Re: Wird Ersatzteilversorgung immer schwieriger?!

Posted by: ohne Gasgriff

Re: Wird Ersatzteilversorgung immer schwieriger?! - 01/25/16 09:04 PM

Jeder ist seines eigenen Fahrrades Dorfschmied!

Will sagen, die jeweils beste Lösung ist eine Abwägungssache, je nach eigenen persönlichen Schrauberfähigkeiten. Keep it simple ist der richtige Ansatz, wenn diese simple Technik dazu führt, daß man selbst in der Lage ist, sich zu helfen. Ist man das nicht, ist man womöglich besser beraten, eine aufwendigere Technik zu wählen, die dafür vorraussichtlich überhaupt nicht erst ausfällt.
Beispiel Kettenschaltung: Herrlich primitiv und auf der ganzen Welt verfügbar. Aber Kummer ist damit vorprogrammiert und wenn ich selbst nicht in der Lage bin, sie zu warten, einzustellen oder zu reparieren, ist eine Pinion oder Rohloff die klar bessere Wahl.
Stahl- oder Alurahmen: Mit Alu kann man bei gleichem Gewicht den eigentlich stabileren und steiferen Rahmen bauen. Ein Stab Messinglot sprengt andererseits nicht die Bank und läßt sich problemlos mitführen. Wenn ich also selber löten kann, bin ich auf Reisen durch wenig entwickelte Länder mit einem Stahlrahmen gut beraten. Eine Fackel findet sich schon irgendwo und irgendeine Werkstatt brauche ich sowieso. Kann ich das jedoch nicht und bin stattdessen auf den usbekischen Schweißelektrodenvirtuosen angewiesen, der ansonsten mithilfe einer Familienpackung vergewaltigter LKW-Batterien Fenstergitter zusammenbrutzelt, dann sieht die Sache anders aus.
Solche Gedanken kann man über so ziemlich jede Komponente anstellen. Daumenschalthebel vs. komplexer Triggerschalter mit mehr Einzelteilen als ein Wecker, V-Brake vs. Hydraulik, Nabendynamos, die nur der Hersteller reparieren kann vs. solche, bei denen man am Straßenrand nach Öffnen zweier Muttern den Anker rausziehen, reparieren oder austauschen kann. Grad hatten wir hier im Forum einen Fall, daß irgend so 'ne High-Tech-Funzel am Nabendynamo ein erratisches Verhalten zeigt. Alle spekulieren rum, keiner weiß Rat und das Problem ist m.W. noch immer ungelöst. Wohlgemerkt ein Fahr-rad-schein-wer-fer, kein Airbus A380! Eine über USB aufladbare Funzel bekommt man an jeder Ecke nachgeschmissen, Akkus halten im Sommer auch ausgedehnte Touren autark durch, falls nicht, kann man sie auch mit dem Dynamo aufladen oder am Campingplatz/Pension/Gaststätte und falls alle Stricke reißen, dann stopft man halt drei AA-Batterien rein, die es überall zu kaufen gibt.
Ich war früher mit dem VW Bulli (Produktionsende 1979) oder mit der BMW R100GS (Produktionsende 1996) unterwegs. Beides seinerzeit beliebte Reisefahrzeuge und beide haben mehr Fehler als ein Hund Flöhe. Sie gehen jedoch (zumindest unter kundiger Hand) nie so kaputt, daß man sie nicht an Ort und Stelle wieder flott bekäme - und genau das ist es, worauf es ankommt bzw. damals ankam. Heute gehen mit diesen Oldtimern immer wieder junge Leute auf Tour, die irgendwelche Ideen von Unverwundbarkeit im Hinterkopp, aber keinerlei Bezug zu dieser alten Technik und erst recht kein Händchen mehr dafür haben. Die rufen dann aus Südamerika oder Afrika per Internet um Hilfe, weil die Zündanlage nicht mehr zündet oder der Vergaser nimmer vergast. Die wären mit was Zeitgenössischerem, voll von Black Boxes, dafür aber mit zuverlässiger Funktion allemal besser bedient.