Alles begann im September 2012. Da hatte Andre die Idee zu einer Nonstop-Fahrt über die Alpen. Von München zum Gardasee. Auf einer 'direkten' Route, ohne größere Abschnitte im Inntal. 400 Kilometer. Daher führt die Route weder über den Brenner noch über den Reschenpass, sondern über das Timmelsjoch – mit 2509 m. ü. M. einer der richtig hohen Alpenpässe. Alles in allem rund 3.500 Höhenmeter.
So eine Fahrt ist nicht für jeden und ich fühlte mich geehrt, die Einladung bekommen zu haben. Letztlich lief es auf vier Teilnehmer heraus – eine gute Größe für eine solche Fahrt. Sigma7 (Andre), Thomas1976, Gerold und ich.
Bei genauerer Planung stellte sich heraus, dass eine Nonstop-Fahrt schwierig werden würde, denn es könnte bedeuten, bei Dunkelheit über den Alpenpass zu fahren. Und mit 60-70 km/h bergab bei völliger Dunkelheit, das muss nicht sein. Auch, weil man dann die schönen Blicke verpasst. Also haben wir geplant, kurz vor dem Pass zwei oder drei Stunden zu schlafen, bis der Morgen graut. Doch es sollte anders kommen.
Mir war klar, mit dem Liegerad wird das nichts. Zu schwer. Das Rennrad musste es sein. Auch wenn der Sattel irgendwann unbequem wird. Mehr als 230 km am Stück bin ich noch nie aufrecht gefahren. Darüber habe ich nicht nachgedacht. Das war nicht gut. Zunächst stand Training auf dem Programm. Meine Rennrad-Hausrunde hat gute 70 km und 1400 Höhenmeter. Die meisten Anstiege sind moderat, nicht mehr als 10%. Eine ganz andere Trainingsfahrt war eine Runde mit 148 km und mehr als 3.000 Höhenmetern. Dabei eine Steigung, zu der
quaeldich.de schreibt: »Eine härtere Prüfung [...] dürfte man im ganzen Sauerland kaum finden.«. Diese Trainingsfahrt war sehr hart, aber ich packte sie. So fühlte ich mich ausreichend fit für die Reise. Doch woran ich nicht gedacht hatte: Zwei harte Tage am Stück sind schwieriger als ein harter Tag. Und: Mit Gepäck ist es anstrengender. Zwar sind rund 13 Kilo (inklusive Gewicht der Taschen und der Kleidung am Leib) nicht übermäßig viel, doch bei 3.500 Höhenmetern macht sich das bemerkbar. Deutlich.
Thomas, Gerold und ich sind am Vortag nach München und haben abends noch ein Bier getrunken. Das war nicht gut für mich, ich trinke sehr selten Alkohol. Besonders frisch bin ich nicht aufgewacht. Aber was sollte ich tun? Immerhin: Andres Nachtzug hatte zwei Stunden Verspätung, sodass wir uns nochmal umdrehen konnten. Nach dem Treffen auf dem Marienplatz mit Brezelfrühstück ging es kurz vor 10 Uhr bei weitgehend bedecktem Himmel los.
Fast von Anfang fuhren wir leicht bergauf, kaum spürbar. Erst nach knapp 100 km, kurz vor Mittenwald, erwartete uns der erste kleine Huckel. Unterwegs hatten wir ein oder zwei kleinere Regenschauer, nichts ernstes. Wegen der Wärme wurden die Sachen schnell wieder trocken. Hinter Mittenwald ging es gleich in einem zunächst deutlichen und dann recht sanften, aber gleichmäßigen Anstieg über Leutasch (erster österreichischer Ort) zur Buchener Höhe, die auf 1.260 Meter liegt. Nach eine herrlichen Abfahrt runter auf 620 Meter haben wir gegen 18 Uhr in Telfs eine Essenspause gemacht. Anschließend ging es sofort wieder bergauf, zunächst ganz leicht im Inntal, dann immer deutlicher im Ötztal.
Die Schlucht bei Leutasch ist touristisch voll erschlossen
Die Alpen sind erreicht
Angesichts der Berge rechts und links war es nicht zu übersehen, dass wir nun endgültig in den Alpen waren.
Um kurz nach 20 Uhr gab es dann eine richtige Essenspause, knapp eineinhalb Stunden. Von dort fuhren wir in die Dämmerung, gute 20 km bergauf nach Sölden, wo wir eine Mütze Schlaf nehmen wollten. Die ersten 10 km hatte ich ernsthafte Probleme mit dem Sitzen, dann wurde es besser – warum auch immer.
Essenspause
Im Ötztal
Eigentlich wollten wir uns in Sölden ein »EC-Hotel« (Geldautomaten-Vorraum) nehmen, aber dann kam es besser: Die Touristen-Info wird nachts nicht abgeschlossen, und wir fanden einen sauberen und angenehm beheizten Raum vor. Sogar die Toiletten waren offen, sodass wir uns waschen und die Zähne putzen konnten. Da es auf 1.350 Meter in der Nacht durchaus kalt werden kann, haben wir die Abfahrt auf 5 Uhr morgens gelegt.
