10.04.2013 Plock - Kutno - Lodz

Im Zimmer steht ein Wasserkocher und ich habe mir gestern Abend noch etwas für mein Frühstück gekauft. Ohne Mampf kein Kampf! Die Frustration vom Vortag war gewichen. Ich war voller Tatendrang. Schon um 06:00 Uhr bin ich aufgestanden und kurz nach 07:00 Uhr ging es auch schon los. Komisch, sollte heute nicht wieder die Sonne scheinen. Es waren nur 3 Grad C. Anfangs kämpfte ich wieder gegen den Ostwind, aber nicht mehr lange.


Letzter Blick zur Weichsel

Ich wollte heute in Richtung Lodz fahren. Ja, meinen Plan, weiter an der Weichsel über Warschau und Krakau zu fahren, habe ich verworfen. Die Witterung lässt lange Etappen nicht zu. Vor allem möchte ich nicht ins Ungewisse fahren. Auf den Dörfern wäre es zu wärmeren Zeiten möglich, ein Zelt aufzuschlagen. Doch dass habe ich nicht dabei und ich hätte auch keine Lust, bei diesem Wetter mein Zelt aufzuschlagen und mir eine Suppe zu kochen. Da bin ich zu weich. So ist die Planänderung entstanden.

Nach vielleicht 15 km hatte ich Rückenwind. Aber die Temperatur bleibt hartnäckig bei 3 bis 4 Grad C. Dazu ist es auch noch nasskalt. Heute ist es nicht möglich, eine lange Pause im Freien zu machen. Die Gefahr, dass ich unterkühle ist mir zu hoch. Ich halte nur mal kurz an, um zu trinken.
Endlich kann ich wieder über kleine Nebenstraßen fahren. Hier gab es so gut wie keinen Verkehr. Die Dörfer sind sehr klein. Die Bauern scheinen hier vom Ackerbau zu leben.



Die Felder können jedoch nicht bearbeitet werden. Der Schnee ist zwar schon fast weg, aber die Felder sind richtig nass.
In Zychlin finde ich keine Bar, wo ich mich aufwärmen kann. Drei ältere Damen empfehlen mir eine Raststätte an der Fernstraße 92 (Warschau-Kutno) bei Bedlno. Ich finde die Raststätte. Ich bin wieder richtig durchgefroren und sehne mich nach einer Suppe und Tee. Der Tipp mit der Raststätte war super. Ich bekomme hier Tee, Suppe und Eierkuchen mit Marmelade. Dazu ist es noch schön warm. Da es erst 11:00 Uhr ist und ich gute 50 km hinter mir habe, schmiede ich mir den Plan, weiter bis nach Lodz zu fahren. Draußen fängt es nun heftig an zu schneien, dann kommt auch noch Nebel und Nieselregen hinzu.



Auch Kellnerin versteht die Welt nicht mehr, man hat doch heute Sonne vorausgesagt, sagt sie. Ich gab ihr mit meinem wenigen polnisch Recht.
Also noch einen Tee trinken und warten. Ich grüble, bei dem Wetter nochmal 60 km fahren? Nein, Planänderung, ich fahre bei Nieselregen bis nach Kutno.



Vielleicht finde ich dort eine nette Unterkunft. Doch Kutno finde ich nicht gerade reizvoll, liegt vielleicht auch am Mistwetter.


Bahnhof Kutno

Ich sehe einen riesigen Bahnhof. Dieser zieht mich magisch an. Es ist erst 13:00 Uhr, was soll ich hier in Kutno machen? Nun sind Entscheidungen gefragt. In einer Stunde soll ein Zug nach Lodz abfahren. Ich bin mal wieder schwach und ziehe den Zug vor. So habe ich wieder mehr Pufferzeitraum gewonnen. Man muss es sich nur alles Schön reden 



Die Zugfahrt durch die Winterlandschaft ist sehr schön, wenn es nicht April wäre.

In der Information am Bahnhof wird mir ein preiswertes Hotel in der Innenstadt von Lodz empfohlen. Die Stadt ist recht groß und die Straßen sind schachbrettähnlich angeordnet. Hier liegt noch viel Schnee, der jetzt allmählich wegtaut. So gibt es viele Pfützen und in den Parks Matschwege.



