Hallo Zusammen,
ich war wieder einmal unterwegs und hoffe, dass ich nicht gleich ausgebuht oder gesteinigt werde, denn ich war nicht mit einem "normalen" Fahrrad unterwegs, sondern mit einem Pedelec. Ich weiß natürlich, dass gerade unter eingefleischten Radfahrern das E-Rad auf viel Köpfschütteln stößt, trotzdem will ich Euch meine Reise nicht vorenthalten. Als kleiner Anreger hier ein kurzes Video:
https://vimeo.com/61617891Und für alle die es noch ausführlicher wissen wollen ein kleiner Bericht:
E-Bikes, Pedelecs, Elektromobilität. Schaut man sich dieser Tage in der Fahrradbranche um, gibt es wohl mittlerweile nur ein großes Thema, über das jeder redet.
Ich wollte aber nicht nur darüber reden, sondern ich wollte es ausprobieren. Und deshalb unternahm ich die bisher längste E-Bike Testfahrt, die je durchgeführt worden ist, und umrundete den australischen Kontinent - 16.000 km von Sydney nach Sydney.
Mittlerweile bin ich 29 Jahre alt, komme aus München und höre auf den Namen Maximilian Semsch. 2008 bin ich alleine mit einem „normalen“ Fahrrad von München nach Singapur gefahren (hatte hierüber auch schon berichtet:
Mit Fahrrad und Videokamera nach Singapur (Reiseberichte)).
Ich werde natürlich auch immer wieder gefragt, warum ein so junger Mann mit einem Fahrrad für so „alte Leute“ unterwegs ist.
Es reizt mich, kurz gesagt, neue Dinge auszuprobieren, und ich wollte wissen, ob ein E-Bike eine solch lange Reise überhaupt übersteht, und ob das Fahren mit einem Pedelec noch etwas mit radfahren zu tun hat, oder ob es wirklich so ist, wie viele immer sagen, dass man ja auch gleich Moped fahren kann und das das E-Bike schon die Vorstufe zum Rollator ist.
Am 01.01.12 ging es vor dem Wahrzeichen der Stadt, der Oper von Sydney, los. Einmal um den gesamten Kontinent im Uhrzeigersinn mit dem Ziel, ein halbes Jahr später wieder an der selben Stelle anzukommen. Auf dem fünften Kontinent war ich allerdings nicht alleine unterwegs. Mit dabei war meine Lebensgefährtin Marion und Kameramann Frank aus Berlin. Die beiden haben die Reise in einem Begleitfahrzeug zurückgelegt, denn beide hatten keine große Lust bei über 40 Grad aufs Rad zu steigen. E-Bike, Begleitfahrzeug - das ist doch keine normale Radreise! Richtig, was wir hier unternommen haben, war ein Experiment.
Ich hatte außerdem ein zweites, identisches E-Bike mit dabei, mit dem Ziel mir immer wieder Gäste einzuladen, um auch anderen Leuten das Thema Elektromobilität näher zubringen. Die ersten zwei Wochen, 1000 km nach Melbourne, war ich alleine auf dem Fahrrad unterwegs.
Ab Melbourne begleitete uns dann Ray aus England für sechs Wochen und über 5000 km bis nach Perth. Australien hat in etwa die Größe Europas, aber gerade einmal 20 Millionen Einwohner. Davon leben auch noch fast 90% in den Großstädten des Landes. Mit anderen Worten, Australien ist vor allem groß und leer. Einen ersten Vorgeschmack bekamen wir, als wir von Adelaide nach Perth fuhren. Es ging durch die Nullarbor Ebene. Das waren 1200 km und dazwischen gab es sieben Tankstellen. Kein Schatten, Temperaturen an die 40 Grad, Fliegen und eine Landschaft, die sich über Hunderte von Kilometern nicht ändert. Das war selbst auf einem E-Bike nicht immer einfach, und wir mussten oftmals an unsere Grenzen gehen.
