Re: Männlicher Ehrgeiz?

Posted by: StefanK

Re: Männlicher Ehrgeiz? - 08/17/04 09:20 AM

Danke Jef, meine gelachten Tränen heut sind mir sicher!

Bevor ich Dir mal erzähle, was meine Meinung zu dem Verhalten ist, eine kurze Geschichte meinerseits.

Ich habe mal vor einigen Jahren einen Winter wirklich hart durchtrainiert, habe mehrere tausend Kilometer allein im Winter abgespult.

Im Frühjahr dann gibt es in meiner Gegend bereits im Mitte April die erste RTF-Tour, also wenn nahezu alle noch kaum Jahreskilometer drauf haben.

Ich habe mir dann an mein vollausgestattetes Trekkingrad vorn und hinten jeweils 2 Ortliebs rangehängt und diese mit Zeitungspapier ausgefüllt.

Es begann einer der schönsten Fahrradtage in meinem Leben. Ich war wirklich hammergut drauf und schloß auch extra immer noch den Mund, wenn ich an RR > 2000 DM vorbei fuhr.
Ich fuhr ohne Startnummer und erzählte, daß ich nur zufällig auf dieser Strecke sei, eigentlich auf der Durchreise und bereits seit 5 Uhr im Sattel. Wenn andere erst 20 Kilometer drauf hatten, hatte ich bereits 120 drauf und peilte so langsam meine erste Pause an.
Ich zeigte auch großes Interesse für die RR, fragte zum Beispiel den einen oder anderen, ob er denn meinte, ob ich mit solchen Klickpedalen noch schneller fahren könnte.
Allen Mavic Ksyrium-Fahrern oder deren Zwillinge entgegnete ich, daß ich sowas ja noch nie gesehen hatte und daß dieses Rad ja der Wahnsinn sei.
Und ich war so fit, daß ich nicht den Hauch eines Schlages in der Stimme hatte.
Das Ding, das ich da fuhr, heißt Hügeltour und wird seinem Namen gerecht.
Voll kumpelhaft sagte ich meinen härtesten Konkurrenten an den härtesten Steigungen, daß ich mal kurz vorfahre, um zu sehen, wie weit es noch sei, um mich dann auch prompt wieder zurückfallen zu lassen, wie das unter Freunden ja üblich ist.

Kurzum: ich habe mich benommen wie ein A...............
...aber schön war`s.

Woher kommt das denn nun, dieses von Dir beschriebene Verhalten?
Ich habe mich damit mal wissenschaftlich beschäftigt und kam zu dem Ergebnis, daß es sich um eine sog. "Dissonanzreduktion" handelt.
Jeder Mensch ist bestrebt, die Dissonanz zwischen dem, was er erreichen kann, und dem, was er tatsächlich erreicht, zu reduzieren. Sprich: wenn mein Ziel zu weit weg ist, dann reduzier ich einfach meine Ansprüche.
Das ist der Grundsatz.
Beim RR ist es jetzt so, daß die Mehrinvestition sich auf alle Fälle lohnen soll. Damit Anspruch und Realität sich angleichen, wollen RR-Fahrer tendentiell diesen Abstand im Material auch deutlich machen.
Das Reduzieren des Anspruchs ist hier nur ein Notweg, da es einfach zu offensichtlich eine Niederlage ist. Jedem Tourenradler glaubt man, daß es ihm nicht auf die Geschwindigkeit ankommt, aber keinem RR, das ist das Problem.

Was mir jedoch auch noch ein Rätsel ist, ist die Frage, warum man sich denn ein RR kauft. Kaum ein Mensch käme auf die Idee, mit einem Formel 1-Rennwagen auf der Straße rumzufahren. Nicht, weil der nicht zugelassen, sondern weil er für den Alltag einfach unbrauchbar wäre.

Und dennoch habe ich auch so ein Ding (also RR. nicht Formel 1), obwohl es rational einfach quatsch ist: kein Licht, kein Schutzblech, keinerlei Komfort, ständig platte Reifen usw.
Und bei wem von uns kommt es tatsächlich darauf an, ob er auf der Fahrt von A nach B 10 Minuten früher oder später in B ankommt?

Ein RR dient nur der Befriedigung irgenwelcher Phantasien, man erkauft sich einen emotionalen Zustand.
Und die Gefahr, daß mal einer mit vier Packtaschen an einem vorbeifährt... schmunzel