Re: Umfrage: Was hält dich vom Radreisen ab?

Posted by: Philueb

Re: Umfrage: Was hält dich vom Radreisen ab? - 12/23/20 11:01 AM

Hallo,

ich antworte hier einfach mal auf den letzten Beitrag:

Also eine längere Radreise kann sicherlich sehr schön sein! schmunzel

Ich finde allerdings der finanzielle Aspekt (sowohl die Finanzierung der konkreten Reise als auch die Finanzierung nach der Reise) geht hier teilweise etwas unter, bei einigen Beiträgen habe ich fast das Gefühl, als müsse er gar nicht berücksichtigt werden.

Ich bin Anfang/Mitte 30 und jung wie alt sind sich einig, dass sich die Arbeitswelt in den letzten ein, zwei Jahrzehnten stark verändert hat (davor sicherlich auch, kann ich jedoch nicht aus eigener Erfahrung beurteilen). Der Spruch unserer Eltern: "Wenn du das Abi in der Tasche hast, brauchst du dir um nichts Sorgen zu machen" ist so sicherlich nicht mehr zutreffend.

Die meisten in meinem Freundeskreis sind sehr gut ausgebildet mit (dualem) Studium, teils Promotion, dennoch waren einige davon zeitweise arbeitslos und sind, wenn angestellt, gemessen an ihrer Qualifikation deutlich unterbezahlt. Einige haben auch gute Jobs mit gutem Lohn, diesen dann für ein 'Abenteuer' aufs Spiel zu setzen ist nicht jedermanns Sache. Macht einen so ein Abenteuer einer längeren Weltreise dann wirklich langfristig glücklich, wenn im Anschluss lange Jahre der Arbeitslosigkeit/im Geringverdienermilieu in suboptimaler Wohnsituation mit einem teils entfremdeten Freundeskreis die Folge sind? Ich polemisiere hier etwas, um die Stoßrichtung zu verdeutlichen. Nachdem ich nach dem Abi acht Monate unterwegs war, während meine Freunde Zivi oder Ausbildung/Studium gemacht haben, musste man sich erstmal wieder annähern, die Lebenswelten waren doch sehr unterschiedlich.

Eine längere Reise während des Studiums (während der Ausbildung sowieso nicht) ist ohne Studienbezug auch nicht unproblematisch. Entgegen dem, was von Arbeitgeberseite häufig öffentlichkeitswirksam proklamiert wird. Ich habe z.B. einen Dipl.Ing.-Maschbau-Freund mit guten Abschlussnoten, der u.a. wegen eines zu langen Bachelor-Studiums dauernd Absagen auf Bewerbungen erhält (die lange Studienzeit als Grund wurde ihm auf Nachfrage unter der Hand zweimal so mitgeteilt). Eine andere, superfitte und kompetente Freundin von mir hat aufgrund zwei Schlenkern im Lebenslauf ebenfalls das Gefühl, beruflich keinen Fuß mehr auf den Boden zu bekommen und bekam diese Einschätzung in mehreren Bewerbungsgesprächen so auch zurückgespiegelt. Und ja, es gibt sicherlich Bereiche, wo dies nicht so problematisch ist. Mit einem Medizinstudium oder einem Meisterbrief im Handwerk sieht das ggf. anders aus. Diese unterschiedlichen Grundvoraussetzungen sollten aber berücksichtigt werden.

Rückblickend würde ich sagen, nicht auf meiner Reise nach dem Abi noch während des Auslandssemesters in Krakau habe ich die wertvollsten und eindrücklichsten Erfahrungen gemacht, sondern in meiner Arbeit neben dem Studium in einer Einrichtung für Alkoholabhängige.
-> Das heißt nicht, dass (siehe oben zwinker ) eine längere Reise nicht schön, erkenntnisreich, aufregend, erweiternd, usw. sein kann. Sie ist aber sicher nicht der einzige und für viele auch nicht richtige Weg zu Freude, Erkenntnis, Schlüsselerfahrungen, usw., etc.

Wünsche allen hier schonmal ein frohes Fest und angenehme Feiertage!