Ich bin am Abend noch die ul. Piotrkowska entlang marschiert. Die wohl bekannteste Straße in Lodz. Hier gibt es reichlich Bars und Clubs, wunderschöne Gebäude und viele Geschäfte. Die Piotrkowska ist 5 km lang und sehr beliebt bei Touristen und bestimmt auch bei den Einwohnern. Aber die Stadtbesichtigung möchte ich erst morgen machen, denn ich bleibe hier einen Tag. Ich hetzt doch nichts! Vergeblich such ich noch nach einem Internetcafe, die Adresse habe ich aus der Information. Doch dort ist nichts – komisch.


11.04.2013 Aufenthalt in Lodz

Am Vormittag laufe ich zur Information und lasse mir erklären, wo das Internetcafé sein soll. Ich hatte gestern schon den Tipp bekommen, dass eines in der Piotrokowska 143 sein soll. Doch ich habe nichts gefunden verwirrt.


Piotrokowska 143


im Hinterhof werde ich fündig


nicht gerade Hightech, aber es funktioniert

Die Dame in der Info sagte, dass es ganz versteckt im äußersten Winkel des Hinterhofes ist. Die Firma heißt "Elba". Tatsächlich, es ist so ein kleiner unscheinbarer Laden im Hinterhof, wo nicht mal Internet dran steht. Ich verbringe dort ein paar Stündchen. Dann marschiere ich bei diesem schönen Wetter die Piotrokowska Richtung Norden.


ul. Piotrokowska


schlafender Zeitungsleser

Die Straße ist zum größten Teil eine Baustelle, aber deshalb ist hier nicht weniger los.





Die Damen stapfen stolz mit ihren Hackenschuhen und Stiefeln durch den Matsch und die Businessherren überlegen sich jeden Schritt, mit den wohl teuren Schuhen.
Ich beobachte das Leben, auf der Straße und an der Haltestelle.
Die Nebenstraßen sind von vielen alten Häusern im Jugendstil geprägt.


Baustellen werden äußerlich verhüllt

Aber diese sind noch nicht alle renoviert. So wirkt es noch grau und trist. Aber es tut sich hier sehr viel. In ein paar Jahren, sind die Nebenstraßen bestimmt genauso schön, wie die Piotrokowska. Ich habe mir vorgenommen zur Manufaktura zu laufen.



Vorher komme ich noch am Poznanski Palais vorbei. Izrael Poznanski lebte und prägte die Stadt. Er hat sich von einem Lumpensammler, zu einem Baumwollkönig entwickelt.




In ehemaligen Fabrik (heutige Manufaktura) webten, walkten, färbten die Arbeiter Textilien bei Tag und Nacht. Heute sind die 150000 qm der alten Fabrik in ein gigantisches Einkaufszentrum und Kulturzentrum umgewandelt. Hier kann man schon einen ganzen Tag verbringen, wirklich interessant.



Für die Frauen wäre schon der Shoppingtempel ein Traum.
Am Nachmittag fängt es an zu nieseln und abends esse ich noch im Chlopska Izba, eine rustikale Bauernstube, mit leckeren polnischen Gerichten.



12.04.2013 Lodz - Opatowek , Gesamt nun über 500 km

Ich traue meinen Augen nicht, draußen sind es heute Morgen schon 9 Grad C. Kann ich ja fast kurz fahren. Also es macht eine Lage weniger Bekleidung aus schmunzel
Ich komme schnell und leicht durch die Stadt und fahre in westliche Richtung, auf der der 710.

