Dasselbe hatte mich auch interessiert. Da ich seit drei Jahren Marathon Winter fahre, haben Eisplatten den Schrecken verloren und ich kann ganzjährig nach Lust und Laune ausfahren. Die Reifen fahren sich subjektiv überraschend leicht, und ich wollte die Radreisetauglichkeit feststellen. Deshalb bin ich heuer im Januar von München nach Wien gefahren, zuerst der Isar entlang und dann dem Donauradweg folgend. Es war wetter- und wegmässig alles geboten was der Winter zustandebringt. Entgegen meiner Gewohnheit ohne Zelt um mir durch den geringeren Aufwand eine Zeitreserve zu schaffen.
Erfahrungen von der Reise:
Ich war überrascht dass meine Tagesleistung gegenüber Sommer um 30 % oder mehr sank. Die Spikes und das Gewicht des Marathon tragen ihren Teil bei, aber Hauptursache waren die wechselnden Wegverhältnisse, vor allem Eis in seinen Erscheinungsformen. Am schlimmsten war festgefrorener Schneematsch mit Tritt- oder Fahrspuren, der sich anfühlte wie über groben Schotter zu fahren. Das Gerüttel und der Untergrund erlaubt auch nur langsames und durch die ständige Konzentration sehr ermüdendes Fahren, fast mountainbikemässig. Andererseits war das ein exzellentes Fahrtraining. Daneben macht sich noch der kurze Tag bemerkbar.
Spikes fand ich absolut notwendig. Reine Gummireifen fahren nach meiner Erfahrung (vor den Spikes-Zeiten) auf Eis nicht sicher, und Eis konnte ich selbst gewollt nicht vermeiden. Die Alternative wäre immer dann zu schieben oder sehr vorsichtig drüberzufahren - wenn man denn das Eis vorher bemerkt. Auf Reisen will ich aber flott und frei zufahren, und die enorme Traktion mit Spikes ist ein Erlebnis. An einer Stelle war der Radweg von Blankeis übergossen, ich machte den Fehler mitten auf dem Weg anzuhalten um zu fotografieren. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, um zum wiederanfahren musste ich an die Seite tippeln damit ich im Schnee genügend mit dem Bein anschieben konnte. Einmal fahrend - kein Problem mehr. Schnee ist an sich harmlos und gut fahrbar, aber kräftezehrend weil als gleichmässiger, von der Tiefe abhängiger Widerstand wirkend. Problematisch ist eher innerstädtisch dieser von den Autos zerwalkte, so seltsam haltlose Schnee auf dem das Vorderrad wegrutscht. Da konnten auch die Spikes nichts ausrichten. Wenn Du wählen kannst nimm ein Rad mit Federgabel.
Kleidung:
Ich verwendete meine Skitourenkleidung mit langer Skiunterwäsche und war voll zufrieden, dasselbe würde ich bei Langläuferzeug erwarten. Bei Schneefall mit Goretexjacke und Hochtourenhandschuhen, bei Sonnenschein nur mit Fleecepullover und Fleecehandschuhen. Für den Kopf Helm, Buff und bei Bedarf Helmmütze. Den Buff könnte ich bei grosser Kälte bis hoch über Nase ziehen, Nase und Ohren waren so nie kalt. Bei der Brille solltest Du Sonnen- und gelbe Gläser wechseln können, bei Schneetreiben wäre mir eine Skibrille angenehm gewesen.
Probleme hatte ich mit kalten Zehen. Ich fuhr mit meinen gefütterten Wanderstiefeln und zwei paar Socken, trotzdem wurden meine Zehen wurden bis zum Nachmittag kalt. Das nächste Mal würde dazu noch Neoprengamaschen überziehen.
Unterkunft:
Ein Irrtum von mir war dass am Donauradweg Unterkünfte reichlich vorhanden sind. Aber im Winter sind die meisten mangels Gäste geschlossen, so blieben entweder teure Hotels oder in der Dunkelheit Adressen abklappern + keiner auf der Strasse zum Fragen da mit Zehen die langsam zu Eis werden. Ich bin fast immer unerwünscht in die Nacht gekommen. Am vielverspechendsten und gastfreundlich waren die Bauernhöfe, die im Sommer Radlern einfache Unterkünfte bieten.
Das nächste Mal würde ich aber mit Zelt fahren. Da hat man zwar den ganzen Zinnober mit Schnee schmelzen ect, aber man ist ungleich flexibler wann man Schluss macht. Dazu solltest Du aber die entsprechende Ausrüstung haben (Kocher und Winterschlafsack) und unbedingt eine Testnacht unter ungünstigen Bedingungen durchführen. Alternativ bleibt Voranmeldung der Unterkunft.
Fazit:
Eine Radreise im Winter ist anspruchsvoll, aber mit richtiger Ausrüstung und Bekleidung kein Problem. Bei der Planung ist zu berücksichtigen dass man nicht so vorankommt wie im Sommer. Die meisten Radwege ausserhalb von Ortschaften werden mühsam zu befahren sein, man sollte stille Nebenstrassen als Alternative beachten. Verkehrsreiche Strassen sind im Winter gefährlicher und unangenehmer. Das Rad muss den Verhältnissen genügen: Spikes und Weihnachtsbeleuchtung.
Ansonsten ist die Winterlandschaft durch die man sich bewegt in Stille und weisser Lichtfülle grandios, allerdings ist es schon wegen der Vermummung nicht das lockere sommerhafte dahinradeln. Deshalb bleibts bei mir eher bei den winterlichen Einstundenausfahrten, da habe ich das auch.
Einen Vorteil gibts noch: berühmte Sehenswürdigkeiten sind touristenleer, in Stift Melk war ich der einzige (!).
LG, Corber