Re: Umfrage: Was hält dich vom Radreisen ab?

Posted by: Keine Ahnung

Re: Umfrage: Was hält dich vom Radreisen ab? - 12/20/20 10:48 AM

In Antwort auf: Grimbol
Als ich jung war, dachte ich das Reisen soll zur Erholung beitragen damit man hinterher wieder etwas leisten kann... so ein Quatsch. Reisen ist eine Erfahrung und kann anstrengender sein als das Alltagshamsterad. Reisen, egal ob kurze Fluchten oder lange Wege sind genau die Würze, die unser Gehirn lebendig hält und lernen lässt. Das Leben ist ja nicht nur durch das aneinanderreihen von Atemzügen sondern auch durch die Moment geprägt, die einem im positiven Sinne den Atem geraubt haben.


Ich stimme Dir hier voll und ganz zu. Keine meiner Radreisen war ein "Erholungsurlaub", der den wohl überwiegend akzeptierten Vorstellungen eines Urlaubs entsprechen würde. Ein Nebeneffekt ist dabei aber (auch bei längeren Wandertouren), dass in meinem Kopf Bilder über Jahrzehnte eingebrannt bleiben, die bei dem klassischen Urlaub sehr schnell verblassen. Ich kann mich an so viele Szenen und Orte meiner Radreisen erinnern und sie mir vor Auge führen, als ob ich sie erst kürzlich erlebt hätte - insbesondere, wenn sie mit großer Anstrengung verbunden waren. Vor drei Wochen kam am Wochenende meine Tochter auf die Idee, alte Dias hervorzukramen und anzusehen. Dabei waren auch Bilder einer meiner ersten großen Radtouren mit drei Freunden (1981). Ich konnte zu den Bildern meist genau erzählen, was da gerade passiert war. Was ich leider überhaupt nicht kann, ist das Einprägen von Ortsnamen und mir fehlt das Vorstellungsvermögen für geographische Details (was liegt wo auf der Karte). Das ist allerdings ein Problem, welches mich schon ein Leben lang begleitet hat.

Das genaue Planen meiner Touren ist daher durchaus vorteilhaft, hat mich auch auf durchaus tolle Routen geführt, die ich so wohl verpasst hätte, um irgend einer Landstraße entlangzufahren. Dabei spielt natürlich auch die zur Verfügung stehende Zeit eine große Rolle. Habe ich unterwegs sehr viel Zeit für längere Pausen, Neuplanungen usw., kann ich sicherlich flexibler reagieren. Leider ist aber für die meisten Menschen die Zeit berufsbedingt aber auch aus familiären Gründen beschränkt. Meine bis zu vierwöchigen Radreisen der letzten Jahre, die ich alleine durchgeführt habe, waren nur möglich, da ich eine sehr verständnisvolle Ehefrau habe. Sie teilt meine Begeisterung für Radreisen nur zum Teil und will eben auch den "Erholungsaspekt" dabei nicht aus dem Auge verlieren, was bei meinen typischen Radreisen ein Problem wäre. Daher sind unsere gemeinsamen Radreisen kürzer und weniger anstrengend.

Eine große Rolle spielt dabei sicher auch der Beruf. Während ich ein "Kopfarbeiter" bin, ist mein Frau auch viel mehr körperlich aktiv. Für mich ist körperliche Anstrengung ein Ausgleich. Sie bevorzugt dagegen mehr Ruhe. Außerdem kann ich problemlos für einige Wochen ohne allzu viele "soziale Kontakte" auskommen und für mich sein. Meine Frau ist eher ein "Sozialwesen" - sie braucht den Kontakt zu anderen Menschen deutlich mehr. Ich denke, dass solche Faktoren auch sehr viel ausmachen.

Ich möchte zwar keine Radreise über Jahre durchführen, aber ein paar Monate würde ich gerne einmal unterwegs sein. Das wird wohl erst die Rentenzeit erlauben. Ob ich dann noch fit genug dafür bin, muss ich abwarten. Ich habe aber rückblickend sehr viele tolle Touren gemacht und werde mir nicht vorwerfen müssen, die Möglichkeiten nicht genutzt zu haben.

Generell kann man nämlich sicher für den "Normalbürger" festhalten: "Man bereut rückblickend nicht so sehr das, was man gemacht hat, sondern viel mehr das, was man verpasst hat."