Heute kommt der Wind nicht aus dem Osten, wäre ja noch schöner, dass ich mit Rückenwind fahren kann. Der Wind pustet frontal von vorne ins Gesicht. So 3 km fahre ich mit gemütlichen 23 km/h hinter einem Traktor hinterher. Ich danke hiermit, unbekannterweise dem Traktoristen.
Ab Szadek, wo ich nach 38 km eine längere Pause gemacht habe, kommt nun auch noch heftiger Regen hinzu. Das ist schon etwas unangenehm. Aber, es ist nicht kalt.


nass, kunterbunt - aber gut zu sehen



Die Straße wird bald schmaler, die LKWs müssen hier auch lang, weil es eine Umleitungsstrecke für die Brummis ist. Freut mich, so bekomme ich unzählige kostenlose Duscheinlagen. Tapfer kämpfe ich gegen dieses Wetter.


natürliches Überschwemmungsgebiet

In Warta, am gleichnamigen Fluss, mache ich eine Pause in einem Restaurant. Ich warte hier ab, bis das Wetter besser wird.
Da ich erst 65 km weg habe und es erst kurz vor 14:00 Uhr ist, will ich unbedingt weiter. Nach zwei Tee und Bigos geht es weiter. Der Regen ist tatsächlich vorbei. Ich kämpfe nur noch gegen den Wind, der noch an Stärke zugenommen hat. In Blaski hätte ich gerne eine Unterkunft genommen. Ich war richtig kaputt. Aber da gab es nichts. Die Leute gaben mir immer solche Informationen wie: in 4 oder 6 km wäre ein Motel. Letztendlich waren es dann 20 km, auf der Straße 12 in Richtung Kalisz.
Es ist Feierabendverkehr. Der Wind kommt jetzt in Böen von der Seite und die LKWs brausen so schnell an mir vorbei, dass ich manchmal kurz vor dem Abflug bin - in den Straßengraben. Ich motiviere mich, so gut es geht und rufe immer: "Ich bin der König der Welt!".

Nach über 100 km komme ich in Opatowek an und hier gibt es ein Hotel mit Restaurant. Ich bin happy.






Draußen steht ein riesiger, orangefarbener Truck vom Radrennstall "CCC Polsat".





Der Techniker machte einige Räder sauber. Gute Idee, denke ich mir. Mein Rad braucht nach dem Wetter auch eine Putzeinheit. So fange ich noch vor dem Duschen an, mit Putzlappen und Öl bewaffnet, mein Rad zu putzen.



Der Techniker sieht es und bietet mir an, mein Rad professionell zu reinigen.
Ja, warum auch nicht, denke ich mir.


so sauber, sah es schon lange nicht mehr aus


Nach ca. 10 Minuten blitzt mein Rad, wie neu. Hat sich doch die Fahrt in dieses Hotel gelohnt. Abends treffen dann die Rennfahrer ein, dinieren, fachsimpeln und relaxen. Die Techniker haben bis in die späte Nacht voll zu tun. Ich bleibe nicht lange auf und genieße die Ruhe. Der Tag war anstrengend, doch ich bin glücklich. Liegt wahrscheinlich daran, dass sich die Temperaturen allmählich ins Zweistellige bewegen. Sollte ich doch noch den Frühling finden?



13.04.2013 Opatowek - Stradomla Wierzchnia

Es scheint die Sonne bei frühlingshaften 14 Grad C, super! Bis Brzeziny fahre ich 17 km auf Nebenstraßen.


kleiner Fiat, beim Slalomfahren um die Schlaglöcher





Die Bauern sind alle unterwegs und bearbeiten ihre Felder. Ich mache viele Fotostopps und lasse mir Zeit.









ein Omen???


Ab Brzeziny bekomme ich wieder den Wind zu spüren und das noch stärker als gestern. Heute gibt es auch kaum schützende Wälder. In Grabow n. Prosna mache ich wieder Pause, mitten im Zentrum. Da gibt es schöne Bänke und Einkaufsmöglichkeiten. Hier trifft sich das Dorf und man trifft auch solche Verrückten, wie mich. Mich unterhält ein älterer Mann die ganze Zeit. Ich verstehe aber nicht mal die Hälfte. Aber wenn man ab und an "tak" und "dobrze" sagt (ja und gut), bleibt man ein guter Zuhörer 

