Posted by: LeTank
Erfahrungsbericht: Idworx Off Rohler 2014-2020 - 09/10/20 01:47 PM
Da es nicht viele Berichte über Langzeiterfahrungen zum Idworx Off Rohler Evo (hier: OR) gibt, steuere ich hier einen bei.
Im Frühsommer 2014 erwarb ich einen OR bei einem Fachhändler in München und legte damit bisher ca. 14.000 Radreisekilometer zurück, stets mit Campinggepäck (um die 31 kg). In dieser Zeit konnte ich einige Erfahrungen mit Fachhändlern (FH), Werkstätten und der Firma Bikebascis/Idworx machen.
2014: It’s the specification, stupid!
Bereits 2014 versagte auf dem Weg zum Atlantik nach wenigen hundert Kilometern die Rohloff-Schaltung; das Gangspektrum schrumpfte, die paar verbliebenen Gänge ließen sich nicht mehr unter Last einlegen. Ein Besuch bei einem Rohloff-FH in Singen war erfolglos und mein Idworx-FH in München hatte seinen freien Tag (ein Dienstag).
Zeitgleich hatte ich telefonischen Kontakt zur Technikabteilung bei Bikebasics/Idworx aufgenommen. Dort bezeichnet man mein Problem erst als „innerhalb der Spezifikationen“, was ungute Assoziationen an andere Branchen hervorrief. Irgendwann im Laufe des Gesprächs fühlte ich mich wie ein russischer Kosmonaut in Verhandlungen mit der Bodenkontrolle in Baikonur. „Genosse, da wo das so zischt, funkt und qualmt, das ist eigentlich innerhalb der Spezifikationen."
Zwischenzeitlich hatte ich allerdings in Foren wie dem unsrigen nachgeforscht, dass ähnliche Probleme darauf zurück zu führen waren, dass die Pitlock-Schrauben zu stark angezogen waren, wodurch sich das Rohloffgetriebe verstellt hatte. Am Wartungstag vor meiner Abreise waren vom Idworx-FH Pitlocks an der Achse montiert worden. Ich sage dem Bikebasics/Idworx-Techniker also leichthin: „Nur mal angenommen: Wenn nun ein Azubi die Schrauben mit der von Idworx vorgegebene Newtonmeterzahl anzog statt mit der von Pitlock empfohlenen Kraft …?“ Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann: „Hat jemand bei Ihnen Pitlocks eingesetzt?“ - „Ja.“ - „Okay, dann k ö n n t e sich was verzogen haben. Lockern Sie die Pitlocks etwas.“
Ich wand ein, dass ein verstelltes Getriebe nur noch bei Rohloff selbst gerichtet werden könnte, soweit ich informiert wäre. Dazu müsste man das Hinterrad einschicken, war die trockene Antwort. Ich sollte jetzt einfach mal die Schrauben lockern.
Am Ende hatte ich eine Schraube locker, aber die Schaltung gab immer noch nicht die Gänge frei. Daher suchte ich im weiteren Reiseverlauf den einzigen Idworx-FH bei den Eidgenossen auf. Der zeigte sich jedoch ebenfalls rat- und tatlos. Zu meiner Freude hatte mein Idworx-FH in München hatte gottlob wieder seine Tage und öffnete, sodass wir uns austauschen konnten. Tatsächlich war es wie von mir vermutet: die Pitlocks waren unsachgerecht eingesetzt worden, die Rohloff hatte sich unter den Torsionskräften verstellt. "Wie es prophezeit worden war!", wollte ich ausrufen.
Mein Münchener setzte sich mit Rohloff und Bikebasics/Idworx in Verbindung, verabredete einen Austausch meines Hinterrads zur Nabenreparatur und schickte mir eine Ersatznabe an einen deutschen FH in Grenznähe. Nach der Reise erfolgte der Austausch gegen die von Rohloff überholte Nabe. Als mir auffiel, dass die Nabe nicht die Nummer hat, die sie beim Kauf hatte, wurden kurzerhand die Papiere geändert – was eindeutig leichter schien, als die zugehörige Nabe zu suchen. Man habe sie damals beim Eintrag geirrt, hieß es. Da die neue oder alte Nabe problemfrei lief, fand ich mich damit ab.
