rückflug und nachdem wir diese auf unseren Gepäckträgern gefaltet verstaut haben, besichtigen wir noch die schöne Innenstadt, die von allerlei anderen Touristen aus aller Herren Länder bevölkert wird.
Das wird uns schnell zuviel und wir begeben uns gemächlich in Richtungs Flughafen.
Beim Betreten des Flughafens muss man übrigens bereits die üblichen Kontrollen passieren. Unsere Räder dürfen erst mit hinein, nachdem wir unsere Räder für den Scanner zerlegt haben, was im allgemeinen Geschiebe wahrlich keine Freude ist.
Unser Flug geht erst in den frühen Morgenstunden und wir kommen morgens früh vollig übermüdet in München an.
Unsere kleine Kaukasusrunde – für Anfänger – so könnte man sagen
, war insgesamt recht gelungen.
Beide Länder sind sehr einfach zu bereisen und auch sehr sicher. Abgesehen von Tiflis sind wir nie angebettelt worden, es gab keine Versuche uns zu bestehlen oder in irgend einer anderen Weise zu bedrängen. Wir fühlten uns nie unsicher oder unwohl.
Georgien hat in vielen Ecken, aber nicht in allen, eine recht gute touristische Infrastruktur, das macht das Bereisen dieses Landes komfortabeler als Armenien, gefallen haben uns aber beide Länder gleichermaßen.
Die sehr abwechslungsreichen Landschaften gefielen mir ebenso gut, wie die überwiegend sehr gastfreundliche Bevölkerung. Wir haben dabei durchaus nicht nur sehr oberflächliche Begegungen gehabt und auch wenn ich die geführten Diskussionen sehr anstrengend fand, war es auch überaus interessant und lehrreich andere Sichtweisen kennen zu lernen.
Die beiden besuchten Länder befinden sich an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien. Und genau das ist auch zu merken, es wechseln vertraute Eindrücke mit Unvertrauten, das ist schon recht reizvoll.
Kulturinterssierte treffen auf sehr alte Kulturen und deren Überreste, die überall anzutreffen sind, sofern man die Augen offen hält.
Die Topographie ist überwiegend bergig, solange man sich nicht in der kolchischen Tiefebene im Westen oder dem Tiefland im Osten befindet, die ich selbst, wir haben sie ja nur kurz gestreift, jedoch eher nicht als besonders interessant empfunden habe.
Große Straßen sind oft einfach zu fahren, aber auch sehr stark befahren. Wer durch tiflis kommt, kommt an dem Befahren mehrspuriger, reichlich frequentierter Straßen keinesfalls vorbei.
Der einheimische Fahrstil ist sehr dynamisch, mit Gegenverkehr in engen Kurven bei schlechter Sicht ist jederzeit zu rechnen, ebenso wie mit abprubten Belagsveränderungen, bei denen alle Verkehrsteilnehmer geradezu ein Ballett rund um tümpelgroße Schlaglöcher aufführen. Man gewöhnt sich jedoch schnell daran und tanzt unbefangen mit.
Kleine Straßen sind oft unbefestigt und die meisten Passstraßen ebenso. Die Qualität dieser Pisten schwangt zwischen gut fahrbar und nahezu unpassierbar, das ist vor allem wetterabhängig.
Anfang Juni war bei uns die Niederschlagsmenge recht hoch, die vor allem in eruptiven Gewitterregengüssen niedergegangen ist. Dafür blüht die Steppe in allen Farben – und das wiegt schon das ein oder andere Schlammloch auf, so finde ich.
Da wo der Verkehr eher verhalten ist, bevölkert allerlei Viehzeug die Fahrbahn. Kühe, Pferde, Schweine und Federvieh tummeln sich dort und auch an Hunden wilden und domestizierten, mangelt es nicht. Gerade letztere können überaus nerven, wenn sie einem mit wildem Gebell und fletschenden Zähnen vor, hinter oder neben das Rad laufen. Ein paar gezielte Steinwürfe halten sie jedoch auf Abstand. Andere Exemplare verhalten sich unauffälliger und manch ein Hundefreund wird aufpassen müssen, hier nicht sein Herz an einen der herrenlosen Streuner zu verlieren, die es durchaus verstehen mit herzerweichendem Hundeblick Sympathiepunkte zu schinden.
Gereade die Kühe gebärden sich wie die Herrinnen der Landstraßen, sie bringen gelegentlich den gesamten Verkehr zum Erliegen. Auch ihre Gewohnheit potentielle Unterstellmöglichkeiten als Latrinen zu misbrauchen, kann sehr unerfreulich anmuten.
Die Fliegerei finden wir beide relativ unerfreulich hatten aber in diesem Fall wenig Alternativen. Nächstes Jahr schenken wir uns das Anreisetheater und fahren einmal wieder daheim los. Wohin, das wird sich noch zeigen.
Und wer jetzt noch offene Fragen hat, der darf sie gerne stellen.
Ihr könnt aber auch einfach in den Kaukasus fahren und schauen, ob sie sich vor Ort beantworten lassen
Nach dem Urlaub gehe ich dann wieder zur Arbeit. In der ersten Woche begegnet mir dann eines Abends die Firmenputzfrau.
" Ah wieder da aus dem Urlaub " sagt sie. " Wohin ging es denn diesmal".
"Kavkas"sage ich. Sie schaut mich überrascht an " Armenien und Georgien" präzisiere ich.
"Ach" seufzt sie "Heimat".
" Sie kommen doch aus Kasachstan" stelle ich verwundert fest. " Sowjetunion" sagt sie bestimmt. Ich weise darauf hin,das diese nicht mehr existiert. Sie seufzt erneut und nickt bedauernd und will dann wissen,wie es mir gefallen hat.
" Krassivi " sage ich und sie lacht.
Schön wars.