Nach der Pause verzieht sich die Sonne. Es gibt ein paar kurze Schauer. Die kommen so schnell, dass ich nicht mal Zeit finde, einen Unterstand zu suchen. Wenn ich dann was gefunden habe, scheint wieder die Sonne. Ich genieße aber das Wetter, mir ist nicht kalt, die Sachen trocknen bei dem Wind ratzfatz. Im Naherholungsgebiet Kobyla Gora gönne ich mir wieder eine Suppe und Tee. Hier gibt es reichliche Unterkünfte, aber es ist erst 14:00 Uhr. Also weiter, mein Ziel heißt heute Sycow. Nur noch 14 km oder so. Auf meiner Karte ist verzeichnet, dass es dort mindestens ein Hotel geben soll. Ich brauche eine Stunde für die 14 km, so heftig bläst der Wind von vorne. Als ich dort ankomme und mich schon am Tagesziel wähne (Hotel mit nur einem Stern), tippt mir ein älterer Mann auf die Schulter und erklärt, dass dieses Hotel schon seit Jahren dicht ist.
Hmm, sieht auch nicht gerade einladend aus. Tatsächlich, das Ding hat dicht gemacht. Wieso, habe ich nur dieses Pech mit der Unterkunftssuche? Ich frage den Mann, wo denn die nächste "noclegi" Unterkunft) ist. Er will mich zurückschicken. Doch das fällt aus. Ich deute in Richtung Wroclaw. Er überlegt und sagt mir, dass es in 6 km, an der Straße 8 (E 76), in Stradomla Wierzchnia ein Motel an der Tankstelle geben soll. Was habe ich für andere Wahl? Ich fahre weiter, kämpfe wieder gegen den Wind, fluche und habe keine Hoffnung, dass mir der Mann die richtige Auskunft gegeben hat.
Bisher waren 3 von 5 Wegbeschreibungen irreführend oder komplett falsch. Mir ist es am liebsten, wenn entweder "Nie wiem!" (Weiß ich nicht!) sagt oder die richtige Beschreibung geben kann.
Also ich richte mich schon mal darauf ein, dass ich noch lange fahren muss, dann sehe ich ein Schild, nein 2 Schilder, die darauf hindeuten, dass es im kommenden Ort ein Hotel bzw. Motel gibt.
Tatsächlich, der alte Mann hatte Recht. Am liebsten wäre ich wieder zurückgefahren und hätte ihn umarmt. Ich entscheide mich für das Hotel mit Restaurant und lasse das Motel links liegen – sind nur noch 500 m weiter.



Dieses Hotel in Stradomla Wierzchnia ist einfach, sehr billig und hat richtig schöne Zimmer. Unten im Saal wird der Raum für eine Feierlichkeit hergerichtet. Die Wirtsleute fragen, ob ich mit lauter Musik ein Problemhabe. Nein, ich habe doch Ohropax. Als ich mit dem Duschen fertig bin, wird unten die Musik aufgedreht. Ich gehe runter, um was zu essen und bekomme mit, dass hier eine Hochzeitsfeier stattfindet.



Der Hammer, das war schon immer mein Traum, bei einer Radtour eine Hochzeit zu erleben. Hier in Polen sagt man eher überleben.
Es dauert auch nicht lange, dass man mich einläd. Einige sprechen englisch und deutsch.



Ich gratuliere dem jungem Paar und übergebe ein kleines Präsent (was man aber nicht von mir erwartet hätte, sagt man mir). Ich kann gar nicht so schnell gucken, wie das Wodkaglas wieder voll ist.



Es gibt viele Trinksprüche, gutes Essen und die Polen lieben es zu tanzen.



Komisch, ich komme mir vor, wie Mischka der Tanzbär grins



Die Braut zum Tanzen aufzufordern, erfordert der Brauch. Was ich natürlich nicht ablehne.
Ich bleibe tapfer bis gegen 01:00 Uhr und habe die Hochzeit überlebt.
Für mich war es das bisher schönste Erlebnis auf dieser Tour.
Ich soll Werbung für den DJ machen, der live gesungen hat und der richtig Stimmung in die Bude brachte, also hier seine Werbung: www.marecky.pl.tl

...Der Rest kommt bald, noch etwas Geduld! zwinker