Liebe Foristi,
vor einiger Zeit hab ich mich mit der Bitte um Rat bei der Konfiguration eines Reiserades schon an mal an euch gewandt. Meine Vorstellung damals: Speedhub und Felgenbremsen. Was ist es jetzt geworden? Kettenschaltung und Scheibenbremsen. Ach was. Der Prozess dahin war lang und am Ende stand die Erkenntnis, dass die hier so gern geführten Diskussionen über die Fragen Stahl oder Alu, Naben- oder Kettenschaltung sowie Scheiben- oder Felgenbremsen irgendwie reiner Selbstzweck sind. Aber gut, zurück zu meinem Fahrrad.
Wichtig war mir, das Rad selbst aufzubauen um einfach (fast) jede Schraube schon mal in der Hand gehabt zu haben und unterwegs auf alle möglichen Defekte vorbereitet zu sein. Hat auch bis auf wenige Komplikationen alles sehr gut funktioniert. Youtube und das Forum haben mir beim Aufbau geholfen. Aber jetzt wirklich zum Fahrrad.
Was solls denn können? Mich wohlbehalten durch die Regionen bringen, von denen ich so träume: die Anden oder den Pamir zum Beispiel. Die Zeit habe ich gerade dazu, leider einen verletzten Knöchel, weswegen sich der Start noch etwas verschieben wird. Es soll zuverlässig und (genauso wie die Farbe des Innenlebens meines Zelts) mir sympathisch sein. Das finde ich tatsächlich kein zu vernachlässigendes Argument. Man muss sein Fahrrad einfach mögen, wenn man lange Zeit mit ihm verbringt (Keine Sorge, ich habe trotzdem auch soziale Kontakte zu Menschen
). Ich zelte unterwegs gerne wild, wodurch sich auch die spannende Farbgebung des schreienden Mausgraus in Kombination mit dem quietsch-braunen Sattel und den hellschwarzen Anbauteilen erklärt.
Rahmen und Gabel Der Rahmen ist wie im Titel beschrieben ein VT300 (cross 7005 EX) in XL. Habe mich aufgrund des geringeren Gewichts für Aluminium entschieden. Das im Vergleich zum Stahlrahmen geringere max. Systemgewicht von 140 kg ist für mich in Ordnung und Ansporn zur Sparsamkeit beim Packen. Ich selbst wiege 80kg. Das Fahrrad weiß ich mangels Waage leider nicht - aber es fährt noch bergauf. Die Variante mit dem Exenter Tretlager hält die Möglichkeit für die Speedhub zumindest offen, auch wenn sie gerade nicht genutzt wird.
Bei der Gabel habe ich mich aufgrund der teilweise enormen Belastung doch für Stahl entschieden und fahre somit einen Materialmix durch die Gegend, der mir auch nur wehtun würde, wenn ich Materialdogmatiker wäre. Bei der Größe des Rahmens habe ich mich hauptsächlich an der Oberrohrlänge bisher gut passender Rahmen orientiert und konnte auch ein Modell dieser Größe beim Händler meines geringsten Missvertrauens probefahren. Passt perfekt. Der Spacerturm ist mittlerweile schon etwas geschrumpft. Fahre gerne mit einem leicht negativen Delta, wollte es beim Kürzen des Gabelrohrs aber langsam angehen lassen.
Schaltung und AntriebIch dachte ja erst: Mensch es muss eine Speedhub werden. Nach einigen Tests und Probetouren muss ich aber sagen, dass ich mit der Speedhub nie ganz warm geworden bin. Mag sein, dass es für viele Menschen die Weltreiseschaltung überhaupt ist. Ich hatte aber nie das Gefühl damit glücklich zu werden. Hat eher etwas mit Sympathie als mit technischen Beweggründen zu tun. Ich habe einfach bei der Kettenschaltung das Gefühl, dass meine Kraft direkt in Vortrieb umgesetzt wird und mag diese Direktheit. Außerdem bin ich am Schrauben an Kettenschaltung erfahren und kann mir im größten Notfall die Kette abgelängt auf eine beliebige Ritzel/Kettenblatt Kombi legen. Wer jetzt mit "Das haben wir schon immer so gemacht, das haben wir noch nie so gemacht und wo kommen wir denn da hin", argumentieren möchte, sei auf die Wahl der Bremsen verwiesen
Bei Antrieb und Schaltung bin ich komplett bei XT geblieben und fahre 3x10 mit 22-32-42 vorne (die standardmäßig verbauten 24 als kleinstes Ritzel wurden getauscht) und 11-36 hinten, womit ich bis jetzt zufrieden bin. Ansonsten, gibts nicht viel Spektakuläres zu sagen: Kurbel, Umwerfer, Schaltwerk und Kassette sind komplett XT. Nur beim Tretlager gibts eine kleine Ausnahme: hier teste ich mal eins aus der Saint Serie.
