Puffin oder auch Papageientaucher, das Island-MaskottchenAnreiseNach 3 ½ Stunden und mit zwei Stunden Verspätung wird der Landeanflug nach Keflavik/Island angekündigt. Der Flug von Berlin-Schönefeld mit Wow Air, eine isländische Billigairline, war recht angenehm.
Warten auf das Boarding in Berlin-Schönefeld Nun bin ich gespannt auf die Insel. Was erwartet mich wohl in den 3 Wochen in Island? Der Blick aus dem Fenster zeigt nur dicke Wolken und hin wieder sieht man schneebedeckte Berge. Der Kapitän gibt ein paar Wetterdaten durch:
Regen, 8 ° C und starker böiger Wind aus Südost.
Ich habe noch keine Ahnung, dass hier Wind anders definiert wird.
Die Hoffnung, dass das Wetter besser wird, kann ich begraben. Also entschließe ich mich gerade beim Landeanflug, dass ich im Uhrzeigersinn die Insel umrunden will. Vielleicht auch mal einen Abstecher ins Hochland. Na ja mal sehen, wie ich durchkomme.
Warum bin ich überhaupt auf die Idee gekommen, meine diesjährige durch Island zu machen? Ideen hatte ich ja viele, aber irgendwie bekam ich ein Buch in die Hand, wo jemand seine Radreise durch Island beschrieb. Wildes Land, mit herrlicher Landschaft, Vulkanen, Gletschern, Wasser usw. Nur das Wetter soll sehr unberechenbar sein. Selbst im Sommer kann es verdammt kalt werden und der Wind soll hier allgegenwärtig sein. Also Abenteuer pur!
Ich starte Ende Mai, nicht unbedingt die beste Zeit für Island und eine Schönwettertour wird es wohl auch nicht.
Leider hat mein Mitfahrer kurz vor der Reise seinen Flug storniert. Nun starte ich alleine, hat ja auch seine Vorteile
Die erste Übernachtung habe ich in Keflavik, im Guesthouse Alex Camp gebucht. Es ist eine praktische Blockhütte als Schlafsackunterkunft.
Große Blockhütte Alex-Camp mit überdachtem Vorraum. An die hohen Preise muss ich mich erst gewöhnen. Der Vorteil ist, dass diese Unterkunft nur weinige Kilometer vom Flughafen entfernt ist, man mit samt Rad/Gepäck abgeholt wird und gegen eine kleine Gebühr den Radkarton oder ähnliches bis zum Abflug dort lagern kann.
Zeit zum Einradeln von Südwest in den Norden (Keflavik-Blönduos)
Ich schaue aus dem Fenster und haue mich gleich wieder hin. Mist, draußen peitscht der Wind den Regen an die Fenster. Warum gleich am ersten Tag? Jetzt oder nie, denke ich mir und stehe endlich auf. Mich hetzt niemand und so lasse ich mir Zeit. In der Hoffnung, dass das Wetter vielleicht doch besser wird. Aber ich hoffe vergebens, ich muss endlich starten.
Der Streckenabschnitt bis Reykjavik ist nicht gerade schön. Klar, ich könnte auch mit dem Bus fahren. Ich will aber nur im Notfall den Bus nutzen.
Auf der 41, die vierspurig ist, gibt es glücklicherweise einen Randstreifen, wo man sicher fahren kann. Aber schön ist was anderes. Die Verkehrsdichte ist enorm und den Wind habe ich mal von der Seite oder von vorne. Eine Verschnaufpause bietet der kleine Umweg auf der 420, über Vogar.
Nach einigen Kilometern bin ich jedoch wieder auf der 41. Ich bin wieder gefahren, ohne eine Pause zu machen. Aber wo auch? Am Straßenrand, im strömenden Regen? Muss doch irgendwann mal ein Supermarkt kommen? Daran werde ich mich auch gewöhnen müssen, dass es in Island nicht ganz so viele Supermärkte gibt, wie beispielsweise in Deutschland.
In Hafnarfördur, kurz vor Reykjavik finde ich einen Supermarkt und daneben ist auch ein Bäcker. Besser geht es nicht.