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2015: „Ham wa nich, brauchste nich.“
Nach meinen Erfahrungen wollte ich einige Änderungen vornehmen lassen und musste feststellen, dass so etwas im Universum eines Idworx-FH nicht vorkommt – schließlich baut Idworx laut Werbung ja Rundum-sorglos-Räder, an denen ist per definitionem nichts zu verbessern. Dennoch wollte ich aufgrund meiner Erfahrungen nun vor einer Radreise ans Schwarze Meer die Kurbel von 175 auf 170 mm wechseln und bei der Gelegenheit eine noch bergtauglichere Übersetzung einbauen lassen. In München weigerte man sich schlicht, das zu machen. Erstens sähen die Spezifikationen des Herstellers eine kürzere Kurbel gar nicht vor, was ja schon seinen Sinn haben werde. Zweitens hätte man aus diesem Grund so etwas auch gar nicht da und bekäme man auch überhaupt nicht rein. (2020 hat Idworx freilich 170er Kurbeln im Programm.)
Ich hatte mich noch nicht erholt, da wurde ich weiter belehrt: „Und die Übersetzung ist gut so, wie sie ist – daran ist auch nichts zu ändern, sonst fällst du mit dem Rad einfach um, wenn die Gänge noch weiter runter reichen.“ Im Übrigen hätte Rohloff ja ganz eigene Spezifikationen und für Idworx ja schon eigens ein anderes Kettenblatt freigegeben. Da könne man jetzt nicht und wolle man auch gar nicht …
Am Ende ließ ich im Frühjahr 2019 von einer hier ansässigen renommierten Werkstatt eine 170er Kurbel einbauen, die ich selbst aufgetrieben hatte. Diese Werkstatt ist kürzlich in einer Fachzeitschrift als d i e Werkstatt „der Szene“ der Region bezeichnet worden; man verkauft Brompton und Patria. Die Rohloff hatte sich übrigens bei der Aktion verstellt, ließ sich aber wieder richten, nachdem ich das reklamiert hatte. Obacht, wir kommen noch auf diese Werkstatt zurück.
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2016: Ausgestöpselt
Versorgte die integrierte Stromversorgung via „The Plug II“ (aufpreispflichtig) per USB 2014 noch anständig, so drang bereits Feuchtigkeit über die brüchige Deckkappe ein. Beim Wartungstermin 2015 wurde die Kappe ersetzt, hielt jedoch nur einige Wochen. Es drang wieder Feuchtigkeit ein, nun war auch Rost im Anschluss am Steuerkopf deutlich zu sehen. Beim Wartungstermin 2016 erklärte der Mann in München das als „Flugrost“ innerhalb der Spezifikationen: „Was erwarten Sie? Das ist ja wochenlang Wind und Wetter ausgesetzt.“
Problematischer war, dass 2015 schon das Handy von Ende 2014 nicht mehr direkt über The Plug versorgt werden konnte, sodass ich den brandneuen Pufferakku des Herstellers von The Plug (Tout Terrain) kaufte. Leider erwies er sich als schwachbrüstig und kapriziös im Zusammenspiel mit The Plug II. Das neue Handy des Jahres 2016 konnte damit nicht mehr versorgt werden. Zwischenzeitlich brachte Tout Terrain schon The Plug IV und dann Modell V auf den Markt, doch ich war der Probleme und des Puffer-Kabelsalats überdrüssig: Das Ding wurde ausgebaut – übrigens auch etwas, das nicht jede Werkstatt einfach so machen wollte, weil Elektronik …
2017-2019: Mantel essen Schlauch auf
Meinen ersten Platten hatte ich nach ca. 8.000 Kilometern, im Sommer 2017, ich erinnere mich noch genau. Es war ein warmer Abend im August, im oberösterreichischen Waldviertel – ich komme ins Schwärmen. Der Vorderreifen verlor schleichend, doch unnachgiebig Luft. Der Mantel war der 60-559 Big Ben von Schwalbe – ein für Off-Road untauglicher Reifen, der nach meiner Erfahrung ohnehin an einem „Off Rohler“ genannten Fahrrad wenig zu suchen hatte, wenn es mal ins Gelände gehen sollte. An jenem Sommertag tauschte ich den Schlauch und glaubte aller Sorgen frei zu sein. Wie naiv ich war, niedlich.
