Dies ist der Bericht unserer Tour diesen Winter vom 29.Dezember 2015 bis zum 18.Januar 2016 durch England und Schottland. Mancher mag sich fragen (und ich gebe zu, dass ich mich das während der Tour auch des Öfteren gefragt habe) wie man auf die Idee kommt, im Winter durch Großbritannien zu radeln. Für uns war der Auslöser der Kurzfilm
The coldest March , den wir bei den Kurzfilmtagen 2014 in Berlin gesehen hatten. Der hatte uns so gut gefallen, dass wir sofort dachten, wir wollen auch im Winter dahin. Abgesehen davon hatten wir hatten wir England auch sonst in sehr
schlechter guter Erinnerung. Vor vier Jahren waren wir im Sommer den
Pennine Way gewandert. Ich weiß genau, dass ich während dieser Wanderung sehr oft sehr heftig geflucht habe und mich einige Male echt gefragt hab, warum wir das eigentlich machen. Es hat 2 Wochen ständig geregnet, der Weg ist – da er größtenteils über Hochmoorflächen geht – ein einziger Sumpf und man stapft die ganze Zeit knöcheltief durch den Schlamm, und er nimmt wirklich jeden Höhenmeter mit, der sich im Umkreis bietet. Trotzdem, und das find ich verblüffend, hab ich diese Tour rückblickend als eine unserer besten Touren in Erinnerung. Insofern – mit dem Abstand von 4 Jahren – hatte ich wirklich große Lust, wieder mal nach England zu reisen.
Mit der Route hatten wir uns an einem
Track orientiert, den wir im Netz gefunden hatten und der vor Allem über verkehrsarme Nebenrouten geführt wurde. Kombiniert mit den Routenempfehlungen von Bahnhofsradler Reinhard – an dieser Stelle nochmal danke Reinhard für die ausführlichen Vorabinformationen!
Wir hatten, um die Billigflieger mit der Anforderung nach Kartonverpackung zu umgehen, das Risiko von Umstiegen in Kauf genommen und etwas unorthodox die Hinreise über Brüssel und die Rückreise über Oslo gebucht. Der Start war geplant in Birmingham – das sollte von der Strecke für 2 Wochen ganz gut passen, und außerdem planten wir, uns in Birmingham noch mit einer Freundin zu treffen, die dort mit ihrer Familie wohnt.
Los geht’s:
Tag 1: Berlin – Birmingham
Der Hinflug verläuft problemlos und wir erreichen Birmingham am späten Nachmittag. Wir hatten, um nicht im Dunkeln noch durch die Stadt gurken zu müssen, ein Hotel in Flughafennähe gebucht. Dort werden wir empfangen, die Unterbringung der Räder ist überhaupt kein Thema, sie werden kurzerhand im Konferenzraum geparkt. Und da liegt ein ganzer Stapel Fahrradbücher auf dem Tisch. Bernd bekommt leuchtende Augen. Der Hotelangestellte erzählt, die gab es als Weihnachtspräsent für alle Bediensteten. Ob wir daran Interesse hätten? Klar. Gewichtsoptimierung hin oder her, das 1,2 kg-Hardcover Buch wird eingepackt und die nächsten Wochen durch England geschaukelt.
Das Treffen mit der Freundin muss dann allerding leider ausfallen, sie liegt krank im Bett. Müssen wir also irgendwann nochmal wiederkommen.
Tag 2: Birmingham – Newport
Für den Weg aus Birmingham raus folgen wir immer dem Kanal nach Norden. Wir machen sehr bald Bekanntschaft mit den ersten englischen Drängelgittern – hier noch die humane Variante:
Im weiteren Verlauf des Tages und der Tour werden wir die noch oft verfluchen, da die Passage häufig nur mit Abnahme der Taschen oder Überheben des Rades möglich war.
Der Kanal ist bald erreicht und führt uns auf der National Cycle Route 5 gen Norden. Erstaunlich, was Flussradweg hier alles bedeuten kann…
Während einer Einkaufpause am Vormittag fängt es an zu regnen – und wird für heute auch nicht mehr aufhören. Und für die nächsten Tage…., naja….
Super Radweg!Ja, das ist immer noch der NCN Weg 5.Während ich bei dieser Art Drängelgitter noch ganz gut durchkam, hatte Bernd mit dem deutlich längeren Rad schon erste Probleme.