Nach einer langen Pause bin ich dann bereit Reykjavik zu durchfahren. Ich habe keine Lust Reykjavik zu besichtigen, ich will endlich in die Natur.
Ein paar Autofahre hupen, weil ich hier bestimmt nicht fahren darf. Ist mir egal, ich sehe keine Radwege und suche auch keine, also bleibe ich trotzig auf den mehrspurigen Straßen.
Erst als ich die Stadt durchfahren habe, gibt es einen schönen Radweg. In der Ferne sehe ich die ersten schneebedeckten Berge. Es ist das 914 m hohe Esja-Massiv. Welch' ein Gegensatz zu der mondähnlichen Landschaft bis Reykjavik.
Nun bin ich auf der Ringstraße 1, die fast vollständig asphaltiert sein soll und auf der man Island umrunden kann.
In Mosfaellsbaer (8500 Einwohner) möchte ich heute bleiben und suche einen Zeltplatz. Für mich ist es die erste Radreise, auf der ich das Zelt mitnehme. Auch das ist für mich Neuland. Ich bin doch mehr der Warmduscher und werde mich hier in Island noch an einiges gewöhnen müssen
Der Campingplatz ist schnell gefunden, dank guter Ausschilderung. Doch hier kommt für mich der nächste Schock. Der Platz befindet sich auf einer kleinen Anhöhe, Bäume gibt es hier keine. Auf dem Platz befindet sich nur ein grünes Häuschen mit Toilette und Waschbecken. Keine Dusche! Niemand hier! Mein Wunschdenken von Zeltplatzromantik passt nun rein gar nicht mit dem vorliegenden Platz überein.
Was soll ich sagen: Ich bin noch nicht reif für´s zelten. Warum auch, ich habe Urlaub. Also suche ich mir eine feste Behausung.
Als ich am nächsten Tag am Campingplatz vorbei komme, habe ich meine Entscheidung kein bisschen bereut.
Blick vom Campingplatz oder Windplatz zum Esja-Massiv Die Strecke von Mosfaellsbaer nach Borgarnes verläuft zunächst am Meer entlang. Rechts türmen sich Schneebedeckte Berge auf. Auf den Weiden grasen...
...Islandpferde ...Schafe ...und manchmal auch Kühe. Die Verkehrsdichte hat deutlich abgenommen und der Rückenwind macht das Fahren sehr angenehm. Vielleicht habe ich heute Glück und komme mit Hilfe des Windes gut voran.
Nach ca. 20 km kommt die Zufahrt zum 5760 m langen Tunnel unter dem Hvalfördur (Walfjord). Der mautpflichtige Tunnel wurde 1998 eröffnet. Toll, aber Radfahren ist im Tunnel strikt verboten. Spare ich eben die Maut und umfahre ich den Fjord. Dieser Umweg auf der Straße 47 ist 60 km länger, aber wunderschön. Fahrzeugverkehr ist auf der 47 selten, aber es sind sehr viele Rennradfahrergruppen unterwegs. Ich genieße das auf und ab der Straße, die Wasserfälle, Bäche und den Blick auf den Fjord.
Der Fjord ist 30 km lang und bis zu 100 m tief. Im 2. Weltkrieg war der Fjord für die Amerikaner und Briten strategisch günstig. Hier wurden die Geleitzüge zusammengestellt, die kriegswichtige Materialien z.B. nach Russland schiffen sollten. Der Fjord bot einen idealen Schutz vor U-Boot- oder Fliegerangriffen der Deutschen.
Allmählich verdichten sich die Wolken, der Wind nimmt wieder zu und ich bekomme den Wind jetzt seitlich von vorne. Hoffentlich bin ich bald um den Fjord herum. Ich muss jetzt sogar auf der kleinsten Übersetzung bergab treten. Diese Erfahrung ist neu für mich.
Zum Glück fahren hier kaum Autos, denn ich benötige teilweise die ganze Straßenbreite, wenn mal wieder eine Windböe mit mir spielt.
Am Ende des Fjordes nimmt der Wind noch weiter zu. Ich kann noch nicht einmal bergab treten. Ich muss schieben.
