Hallo allerseits!

Ich möchte in einem Fachbetrieb 28 Zoll Laufräder bauen lassen, welche 130 kg Radfahrer und Gepäck über Abschnitte mit widrigem Untergrund (ruppige, wellblech-artige Pisten mit zahlreichen Schlaglöchern, Schotter) sicher rollen und bremsen würden. Langer Widerstand gegen Felgen-Durchbremsung und ein „aussagekräftiger“ Verschleissindikator (um Überraschungen zu vermeiden) sind jedenfalls sehr willkommen, da ich mich im hügeligen bis bergigen Gelände jenseits von gesicherter Versorgung tummeln werde.

Was Felgenwahl angeht, so wäge ich momentan DT Swiss TK 7.1 vs. Rigida Grizzly CSS ab.

Wie könnt ihr Rigida Grizzly 28 Zoll in Bezug auf folgende Fragen beschreiben, insb. auch aus eurer Touren-Erfahrung:

1.A. Ist CSS eine Legierung oder lediglich Beschichtung?
1.B. Wie dick ist die Bremsflanke?
1.C. Wie praktisch – d.h. merkt man noch rechtzeitig einen grenzwertigen Verschleiss – ist ein innenliegender Verschleißanzeiger (wenn ich mich nicht täusche, ist Grizzly damit ausgestattet)?

2. Welche Bremsbeläge kommen in Frage (bitte möglichst auch Links zu Bezugsquellen mit angeben)?

Gemeine Fragen, da gewiss sehr situationsspezifisch, aber vielleicht finden wir zumindest Anhaltspunkte:

3.A. Um wie viel länger hält eine CSS-Flanke tatsächlich der Durchbremsung stand (ggü. z.B. einer Alu-Flanke mit weichen Belägen)?
3.B. Wie viele Tausend km zw. Belagwechsel?
3.C. Welches Bremsverhalten bei Nässe?

Dankende Grüsse
Mischa

PS: Zusammenfassung meiner LR-Merkmale
- 28 Zoll, Bereifung 42-622 mit max. 5 bar
- V-Brakes
- VR: Nabendynamo, HR: Kassettennabe
- Gewicht Radfahrer und Gepäck 130 kg

Hallo Marcello,

ich fahr die Felgen bei einem Systemgewicht von bis zu 160 kg.

Früher hab ich ein mal im Jahr eine neue Hinterradfelge gebraucht bei einem milden trockenem winter auch mal alle 1,5 Jahre.

Dir Grizzly hat jetzt schon den 2. Winter hinter sich ohne merklichen Verschleiss. Ich fahr Maguras mit den Grünen Belägen, Beläge brauch ich alle 5 tausend km. Auf jeden Fall nach dem Winter.

Das Bremsverhalten bei Starkregen oder Tiefschenee ist Mist, sonst ist es gut. Also nach 2 Jahren (20 tkm) kann ich Dir noch nicht sagen wie lange die Felge noch lebt. Normale Alu Felgen hätte ich bei den letzten Wintern jeweils im Frühjahr getauscht.

Gruß
Detlef

Hallo Mischa,
Du stellst sehr gute Fragen. Leider veröffentlicht Rigida keine Details, nur blumige Formulierungen. Momentan ist deren Website eine Baustelle. Seit 1996 fahre ich ausschließlich keramikbeschichtete Felgen, damals nur von Mavic erhältlich, und haben gute und schlechte Erfahrungen. Hatte auch beruflich mit dieser Technik zu tun.
Eine echte keramikbeschichtete Felge benötigt keinen Verschleißindikator (ist aber wahrscheinlich Vorschrift). Wohl ändert sich die Oberfläche von rauh zu glatt, bekommt Fehlstellen, wird aber nicht durchgebremst. Falls es sich bei Rigida-CSS um eine echte Keramikbeschichtung handelt, dann wird unter Schutzgas durch einen Plasmabrenner ein Metallpulver aufgesprüht. Eigentlich eine klassische Beschichtung, die auf dem Bauteil Felge aufsitzt. Es gibt allerdings viele Fehlermöglichkeiten und Varianten dieser Technologie. Lesestoff: Berolina Metallspritztechnik und Coating Center Castrop .