Am Nachmittag werfen einen hoffnungsvollen Blick auf die Wettervorhersage – die Aussichten sind allerdings…
Wir vermuten, dass dieser Hausbesitzer eigentlich nicht viel mehr Strom im Jahr produzieren kann, als unsere Nabendynamos.
Am Abend flüchten wir uns in ein Hotel. Wir sind platschnass, die Schuhe sind durch. Blauäugig wie wir waren – bisher reichten die wasserdichten Wanderstiefel eigentlich immer aus – sind wir ohne Überschuhe gefahren. Und irgendwann ist es von der nassen Regenhose von oben in die Schuhe reingesuppt. Wieder was gelernt: Ab morgen nur noch mit Überschuhen fahren – die Wassermengen sind hier offensichtlich andere, als auf bisherigen Regenfahrten.
Tag 3: Newport – Delamare
Am Morgen große Freude: Die Sonne scheint!
Der erste Weg führt uns allerdings erstmal in den örtlichen Radladen. Beim Flug hat offensichtlich Bernds Schaltzug gelitten und muss ausgetauscht werden.
Außerdem hat die gestrige Fahrt über die gefluteten Trampelpfade den Bremsen ordentlich zugesetzt. Also lieber nochmal Ersatz nachgekauft. Danach fährt es sich über kleine Nebensträßchen entspannt durch die Landschaft.
Mittags geht dann zwar ein wirklich heftiger Regenschauer runter, aber danach scheint tatsächlich nochmal die Sonne:
Heute ist Silvester – und irgendwie unser Glückstag. Denn pünktlich am Abend, wo wir uns langsam auf die Suche nach einer Unterkunft machen, sehen wir einen Campingplatz: Geöffnet und auch für Zelte zugelassen (das haben wir in den folgenden 2 Wochen nur noch sehr vereinzelt gesehen).
Wir fragen nach einem Platz für die Nacht. Die Dame der Rezeption ist sich offensichtlich nicht ganz sicher, ob wir das wirklich ernst meinen und bittet ihren Mann dazu: Die beiden wollen zelten, aber die Wiese ist doch viel zu nass! Was sie denn machen sollten, sie könnten uns doch jetzt nicht mehr wegschicken! - Ja, die Wiese sei wirklich sehr nass und eigentlich gesperrt, aber wir könnten sie uns ja mal ansehen. - Das machen wir, befinden die Wies e als wunderbar und bauen auf.
Andere Camper versorgen uns noch mit Tee und Kaffee und wir verbringen so eine ruhige und entspannte Silvesternacht.
Tag 4: Delamare – Preston
Der neue Tag – und auch das neue Jahr beginnt allerdings mit einer Panne: wortwörtlich. Schon beim Beladen der Räder stellt Bernd einen Platten am Hinterrad fest. Ein Dorn hat sich eingefahren. Nun, der Vorteil immerhin, wir können die Reparatur noch in der Küche des Campingplatzes vornehmen.
Beim Abschied vom Campingplatz warnt uns der Betreiber vor der Weiterfahrt nach Norden. Es gebe Unwetterwarnungen für Schottland und von Reisen in die Gebiete werde dringend abgeraten. Wir plaudern auch noch mit einem anderen Camper, selbst Radler und schon weitgereist, der das deutlich entspannter sieht: „Cooler Plan, ihr schafft das schon!“
Das denken wir auch und strampeln weiter. Queren den Mersey und schlängeln uns zwischen Liverpool und Manchester nach Norden. Nicht unbedingt der schönste Abschnitt der Reise, aber auf die Fahrt durch eine der beiden Städte hatten wir beide noch weniger Lust.
Es ging dann auch wieder lange Strecken entlang von Kanälen – teilweise schön zu fahren, teilweise eine einzige Rutschpartie im Schlamm, unterbrochen von den Gittern alle paar Hundert Meter, die zum Teil wieder nur mit Abnahme der Taschen oder Überheben zu passieren waren.
Das ist mühsam und landschaftlich ist die Stecke nun auch nicht unbedingt eine Sensation. Am frühen Nachmittag fängt es an zu regnen, und am Abend sind wir wieder reif für’s Hotel. Zum Zelten habe ich heute keine Nerven mehr.
Unterwegs freuen wir uns über jede Brücke oder Bushaltestelle, die zeitweise Schutz vor dem Wasser von oben bietet.
Tag 5: Preston – Ingleton
Da uns der Track in den letzten Tagen nicht so richtig gut gefallen hat, entscheiden wir, die Route etwas zu ändern, und weiter östlich, durch den Forest of Bowland weiterzufahren.
