Posted by: Peter OG
Re: Neue 11-Gang-Alfine - 02/04/10 10:09 AM
Hallo Stefan,
Gustav Niemann war der legendäre Zahnrad- u. Getriebepapst der 50er und 60er Jahre. Er begründete an der TU München die Forschungsstelle für Zahnräder und Getriebebau (FZG) und gab das damals zweibändige Standardwerk
"Maschinenelemente" heraus. Der Band 2 davon beschäftigt sich ausführlich mit Zahnrädern und Getrieben. Der
Nachfolger an der FZG war Winter, den ich aus meiner Forschungstätigkeit noch persönlich kannte. Niemann und Winter
sind schon lange tot, das Buch wurde sozusagen zu ihrer Ehre unter den berühmten Namen Niemann/Winter
weitergeführt und ständig aktualisiert, entsprechend den laufenden Forschungsergebnissen der FZG. Heute hat das
Werk 3 Bände und erscheint unter den Namen Niemann/Winter/Höhn. Höhn ist der derzeitige Leiter der FZG. Es gibt
zusätzlich noch zahlreiche Ko-Autoren, die bei einzelnen Kapiteln mitgewirkt haben. Der Band 2 gilt als
deutschsprachiges Standardwerk über Zahnradgetriebe, welches auch in anderen Maschinenelementebüchern
(z. B. Roloff/Mattek) häufig zitiert wird. Die von mir zitierten Zahlenwerte stammen aus der zweiten, völlig neubearbeiteten Auflage von 1983.
Zum Wirkungsgrad, Roloff/Mattek:
Die Wirkungsgradformel aus Roloff/Mattek habe ich verwendet (es gibt ja auch keine andere).
Darin habe ich die abgegebene Leistung ausgedrückt durch (zugeführte Leistung minus Verlustleistung), die
Verlustleistung wiederum ist (1-ETA)mal zugef. Leistung.
Zahlenbeispiel für eine Fahrrad-Getriebenabe:
zugeführte Leistung P = 100 W
je Zahneingriff werden 0,3% von P verheizt, das sind 0,3 W , bei 6 Zahneingriffen je Planetenstufe sind das also 1,8 W.
Für Lagerreibung und Ölplanschverluste, (aus den Werten nach Niemann) gehen 0,7% von P verloren, also 0,7 W .
Gesamte Verlustleistung je Planetenstufe 1,8 + 0,7 = 2,5 W
Wirkungsgrad je Planetenstufe ETA = (100-2,5)/100 =0,975
Es ist mir bewusst, das dies nur eine überschlägige Näherungsrechnung ist. In Wirklichkeit wird in einer Planetenstufe ein
Teil der Leistung als Kupplungsleistung, der andere Teil als Wälzleistung übertragen. Nur der Wälzleistungs-Anteil ist
verlustbehaftet, die Kupplungsleistung wird verlustfrei übertragen. Die Kupplungsleistung beruht auf dem koaxialen An- und
Abtrieb und der Relativgeschwindigkeit zwischen Sonnenrad und dem rotierenden Planetenträger. Verhindert man diese
Relativgeschwindigkeit, z. B. durch verriegeln der Planetenräder, dann wird nur Kupplungsleistung übertragen, die ist
verlustfrei. Die Planetenstufe rotiert dann wie ein Block, die Zahnräder wälzen sich nicht aufeinander ab, Übersetzung ist 1:1,
das wäre also ein "direkter Gang".
Für die genaue Wirkungsgradberechnung müsste man in jeder beteiligten Planetenstufe aufgrund der dort übertragenen
Wälzleistung den Stufenwirkungsgrad berechnen. Der Gesamtwirkungsgrad ist das Produkt aller Stufenwirkungsgrade.
Diese Berechnung erfordert die genaue Kenntnis der Geometrie und der herrschenden Geschwindigkeiten in jeder Planetenstufe
und in jedem Gang. Diese Infos habe ich jetzt nicht, deshalb begnüge ich mich mit der Näherungsrechnung.
Außerdem ist das ein mühseliges Geschäft, das sich nicht lohnt, weil ohnehin zahlreiche Einflussgrößen einer Berechnung
kaum zugänglich sind, man denke nur an die Ölplansch- und Quetschverluste.
Aufgrund der verlustfreien Kupplungsleistung haben Planetengetriebe verhältnismäßig gute Wirkungsgrade gegenüber Standardgetrieben. Das habe ich in meiner Näherungsberechnung berücksichtigt, indem ich die günstigsten Werte aus
dem in Niemann angegebenen Streubereichen angenommen habe.
Aus dem gesagten wird klar, dass so eine Getriebenabe in jedem Gang einen anderen Wirkungsgrad hat. Für den
Werbeprospekt lässt sich also immer ein möglichst günstiger Wirkungsgrad angeben, man muss nur den richtigen Gang
auswählen. Im Prinzip ist der Wirkungsgrad am besten,( nämlich 1) bei komplett verblocktem Getriebe, also im direkten
Gang, aber das glaubt ja doch keiner, also gibt man den Wirkungsgrad im zweitbesten Gang an.
Zum Kippmoment:
Natürlich entsteht durch die Axialkraft bei der Schrägverzahnung ein Kippmoment. Das daraus resultierende Kräftepaar
muss bei der Lagerdimensionierung berücksichtigt werden. Weil man meistens Wälzlager verwendet, ist die zusätzliche Lagerreibung gering. Dieser Einfluss ist durch die zitierten Erfahrungswerte abgedeckt.