Nach 4.000 Kilometern war der Vorderreifen wieder platt, diesmal an einem schönen Sommermorgen in Lettland. Es zeigte sich, dass der Mantel das Problem war. Der Big Ben fraß den Schlauch richtiggehend auf, er zerlöcherte ihn mit Dutzenden winziger Stiche, die von der aufrauenden Innenseite des Mantels herrührten. Ich reklamierte dies bei Schwalbe und bekam kulanterweise zwei Big Apple als Ersatz, da die Big Ben nicht mehr in 60-559 angeboten werden. Meine Frage, ob es sich um einen Serienfehler handeln könnte, konnte allerdings nicht beantwortet werden, da meine an Schwalbe eingeschickten Big Ben dort nicht aufzufinden waren.
Das Problem mit den Big Ben ist sicher nicht Bikebasics/Idworx anzulasten, passt aber nicht zum Perfektionsanspruch. Schon die Reifenwahl passte nicht in das Konzept eines Querfeldeinrads. Meine schönsten Aus- und Abflüge in den Morast hatte ich in den Jahren verlässlich mit Schwalbes Big-Serie auf schlammigen Feldwegen und sumpfigen Pfaden: Stoßgebet statt Seitenhalt.
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2017-2018: (Auf)preisverdächtig
2017 war ein internationales Rohloff-Ritzelwechseldrama, das ich uns an dieser Stelle erspare. Aber 2018 verlief eigentlich unauffällig. Das vordere Schutzblech brach infolge eines Flugtransports; Ersatz ist ausschließlich über Idworx zu bekommen. Zum doppelten Preis, der beim Hersteller SKS sonst üblich ist, versteht sich. Dafür sorgenfrei und so. Sorgen bereiteten mir zu dem Zeitpunkt die vielen Lack-Abplatzer. Es scheint, als müsse man den Rahmen nur scharf ansehen, damit er vor Schreck gleich Lack verlöre. Zum Glück bekam ich seinerzeit beim Erwerb eines Idworx für heute gut 5.000 Euro auch ein kleines Fläschchen Lack zum Ausbessern dazu - aufpreispflichtig, versteht sich.
Ansonsten ist die Aufpreisliste bei Idworx angenehm kurz, weil ja alles schon dabei sein soll. Gut, die Klingel war das erste, was gegen ein ernstzunehmendes Konkurrenzprodukt ausgetauscht werden musste. Wenn man nämlich mit der Originalklingel besorgt klingelte, wurde man doch häufig nicht wahrgenommen.
Die vordere Schnellspannachse verschob regelmäßig nach kleinsten Holperstrecken das Vorderrad, egal wie fest und penibel sie angezogen wurde. Das änderte sich aber einige Jahre später, nachdem sie gegen irgendeine Achse ausgetauscht wurde, die eine Werkstatt noch rumliegen hatte. Im Übrigen kosteten die Wartungstermine in München verlässlich um die 250 Euro, ohne dass ein lockerer Steuersatz oder ein verschlissener Drehgriff aufgefallen wäre. Da war es endgültig Zeit, eine freie, heimische Werkstatt zu suchen.
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2019-2020: Das kurze Leben eines „Long life“-Innenlagers
Nach rund 12.000 Kilometern meldete sich im Sommer 2019 in Estland das Innenlager beim Treten. Es knackte unter Last. Nach der Reise suchte ich eine andere renommierte heimische Werkstatt auf, die mir versicherte, das Geräusch werde sicher nicht durch das Innenlager verursacht, das habe man genauestens geprüft. Eigentlich gäbe es gar kein Geräusch. Da ich unter Last weiterhin ein deutliches Knacken vernehmen konnte, brachte ich im Frühjahr 2020 das Fahrrad zu einer anderen, weit entfernten Werkstatt. Dort wurde bestätigt, dass das Innenlager die Geräusche verursacht. Es stellte sich heraus, dass die „Szene“-Werkstatt beim Kurbeltausch das EBB Long Life ausgebaut und ohne die speziellen Dichtungsringe wieder eingebaut hatte. Dadurch war das Lager zügig zerstört worden. Kosten für das neue Lager: gut drei Mal so hoch wie bei einem herkömmlichen Innenlager. Dafür hat es Filzdichtungen, wie früher. Als man noch sorgenfrei war.