Die klassische Keramikschicht - wie von Mavic verwendet - ist immer porös, weshalb Wasser durchdringt und im Winter zu kleinen Frostschäden führt (stecknadelkopfgroße Ausplatzungen), die aber die Bremsleistung nicht schädigen. In anderen Branchen versiegelt man die poröse Keramikschicht mit einer Kunststoff-Flüssigkeit - was bei einer hitzebelasteten Felge ausscheidet.
Keramik-Schichtdicke und Felgen-Vorbehandlung sind für die Haltbarkeit entscheident. Mavic hatte um 1999-2001 massive Qualitätsprobleme mit dem Felgen-Grundmaterial. Meine damals gekauften Felgen rissen mehrfach nach ca. 5000 km (Garantiefall). Wir vermuteten sogenannte Kaltversprödung wegen zu schneller Fertigung des Alustrangs. Die ersten Beschichtungen waren auch sehr bröselig. Das Motto "Viel hilft viel" ist eben genau falsch. Lieber mehrere dünne Schichten. Dafür war offenbar keine Zeit. Mavic wehrte sich mit Zeitungsanzeigen und einer Rechtsklausel: maximal 10.000 km oder 2 Jahre Nutzungsdauer - was für eine Keramikfelge absurd ist.
Mit den später gekauften Felgen habe ich überhaupt keine Probleme. Fahre zur Zeit noch ein Vorderrad, daß mindestens schon 50.000 km im Reise- und Ganzjahreseinsatz absolviert hat. Erwartungsgemäß ohne flächigen Verschleiß der Bremsflächen. Nach mehreren Versuchen bin ich bei den Shimano-Bremsbelägen für Keramik geblieben. Hält bei meiner moderaten Fahrweise, 140 kg Systemgewicht und Mittelgebirgslandschaft mindestens 10.000 km. Das Bremsverhalten ist trocken sehr gut, naß liegt es auf dem Niveau normaler Felgenbremsen. Bei Überflutung der Felge und Tiefschnee sehr schlecht, bis die Felge trockengebremst ist.

Wegen der hohen Anschaffungskosten (mindestens doppelter Felgenpreis) waren Keramikfelgen nie ein Massenprodukt. Mavic liefert noch die XC 717 ceramic, DT Swiss die 4.1. SunRingle, Bontrager u.a. liefern wohl auch nichts mehr. Bliebe Rigida als letzte Hoffnung für 26" und 28"? Fazit: Wenn Felgenbremse am Reiserad, dann mit keramikbeschichteter Felge. Als Bremse kann ich die Avid Single Digit Ultimate sehr empfehlen (leider teuer).

Hallo,
wenn das ein recht ruppiger Einsatz wird, dann besteht die Gefahr, das die Beschichtung z.B. durch einen Stein beschädigt wird. Dann bremst sich die Felge besonders schnell durch, da du ja die bissigen Keramikbremsbeläge draufhast.

Die Grizzly ist eigentlich nicht keramikbeschichtet. Das CSS hat irgendwas mit Karbid zu tun; aber wie schon gesagt schweigt man sich bei Rigida über die Zusammensetzung aus. Tatsache ist, - und da kann ich Detlef beipflichten - die Felge ist nicht mal eben leicht durchzubremsen. >20000km sind schon realistisch. Bei mir ist mit den grauen Belägen ein halbwegs akzeptables Nassbremsverhalten gegeben.
Die graue Beschichtung hat trotz alpinem Gelände, viel Gestein und ruppigem Einsatz noch keine Beschädigungen (liegt vielleicht auch an den breiten reifen, die vor Schäden schützen.
Ein Verschleißindikator ist bei der Grizzly nicht nötig. Wenn du das Alu an der Flanke siehst, ist sie am Ende ihrer Lebensdauer.
Doch bis dahin dauert's.

