Re: Touren im Winter?

Posted by: JaH

Re: Touren im Winter? - 09/08/10 08:04 AM

In Antwort auf: alexos76
Was ist wichtig?

Kommt drauf an, worauf es einem selber ankommt. lach
Will man "Meter" machen? Oder will man ruhig und sturzfrei fahren? Geht es um die Landschaft, oder was anderes? Was für ein Rad fährt man, welche Erfahrungen bringt man mit, usw. .. ?

Bei meiner Kurztour zu Jahresanfang ist mir mal wieder einiges aufgefallen bzw. erneut klar geworden.

- Schwitzen: Es ist (für mich) schwer die richtige Abstimmung bei der Bekleidung zu finden, bei der ich nicht auskühle, aber der Schweiss ausreichend gut abziehen kann, ohne das meine Kleidung dabei allzusehr nass wird. Und wenn ich nassgeschwitzt bin, ist es nicht so leicht so zu fahren, dass man wieder abtrocknet, ohne dass einem kalt wird.

- Schnee: In wenig Schnee, sofern er nicht überfroren ist, fährt es sich recht problemlos, es sollte aber besser keine überschneiten Eisflächen haben, wenn man keine Spikes fährt
In viel Schnee wird das Radfahren rasch sehr mühsam.
Schnee setzt sich fix an allen Teilen des Rades fest und wenn er dann antaut und wieder überfriert, wird nicht nur das Rad deutlich schwerer, es wird mitunter sogar komplett blockiert.
Das größte Problem aber ist m.E. das Streusalz. Es fährt sich besch...en wenn gestreut wurde, weil meistens nur ein Teil antaut und es zu Matschdbildung kommt. Im Schneematsch fährt es sich aber zunehmend rutschig und beschwerlich. Zudem ist der Salzmatsch gerne auch mal ein extremer Materialkiller.
Am besten fährt es sich auf mäßig festgefahrenem Schnee, der kein Streusalz "geschmeckt" hat.

- Wasser: Ohne Thermoskanne geht nichts. Die wiegt aber und wenn man gerne mal etwas mehr schwitzt, wie ich, reicht eine Kanne nicht sehr weit. Zudem sind Thermoskannen schlecht während der Fahrt nutzbar. Es gibt zwar auch halbherzig isolierte Radflaschen, aber da passt a) nicht viel rein, b) wird das Wasser darin auch sehr rasch kalt.
Für Wassernachschub muss man dann entweder den Kocher anwerfen um Schnee zu schmelzen, das kostet einiges an Zeit, oder man muss sich was kaufen und gegebenenfalls auch noch anwärmen, damit es nicht zu kalt wird.

Für feste Nahrung gilt ähnliches. Ich hab mir vor ein paar Jahren mal eine kurzfristige Gewalttour angetan, 117km durch die Frostnacht (zum Glück ohne Wind, ach ja, Wind, auch ein Thema) mit nur 1 Liter heißem Wasser und einem halbem Liter rasch auskühlendem Wasser mit etwas Zitronentee. Dazu nen paar Müssliriegel. Die Riegel waren dann ein Problem. Ich hab auf dem Rückweg einen unter das Trikot, direkt auf den Bauch gelegt, darüber war eine einfache Radjacke (an der mir später die Ärmel ein-/steiffroren) und der wurde nicht wirklich weich.
Das Ende vom "Lied" jener Fahrt war sehr grenzwertig. 1,5 Liter Flüssigkeit waren nicht wirklich genug um meinen Wasserverlust auszugleichen. Krämpfe kündigten sich an und konnten nur durch sehr dosiertes Fahren und Glück und in Bewegung bleiben verhindert werden. Die letzten 25km waren die reine Tortur. Jeder Defekt der mich in tiefer Nacht ereilt hätte, hätte mich existentiell gefährdet, da es ohne Bewegung binnen sehr weniger Minuten zu kalt geworden wäre und ich zuletzt sozusagen "auf dem Zahnfleisch" fuhr. Ich trug bereits eine zweite Jacke über der Radjacke, dazu zwei Trikots, Kopfhaube (interessanterweise reichte da durchweg die dünnere mit dem Baumwoll-Kopftuch), 2 Radhosen übereinander und hatte das zweite Paar dicke Handschuhe an, nachdem das erste Paar nass geschwitzt war.
Die Dusche in der Nacht war eine Erlösung. Das warme Essen eine Wohltat. Und wenige Tage später wurde ich nach langer Zeit mal wieder richtig krank, ich denke weil ich mich dabei zu sehr an die absolute Erschöpfungsgrenze gefahren hatte.

- Wieso tut man das? Für die obige knapp geschilderte Fahrt gab es persönliche Gründe, weshalb ich das, für mich, tun wollte/tun musste. Aber mal abgesehen davon, braucht es halt den nötigen und ehrlichen Spaß an Winterfahrten. Innere Ruhe und Gelassenheit, um die Landschaft und die Langsamkeit genießen zu können.
Die Fahrt durch das verschneite Tiefland war ... klasse! Und auch zelten und draussen pennen hat echt was für sich. WENN DIE AUSRÜSTUNG STIMMT!

- Übernachten: Ich wollte mich zu Jahresbeginn nicht zu sehr vollpacken, daher verzichtete ich auf das Zelt und nahm nur die Strandmuschel und das neue Tarp mit. Damit kann man schon recht flexible "Behausungen" konstruieren, auch auf wenig Platz wo man kaum noch ein Zelt hinstellen könnte. Und man kann das Rad direkt mit in die Behausung einbeziehen. Die Lüftung ist gut und ich hatte zudem den frischen Schnee direkt neben dem Gaskocher.
Der neue Dauenschlafsack (ME Helium 400), kurze Zeit vorher beim Globi Adventskalender ergattert, war Klasse und ich hab ihn nur 2/3 oder 3/4 zugemacht, weil mir sonst zu warm geworden wäre. grins Ohne den hätte ich meinen 2,5kg Ajungilak Tyin (aus Zeiten wo Ajungilak noch nicht Mammut war und der Tyin noch der kleine Bruder vom Denali) mitschleppen müssen.
aber wie es bereits erwähnt wurde, Schuhe sind ein Thema für sich beim winterlichen Radfahren. Ich hatte die Meindl Stiefel mit zwei Paar Socken an, trotzdem wurden die Füße zeitweise unangenehm kalt.

- Mein Fazit: Im Winter unterwegs zu sein, erfordert genauere Planung und Wissen bzw. ausreichend Erfahrung. Und diese Erfahrung fehlt mir persönlich doch noch recht deutlich. Ich improvisiere zwar gerne und im Winter gehört das wohl auch mit dazu, aber für optimales Improvisieren braucht es eine Grundlage von genug Erfahrung. Und Erfahrung kommt von Erfahren, sich etwas erfahren, also von Aktivität.

Mal schauen...