Re: Sind Radtouren in Mode???

Posted by: Igel-Radler

Re: Sind Radtouren in Mode??? - 06/11/04 01:45 PM

In Antwort auf: Tine

Ich freue mich über jeden Radler, den ich unterwegs treffe und sollten es mehr werden, habe ich nichts dagegen. ...
Wo mehr Radler sind, da wird auch die Infrastruktur für diese (Radmitnahme bei Bahn etc.) besser.


Liebe Tine,

ich habe dich hier zitiert, weil du ziemlich genau den offensichtlichen Konsens hier getroffen hast. Ich würde aber gern die Konsequenzen etwas näher beleuchten:

1. In bestimmten Gebieten (Donauradweg, Moselradweg, etc.) wird der Radverkehr so zunehmen, dass die Radwege überlastet sind. Das führt dann nicht wie bei Autobahnen zu Staus, aber zu mehr Unfällen und einer niedrigeren Geschwindigkeit. Schon jetzt muss ich den Moselradweg zu normalen Tageszeiten meiden, weil ein entspanntes zügiges Fahren nicht mehr möglich ist.

2. Es ist zu erwarten, dass vor allem in Flusstälern die Radwege besser ausgebaut werden, auch Lücken geschlossen werden. Dies wird sich aber auf touristische Gegenden beschränken. Im Gegenzug wird das Geld aber für Radverkehrsmaßnahmen anderswo fehlen. Der Tourenradler, der sein Rad auch und gerade für Touren von A nach B benutzt, wird von diesen Maßnahmen nicht profitieren, er wird vielmehr darunter leiden, dass er bestimmte Steckenabschnitte wegen Überlastung aus seiner Tourenplanung ausklammern muss.

3. Es wird sicherlich noch mehr Bett&Bike-Betriebe geben, aber sie werden noch mehr als jetzt aus der gehobenen Hotellerie stammen (schon bei meiner letzten Tour waren die beiden Bett&Bike Hotels die mit Abstand teuersten). Allerdings ist der Mehrwert von Bett&Bike ohnehin für mich fragwürdig (mein Rad war auch in den anderen Hotels gut - teilweise sogar besser -untergebracht) und mehr eine Marketing-Aktion, wirklich gut ist nur die Suchfunktion nach Radweg.

4. Ein Ausweiten des Radtourismus macht das Reiserad samt Zubehör für die Großen aus Industrie und Handel interessanter. Qualitativ hochwertig positionierte mittelständische Hersteller könnten dabei an die Wand gedrückt werden, da - anders als im MTB- und Rennradbereich - kein ambitionierten Sportler eine ausreichende Nachfrage nach höchstwertigen Produkten garantieren (wenn ich mir im Moment ansehe, wie viel Raum und positive Aufmerksamkeit selbst hier im Forum technisch minderwertige Produkte wie 7- oder 8-Gang Nabenschaltungen, Shimano-Nabendynamos, oder gar Rücktritt böse bekommen, wird mir für die Zukunft von SON, Rohloff und Konsorten angst und bange).

5. Wenn eine genügend große Gruppe betuchter Radler existiert, wird der Fahrradtransport vermutlich als Dienstleistung von UPS und Co. angeboten werden; für die Bahn wird dies Anlass sein, die Fahrradmitnahme im Fernverkehr endgültig abzuschaffen.

6. Und ob die Ökobilanz des "modernen" Fahrrad-Tourismus in allen Fällen besser aussieht, wage ich auch zu bezweifeln: Anreise mit den Fahrrädern auf dem Autodach (mit entsprechendem Mehrverbrauch), Gepäcktransport per Auto usw.. Und das nächste Auto wird dann eine Nummer größer, man muss ja jetzt öfter die Fahrräder mitnehmen peinlich )

Das war jetzt alles sehr pessimistisch, das gebe ich zu. Ich würde es natürlich auch begrüßen, wenn als Folge des Fahrradbooms

- das Angebot an Rädern und Zubehör vielfältiger, preiswerter und qualitativ besser würde;

- endlich ein fahrradgeeignetes GPS-Gerät mit europaweiter radgerechter Routingsoftware auf den Markt käme;

- bei den Paketdiensten Fahrradtransport europaweit als preiswerte Leistung angeboten würde, und gleichzeitig die europäischen Eisenbahnen (neben der deutschen vor allem auch die FS, RENFE, SNCF und die Schwedischen Staatsbahnen) die Fahrradmitnahme im Fernverkehr verbessern würden;

- europaweit neben den touristischen Radwegen auch die echten Fernradwege ausgebaut würden;

- die Veranstalter von Gruppen-Fahrradtouren (einschließlich des ADFC) gesetzlich zu wirksamen Maßnahmen verpflichtet werden, die von Ihnen benutzten Wege auch für andere Radfahrer freizuhalten (und zwar nicht erst nach 30maligem Klingeln böse ).

Gruß

Igel-Radler, bei diesem Thema eher Pessimist als Optimist