Unser »Hotel«
Wir haben uns gegenseitig darauf verlassen, uns zu wecken, und keiner hat den Wecker gestellt. So sind wir erst kurz vor sechs losgekommen. Die Fahrt zur Passhöhe – noch 1.300 Höhenmeter – war für mich recht hart, insbesondere die letzten 4 km mit konstant 10% Steigung machten mir zu schaffen. Nach einem Pausentag wäre das kein Problem gewesen, aber mit schnellen 195 km in den Beinen (Schnitt bis dahin deutlich über 20) war es nicht ohne. Vor dem Pass haben wir in einem Hotel noch ein ausgiebiges Frühstück eingenommen, und letztlich habe ich erst nach 11 Uhr (deutlich nach den anderen drei) das Timmelsjoch erreicht, das rund 2.500 über Meereshöhe liegt. Ab etwa 2.100 Meter schneite es leicht.
Der 3082 Meter hohe Wurmkogel mit Passstraße
Auf dem Weg zum Timmelsjoch
Passhöhe erreicht!
Nach dem Pass: Rasante, fast 40 km lange Abfahrt. Mit jedem Meter wurde es wärmer und trockener. Unten erwartete uns bestes Sommerwetter.
Auch auf den folgenden 10 km ging es viel bergab. Mit kurzen Gegenanstiegen, auf denen ich fast immer den Schwung nutzen konnte. Ab Meran waren wir im Etschtal. Das flache Flusstal hat beidseitig hohe Berge und ist breit genug für Autobahn, Eisenbahn, Obstplantagen und einen weitgehend hervorragend ausgebauten Radweg, der zügiges Fahren erlaubte.
Etschtal
Dank ganz leichtem Rückwind ging es mit 28-29 km/h gut voran. Ohne Schmerzen im Gesäß hätte es deutlich mehr Spaß gemacht. Mir haben Gesäßteile weh getan, deren Existenz ich noch gar nicht kannte. Keine Details. Auch an den Handballen wurde es langsam unangenehm. Kurz nach 15 Uhr hatten wir mit Bozen die Hauptstadt der Region Südtirols erreicht. Eine gute Stunde Essenpause mit Spaghetti tat uns gut, denn uns erwarteten noch immer 112 km.
Zunächst weitere flache 95 km im Etschtal, die wir ohne Zwischenfälle oder größere Pausen in etwa vier Stunden hinter uns brachten.
Liegeradfahrer im Etschtal
Vor dem 15 km entfernten Gardasee stand noch ein Huckel mit knapp 200 Höhenmetern. Dank eines Radwegs abseits der Straße kann man den Autoverkehr gut vermeiden, allerdings fährt man auch deutliche Umwege. Daher haben wir den Radweg nur bergauf benutzt. Bergab waren wir schnell genug, dass uns kein Auto überholen konnte
»Pass« als letzte Hürde vor dem Gardasee
In einer kurzen und schnellen Abfahrt erreichten wir schließlich den See, von dort hatten wir noch flache 3 km bis zum Hotel. Etwas müde, aber ohne körperliche und technische Ausfälle waren wir um 21:30 am Ziel. Nach der Dusche ging es zur Einnahme der verdienten Pizza!
Zurück haben wir uns aufgeteilt. Gerold wollte noch ein paar Tage mit dem Rad in den Dolimiten genießen, Thomas musste bereits gegen 8 Uhr zum Zug aufbrechen, während der Zug für Andre und mich zwei Stunden später fuhr. Die Rückreise war relativ unproblematisch, mit der schon fast obligatorischen ICE-Nutzung wegen eines verpassten Anschlusses. Wenn man es richtig anstellt, meckert der Schaffner (in unserem Fall eine Schaffnerin) nur kurz über die Räder und lässt einen dann in Ruhe
Ein aus Dummheit verpasster Anschluss in Düsseldorf hat meine Reisezeit dann noch um 70 Minuten verlängert.
Einen Pannenkönig konnten wir nicht krönen. Es gab zwar eine echte Reifenpanne (nicht bei mir), aber auch andere Kleinigkeiten. So hatte ich auf dem Weg zur Passhöhe einen 5 cm langen Schnitt im Reifen entdeckt. Damit wollte ich die Abfahrt nicht riskieren, also habe ich sicherheitshalber den Reifen gewechselt. Und: Mein Antrieb quietschte. Da ich erst kurz vorher das Tretlager gewechselt hatte, schien die Ursache klar. Doch weit gefehlt. Im Etschtal habe ich gemerkt, dass es im kleinsten Ritzel deutlich lauter ist. Die Ursache war dann in wenigen Sekunden behoben: Der Schnellspanner war nicht ganz fest. 350 km lang nervte uns das Geräusch. Unnötig. Bei den anderen beiden gab es ein knackendes Pedal und ein Hinterrad saß nicht richtig. Nicht ernstes bzw. leicht zu beheben.
Hier der Bericht von Gerold im österreichischen Forum Wer mehr Bilder sehen will: Hier das Picasa-Fotoalbum