Von Perth aus ging es 2500 km die Westküste entlang Richtung Norden. Wohl eine der einsamsten Gegenden Australiens, das sogenannte Outback. Es leben hier nur wenige Menschen, denn es gibt wenig Niederschlag, unfruchtbaren Boden, es ist heiß, trocken, staubig und leer. Wer will da schon wohnen?
Oftmals waren es bis zu 350 km von einer Tankstelle zur nächsten, und dazwischen gab es rein gar nichts. Als ich dann noch Gegenwind bekam, war der Frust groß. Rückblickend bleibt zu sagen, dass ich in die falsche Richtung gefahren bin. Australien im Uhrzeigersinn zu umrunden, bedeutete für mich über 7000 km konstanten Gegenwind. Das ist kein laues Lüftchen wie bei uns, sondern der Wind hat orkanartige Geschwindigkeiten, und trotz E-Bike bin ich stellenweise nicht vom Fleck gekommen.
In diesen Momenten kamen mir Radfahrer entgegen, die in die andere Richtung gefahren sind, also Rückenwind hatten. Da stand dann dieser Herr mit 60 Jahren vor mir. Ein normales Fahrrad, 45 Kilo Gepäck und schwärmte, dass dies die beste Radreise wäre, die er je unternommen hätte. Er fuhr 35 km/h Durchschnitt und schaffte am Tag bis zu 250 km, und das ohne Anstrengung, wie er selbst sagte. Ich hingegen war froh, wenn ich es auf 15 km/h schaffte, und zeigte mein Tacho am Ende des Tages 150 km an, dann war ich weit gekommen.
Nicht nur der Wind, sondern auch die Temperaturen im Norden Australiens waren stellenweise brutal. Für drei Wochen war es derart schwül-heiß und es kühlte auch in der Nacht nicht ab, dass das Übernachten im Zelt zur Qual würde. Es war so, als würde man versuchen in einer Sauna zu übernachten.
Trotz aller Widrigkeiten ist Australien ein wunderschöner und faszinierender Kontinent. 80% der Flora und Fauna gibt es nirgendwo sonst auf der Erde. Besonders die Nähe zu wildlebenden Tieren war für mich faszinierend. Kängurus oder auch Emus aus wenigen Metern Nähe zu sehen - in Down Under keine Seltenheit. Zudem ist Australien mit spektakulären National Parks ausgestattet. Unberührte Natur und eine Landschaft, die kein Landschaftsarchitekt hätte schöner gestalten können. Wie z.B. der Litchfield National Park in der Nähe von Darwin, dem nördlichsten Punkt unserer Reise.
Von dort aus ging es zurück an die Ostküste. Bis wir allerdings wieder an der Pazifikküste ankamen, war es bereits Winter. Hatten wir wenige Wochen zuvor noch geschwitzt, wurde es nun nachts im Zelt ziemlich kühl. Aber wir waren auf der Zielgeraden - die letzten 4 Wochen und 2000 km zum Start- und Endpunkt der Reise.
Über Brisbane und die Gold Coast ging es wieder zurück nach Sydney. Nach 187 Tagen und 16.047 km auf meinem Haibike eQ Trekking stand ich wieder an dem Punkt, wo ich ein halbes Jahr vorher gestartet war - der Oper von Sydney.
Beide Räder sind zusammengerechnet insgesamt über 26.000 km gefahren. Wir hatten sieben Platten, einen Speichenbruch, einen defekten Kettenspanner, haben zweimal pro Rad die Kette gewechselt und einmal die Bereifung. Eine relativ überschaubare Pannenstatistik, wie ich finde. Durchschnittliche Akkureichweite lag bei ungefähr 65km, da war aber von 28 km bis zu 150km alles mit dabei. Gefahren bin ich die meiste Zeit auf 1 Tour (Boschantrieb).
Mehr Infos, die neue DVD und Blu-ray über Australien gibt es auf meiner Homepage.
Euer
Maximilian