Re: vincenza's Ideen - finde ich gut!

Posted by: fahrstahl

Re: vincenza's Ideen - finde ich gut! - 04/11/12 10:54 AM

Hallo,

ausgehend von Deiner provoaktiven Behauptung, dass es in den letzten 25 Jahren kaum Verbesserungen gegeben hat, die das Fahrradfahren effizienter machen (im Sinne des optimierten Krafteinsatzes) habe ich mir mal ein paar Gedanken über die zurückliegende Entwicklung gemacht. Was hat sich verändert, verbessert, verschlechtert? Folgendes sind natürlich meine rein persönlichen und somit subjektiv wahrgenommenen Einschätzungen.

Rahmenmaterial:

Früher war Stahl der Standard, einzelne Aluminiumversuche starteten (wer erinnert sich noch an Alan Alu-Rahmen mit in Muffen verklebten Rohren). WIG-geschweißte Stahlrahmen kamen auf und erlaubten eine vielseitigere Geometrie-Konfiguration bei gleicher Materialfestigkeit (in meinen Augen war das schon mal ein Fortschritt).

Die Schweißtechnik von Aluminiumrahmen wurde verfeinert, so dass eine industrielle Produktion möglich war (auch das in meinen Augen ein Fortschritt - man konnte zw. Stahl und Alu wählen).

Carbon wurde als Rahmenmaterial entdeckt und ist mittlerweile ebenfalls industriell herstellbar (für mich ebenfalls ein Fortschritt, wenn man sich auf das entsprechende Einsatzgebiet beschränkt - Rennräder).

All das ging auch mit Gewichtseinsparungen einher.

Für mich allerdings schade, dass die Weiterentwicklung von Stahlrahmen zu Gunsten der "neuen" Materialien seitdem stagniert. Da wäre sicher auch noch was drin, ist aber sicher auch eine Frage des "Business Case", zumindest in der Massenherstellung.

Zur "Peripherie"

Generell Aluminiumfelgen statt früher noch recht häufig anzutreffender Stahlfelgen.

Vorteil: Gewicht, Verwidungssteifigkeit bei entsprechender Konstruktion (muss gar nicht mal immer Hohlfelge sein), Sicherheit (Bremsverhalten).
Nachteil: Größerer Verschleiß bei Felgenbremsen.

Bremsen: Weg von den Mittelzugbremsen (ok, auch da gab es ganz gute bei vernünftiger Konstruktion) hin zu allen möglichen Bremsarten von Cantis über V bis Scheibe mit oder ohne Hydraulik, hydraulische Felgenbremsen, Rollenbremsen nicht zu vergessen. Auch wenn hier manchmal Glaubenskriege ausgefochten werden, so ist doch für jeden was dabei. Die Auswahlmöglichkeit betrachte ich auch als Fortschritt.

Dynamos: Auch wenn Du nicht meiner Meinung bist - aber gegenüber den früheren Seitenläufern sind die aktuellen Nadys für mich definitiv ein Fortschritt. Kraftfresser vielleicht geringfügig im messbaren Bereich aber nicht im Gefühlten, dafür kein Gewese mehr mit korrekter Einstellung zur Radnabe, Kabelanschlussgedöns, Reifenflankenverschleiß usw. (Übrigens fahre ich hinten ein Batterielicht - dazu hattest Du in einem anderen Thread ja auch was geschrieben. Extra anschalten stört mich überhaupt nicht und die Batterielebensdauer ist beim Rücklicht für mich vollkommen ausreichend - die Kabelverlegung über Ecken und Winkel nach hinten ist für mich eine potenzielle Schwachstelle, egal wie toll das einige hier hinkriegen).
Na ja, und wer nicht will, muss ja nicht.

Naben: Ich behaupte mal, dass heutzutage selbst die preiswerten Shimanonaben besser gedichtet sind und keinen Leichtlaufnachteil gegenüber den vor 20 Jahren gängigen Teilen haben (klar für entsprechendes Kleingeld hat man auch früher besseres Material gekriegt, aber gutes musste schon immer teurer bezahlt werden).

Schaltung: Man kann sagen was man will, aber Shimano hat es geschafft, die Kettenschaltung Alltagskompatibel zu machen (für mich ein klarer Fortschritt, insbesondere hinsichtlich der Akzeptanz des Fahrrades bei allen Bevölkerungsschichten).
Nachteil für mich: die Ausnutzung der Quasi-Monopolstellung für die Gewinnmaximierung - schnelle Produktzyklen mit gewollter Inkompatibilität von alten mit neuen Komponenten. Da sehe ich einen generellen Nachteil - größerer Wettbewerb wäre hier besser.

Ach so, noch was persönliches zur Rohloff: Ich fahre selber keine und werde mir wahrscheinlich auch keine zulegen (neben dem Preis die hier im Forum auch schon angemerkten Schwachstell wie Ölverlust), aber das Ding ist für mich schon eine herausragende Ingenieurleistung. Papierdichtung klingt ja irgendwie nach Nachkriegsproduktion, aber ich kann mir gut vorstellen, dass das eine für den gedachten Einsatzzweck durchaus vernünftige Lösung ist. Was mich an Rohloff stören würde ist nicht die Nabe an sich, sondern das Finisch der Peripherie (Drehgriff, doppelte Züge, externe Schaltansteuerung). Das wirkt alles so improvisiert, irgendwie aus dem vollen handgeschnitzt. Es gibt ja aber wohl eine Menge Leute, die sich nicht daran stören.

Jetzt bin ich erstmal ausgelaugt - mir würde sicher sonst noch mehr einfallen.

Ach so: Du hattest hier irgendwo geschrieben, dass im Autobau schon längst Leichtbau praktiziert wird. Das sehe ich nicht so. Die Dinger werden doch immer größer und schwerer und wenn irgendwo mal eine Alu-Karroserie als Innnovation angepriesen wird, dann wird dadurch i.d.R. die Kiste auch nicht leichter, wenigstens nicht signifikant, sondern dient eher dazu, den Wagen nicht noch schwerer werden zu lassen, weil der ganze Elektro- und sonstige Gimmick ja auch was wiegt.

Das ist übrigens eine Entwicklung, die ich glaube, auch bei FAhrrädern zu bemerken. Hier noch ein Navi, dort noch eine zweite Lampe. Rahmensteifigkeit muss mit Federelementen ausgeglichen werden, die auch wieder was wiegen - also was das angeht, muss ich Dir recht geben, aber - sorry - die meisten Kommentare von Dir waren noch etwas unausgegoren.

Gruß

Meinhard