Re: Persönliche Erfahrungen gesucht

Posted by: irg

Re: Persönliche Erfahrungen gesucht - 07/01/10 06:35 AM

Hallo schnoop!

Dass ich nach einer langen Radtour nicht mehr heim wollte, habe ich so nicht erlebt. Aber den lebensstil- und letztlich auch persönlichkeitsverändernden Effekt immer wieder.

Meine Radtouren mache ich fast alle alleine, anfangs notgedrungen, weil ich niemand anderen finden konnte, der sich sowas antun wollte, später habe ich die positiven Seiten davon sehr zu schätzen gelernt: Ich nehme das Land viel, viel intensiver wahr als mit anderen, und ich bin auf mich alleine angewiesen, mit allen Facetten.

Der zweite Punkt hat mehrere Ebenen: Wer den ganzen Tag mit sich und sonst niemandem durchs Land radelt, hat viel, viel Zeit, sich mit ungelösten Themen aus seinem Leben zu beschäftigen, und nur wenige Möglichkeiten, sich abzulenken. Da kam, zumindestens bei mir, einiges in den Fluss, was sonst länger gebraucht hätte. (Das ist inzwischen kaum mehr ein Thema für mich, meine Lebensumstände haben sich geändert.)
Gestern bin ich von meiner heurigen (leider kurzen) Radtour zurückgekommen und habe mich wieder gewundert, was Menschen alles so zum Leben unbedingt zu brauchen meinen. Mir hat auf der Radltour gerade das Radl mit 2 Packtaschen und einem kleinen Zelt am Träger gereicht, um glücklich zu sein. Radtourenfahren relativiert einiges, weil es auf die ursprünglichen Bedürfnisse (wird der nächste Schlafplatz schön und sicher sein, wo finde ich mein nächstes Futter, bleibt es trocken, bis ich das Zelt aufgestellt habe, ....)zurückführt. (Wobei es da sicher auch andere Reisestile mit dem Rad gibt.)
Was auch heuer für mich zum schönsten gehort hat: Ich war nur für mich selbst und meine eigenen Bedürfnisse zuständig (und das mit allen Konsequenzen bei Fehlentscheidungen), ich musste keine Rücksichten auf andere nehmen, herrlich! (Sonst bestimmt zwangsläufig meine Familie meinen Alltag, ich habe zwar einen gewissen Gestaltungsspielraum, bin aber dafür zuständig, dass die Familie funktioniert. Da muss ich mit den Kindern, von denen eines behindert ist, immer damit rechnen, sofort für andere da sein zu müssen, auch um 4h in der Nacht...)

Dich hat deine Radtour ziemlich aus der Bahn geworfen, schreibst du. Dazu drängt sich mir eine Frage auf: Was für eine Bahn war das (du musst natürlich niemandem hier antworten, das ist dein persönliches Thema!), in die du jetzt nur mehr schlecht zurück findest? Könnte es sein, dass du durch deine Radtour entdeckt hast, dass an deiner Bahn etwas nicht mit dir und deinen Bedürfnissen zusammen passt?
Wenn an dieser Frage etwas dran sein sollte (die ist reine Spekulation), könntest du versuchen, deine Alltagsbahn in eine Richtung zu lenken, die dir besser entspricht.

Auf jeden Fall gehe ich davon aus, dass es für dich für ein glückliches Leben besser ist, weiter solche Touren zu machen, als von Problemen und etwaigen Zweifeln unangefochten zu Hause zu verschimmeln.

lg! georg