Auch hier folgen wir einer National Cycle Route, auch wenn man die vielleicht nicht immer als solche erkennt...
Und in den hügeligen Bowlands wird’s dann landschaftlich wirklich schön. Wir peilen das Örtchen Ingleton an, welches nach unserer Karte sowohl über Campingplatz als auch Jugendherberge verfügen soll.
Leider erweisen sie die Campingpätze als Carawan-Plätze, und die JH hat grade am Vortag für die nächsten 2 Monate geschlossen. Auch das ist etwas, was wir immer wieder antreffen: Die offiziellen JH sind ausnahmslos im Winter geschlossen oder aber schon lange nicht mehr existent. Mehrfach sind wir vor JH vorgefahren, an denen uns nur das For Sale Schild sagte, dass wir da wohl nicht unterkommen werden. Heute Abend finden allerdings noch ein B&B Zimmer und verbringen den Rest des Abends bei Bier und Fish&Chips im örtlichen Pub.
Tag 6: Ingleton – Tebay
Der folgende Abschnitt ist landschaftlich der schönste Teil bisher. Auch wenn die Steigungen echt heftig sind und ich streckenweise auch bergab schiebe, weil die Bremsen bei der platschnassen Straße nicht mehr die ausreichende Leistung bringen - die Gegend ist wirklich schön. Und die ersten 2 Stunden bleibt es auch trocken. Gegen Mittag fallen dann allerdings wieder die ersten Tropfen und wir kehren erst mal im Pub ein, um etwas Kraft zu tanken.
Landschaftlich wunderschön, topographisch ziemlich anstrengend kostet dieser Abschnitt viel Kraft. Der mittags einsetzende Regen wird immer heftiger und der (immerhin von hinten wehende) heftige Wind bläst mir das Wasser in den Nacken. In diesem Moment macht mir die Tour grad – trotz schöner Aussicht – keinen Spaß mehr. Das Wasser strömt in Bächen die Straße entlang, die edle GoreTex Ausrüstung hebt die weiße Fahne und langsam kriecht das Wasser auch in die unteren Kleidungsschichten.
Als wir am Nachmittag das Örtchen Tebay erreichen, trete ich in Streik. Es gibt einen Pub mit Accomodation und brennendem Kamin. Wir trinken Kaffee, Kakao, Bier. Essen Kuchen. Machen die Übernachtung klar. Essen Pie und trinken weiter Bier. Nach nur 50km in 6 Stunden ein recht kümmerliches Tagesergebnis. Aber das Kaminfeuer verhindert jeden Gedanken an eine eventuelle Weiterfahrt.
Die Suchbegriffe "Nordengland" und "Flut", als wir nach dem aktuellen Status der Hochwasserwarnungen suchen, um zu sehen, ob unsere Route ggf. irgendwo blockiert ist, liefern seitenweise Ergebnisse:
Usw...
Es ist zwar ganz schön, im trockenen Zimmer zu liegen, aber langsam frustriert mich das mit den Hotels zunehmend. Geht für mich Urlaub doch eigentlich immer mit Zelten einher. Urlaub ohne Zelten ist für mich eigentlich kein Urlaub. Und dass wir hier immer wieder ein Zimmer nehmen (müssen), weil es zu nass ist, wir keine geeignete Stelle zum Zelten finden, oder eben auch keine Nerven mehr haben, überhaupt danach zu suchen, ärgert mich ziemlich und es braucht noch ein paar Tage, bis ich mich damit abfinden kann.
Tag 7: Tebay – Carlisle
Den Morgen verbringt Bernd noch damit, beide Räder mit neuen Bremsbelägen zu versehen – insbesondere seine Scheibenbremse hatte das offensichtlich dringend nötig:
Ein zögerlicher Blick aus der Tür: Die Straße ist trocken! Kein Regen!
Enthusiastisch starten wir los und werden schon nach 2 km wieder gebremst. Die Klammer von Bernds Scheibenbremse ist auch defekt und muss ersetzt werden. Aber bald geht’s dann wieder die nordenglischen Hügel auf und ab. Gern auch mal zu Fuß, weil mir für die Steigungen langsam die Kraft ausgeht.
