Eine schweißtreibende Angelegenheit: Antalya-Sarajevo im SommerIm Sommer 2011 war es wieder soweit: die langen Semesterferien durften mit einem Abenteuer gefüllt werden. Ich hatte mich schon ein halbes Jahr vorher mit den Billigflügen in die weitere Umgebung befasst. Antalya fiel (mit Gepäck und Rad) gerade noch so unter billig. Diesen Sommer wollte ich wieder alleine unterwegs sein um die uneingeschränkte Freiheit zu genießen. Ich hatte ein Ticket in die Türkei. Zurück würde ich schon irgendwie kommen, ich hatte etwa 40 Tage Zeit. Die Route könnt ihr ganz grob
hier sehen.
Vor meiner Haustüre war ich fertig, um loszulegen. Man sieht einen wohlgeformten Wohlstandsbauch. Auf der Reise würde ich einen Teil davon verlieren. Ich kam 8 kilo leichter nach Hause!
Hier im Forum gibt es ja einige, die es bevorzugen, ihr Fahrrad zum Fliegen nicht in einen Karton zu packen, sondern eher zu zeigen, dass es ein Fahrrad ist, mit der Hoffnung, dass es dan auch etwas weniger rauh behandelt wird. Das fand ich eine gute Idee, also wurde nur das nötigste gepolstert.
Leider habe ich mich geirtt: Den netten Herrschaften bei der Gepäckabteilung der Schiphol‘schen Transavia war es herzlichst egal, und so kam mein Fahrrad wesentlich weniger fit aus dem Flieger, als dass es hineingegangen war. Mein rechter Bremsgriff war verbogen, mein Tacho und meine Klingel verschwunden, einige tiefe Schrammen waren dazugekommen. Schade!
Man muss es sich natürlich nicht zu einfach machen. Also ließ ich den Bankautomaten meine Bankkarte schlucken ( in Holland kriegt man erst die Karte zurück, dann das Geld. Bei diesem Automaten war es anderst herum. Voila). Letztendlich hatte ich meine Creditcard dabei, wusste aber den Pincode nicht ( use it or lose it…). Naja, ein bescheidener start in Antalya. Die Milionenstadt gefiel mir auch sonst nicht so richtig, auch wenn es sicher interessant war. Man muss sich doch erst mal an die Muezzins gewöhnen, die Hitze war ein ziemlicher Schlag, und Türkisch ist für mich (noch immer, leider!) eine unverständliche Sprache.
Ich hatte mich in einer Prima Pension eingenistet. Lustig war der Baustil. Diese Tür war wohl eher für kleine Menschen.
Hier wird viel auf Solarenergie gesetzt!
Auch an die sanitären Anlagen muss man sich gewöhnen, aber ich finde es sehr effizient umgesetzt. Oft waren die Toiletten (gleichzeitig Abfluss für Dusche und Waschbecken) ziemlich sauber.
Am dritten Tage machte ich mich während dem Morgengrauen vom Acker, ich wollte so früh möglich weg um der Mittagshitze und dem Stadtverkehr zu entfliehen. Klappte ganz ordentlich. Schon um neun Uhr konnte ich die ersten Bergblumen bewundern.
Die Gegend um Antalya kann wunderschön sein, keine 10km von der Küste stehen Berge von über 2000hm. Kein Wunder, dass es dann auch etwas steil werden kann.
Ich hatte etwas pech mit dem Wetter: eine Hitzewelle hielt das Land in Schach, bei 45 grad im Schatten ist eine lange, ruhige Mittagspause unter einem Baum keine schlechte Idee. Am ersten Tag habe ich 12liter Wasser verbraucht.
Auch Andere genpossen vom Schatten. Diese Raubfliege liess es sich auf meinem Sattel schmecken. Wunderschöne Insekten sind es, die ihre Beute mit den Langen Beinen unter sich fangen. Sie brauchen die riesigen Fazettenaugen, um ihre Beute gut folgen zu können. So gross gibt es sie in Deutschland nicht.
