Hallo,
letzten Samstag hatten wir ein Familientreffen in Vesilahti, Südfinnland, und ich bin da dann mit´m Rad hin - Zug wäre zu langsam gewesen
![schmunzel schmunzel](/images/graemlins/default/smile.gif)
Zumindest in ein paar Worten möchte ich die Tour beschreiben, denn die Gegend ist möglicherweise vielen völlig neu. Hier erstmal ´ne
Karte. Bei der Routenplanung wollte ich einerseits ein schnelles Vorankommen erreichen (musste schliesslich rechtzeitig zur Feier eintreffen), aber andererseits zumindest ein paar Sehenswürdigkeiten dabei haben.
Los ging´s am Montagmittag bei ziemlicher Hitze (max. 27 Grad oder so). Hier ein paar Eindrücke von der Landschaft. Die ersten km auf einsamer, gut zu fahrender Straße:
Fette Pfützen vom großen Regen am Vortag:
Auch die Sümpfe waren nasser als sonst:
Auf sandigen Böden, die sich mit dem Sumpf abwechselten, dann Heidekraut und Flechten. Der Südteil von Utajärvi gehört nicht mehr zum Rentierzuchtgebiet, sonst wäre auf dem Foto nur Heidekraut zu sehen...
Alte Speichergebäude am See Ahmasjärvi:
Im Dorf Kylmälä dann Satumaa (Märchenland), eine Kombination von Tankstelle, Geschäft, Post, Pizzeria etc. Kylmälä hat 265 Einwohner und ist mit 25 km das längste Dorf Finnlands.
Ein paar hundert Meter weiter kriecht ´ne Kreuzotter über die Straße. Dieses Jahr gibt es wieder sehr viele von diesen, und ich kriege immer fast ´n Herzkasper, wenn so ein Vieh plötzlich vor mir auftaucht. Bin auch schon mal versehentlich über eine Schlange drübergefahren. Puh!
Ein Gegengift bekommt man in jeder Apotheke, z.B. in dieser hier:
Weiter ging´s durch sehr flache und durch Flüsse und Landwirtschaft geprägte Landschaften. Ab und zu standen verlassene Häuser am Straßenrand:
Heuernte:
Aus irgendeinem Grund waren meine Finger und Zunge ständig violett-blau gefärbt...
Himbeeren gab´s auch:
Ich hatte zwischenzeitlich ziemlich mit Gegenwind zu kämpfen und war dann froh, dass ich immerhin bis Haapavesi ("Espenwasser") gekommen war. Hier das Stadtwappen am Straßenrand:
Für die Nacht bin ich ein Stück in einen Fichtenwald rein um dort das Zelt aufzuschlagen. Schon sehr bald tauchten die ersten Mücken auf, und ohne Mückenhut wäre ich ruckzuck blutleer gewesen. Zusätzlich noch die Arbeitshandschuhe als Mückenschutz angezogen. Mückenöl (Off) hätte ich auch dabeigehabt, aber ich benutze diese Chemiepampe nur im absoluten Notfall.
Nach einer sehr warmen Nacht im Zelt machte ich mich am nächsten Morgen auf die Suche nach einem Badesee um den ganzen Schweiß von der Haut zu kriegen und die Haare zu waschen. An Seen herrschte kein Mangel, aber die Ufer waren sehr schilfreich und da kann man natürlich nicht schwimmen. Beispiel:
Eine Dorfbewohnerin erklärte mir dann den Weg zu einer besseren Badestelle. Sehr gut! Hier ein Foto von der Stelle, wo auch Boote anlagen. Das Seewasser war warm und der Boden sandig.
Badehose und Handtuch hängte ich zum Trocknen am Rad auf und so war´s dann auch die gesamte Tour, denn ich war jeden Tag Schwimmen. Hier ein Foto vor einem Laden in Nivala. Rechts von meinem Rad sieht man ein Jopo-Rad. Ist momentan sehr im Trend bei den jungen Leuten:
Südwestlich von Nivala ging´s über den gewaltigen Kalajoki ("Fischfluss") und danach gab´s viel Wald und Sumpf und auch endlich mal ein paar Höhenmeter. Hier aber eine Foto vom Fluss:
Im Ort Toholampi gab´s das Minttutalo ("Pfefferminzhaus") als Hauptsehenwürdikeit. Naja, ich bin dann mal direkt weiter...
Vorbei an Seen...
grasreichen Sümpfen mit Birkenbewuchs... (solche Sümpfe kannte ich noch nicht, in Utajärvi sind die Sümpfe mit Kiefern und Sphagnum-Moosen)
...Straßen ohne Wiederkehr...
Schließlich bog ich auf eine kleine Straße ein, die durch den Ort Köyhäjoki ("Armer Fluss") nach Halsua führte. Eine sehr schöne, einsame Straße, an dessen Rand dann plötzlich so ein Briefkasten stand:
Kennt Ihr sowas? In Finnland gibt´s solche Kästen immer wieder mal. Auf dem Kasten steht "Fitnesskasten" und darin ist ein Heft und ein Stift. In das Heft kann man dann seinen Namen und Datum eintragen und notieren, wieviel Sport man getrieben hat, z.B.: Radfahren 10 km. Ganz witzig, hab da auch was reingeschrieben.