Micha

Hallo Mischa,

seit ca. 500 km habe ich die Rigida Grizzley CSS in 622 mm (28 Zoll). Inzwischen ist der 4. Satz Bremsgummies montiert, zunächst Shimano Cantilever (war noch dran), dann Shimano V-Brake (die bei LX mitgelieferten) und jetzt zum 2. mal Kool-Stop in grün, ca. 50% abgenutzt, hält gefühlt aber länger als der erste Satz. Bei diesen ist wichtig, dass Sie wie auf der Anleitung der Kool-Stops beschrieben, parallel zur Felge montiert werden. Für die ersten Sätze hatte ich den Trax Brake-Shoe-Tuner verwendet, der hinten mehr Platz als vorn lässt. Die Kool-Stop haben aber hinten einen kleine Nase, die das regelt.

Nachfrage beim Händler ergab, dass er die "billigsten" nehmen würde, weil eh nichts hält.

Die Felge wird übrigens wohl nicht mehr produziert, ich hatte schon Probleme Sie zu bekommen. Der Nachfolger ist wohl Sputnik CSS.

Grüße
Helm

Hallo und danke für eure Beiträge!

Im Kool Stop Katalog sind die Bremsgummis für Rigida CSS als "Karbid" bezeichnet. Ich dachte zuerst, dies bezieht sich auf die Farbe der Beläge . Wie von Micha berichtet, kann das wohl auch mit dem Material der CSS-Beschichtung zu tun haben.

Viele Grüsse
Mischa

Ist das eine Vermutung oder liegen eigene Erfahrungen vor? Bei meinen Mavic-Keramikfelgen aus der frühen, fehlerhaften Serie (1996-2001) waren die Abplatzungen nie so groß, daß der Bremsgummi die Alufelge berührt hätte. Die Fehlstelle spürt man nur gefühlt durch Ruckeln beim Bremsen, sie setzt sich alsbald mit Abrieb zu und dann störts auch kaum noch. Die Keramik-Bremsbeläge sind nicht aggressiver, sondern härter und hitzebeständiger. Insbesondere neue Keramikfelgen wirken wie Sandpapier. Nimmt man einen Keramikbelag auf normaler Alufelge, wäre die Bremswirkung schlecht.
Der Vollständigkeit halber: Eine MTB-Zeitung hat einmal 4 Fotos mit den 4 Zuständen einer Keramikfelge veröffentlicht: rauh, glatt, mit kleinen Fehlstellen, mit dünner und fast durchgebremster Keramikschicht. Leider stand nicht dabei, wie man das geschafft hat. Vielleicht mit völlig versandeten Bremsen tausende Höhenmeter vernichten... Meine Vorderradfelge verharrt im Stadium 3 seit vielen Zehntausend Kilometern.

Ja, leider darf Werbung alles, nur - laut Ideologie teuer bezahlter Marketingexperten - soll der Kunde keine sachlichen Produktinformationen erhalten. Wir, die es genauer wissen wollen, dürfen raten: Karbid ist nicht allein der Stoff für alte Fahrradscheinwerfer. Lies den Abschnitt über Metallhaltige Carbide . Das würde passen und beschreibt nichts anderes, als eine Keramikbeschichtung. Bliebe noch das Verfahren. Mavic hat vermutlich das Plasmabeschichten verwendet (dicke Schicht, offenporig, seit den 80iger Jahren verbreitet, u.a. Bratpfannen, Lamy-Kugelschreiber, Druckzylinder...). Rigida schreibt etwas von hohen Geschwindigkeiten beim Beschichten, was auf das Kaltgasspritzen oder das HVOF-Verfahren hindeuten könnte. Vermutliche Vorteile: Keine Poren, dünne Schichten (kein Abplatzen). Nachteile: Sehr selten und teurer. Was auch immer - die oben beschriebenen Erfahrungen mit der geringen Abnutzung der CSS-Felge sind überzeugend.