Posted by: Wolfram
Re: Wie behebe ich Sattelknacken beim B17? - 10/17/07 11:09 AM
Hallo Markus, geht auch an Stefan,
den Tip, den Sattel im warmen Backofen bei deutlich unter 70 C mit Lanolin zu tränken, bekam ich vor zig Jahren von einem ehemaligen Rennfahrer. Während seiner aktiven Zeit gab's nur Kernledersättel, die Eigentum des Fahrers und nicht des Rennstalls waren. Der Vorteil von Lanolin gegenüber Proofide ist der, daß das Leder sehr schnell sehr geschmeidig wird. Üblich war es auch, das Leder seitlich zu beschneiden und den C-förmigen hinteren Bügel an den beiden Enden nach unten zu biegen. So sind hohe Trittfrequenzen leichter möglich. Ähnlich diesem B17 Swallow von 1950
Für einen nagelneuen, unbeschnittenen B 17 benötige ich etwa 100 g Lanolin aus der Apotheke (keine lanolinhaltige Hautcreme mit viel Wasser u.a. Zutaten!). Dazu wird der Sattel mit einer alten Zahnbürste zu 3/4 von unten und 1/4 von oben eingeschmiert und auf einem Backblech im Ofen erwärmt bis das Lanolin eingezogen ist. Nach mehreren Durchgängen, bei der er etwa 50 g aufgenommen hat, ist der Sattel so weit getränkt, daß damit begonnen werden kann, das Leder von Hand durchzuwalken. Es folgen dann noch etwa weitere 30 g. Danach wird der Sattel auf's Rad montiert und der Bereich des Damms und der beiden Sitzknochen mit einem abgerundeten (Kunststoff)hammer malträtiert. Ein übergezogener alter Socken als Schutz kann nicht schaden. Soll der Sattel in der Länge gewinnen, wird er noch einmal eingeschmiert und kommt in den Ofen. Rausnehmen, den hinteren Teil kreuzweise mit Pedalriemen so umspannen, daß sich die beiden seitlichen Lederflügel nicht aufbiegen können, die Spannschraube 1-2 cm anspannen und den Sattel noch ein mal erwärmen und im Ofen über Nacht auskühlen lassen. Spannschraube wieder etwas lösen. Die ersten 1-2000 km hat der Sattel jetzt schon hinter sich ;-). Nach weiteren 500-1000 Km ist der Sattel für die restlichen 20g der 100g Packung bereit. Mit Lanolin behandelte Sättel sind an der Oberfläche matter als mit Proofide behandelte. Sie halten auch nicht so lange, das Leder zieht sich schneller. Grundsätzlich gilt, daß durch das Einfetten des Leders das Leder elastomerartige Eigenschaften erhält, d.h. das Leder federt zurück. Soll das Leder in seiner Oberflächenstruktur ein bleibender, individueller und dreidimensionaler Abdruck des Menschen werden, so empfiehlt sich eine andere Vorgehensweise: http://www.billbostoncycles.com/brooks_pro.htm , für die mir allerdings die Geduld und die nötige anfängliche Schmerzresistenz fehlen.
Je länger ich mit dem Tuning von Brooks-Sätteln zu tun habe, um so mehr muß ich feststellen, daß das, was ich bis vor kurzem zu wissen glaubte, so nicht unbedingt stimmt. Mit jedem Sattel lerne ich dazu und Erlerntes relativiert sich. Ist halt ein hochkomplexes Thema.
Gruß Wolfram
den Tip, den Sattel im warmen Backofen bei deutlich unter 70 C mit Lanolin zu tränken, bekam ich vor zig Jahren von einem ehemaligen Rennfahrer. Während seiner aktiven Zeit gab's nur Kernledersättel, die Eigentum des Fahrers und nicht des Rennstalls waren. Der Vorteil von Lanolin gegenüber Proofide ist der, daß das Leder sehr schnell sehr geschmeidig wird. Üblich war es auch, das Leder seitlich zu beschneiden und den C-förmigen hinteren Bügel an den beiden Enden nach unten zu biegen. So sind hohe Trittfrequenzen leichter möglich. Ähnlich diesem B17 Swallow von 1950
Für einen nagelneuen, unbeschnittenen B 17 benötige ich etwa 100 g Lanolin aus der Apotheke (keine lanolinhaltige Hautcreme mit viel Wasser u.a. Zutaten!). Dazu wird der Sattel mit einer alten Zahnbürste zu 3/4 von unten und 1/4 von oben eingeschmiert und auf einem Backblech im Ofen erwärmt bis das Lanolin eingezogen ist. Nach mehreren Durchgängen, bei der er etwa 50 g aufgenommen hat, ist der Sattel so weit getränkt, daß damit begonnen werden kann, das Leder von Hand durchzuwalken. Es folgen dann noch etwa weitere 30 g. Danach wird der Sattel auf's Rad montiert und der Bereich des Damms und der beiden Sitzknochen mit einem abgerundeten (Kunststoff)hammer malträtiert. Ein übergezogener alter Socken als Schutz kann nicht schaden. Soll der Sattel in der Länge gewinnen, wird er noch einmal eingeschmiert und kommt in den Ofen. Rausnehmen, den hinteren Teil kreuzweise mit Pedalriemen so umspannen, daß sich die beiden seitlichen Lederflügel nicht aufbiegen können, die Spannschraube 1-2 cm anspannen und den Sattel noch ein mal erwärmen und im Ofen über Nacht auskühlen lassen. Spannschraube wieder etwas lösen. Die ersten 1-2000 km hat der Sattel jetzt schon hinter sich ;-). Nach weiteren 500-1000 Km ist der Sattel für die restlichen 20g der 100g Packung bereit. Mit Lanolin behandelte Sättel sind an der Oberfläche matter als mit Proofide behandelte. Sie halten auch nicht so lange, das Leder zieht sich schneller. Grundsätzlich gilt, daß durch das Einfetten des Leders das Leder elastomerartige Eigenschaften erhält, d.h. das Leder federt zurück. Soll das Leder in seiner Oberflächenstruktur ein bleibender, individueller und dreidimensionaler Abdruck des Menschen werden, so empfiehlt sich eine andere Vorgehensweise: http://www.billbostoncycles.com/brooks_pro.htm , für die mir allerdings die Geduld und die nötige anfängliche Schmerzresistenz fehlen.
Je länger ich mit dem Tuning von Brooks-Sätteln zu tun habe, um so mehr muß ich feststellen, daß das, was ich bis vor kurzem zu wissen glaubte, so nicht unbedingt stimmt. Mit jedem Sattel lerne ich dazu und Erlerntes relativiert sich. Ist halt ein hochkomplexes Thema.
Gruß Wolfram