Ich passte meinen Tagesrythmus an die Hitze an: Schon vor der Sonne wachte ich auf, um morgens früh auszurücken. Vor zwölf Uhr hatte ich mir meistens einen Baum oder etwas ähnliches gesucht, um darunter zu Dösen und der Mittagssonne aus dem Weg zu gehen; um ungefähr vier Uhr fuhr ich dann noch ein Stückchen weiter.
Morgens ist manches einfach schöner:
Die kleinen Wege waren meistens nicht beschildert. Das, und eine etwas dürftige Karte brachten mich mehrmals zum umdrehen.
Auf den grösseren Strassen konnte man immer wieder mal Roadkill entdecken. Ist zwar ziemlich schade, aber so lernt man auch wieder was über die lokale Makrofauna. Hier gibt es Wildschweine!
Es blieb steil. An diesem Berg hatte ich wirklich meine Probleme. Ich fange meine Radreisen meist ziemlich untrainiert an. Nach 14 Tagen bin ich dann fit, aber die ersten Tage können etwas schwerer sein. Wenn dann auch nochmal temperaturen von mehr als 40 Grad dazu kommen, kann das ziemlich Körner kosten.
Belohnt wird man mit herrlichen Aussichten, lieblichen, rustikalen Dörfern und unglaublicher Gastfreundschaft. Dazu muss ich doch noch ein paar Worte schreiben. Wenn man jede Einladung zum Thee annimmt, wird man durch die Türkei nicht durchkommen. Unglaublich, wie mann hier behandelt wir. Vollkommen respektvoll und herzlich! Es scheint, dass die Türken wohl ein Wort für ‚Essen mit einem Fremdem teilen‘ haben. Ein Kulturstudent, den ich später begegnete, meinte, dass die Gastfreundschaft ein kulturelles Gut der Türken wäre. Der Grossteil der Türkischen Stämme lebte früher halbnomadisch, und handelte und reiste viel. So wurde es normal, um Reisende zu begrüssen, wie man selbst auch begrüsst werden wollte. Und das wird noch Heute deutlich gelebt!
Interessant fand ich auch die Art, wie hier oft Wein angebaut wird: die Sträucher stehen frei!
Bald hatte ich den Salda Golü erreicht. Es ist ein Süsswassersee. Ich habe niemand darin schwimmen gesehen. Warum? Weil es Ramadan war? Weil es Mittags einfach zu heiss war? Ist es verboten? Ist das Wasser verschmutzt? Keine Ahnung. Was ich weiss: das Ding ist wunderschön.
Viele meiner Foto's zeigen irgendwelche Viecher, die mir in der Mittagspause vor die Linse gelaufen sind, so wie diese Gottesanbeterin. Sie ist deshalb so besonders, weil Sie ihre Hinterbeine zum Springen benutzt. Das machen die meisten Gottesanbeterinnen nicht.
Die Gebirgswelt war wunderschön, und sehr fruchtbar. Prachtvolle Blumen säumen den Weg.
Ich freute mich riesig um meine erste Landschildkröte in freier Wildbahn zu begegnen. Das arme Tier fand's wohl eher nicht so toll.
Was man auch gut sehen kann, ist der Spiegel an meinem Helm. Sieht blöd aus, bleibt aber auch auf Rüttelpisten in Position. Ich bin ein Fan.
So bin ich Gottesanbeterinnen gewohnt.
Ich erreichte Usak. Mir gefiel die Stadt nicht besonders. Ich machte vor allem den Fehler, das Leitungswasser hier zu trinken. Mein Bauch dankte mir mit heftigstem Durchfall, trotzdem versuchte ich mich aus der Stadt zu schleppen. Mit den letzten Kräften fand ich eine Frischwasserquelle ausserhalb der Stadt, wo ich mich unter einen Baum legte um mir etwas Ruhe zu gönnen. Das ging ganz gut, abends war ich wieder einigermassen fit und konnte wieder eine Kleinigkeit essen. So ein Tag ist doch um einiges einfacher, wenn man jemanden dabei hat. Zum Glück leistete diese riesige Raupe mir Gesellschaft.
