Re: Neues Hobby: Nachtfahren?!

Ja, in der Dunkelheit konzentriert es sich dann. Als ich im vergangenen Jahr, von einer Radreise durch Nordgriechenland zurückkehrend, auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld angekommen war und das erneut bepackte Rad aus dem hell erleuchteten Gebäude und Gelände des Flughafens hinaus in die Südberliner Nacht schob - die S-Bahnen fuhren nicht mehr - zog mich der schwere Duft der nördlich-kühlen Luft so in seinen heimlichen Bann, daß ich, erfrischt wie ich es eine Stunde zuvor nicht für möglich gehalten hätte, einfach hineinfuhr in die Dunkelheit und die Kühle, als bedürfe es keiner Leitung und Orientierung, um nachhause (im Berliner Nordwesten, also "quer - durch") zu gelangen. Auf unbekannten Straßen in Berlins Süden habe ich mich dann für etwa eine Stunde "verfahren" - ohne doch von der umgebenden Finsternis irre gemacht zu werden, vielmehr, im Ganzen, einer erwarteten Kreuzung (von der ich gleichwohl nicht wußte) gelassen entgegen fahrend. Wieviel mehr läßt sich an den Formen, an den Zügen einer Umgebung ablesen und erkennen, wenn wir "aus der Fremde heimkehren", wenn das Gewohnte unter dem umfassend prüfenden Blick, den wir in Lebenszusammenhängen fremder Sprache hatten schulen müssen, seine scheinbar interesselos beruhigende Wirkung nicht ausüben kann! Die anschließende Nachtfahrt durch die Stadt war wunderbar - Mensch, dachte ich: du kennst ja deine "eigene Stadt" nicht! und war so aufgeregt wie vor dem Beginn einer großen Reise.
In meiner Wohnung stehend fiel mein Blick auf ein Stück Papier, das in wenigen Schriftzügen eine Notiz trug, die einem Einfall galt, der mir vor dem Verlassen der Wohnung durch den Sinn gegangen war. Plötzlich bemerkte ich, wie die Unruhe, die Anspannung der letzten Tage von mir abzufließen begannen. Durch das Fenster drang der bleiche Schein der Morgendämmerung. Auf dem Ziffernblatt der großen Turmuhr dort draußen hatte sich der große Zeiger bewegt.
Glückliche Rückkehr von schönen Nachtfahrten wünscht
Tilmann