Britische HeckenpflegeUnser Ziel für heute ist Carlisle. Das ist gesetzt, da wir im dortigen Hostel mal Wäsche waschen wollen. Die Tagesdistanz ist mit rund 70km auch überschaubar. Alles in allem ein richtig entspannter Tag bei schöner Strecke und trockenem Wetter. So macht es wieder richtig Spaß. Dennoch kaufen wir im Penrith unterwegs noch mal ein paar Bremsbeläge nach – sicher ist sicher.
Das Hostel ist neu und nett und wir verbringen einen entspannten Abend in dem schon ziemlich verschlafenen Städtchen.
Tag 8 Carlisle – Abington
Nachdem der Tag gestern wirklich schön war, packt mich heute nochmal die absolute Sinnkrise. Wir verlassen das Hostel in strömendem Regen. Zwar versichert uns der Besitzer, dass es heute irgendwann aufhören solle, aber so richtig viel Vertrauen in Vorhersagen haben wir schon nicht mehr.
Bald schon erreichen wir Gretna an der Grenze zu Schottland.
Ganz ehrlich, dass diese Firma in GB populär ist, erklärt sich irgendwie von selbst:
Im Cafe bilden sich Pfützen nicht nur unter sondern auch auf unseren Stühlen. Generell empfiehlt es sich immer, eher auf den Holzstühlen Platz zu nehmen, als auf den gepolsterten – zumindest den nachfolgenden Gästen zuliebe.
Am Mittag ist es tatsächlich für ein paar Stunden trocken. Allerdings ist die Strecke heute wirklich besonders öde. Über gut 100 km geht es auf Landstraße parallel zur Autobahn. Ziemlich viel LKW Verkehr, extrem langweilige Gegend und der als Radweg ausgewiesene Randstreifen glänzt auch nicht grade durch überragende Qualität. Wie gesagt, der heutige Tag ist nicht mein Lieblingstag der Tour.
Die Trockenpause nutzt Bernd für eine weitere Panne: Dornendurchstich.
Am späten Nachmittag fängt es dann auch wieder an zu regnen. Die Straße nervt mich zunehmend, und der Ort, an dem wir endlich abbiegen können scheint überhaupt nicht näher zu kommen. Es ist bereits 18:00, als wir dort ankommen und wir nutzen die letzten 5 Minuten Öffnungszeit des örtlichen Ladens, um uns mit Kaffee und Informationen zu versorgen. Der CP, der dort laut unserer Karte sein sollte, hat geschlossen. Aber es gibt ein Hotel am Autobahnkreuz. Wir starten noch kurz einen Anlauf, nach einem Platz fürs Zelt zu suchen, aber irgendwie fehlen mir dafür die Nerven. Wir buchen uns also im Hotel am Autobahnrastplatz ein und ich verbringe den Rest des Abends damit, mich zu fragen, was diese ganze Veranstaltung hier eigentlich soll. „Gut“, sagt Bernd irgendwann „sollen wir abbrechen und zurückfliegen?“ Hm, nein, das ist eigentlich nicht wirklich was ich will. Ich würd gern radfahren, zelten, und vielleicht etwas weniger Wasser von oben haben. Und vielleicht etwas schönere Landschaft. – Nun, zumindest für letzteres stehen die Chancen ab jetzt ganz gut.
Tag 9: Abington – West Kilbride
Nächster Morgen: es ist trocken! Immerhin. Nach einem weiteren Wechsel der Bremsbeläge – erstaunlich was wir hier bei den Bedingungen runterschmirgeln – geht es wieder los. Und tatsächlich, auch die Strecke wird langsam schöner, der Verkehr weniger, und ganz langsam fängt es wieder an, auch mir Spaß zu machen.
Jaaa, so hab ich mir das vorgestellt! Am Nachmittag erreichen wir die Küste westlich von Glasgow, die Badeorte reihen sich aneinander, und da wir ordentlich Rückenwind haben rollen wir noch eine Weile weiter. 124 km stehen am Ende auf dem Tacho. Damit haben wir ganz gut Kilometer gut gemacht, und der Plan, JOG zu erreichen, wird wieder realistischer. Wir passieren auch einen Campingplatz und haben kurz sogar die Idee, hier könnten wir übernachten – schließlich steht ein Schild „We are open“ am Eingang. Der Sicherheitsmann erklärt uns aber, dass der Platz bis März geschlossen sei. - Warum denn dann das Schild da stehe? - Das weiß er auch nicht so genau.
Egal, heute ist die Laune gut und wir rollen weiter, bis wir am Abend an der Küste ein einigermaßen trockenes Fleckchen Boden für das Zelt finden.