Doch Bikebasics/Idworx hatte das Lager nicht vorrätig und war unvermittelt über Wochen telefonisch nicht erreichbar. Die telefonische Warteschleife führte ins rekursive Nichts, einen Anrufbeantworter gab es nicht. Meine Emails wurden nicht beantwortet. In meiner Verzweiflung schrieb ich Gerrit Gaastra direkt an, der mit schnellem Kontakt online wirbt. Nichts. Der Werkstatt gelang es auch nicht, jemand zu erreichen.
Ich plante schon, auf dem Schwarzmarkt ein sagenhaftes Long Life zu erwerben oder als Bückware bei einem FH irgendwo im Land aufzutreiben, als unvermittelt das Lager bei der Werkstatt eintraf, eingebaut wurde und so still wie zuverlässig seinen Dienst auf 14.000 Höhenmetern in Tschechien verrichtete. Für dieses Erleben hatte ich das Fahrrad damals ja gekauft, erinnerte ich mich jetzt wieder.
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Fazit
Für rd. 5.000 Euro bekommt man mit dem Idworx Off Rohler ein Fahrrad.
Die Technik der Rohloff überfordert die meisten ausgewiesenen Fachhändler, ob sie nun Idworx oder andere Rohloff-Räder vertreiben. Dies gilt generell für die am Idworx verbaute „Spezialtechnik“, vor der Werkstätten (Beispiel EBB Long Life, The Plug) ratlos stehen. Problematisch ist im Zusammenspiel der Mix aus Komponenten mit klaren Spezifikationen einerseits und Ausnahmen für Idworx andererseits (Rohloff-Zulassung für das Kettenblatt, SON Widebody, Magura HS 33 als Firmtech, Felgen-Reifen-Kombination). Damit kommt in der Praxis nicht jeder klar – mit im Einzelfall fatalen Folgen (Schaltungstod, Felgenriss).
Der Service des Herstellers ist unzureichend und das Fachhändlernetz ist sehr dünn. Wenn vom Hersteller gravierende Mängel mit Falschaussagen (Gangschwund „innerhalb der Spezifikationen“) weggewischt werden und erst durch kundenseitige, nicht zu erwartende Technikrecherche diagnostiziert werden, dann passt das nicht zum Bild eines selbsterklärten Premium- oder High-End-Herstellers, der angeblich ständig nach Verbesserung strebt.
Der Käufer eines Off Rohler Evo ist in wichtigen Fragen wie Reifendruck/Felgen auf eigene Internet-Recherche angewiesen, weil die mitgelieferte Bedienungsanleitung gar nicht das Modell umfasst. Generell ist die Bedienungsanleitung für ein Fahrrad dieser Preisklasse ein Armutszeugnis.
Wenn der Hersteller über Wochen nicht zu erreichen ist, nicht auf Emails reagiert und auf seiner Website keinen Vermerk hierzu hat, dann wird etwas ganz Grundlegendes von dem nicht eingelöst, was sich dieses Unternehmen auf die Fahne geschrieben hat. Für mich verliert es so Glaubwürdigkeit; darunter leidet das Image und damit der Wert so eines Fahrrads.
Positiv ist für mich die Richtung, in die Idworx konsequent zu gehen versuchte. Negativ ist der enge Tunnel, in den man sich begibt, wenn man ihn als Kunde geht. Da ist nicht viel von anderen zu reparieren, wenn etwas kaputtgeht. Das ist wie bei Apple oder Tesla, und mit keinem Produkt dieser Marken würde ich in entlegeneren Winkel reisen wollen. Corona gibt allerdings gerade vor, dass die nächsten Reisen durch Europa führen werden; daher werde ich noch einige Zeit auf dem Off Rohler verbringen, schätze ich. Ganz sorgenfrei.