BremsenFelgenbremsen, wie am Anfang anvisiert, sind es nun auch keine geworden. Ich habe mich mit der Technik der Scheibenbremse beschäftgt und meine anfängliche Scheu gegenüber den Scheibenbremsen abgelegt. Verstehe "den Kram" jetzt, kann sie entlüften, reparieren und habe keine Sorgen mehr vor einem unwahrscheinlichen Defekt. Dafür habe ich aber die Bremskraft und die Dosierbarkeit zu schätzen gelernt. Da die "Druckpunktverstellung" der XT Bremsen für mich irgendwie nicht wirklich einen Mehrwert darstellt, sind es bei den Bremsen die SLX geworden. Gebremst wird vorne und hinten auf 180mm Scheiben. Mag hinten überdimensioniert sein, wurde aber so gewählt da ich nun im Falle eines Falles quertauschen könnte. Wünscht man sich auch nicht, machen zu müssen, geht jetzt aber.
Laufräder und ReifenDie Laufräder sind der einzigen Teile des Rades, die ich nicht selbst aufgebaut habe. Ich hab zwar in der Selbsthilfewerkstatt schon selbst Räder zentriert, den Aufbau wollte ich allerdings dann doch dem Profi überlassen. Bei meilenweit in Bochum bin ich fündig geworden und auf freundliche Beratung gestoßen.
Die 55-559er Marathon Mondial Evolution sitzen auf Ryde/Rigida Andra 40 Felgen, mit einer Maulweite von 25mm. Ja, ja.. knapp unter der Formel der minimalen Maulweite als halbe Reifenbreite, da habe ich allerdings ehrlich gesagt keine Bedenken. Speichen sind Sapim
Force 2,2-1,8-2,0 geworden, die hinten in einer Hope Pro 4 und vorne im SON 28 eingefädelt sind. Warum die Hope Pro 4? Aufgrund der verbauten Kugellager und der fast durchweg positiven Berichte über die Dauerhaltbarkeit ihrer Vorgängerin, der Pro 2.
Kraftwerk und LichtAls Vorderradnabe fahre ich einen SON 28 durch die Gegend, welche für den B&M Lumotec IQ2 Eyc N Plus vorne und das SON LED Mini Rücklicht hinten den Strom erzeugt. Ich bin mir über die Nachteile des SON Rücklichts bewusst und weiß, dass es nachfolgende Verkehrsteinehmer blenden kann, habe es aber ebenso wie das Frontlicht ausgesucht, da es klein und unauffälig ist. Das Fahrrad ist kein Alltagsrad. An denen habe ich andere Lichter, die hinten z.B. auch Reflektoren haben. Am Reiserad ist es eher eine Art Notfallbeleuchtung. Den IQ2 Eyc N Plus habe ich gewählt, da man ihn komplett abschalten kann, was für den Betrieb des noch nicht verbauten Forumsladers erforderlich ist. Die Wahl auf den SON als Dynamo fiel aufgrund seiner guten Leistungen im Zusammenspiel mit dem Forumslader.
Die drei KontaktpunkteAuf meinem bisherigen Langstreckenbegleiter, einem uralten Randonneur von Dancelli war ich sehr zufrieden mit der Sitzgelegenheiten - einem Brooks Pro Team. Aufgrund der aufrechteren Sitzposition auf diesem Fahrrad, habe ich nun den etwas breiteren Brooks B17 Standard gewählt. Entpuppt sich bis jetzt als gesäßkonformes Sitzmöbel.
Bei den Griffen sind es Ergon GP5 geworden. Habe GP3s am Trekkingrad, die ich gerne mag und habe durch das längere Hörnchen am Lenker jetzt noch die Möglichkeit mich auch mal etwas weiter zu strecken, wenn ich mag.
Pedale sind NC-17 Sudpin geworden. Ich fahre nicht gerne mit Klicks. Kann ich wieder nur mit persönlicher Vorliebe begründen.
.... und sonst so?Nichts viel auffälliges - fast wie beim gesamten Fahrrad. Den Gepäcktransport übernehmen mit mir zusammen ein Tubus Tara Big Apple und ein Logo Evo. Schutz vor Dreck und Nässe bieten im Moment ein paar SKS Bluemels in Kombi mit Spritzschutzlappen. Vorne sind die mir allerdings noch etwas kurz. Überlege mir da, ein für hinten gedachtes Schutzblech anzupassen und dann anzubauen.
In der Praxis bis jetzt?Leider gab es bis jetzt nur einige Tagestouren, insgesamt noch keine 1000 km, was der Tatsache geschuldet ist, dass ich in den letzten acht Monaten meine Abschlussarbeit über die Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland (ganz ohne Umfrage hier im Forum
) geschrieben habe. Sobald die Knöchelverletzung abgeheilt ist, geht es dann mit dem guten Stück auf eine Testtour und danach wirklich los. Bisher bin ich allerdings komplett zufrieden. Den Lenker werde ich vermutlich noch etwas schmaler machen und den fehlenden Forumslader natürlich noch ergänzen. Außerdem müssen die Streben zur Befestigung der Bluemels noch gekürzt werden - aber provisorien halten immer so gut. Naja, aber dann ist das Rad schon ziemlich genau so, wie ich es mir vorstelle. Sobald es auf große Reise geht, gibt es dann natürlich ein Update in dem ich berichte, was ich beim Zusammenbau übersehen / vergessen / falsch gemacht habe.
Viele Grüße
Till
PS. Ich wohne zwar in Norddeutschland, mittlerweile sind die Bäume aber auch hier grün. Die Bilder sind nur schon ein paar Wochen alt.