Tag 10: West Kilbride – Inverary
Nun, das Fleckchen für‘s Zelt war zwar einigermaßen trocken, allerdings am äußersten Ende einer Landzunge. Und die Nacht rüttelt der Wind ganz ordentlich, gegen Morgen mischt sich dann noch der liebliche Klang von Wassertropfen dazu. Puh, so richtig zieht es einen jetzt nicht wieder raus.
Aber nun, JOG ist mit dem langen Tag gestern wieder in erreichbare Nähe gerückt. Also: Regensachen an, das Zelt mit gefühlten 10L Wasser zusammengerollt und losgefahren. Die Erde ist so gesättigt mit Wasser, dass alles Wasser, was neu dazu kommt, sofort auf die Straße fließt.
Wir pflügen die Küstenstraße entlang die Badeorte ab (Badeorte bekommt in dem Zusammenhang eine ganz neue Bedeutung). Auch die Kameras haben mit den Bedingungen zu kämpfen. Sind sie mal nicht beschlagen, ist zumindest die Linse mit Tropfen übersät.
Aber dann: die ersten schneebedeckten Berge kommen in Sicht. Wir sind begeistert! Doch, ja, es gab schon Gründe, warum man das macht. Sorry, das etwas verschwommene Bild hier kann nicht annähernd wiedergeben, wie schön die weißen Bergkuppen am Horizont aussahen.
Von Greenock setzen wir mit der Fähre nach Dunoon über. 30 Minuten Fährfahrt = 30 Minuten trocknen direkt neben der Heizung. Und dann: der Regen wird weniger! Trotzdem plädiere ich erst nochmal für eine Mittagspause in einem Cafe. Auch wenn es eigentlich eine echt üble Zuckerbombe ist: es gibt Situationen, da ist Kakao mit Sahne und Marshmallows eine großartige Erfindung.
Und ab da wird’s wieder schön. Die Landschaft ist super, die Straße führt immer wieder entlang des Wassers, die schneebedeckten Berge im Hintergrund. Sehr schön.
Bei einer kurzen Rast an einer Tankstelle entdecken wir dann das hier:
bevor wir die letzten Kilometer nach Inverary rollen. Laut Karte sollte es hier ein Hostel geben. Nun, denken wir, das wäre nicht schlecht, da könnte man das Zelt ganz gut trocknen. Das Hostel ist allerdings – wie alle anderen auch – im Winterschlaf. Nun was tun? Ich bin guter Dinge und würd eigentlich gern nochmal zelten. Also fahren wir weiter, auf der Suche nach einer geeigneten Stelle.
Die nächsten 5 km nehmen wir so ziemlich jeden Seitenweg um ein geeignetes Plätzchen zu finden, allerdings scheint die Gegend grad eine einzige Waldbaustelle zu sein. Es findet sich nicht ein ebener Quadratmeter. Die Suche mit Stirnlampen im Dunkeln macht es auch nicht grad leichter. Irgendwann hör ich Bernd laut fluchen: Die Kette ist gerissen! Zwar ist das Problem recht schnell behoben, allerdings haben Bernds Hände nun eine dicke Ölschmierschicht.
Ok, inzwischen ist es fast halb neun – wir entscheiden zurück nach Inverary zu fahren und nach einem Zimmer zu schauen. Im ersten Hotel das wir sehen fragen wir nach, und bekommen zu einem rekordverdächtig günstigen Preis ein Zimmer mit Frühstück angeboten. Das Hotel ist erst 2015 von den neuen Besitzern übernommen und wieder in Betrieb genommen worden und hat wirklich Charme.
Tag 11: Inverary – Barcaldine
Der Tag begrüßt uns mit Sonne und eisigen Temperaturen.
Wir rollen noch ein bisschen durch den Ort und zum Castle (das natürlich auch Winterpause hat), und sind eigentlich ganz froh, dass wir gestern nochmal hierher gefahren sind.
Schönes Hotel, echte Empfehlung!Auch der jetzt folgende Abschnitt ist landschaftlich einer der Höhepunkte, zumal der Tag heute tatsächlich komplett trocken bleibt.
Wir nähern uns offensichtlich Loch Ness.In Benderloch, wo sich quasi ein Campingplatz an den anderen reiht, ist für unser Zelt allerdings kein Platz zu finden. Die Campingpätze sind geschlossen oder nehmen nur Wohnwagen auf. So fahren wir weiter und schlagen uns mit dem Zelt nach einigen Kilometer in die Büsche entlang des Radwegs.
