Na, der Thread ist ja schon etwas älter, aber da ich neu hier bin, habe ich ihn eben erst jetzt entdeckt.

Ich bin seit Januar Teil der Liegerfraktion auf einer HP Velotechnik Streetmachine GT (offenbar das derzeit meistverkaufte Liegerad in D). Bei diesem Rad sitzt man ungefähr auf Autofahrerhöhe, also kein Tieflieger. Unter "echten" Liegerfreaks gilt dieses Rad als zu hoch, zu schwer, zu langsam, zu teuer. So etwas wie der Benz unter den Liegern. Dafür super komfortabel (vollgefedert) und das perfekte Reiserad (Gepäckträger und Lowrider mit je 25 kg Zuladung).

Seit Ende der Eingewöhnungsphase (ca. 4 Wochen) benutze ich mein "Normalrad" (die Lieger sagen gerne Upright oder auch Up-wrong) nur noch, wenn es unvermeidlich ist, d.h. bei mir, wenn ich den Kindersitz montieren muss. Wenn ich den Kinderanhänger der Nachbarn kriege, nehme ich den und montiere ihn an die Liege.

Ich wohne mitten in der Stadt Fürth in einem nichtsanierten Altstadtviertel. Kopfsteinpflaster, enge Straßen, fast ausschließlich Einbahnstraßen (Grund : damit beide Straßenseiten zugeparkt werden können), alle Bürgersteige zugeparkt, jede Autofahrt wird vorher dreimal überlegt, da man am Ende ja einen Parkplatz suchen muss (kann schonmal 20 min. dauern). Ein fahrradfeindliches Universum.

Trotdem fahre ich inzwischen alle Fahrten mit dem Lieger. Das einzige Problem stellen die Einmündungen in Vorfahrtsstraßen dar, da die Autos meist bis auf die Ecke parken und man die Straßen so schlecht einsehen kann. Alles andere macht eigentlich nie Probleme. Die Aufmerksamkeit, die man erregt (vor allem mit Hänger !) macht eine teilweise schlechtere Sichtbarkeit wohl mehr als wett.

Erstaunlich ist, was ich an mir bemerkt habe und auch schon im Liegeradforum gelesen habe : das Unsicherheitsgefühl, das viele "Normalradfahrer" mit dem Lieger verbinden, und das ich in der Anfangsphase natürlich auch hatte, verschwindet nicht nur mit der Zeit, es dreht sich um. Ich fühle mich inzwischen auf dem "Hochrad" bedeutend unsicherer als auf dem Lieger.

Vor allem bei höheren Geschwindigkeiten denke ich auf dem Hochrad jetzt häufig daran, was es bedeuten würde, jetzt einen Crash zu haben und kopfvor über den Lenker zu fliegen. Zwei solcher Unfälle hatte ich schon mal, bei Vollbremsungen mit meinem früheren hohen Rad (65 cm Rahmenhöhe und kurzer Radstand). Noch bevor ich irgendwo gegen gefahren war, machte ich aufgrund der gut eingestellten Cantibremsen sofort einen Salto vorwärts.

Auf dem Lieger dagegen fühle ich mich erheblich sicherer. Falls was passiert, falle ich nicht so tief und mit den Füssen voraus oder schlimmstenfalls auf die Seite. Auf meiner Schweiztour im Juli sind wir über hohe Pässe (Furka : 2436 m) und auf der Abfahrt auf der Liege mit 65 km/h habe ich mich wie im Fernsehsessel gefühlt. Was natürlich auch an den hervorragenden Maguras (HS33) und dem perfekten Fahrverhalten des Rades lag (der Lowrider ist unter dem Sitz am Rahmen befestigt ist und nicht an der Gabel).

Der langen Rede kurzer Sinn : Liegerfahren macht irre Spaß, auch in der Stadt, ist aus meiner Sicht nicht unsicherer als "Normalrad"fahren und gibt einem ein Sicherheitsgefühl, das Aussenstehende nur schwer verstehen können.

Gruss

Matthias