Tag 8: Lac des Monges – Col de Clapouse – Sommet des Monges – Cluse de Barles – Digne-les-Bains – Saint-Jurs – Moustiers-Sainte-Marie – Aups 125 km, 2040 Hm.
Karte Es ist ja schon ein Riesenglück, wenn man an einen Ort kommt, von dem man seit einiger Zeit träumt. Wenn dann auch noch schönes Wetter ist und es im Zusammenhang einer längeren Tour geschieht – wow!
Es erstaunt mich immer wieder, dass ich allen Plunder in die Taschen kriege.
Der Tag wacht auf, und ich fahre zum Col de Clapouse, Richtung Sonnenaufgang.
Auf dem Pass ist etwas los, boah! Eine dutzendköpfige Familiengruppe hat im Refuge de Seignas übernachtet. Die war anscheinend sehr gut belegt: auf die 10 Schlafplätze kamen über zwanzig Leute! Ein Vater hat ohne Unterlage auf dem Tisch geschlafen, einer draussen. Hach, zum Glück war ich gestern eher spät unterwegs und mochte nicht mehr über den Pass!
Landschaftlich beginnt hier etwas, was ich mal als Hochzeit zwischen den Alpen und den mongolischen Steppen bezeichnen würde
Ich steige noch auf den Sommet des Monges.
Schöner Ausblick mit traurigem Hintergrund: im Massif des Trois-Evêchés fanden beim Absturz von Germanwings-Flug 9525 hundertfünfzig Menschen einen überaus sinnlosen Tod.
Die weissen Zinnen gehören zum Massif des Ecrins.
Ich muss gestehen: an der Cloche de Barles und ihrer kleinen Schwester habe ich einen Narren gefressen
Hier geht’s runter – yeah
Blick zurück zum Col de Clapouse. Das geübte Auge erkennt das Refuge du Seignas.
Bei der Bergerie de Chine geht die sehr gut fahrbare Graspiste in eine grobschottrige Alpstrasse über.
Die Abfahrt ist ein intensiver Spass!
Und es folgt gleich das nächste Highlight: die Clue de Barles. Auch die hat mich seit vielen Jahren auf der Karte angelacht – absolut zu Recht!
Der Bès erinnert mich an die
Suld, den Traumfluss meiner Jugend. Beim leuchtenden Baum halte ich an und nehme ein Bad – wunderbar
Herrlich, einfach auf Teer ein Tal hinausrollen und die Landschaft geniessen!
Dem Schild zum Site du Vélodrome kann ich noch knapp widerstehen, dem zum Site de l’Ichtyosaure nicht. Wenn man voll auf versteinerte Fossilien abfährt sicher ein toller Ort; mir hat aber vor allem die Aussicht gefallen – wobei, ich fand den knapp stündigen Fussmarsch schon arg lang.
Vor allem wenn man bedenkt, dass einem Fossilien bei der Dalle des Ammonites kurz vor Digne-les-Bains quasi geschenkt werden.
In Digne-les-Bains muss ich den Temposchalter umlegen. Bisher bin ich einfach meiner Highlight-orientierten Nase gefolgt und habe grosszügig alles mitgenommen, was mich links und rechts des Weges angelacht hat: die Aravis-Komplikation, Karma Ling, Grand Veymont, La Servelle, Sommet des Monges. Heute ist Montag, Donnerstag muss ich wieder arbeiten; für die Rückreise muss ich ca. einen Tag einrechnen, denn auf der SNCF-App kann ich keine TGVs vom Mittelmeer Richtung Schweiz buchen (was mich nicht gross stört, denn Radzusammenlegen ist nicht so meins – aber die TERs brauchen halt schon ein bisschen länger…).
Ab Digne habe ich zwei Optionen: entweder landschaftlich schön Richtung Cannes, oder ein bisschen weniger reizvoll nach Sanary-sur-Mer. Dort hat es ein kleines buddhistisches Zentrum, zu dem ich schon seit Langem pilgern möchte. Ich habe mich bereits vor 1-2 Tagen fürs Pilgern entschieden und mich provisorisch im Kloster angemeldet. Nun heisst es noch dorthin kommen. Aber eben, allzu viel Zeit bleibt mir nicht mehr, und für morgen melden sie zudem Regen.
Digne wäre glaub ziemlich nett (ok, vielleicht eine Spur zu gross für meinen Geschmack), aber ich bin zur toten Stunde dort und finde auf die Schnelle keinen Lebensmittelladen. In der Bar du Sport kann ich unter Betrunkenen Wasser und ein bisschen Strom tanken und nochmals die Route und den Wetterbericht checken.
Schnell und verkehrsarm sollte die Route sein, aber das beisst sich immer ein bisschen – ausser man wendet den Nachttrick an. Daher folgender Plan: heute so lange wie möglich fahren, morgen so früh wie möglich weiter und so weit wie möglich düsen bis der Regen kommt, und während oder nach dem Regen noch nach Sanary ans Meer.
Nebst der Dalle des Ammonites und dem Bahnhof des Chemin du fer de la Provence hätte Digne sicher noch einiges zu bieten. So erfahre ich am Folgetag im tibetischen Kloster, dass ich das Haus der grossen Tibetreisenden
Alexandra David-Neel verpasst habe.
So, fertig Digne, jetzt wird gefahren
In Mèzel werde ich beim Dorfladen gefragt, ob ich Kinder habe. Als ich bejahe, erhalte ich ein paar Süssigkeiten – es ist Halloween!
Ich habe schöne Kindheitserinnerungen an Moustiers-Sainte-Marie, und so habe ich meine Route dort durchgeplant. Am schnellsten scheint mir der Weg über Saint-Jurs zu sein, was sich aber als Trugschluss erweist: der Aufstieg ins Dorf ist happig, und die Schottertraverse nach Moustiers bei einbrechender Dunkelheit ein kleines Abenteuer.
Moustiers ist mir zu teuer zum Übernachten, und vor allem will ich ja so weit wie möglich fahren. So vertilge ich im schönen Ort nur eine Pizza, und dann rausche ich weiter. Eine Übernachtung beim Le Hameau du Pont verwerfe ich aufgrund der noch zu guten Form wieder. An dieser Stelle nochmals Danke an die überaus verständnisvollen Gastgeber, dass sie meine Annulation akzeptiert haben – wobei, vielleicht waren sie schlicht froh, zieht der stinkige und total verschwitzte Schweizer weiter
Ich liebe es, in der Nacht zu fahren: man sieht nichts, aber man riecht die Umgebung, und zwischendurch spürt man leichte Temperaturschwankungen. Und man fährt und fährt… Bei den letzten Rämpchen des Col de la Bigue komme ich aber schon langsam an den Anschlag, und ich bin heilfroh, als ich nach Aups in die
Maison du Bonheur runterrauschen kann.
Die Maison ist schwer zu finden, aber es hat eine Dusche, ein Bett und zwei Steckdosen – was will ich mehr.
Ein langer Tag: von der verträumt-ruhigen Erkundung der Monges zum wild-schnellen Ritt Richtung Süden.
Morgen soll es schnell weitergehen.