Gruß Peter
Gustav Niemann war der legendäre Zahnrad- u. Getriebepapst der 50er und 60er Jahre. Er begründete an der TU München die Forschungsstelle für Zahnräder und Getriebebau (FZG) und gab das damals zweibändige Standardwerk
"Maschinenelemente" heraus. Der Band 2 davon beschäftigt sich ausführlich mit Zahnrädern und Getrieben. Der
Nachfolger an der FZG war Winter, den ich aus meiner Forschungstätigkeit noch persönlich kannte. Niemann und Winter
sind schon lange tot, das Buch wurde sozusagen zu ihrer Ehre unter den berühmten Namen Niemann/Winter
weitergeführt und ständig aktualisiert, entsprechend den laufenden Forschungsergebnissen der FZG. Heute hat das
Werk 3 Bände und erscheint unter den Namen Niemann/Winter/Höhn. Höhn ist der derzeitige Leiter der FZG. Es gibt
zusätzlich noch zahlreiche Ko-Autoren, die bei einzelnen Kapiteln mitgewirkt haben. Der Band 2 gilt als
deutschsprachiges Standardwerk über Zahnradgetriebe, welches auch in anderen Maschinenelementebüchern
(z. B. Roloff/Mattek) häufig zitiert wird. Die von mir zitierten Zahlenwerte stammen aus der zweiten, völlig neubearbeiteten Auflage von 1983.
Zum Wirkungsgrad, Roloff/Mattek:
Die Wirkungsgradformel aus Roloff/Mattek habe ich verwendet (es gibt ja auch keine andere).
Darin habe ich die abgegebene Leistung ausgedrückt durch (zugeführte Leistung minus Verlustleistung), die
Verlustleistung wiederum ist (1-ETA)mal zugef. Leistung.
Zahlenbeispiel für eine Fahrrad-Getriebenabe:
zugeführte Leistung P = 100 W
je Zahneingriff werden 0,3% von P verheizt, das sind 0,3 W , bei 6 Zahneingriffen je Planetenstufe sind das also 1,8 W.
Für Lagerreibung und Ölplanschverluste, (aus den Werten nach Niemann) gehen 0,7% von P verloren, also 0,7 W .
Gesamte Verlustleistung je Planetenstufe 1,8 + 0,7 = 2,5 W
Wirkungsgrad je Planetenstufe ETA = (100-2,5)/100 =0,975
Es ist mir bewusst, das dies nur eine überschlägige Näherungsrechnung ist. In Wirklichkeit wird in einer Planetenstufe ein
Teil der Leistung als Kupplungsleistung, der andere Teil als Wälzleistung übertragen. Nur der Wälzleistungs-Anteil ist
verlustbehaftet, die Kupplungsleistung wird verlustfrei übertragen. Die Kupplungsleistung beruht auf dem koaxialen An- und
Abtrieb und der Relativgeschwindigkeit zwischen Sonnenrad und dem rotierenden Planetenträger. Verhindert man diese
Relativgeschwindigkeit, z. B. durch verriegeln der Planetenräder, dann wird nur Kupplungsleistung übertragen, die ist
verlustfrei. Die Planetenstufe rotiert dann wie ein Block, die Zahnräder wälzen sich nicht aufeinander ab, Übersetzung ist 1:1,
das wäre also ein "direkter Gang".
Für die genaue Wirkungsgradberechnung müsste man in jeder beteiligten Planetenstufe aufgrund der dort übertragenen
Wälzleistung den Stufenwirkungsgrad berechnen. Der Gesamtwirkungsgrad ist das Produkt aller Stufenwirkungsgrade.
Diese Berechnung erfordert die genaue Kenntnis der Geometrie und der herrschenden Geschwindigkeiten in jeder Planetenstufe
und in jedem Gang. Diese Infos habe ich jetzt nicht, deshalb begnüge ich mich mit der Näherungsrechnung.
Außerdem ist das ein mühseliges Geschäft, das sich nicht lohnt, weil ohnehin zahlreiche Einflussgrößen einer Berechnung
kaum zugänglich sind, man denke nur an die Ölplansch- und Quetschverluste.
Aufgrund der verlustfreien Kupplungsleistung haben Planetengetriebe verhältnismäßig gute Wirkungsgrade gegenüber Standardgetrieben. Das habe ich in meiner Näherungsberechnung berücksichtigt, indem ich die günstigsten Werte aus
dem in Niemann angegebenen Streubereichen angenommen habe.
Aus dem gesagten wird klar, dass so eine Getriebenabe in jedem Gang einen anderen Wirkungsgrad hat. Für den
Werbeprospekt lässt sich also immer ein möglichst günstiger Wirkungsgrad angeben, man muss nur den richtigen Gang
auswählen. Im Prinzip ist der Wirkungsgrad am besten,( nämlich 1) bei komplett verblocktem Getriebe, also im direkten
Gang, aber das glaubt ja doch keiner, also gibt man den Wirkungsgrad im zweitbesten Gang an.
Zum Kippmoment:
Natürlich entsteht durch die Axialkraft bei der Schrägverzahnung ein Kippmoment. Das daraus resultierende Kräftepaar
muss bei der Lagerdimensionierung berücksichtigt werden. Weil man meistens Wälzlager verwendet, ist die zusätzliche Lagerreibung gering. Dieser Einfluss ist durch die zitierten Erfahrungswerte abgedeckt.
Gruß Peter