Posted by: veloträumer
Re: Radfahrphilosopie? Tourplanung? Schweinehund? - 12/29/16 12:11 PM
Hallo Yogie,
das meiste von dem, was du da erzählst, kenne ich aus eigener Erfahrung. Mit dem Alter bin ich aber entspannter geworden was das notwendige Erreichen von Etappenzielen angeht. Wichtig ist, was am Ende der Tour unter dem Strich steht (meine keine Distanz), nicht unbedingt was der Tag als einzelner bringt. Manche Tage gehen ja ganz vor die Hunde - sogar unschuldig - z.B. weil man wegen Dauerwolkenbruch im Wohnwagen von anderen Campinggästen sitzt, stundenlang Karten in einem Café schreibt, weil keine Hund nach draußen zu locken ist oder weil Defekte, Unfälle, Krankheit einen unerwartet zurückwerfen.
Ein Vorteil meiner Planungen ist es (schon immer, aber letztlich immer mehr), dass ich keine linearen Routenverläufe plane, sondern verwinkelte Kurse, vereinfacht gesagt zickzack. Das ermöglicht vergleichsweise einfach immer wieder Abkürzungen, um nicht erreichte Strecke aufzuholen, ohne Stress zu bekommen, ohne den großen Bogen zu verlieren und ohne dem Endziel (oft ja durch ein Ticket per Bahn oder Flug fixiert) immer aussichtsloser hinterherzuradeln. Insofern stehen für mich lineare Radwegrouten schon mal gar nicht zur Debatte.
Sehenswürdigkeiten/Faulenzerpausen: Ich gehöre sicherlich nicht zu den Museumsläufern und Besichtigungsdompteuren. Trotzdem stelle ich fest, dass ich im Gros der Reiseradler eher noch zu dem oberen Drittel der Interessierten gehöre. Zu meinen Besichtungseinheiten gehören vorzugsweise kleine Museen, die etwas Spezielles bieten, was mich auch wirklich interessiert. Mir fällt da ein ein Nussmuseum, ein Korkenziehermuseum, aber auch ein Mitmachmuseum wie das Pankratium (Gmünd, Kärnten) rund um Wellenbewegungen spontan ein. Große Museen meide ich dagegen weitgehend, auch wenn ich sie vielleicht nicht ganz uninteressant finden würde wie etwa das Guggenheim-Museum in Bilbao (nur von außen angeschaut, moderne Kunst mag ich schon leiden). Kleine Museen sind eben auch noch überschaubar in der Zeit mit bis zu 1 Stunde Besichtigungsdauer, was man ggf. noch flexibel bei der Fahrt berücksichtigen kann. Die Kunst ist es, die Auswahl zu treffen und gleichwohl auch große "Lücken" zuzulassen. Meine Matheprof in einem Studium pflegte immer zu sagen, wenn die Studenten über die Stofffülle klagten: "Man muss den Mut zur Lücke haben."
Eine andere beliebte Besichtigungsform ist die von offenen Naturräumen, also z.B. Schluchten, Wasserfälle, Skulpturenwege. Die sind teils mit, teils ohne Eintritt, z.T. auch explizit als Wanderungen anzusetzen (Schuhwerk!). Das geht dann auch fließend in "echte" Wanderungen über, die ich aber auch nur sehr wenige einstreue. Der Vorteil ist, das man wie auf dem Rad in der Natur bleibt - nur eben nicht im Sattel. Das Naturerlebnis kann hier sogar intensiver sein als das auf dem Sattel. Es ist eine wichtige Ergänzung auf dem Weg der Entdeckung der Langsamkeit. Diese Einsicht macht es dann leichter, das Rad mal stehen zu lassen.
Die dritte Komponente sind die Faulenzereinheiten - bei mir meist Badeaufenthalte an Fluss und See. Auch die habe ich immer mal wieder zugunsten des Tourprogramms ausfallen lassen, sind mir aber doch meistens so wichtig, dass sie gleichermaßen immer wieder große Zeitlöcher in mein Programm reißen. Ich sage mir selbst dann immer häufiger auf der Reise: "Denke dran, du bist im Urlaub. Du musst gar nichts." - Das beruhigt ungemein und hilft ohne schlechtes Gewissen sich in eine Cafe zu setzen oder am See die Füße ins Wasser baumeln zu lassen - ohne Handy, ohne Buch, ohne Programm.
Allen genannten Punkten ist gemeinsam, dass ich versuche möglichst viele der in Frage kommenden Besichtigungs- und Ruhepunkte vor der Reise zu recherchieren. Auf der Reise ist es dann nicht ganz unwichtig, was man im Zweifel eher streichen möchte. Ohne Vorinfo überblickt man unvorbereitet die Tragweite mancher Sehenswürdigkeiten gar nicht. Ich knabbere heute noch an dem Satz eines bayerischen Wanderers über einen von mir nicht bewanderten See in Korsika: "Du musst einfach doah gewesen sein!" Auch kommt es dann immer wieder vor, dass ich ausgefallene Projekte nochmal beradeln möchte - einschließlich von Orten, wo ich gerne mal einen Abend verbringen würde, wozu es aber nicht wie geplant kam. Zuviel solcher Wiederholungen würde nur zeigen, dass man eben nicht wirklich auf Reise war, nicht abschalten kann - das ist dann irgendwann vergeudete Zeit im Lauf des ganzen Lebens - so schnell man auch unterwegs gewesen sein mag. Es gilt meine im Parallel-Thread geäußerte Maxime, gute Planung macht erst richtig flexibel zur Improvisation. Überraschungen hingegen kommen ganz von selbst - so oder so.
das meiste von dem, was du da erzählst, kenne ich aus eigener Erfahrung. Mit dem Alter bin ich aber entspannter geworden was das notwendige Erreichen von Etappenzielen angeht. Wichtig ist, was am Ende der Tour unter dem Strich steht (meine keine Distanz), nicht unbedingt was der Tag als einzelner bringt. Manche Tage gehen ja ganz vor die Hunde - sogar unschuldig - z.B. weil man wegen Dauerwolkenbruch im Wohnwagen von anderen Campinggästen sitzt, stundenlang Karten in einem Café schreibt, weil keine Hund nach draußen zu locken ist oder weil Defekte, Unfälle, Krankheit einen unerwartet zurückwerfen.