Wenn man versucht auf einer undeutlichen Karte die kleinen Wege zu folgen, kann man schon mal an interessante Stellen kommen. Ich hatte mich vollkommen verfahren, aber die Gegend war super und ich ärgerte mich kaum darüber, dass ich nicht wusste wo ich war.
Kaum hatte ich den weg wieder zurückgefunden, tat sich ein neues Problem auf: meine Schaltung wollte nicht mehr so richtig. Kurz vor der Reise hatte ich noch darüber nachgedacht, meine Züge zu wechseln, es aber nicht getan, frei nach dem ‘Never change a winning team’-Prinzip. Zum Glück hatte ich eine Aussenhülle und Duct-tape dabei.
Da es natürlich nicht bei einer Panne bleiben kann, fuhr ich nochmals mit vollem Wumms über einen grossen Stein, und hatte danach einen Platten. Snakebite bei 4,5 bar. Na, wer macht mir das nach?
Unterwegs gibt es immer wieder tolle Insekten zu sehen, diese Raubwanzen fand ich mal wieder richtig schön.
Ich kam durch viele kleine und idyllische Dörfchen. Freilaufende Kühe waren allgegenwärtig.
Und wie immer dominierten die Moscheen die Dörfer, meist das erste was man überhaupt sieht.
Ich war in ein etwas trockenes Gebiet geraten, hier standen die Brunnen schon trocken, und die Sandsteinfelsen wurden nur durch ein paar Sträucher bedeckt.
An dieses Dorf habe ich gemischte erinnerungen. Ich war ziemlich Müde, als ich Es liegen sah. Eigentlich wollte ich schon mein Lager aufrichten, ich hatte aber kein Wasser mehr. Also bin ich weitergefahren bis ins Dorf, und habe dort meine Vorräte aufgefüllt. Danach kletterte die Strasse gleich wieder ziemlich steil in die Berge, aber Ich war fix und fertig. Nach der ersten Kurve stellte ich mein Zelt auf, man konnte es deutlich von der Strasse sehen. So wusste dann auch das ganze Dorf bescheid, dass dort jemand zeltete; man hatte ja abends die Kühe noch vorbeigetrieben. Als es dann dunkel war, hörte ich ein Motorrad, und das Scheinwerferlicht wurde auf mein Zelt gerichtet, und jemand rief etwas. In Boxer-short kletterte ich heraus. Als sie mich sahen, waren sie zufrieden (oder hatten Angst) und machten sich davon. Dieselbe Geschichte sollte sich noch zweimal im halbstundentakt wiederholen, jedesmal jemand anderes der auf mein Zelt schien und etwas rief. Als ich dann zum vierten mal geweckt wurde, waren es diesmal vier Teenager, zusammen mit einem etwas schäbig anmutenden Kerl. Dieses Mal blieben sie stehen, und nachdem ich ihnen freundlich aber bestimmt deutlich gemacht habe, dass sie mir nicht mit einer hellen LED-Taschenlampe ins Gesicht scheinen sollte, schienen die Jungs ganz nett zu sein, und wollten sich halt nur mal kurz vorstellen. Nachdem ich alle Namen gehört hatte, und ihnen deutlich gemacht hatte, dass ich nach Cannakale fuhr, waren sie zufrieden und trollten sich. Wahrscheinlich wurde die Botschaft dann auch im Dorf verkundet, Menschen sind jedenfalls nicht mehr vorbeigekommen. Ich musste noch einen sehr neugierigen Jungbullen von meinem Fahrrad verscheuchen, und wurde mitten in der Nacht nochmal wachgebellt durch einen Hund. Und die Moral von der Geschicht: Gleich neben einem Dorf Zelten, das macht man nicht.
Bald mehr.