Tag 12: Barcaldine – Fort William
Der Tag heute ist schon geplant als kurze Etappe. Fort William ist unser Ziel, wo wir nochmal ein Hostel nehmen wollen um mal nen halben Tag die Füße hochzulegen und die Wäsche nochmal zu waschen. Die Route führt auf bestens ausgebautem Radweg immer entlang von Loch Linnhe und ist auch ein wirklich schöner Abschnitt. Tatsächlich bin ich so langsam mit der Tour etwas mehr im Reinen. Das Wetter ist nicht mehr ganz so trostlos wie in der ersten Woche, und die Landschaft ist wirklich schön und die Radreise wert.
Wir erreichen Fort William am frühen Nachmittag, grad rechtzeitig, bevor es wieder mal anfängt zu regnen. Ist jetzt egal. Wir faulenzen, gehen abends was essen und sind überrascht, wie voll der Ort doch auch jetzt im Winter ist.
Tag 13: Fort William – irgendwo nordwestlich von Drumnadrochit
Das erste Ziel heute Morgen ist mal wieder ein Fahrradladen. Wir müssen Kettenöl nachkaufen. Bei der Witterung war unseres schneller verbraucht als geplant. Aber es ist trocken heute Morgen und der Himmel zeigt sogar einige blaue Stellen. Tatsächlich liegt ein weiterer trockener Tag vor uns. Auch die Strecke heute ist fantastisch, „easy going“ entlang eines Kanals bei trockenem Wetter und phantastischer Bergkulisse: Ja doch, es gibt Gründe, die Tour hier zu fahren!
Wir genießen den Tag, das Wetter und die Kulisse. Weite Teile des Abschnitts entlang Loch Ness fahren wir bereits im Dunkeln, ein paar schöne Ausblicke gibt’s dennoch ab und zu.
Bei Drumnadrochit biegen wir von Loch Ness ab. Wir wollen nicht über Inverness fahren, sondern auf direkterem Weg nach Norden. Zuversichtlich, dass wir auf dem folgenden Abschnitt auch einen guten Platz zum Zelten finden, biegen wir um die Kurve und stehen vor:
Großartig! Das mag ich am Abend, wenige km vor dem vermeintlichen Nachtlager ganz besonders gern. Mühsam schleppen wir uns den Hang hoch und die ¾ Meilen ziehen sich ganz schön hin. Oben angekommen gibt es doch auch erstaunlich viele Höfe, deutlich mehr als vom Anblick der Karte erwartet. Allerdings wird es dann nach einigen Kilometern langsam weniger besiedelt und wir finden ein Plätzchen für unser Zelt.
Tag 14: irgendwo nordwestlich von Drumnadrochit – Bonar Bridge
Verwöhnt von den letzten wirklich schönen Radeltagen brechen wir auf. Es ist trocken und wir sind guter Dinge. Allerdings fällt die Strecke hier gegenüber den Vortagen deutlich ab. Es ist wieder sehr viel dichter besiedelt, die Küste ist gesäumt von Bohrinseln, und die Straßen sind relativ viel befahren.
Immer schön Vorfahrt achten! Und sei es die der Kuhherde von der Weide. Wer hat’s gewusst?Gegen Mittag fängt es dann auch wieder an zu tröpfeln. Es tröpfelt heftiger, und irgendwann hat es sich dann wieder richtig schön eingeregnet und wir strampeln wieder in Vollschutz weiter.
Wir fahren noch ein paar Stunden und haben am Ende 100 km auf dem Tacho stehen, als wir im Örtchen Bonar Bridge ankommen. Es regnet, wir sind nass, Bernd hat Schmerzen im Knie und es ist Zeit, den Tag zu beenden. Wir mieten uns im einzigen geöffneten Hotel des Ortes ein. Vielleicht etwas schmierig, aber die Gastgeber sind echt bemüht, uns nen schönen Aufenthalt zu machen. Der Wirt begrüßt uns etwas kopfschüttelnd: "You are cycling?" "Yes!" "In January??" "Yes!" "In Scotland???" "Yes!!" "You are crazy!" – Da hat er wohl recht. Für noch größeres Kopfschütteln sorgten wir allerdings, als wir nach dem Duschen nochmal aus dem Haus gingen, um noch ein paar Kleinigkeiten einzukaufen. "Ihr wollt nochmal raus? Ja habt ihr denn nicht schon genug frische Luft gehabt???"
Fortsetzung folgt...