Ein Vorteil meiner Planungen ist es (schon immer, aber letztlich immer mehr), dass ich keine linearen Routenverläufe plane, sondern verwinkelte Kurse, vereinfacht gesagt zickzack. Das ermöglicht vergleichsweise einfach immer wieder Abkürzungen, um nicht erreichte Strecke aufzuholen, ohne Stress zu bekommen, ohne den großen Bogen zu verlieren und ohne dem Endziel (oft ja durch ein Ticket per Bahn oder Flug fixiert) immer aussichtsloser hinterherzuradeln. Insofern stehen für mich lineare Radwegrouten schon mal gar nicht zur Debatte.
Sehenswürdigkeiten/Faulenzerpausen: Ich gehöre sicherlich nicht zu den Museumsläufern und Besichtigungsdompteuren. Trotzdem stelle ich fest, dass ich im Gros der Reiseradler eher noch zu dem oberen Drittel der Interessierten gehöre. Zu meinen Besichtungseinheiten gehören vorzugsweise kleine Museen, die etwas Spezielles bieten, was mich auch wirklich interessiert. Mir fällt da ein ein Nussmuseum, ein Korkenziehermuseum, aber auch ein Mitmachmuseum wie das Pankratium (Gmünd, Kärnten) rund um Wellenbewegungen spontan ein. Große Museen meide ich dagegen weitgehend, auch wenn ich sie vielleicht nicht ganz uninteressant finden würde wie etwa das Guggenheim-Museum in Bilbao (nur von außen angeschaut, moderne Kunst mag ich schon leiden). Kleine Museen sind eben auch noch überschaubar in der Zeit mit bis zu 1 Stunde Besichtigungsdauer, was man ggf. noch flexibel bei der Fahrt berücksichtigen kann. Die Kunst ist es, die Auswahl zu treffen und gleichwohl auch große "Lücken" zuzulassen. Meine Matheprof in einem Studium pflegte immer zu sagen, wenn die Studenten über die Stofffülle klagten: "Man muss den Mut zur Lücke haben."
Eine andere beliebte Besichtigungsform ist die von offenen Naturräumen, also z.B. Schluchten, Wasserfälle, Skulpturenwege. Die sind teils mit, teils ohne Eintritt, z.T. auch explizit als Wanderungen anzusetzen (Schuhwerk!). Das geht dann auch fließend in "echte" Wanderungen über, die ich aber auch nur sehr wenige einstreue. Der Vorteil ist, das man wie auf dem Rad in der Natur bleibt - nur eben nicht im Sattel. Das Naturerlebnis kann hier sogar intensiver sein als das auf dem Sattel. Es ist eine wichtige Ergänzung auf dem Weg der Entdeckung der Langsamkeit. Diese Einsicht macht es dann leichter, das Rad mal stehen zu lassen.
Die dritte Komponente sind die Faulenzereinheiten - bei mir meist Badeaufenthalte an Fluss und See. Auch die habe ich immer mal wieder zugunsten des Tourprogramms ausfallen lassen, sind mir aber doch meistens so wichtig, dass sie gleichermaßen immer wieder große Zeitlöcher in mein Programm reißen. Ich sage mir selbst dann immer häufiger auf der Reise: "Denke dran, du bist im Urlaub. Du musst gar nichts." - Das beruhigt ungemein und hilft ohne schlechtes Gewissen sich in eine Cafe zu setzen oder am See die Füße ins Wasser baumeln zu lassen - ohne Handy, ohne Buch, ohne Programm.
Allen genannten Punkten ist gemeinsam, dass ich versuche möglichst viele der in Frage kommenden Besichtigungs- und Ruhepunkte vor der Reise zu recherchieren. Auf der Reise ist es dann nicht ganz unwichtig, was man im Zweifel eher streichen möchte. Ohne Vorinfo überblickt man unvorbereitet die Tragweite mancher Sehenswürdigkeiten gar nicht. Ich knabbere heute noch an dem Satz eines bayerischen Wanderers über einen von mir nicht bewanderten See in Korsika: "Du musst einfach doah gewesen sein!" Auch kommt es dann immer wieder vor, dass ich ausgefallene Projekte nochmal beradeln möchte - einschließlich von Orten, wo ich gerne mal einen Abend verbringen würde, wozu es aber nicht wie geplant kam. Zuviel solcher Wiederholungen würde nur zeigen, dass man eben nicht wirklich auf Reise war, nicht abschalten kann - das ist dann irgendwann vergeudete Zeit im Lauf des ganzen Lebens - so schnell man auch unterwegs gewesen sein mag. Es gilt meine im Parallel-Thread geäußerte Maxime, gute Planung macht erst richtig flexibel zur Improvisation. Überraschungen hingegen kommen ganz von selbst - so oder so.