Mein Schatten im Abendlicht:
Die Gemeinde Halsua beginnt:
Auf dem Wappen erkennt man übrigens das Nationalinstrument Finnlands, die Kantele (ein Seiteninstrument).
Nun gut, so langsam wurd´s spät, und auf einem kleinen Weg begab ich mich auf Zeltplatzsuche:
Wieder gab´s Mücken, aber nicht so viele, dass ich nicht doch wieder ordentlich Blaubeeren gefuttert hatte, die dort überall wuchsen. Dieses Jahr gibt´s wirklich viele Blaubeeren! Hier mein Zelt am nächsten Morgen nach einer schweißtreibenden Nacht.
Nach dem morgentlichen Schwimmen ging´s auf einer sehr netten, kleinen Straße weiter. Hab zwischendurch einen rundblättrigen Sonnentau am versumpften Wegesrand fotografiert:
Manche sammeln Sonnentau und verkaufen ihn. In der Schweiz wird daraus Arznei gemacht, gegen Husten, glaube ich.
Ein Holzhaus
Espen in der Hitze:
Schließlich landete ich am Lappajärvi-See, der vor 73 Millionen Jahren durch einen Meteoriteneinschlag entstand. Wirklich sehr schön dort. Hier ein paar Fotos aus Vimpeli am Ostrand des Sees. Ihr könnt ja mal raten, was die Skulpturen im zweiten Foto darstellen:
Am Südrand des Sees gibt´s den Berg Pyhävuori. Der Weg dort rauf war sehr anstrengend, musste immer wieder schieben. Auf dem Foto sieht man den Lappajärvi im Hintergrund, sowie am Wegesrand steinige Fläche, die die frühere Brandungszone der Ostsee anzeigen. Solche Brandungszonen sieht man bisweilen mitten im Wald an Hanglagen. Inzwischen liegt die Ostsee viel tiefer, das sich das Land relativ zum Meer angehoben hat. In der Gegend von Oulu (nicht sehr weit von hier) ist dieser isostatische Ausgleich, nach Wegfallen der Auflast des Gletschereises (was vor 20000 Jahren etwa 2,5 km mächtig!!) nach Ende der Eiszeit weiterhin besonders stark: in 100 Jahren steigt das Land um knapp einen Meter an!
Hier der Lappajärvi vom Berg runter fotografiert:
Nicht viel weiter, auf dem Hügel Suokonmäki, gab´s dann einen richtigen Aussichtsturm. Wenn Ihr mal da in der Gegend seid, solltet Ihr da echt mal hoch, sehr schöne Sicht. Hier ein Foto von dem Turm:
und eins von oben in Richtung Süden. Ganz klein hinten links erkennt man vielleicht den See Ähtärijärvi:
Auf dem Weg nach Süden, mit Karte an der Fronttasche:
Es blieb hügelig:
Irgendwo südlich der Stadt Ähtäri habe ich gezeltet und dann ging´s am Westrand des Sees Ähtärijärvi weiter, immer wieder nette Holzhäuser:
Seen gab´s jede Menge, besonders schön fand ich die Schluchtseen südlich von Virrat (Torisevan rotkojärvet):
Solche Wege mag ich:
Nicht weit von Virrat entfernt lag übrigens mitten auf der Straße eine Geldbörse: Führerschein, Pass, Krankenkassenpapiere, alles drin. Hab die Geldbörse bei der Polizei in Virrat abgegeben und ein paar Tage später eine freundliche SMS von der Besitzerin bekommen, die die Börse von der Polizei abgeholt hatte.
So, weiter durch die Seenwelt...
... und dann über einen sehr hügeligen Waldweg zum Nationalpark Helvetinjärvi (Höllensee). Hier ein paar Fotos vom Park:
Felspalte:
Schluchtsee:
Bohlenweg über Sumpf:
Nach gut 4 km Wandern sprang ich wieder auf´s Rad und gelangte nach Ruovesi. Sehr schöner Ort mit vielen Holzhäusern:
In der Gemeinde Ruovesi gab´s aber auch recht wilde Pisten. Bei dieser musste ich irgendwann aufgeben und auf Asphalt ausweichen, da stellenweise zuviel Sand auf dem Weg war um ordentlich Radfahren zu ermöglichen. Hier eine eher steinige Stelle des fiesen Wegs:
Anschließend dann ein sehr schöner Streckenabschnitt, die Straße von Jäminkinpohja über Kapee nach Terälahti. Wirklich Klasse: hügelig, kurvig, kein Verkehr, viele Ausblicke auf Seen. Ein paar Bilder:
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Es wurde so langsam dunkel...
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... und die letzten 60 km bis Vesilahti musste ich im Dunkeln fahren. Nur wenige km vor dem Ziel griff mich dann noch ein Dachs an (!). Er mochte es wohl nicht, dass er von meiner Radlampe angeleuchtet wurde. Als das Vieh auf mich zugerannt kam, hab ich ordentlich Gas gegeben. Gut, dass es an der Stelle gerade leicht bergab ging. Ankunft am Ziel war dann am Freitagmorgen um 3.30 Uhr. Sofort in´s Bett. War ´ne super Tour.
Viele Grüße,
Thomas