Das Wasser eines kleineren Sees wird durch den Wind hochgepeitscht.
Am Ende des Fjords wird es ungemütlich. Nun muss ich zwischen dem kleinen See und dem Fjord die Straße passieren.
Ich bekomme den Wind komplett von der Seite. Mir wird angst und bange, als das ganze Rad vibriert. Ich kann kaum noch das Rad schieben. Jedes mal, wenn eine kräftige Böe kommt, lege ich mich flach auf das Rad auf die Straße.
Das ganze Rad vibriert unter mir und ich habe Angst, dass sich eine Tasche aus der Halterung löst. Der Wind würde diese einfach wegpusten.
Immer wenn der Wind nachlässt, schiebe ich weiter. Doch die Windböen kommen schneller, als ich einige Meter gut machen kann. Also wieder flach auf die Straße legen.
Ein Auto fährt um mich herum. Von Hilfe keine Spur.
Die Leute im Auto denken wahrscheinlich, dass der blöde Radfahrer einen komischen Platz zum Ausruhen gewählt hat.
Aus dem Augenwinkel sehe ich eine Gruppe Radfahrer auf Rennrädern, die aus der Gegenrichtung kommen. Als sie mich auf der Straße sehen, steigen sie ab, schieben die Räder und helfen mir. Zu dritt gelingt es uns den windgefährlichen Abschnitt von ca. 300 m zu passieren. Alleine hätte ich wohl sehr lange gebraucht. Ich bedanke mich bei den Radfahrern, die mir sagen, dass es ab jetzt weniger gefährlichen Wind gibt.
Ich setze mich in den Straßengraben und mache eine Verschnaufpause. Ich bin erst mal fix und fertig.
Nachdem ich den Fjord umrundet habe, schiebt mich der Wind die kleinen Hügel hoch. Ich kann wieder die Landschaft genießen.
Pausenplatz im Windschatten des Gebäudes. Nach dem passieren der 2 km langen Brücke über den Borgarfördur gelange ich nach Borgarnes (1800 Einw.).
Der erste Supermarkt ist meine. Ich kaufe ein, frage den Kassierer nach einem Campingplatz und fahre zu dem Campingplatz. Heute scheint die Sonne, aber auch das kann den Campingplatz, unmittelbar neben der Ringstraße auch nicht verschönern.
Ich fahre wieder zurück in die Stadt, zu einem Hostel. Plötzlich fällt mir auf, dass ich meinen Einkauf gar nicht in die Taschen gepackt habe. Ich Schusselkopf habe doch glattweg die Tüte im Einkaufswagen gelassen.
Wie schmerzlich, denn auch die Lebensmittel sind in Island nicht ganz billig. Ich fahre zurück zum Supermarkt und hoffe, die Einkaufstüte noch zu finden. Weder in den Körben ist sie, noch wissen die zwei Kassiererinnen, ob jemand eine gefüllte Einkaufstüte abgegeben hat. Dummheit muss bestraft werden, denke ich und will nochmals dieselben Lebensmittel kaufen. Da sehe ich den Kassierer, der mir den Weg zum Campingplatz erklärt hat. Der sagt mir, dass eine gefüllte Tüte abgegeben wurde und ich kann mir diese im Büro abholen. Wie cool ist das denn?
Im Hostel treffe ich zwei Frauen aus München, die mir erklären, dass die Berge im Norden, auf der Ringstraße recht heftig sein sollen. Sie könnten sich nicht vorstellen, dass man das mit dem Rad schafft. Eine der Frauen ist angeblich auch Radfahrerin. Ich lasse mich nicht nervös machen, denn ich habe ja noch ein paar Tage Zeit zum trainieren. Aus dem Auto sieht doch alles etwas schwieriger aus
Erstmalig riecht das warme Wasser beim Duschen, wie faule Eier. Das ist der Schwefelgeruch, denn das Wasser kommt direkt aus den heißen Quellen. Na solange ich bzw. meine Sachen nicht nach faulen Eiern riechen, ist es mir schnuppe.
Fortsetzung folgt!