Re: Mein Reiserad - eine unendliche Geschichte?

Posted by: irg

Re: Mein Reiserad - eine unendliche Geschichte? - 11/20/24 07:40 AM

Hallo Chris!

Zuerst ein paar Kleinigkeiten: Dein Lenker sollte ergonomisch gut passen. Leicht abgewinkelt tut dem Gestell gut.

Hast du den Brooks gut ein gefettet? Nach dem Einfetten gehört er ordentlich erwärmt. Ich hänge ihn dafür über mein Werkstattöferl, so hoch, dass ich meine Hand noch gut hin halten kann. Andere stecken ihn ins Backrohr, wohl auf der niedrigsten Stufe. Ohne Erwärmen zieht das Fett nicht gut ein, und damit brauchst du in den meisten Fällen ewig, bis sich der Sattel anpasst. Wobei es dabei große Unterschiede gibt. Das Leder ist nie gleich.

Zum eigentlichen Thema:
Wie du geschrieben hast, haben die meisten Bikefitter ihre Standard-Programme, die sie abspulen, egal, wer vor ihnen steht, was er mit dem Radl machen will und welche Themen der Haltungsapparat hat. Eine Freundin meiner Frau z.B. fuhr lange mit einem MTB, das "genau für sie angepasst war", und litt dabei dauerhaft Schmerzen. Dass sie starke Probleme mit dem Haltungsapparat hat, wusste der Bikefitter, konnte aber damit nichts anfangen. (Glücklicher weise wurde ihr das tolle und teure Rad irgendwann gestohlen.)

Für das Anpassen bzw. Aussuchen eines passenden Rahmensets bzw. Rades gibt es die üblichen Werte. Die hast du schon. Dann beginnst du am besten mit deinen speziellen Themen. Das Alter wäre eines. Mit steigendem Alter brauchen fast alle eine steilere Sitzhaltung. Auch die Verwendung als Reiserad, also stundenlanges Sitzen mit eher niedrigerer Intensität, spricht für eine eher aufrechtere Haltung. Ein wichtiger Punkt ist dein Rundrücken. Nach deiner Wahrnehmung kannst du mit ihm eher aufrecht nicht fahren. Das glaube ich dir gerne. Vielleicht wäre ein guter Weg aber auch umgekehrt: Schau mit physiotherapeutischer Hilfe, was du mit deinem Rücken tun kannst. Ich habe z.B. bei meinen Problemen mit meinen Schultern entdeckt, dass es einen großen Unterschied macht, wie ich meine Schultern halte. Meine falsch eintrainierte Haltung auf den aufrechten Rädern hat jahrzehntelang funktioniert, jetzt, knapp vor dem Pensionsalter, nicht mehr. Wenn du ähnliche Probleme hast, ist es gescheiter, diese jetzt an zu gehen, bevor du einiges an dir ruiniert hast.

Ein weiterer Punkt ist auch, dass wir alle, auch wenn wir keine Wehwehchen haben, verschieden sind. Die Abweichungen, die dein Körper braucht, kannst du nur selbst finden, natürlich auch gerne mit Unterstützung.

Und bitte nicht übersehen: Geh es in Ruhe und Gelassenheit an. Heraus zu finden, welche Einstellung am Rad für dich passt, ist mehr Marathon als Sprint. Zu schnell zu ändern, bevor dein Körper Zeit und Ruhe hat, sich an die neue Position zu gewöhnen, bringt dir möglicher weise mehr Probleme als Lösungen.
Dazu ein Erlebnis von mir: Ich habe einmal mein Rennrad, mit dem ich jahrelang lange Touren gemacht hatte, das Rad, auf dem ich am entspanntesten saß, nach dem Winter ausgeführt. Nach Kurzem hatte ich starke Schmerzen auf der Sitzfläche. Auf dem Sattel, der auch nach einem langen Tag nicht weh tat? Nach Kurzem entdeckte ich: Mein Wunsch, endlich schnell zu radeln, hat dazu geführt, dass ich verkrampft am Rad saß. Als ich wieder entspannt oben saß, kehrte das gute Gefühl schnell wieder zurück.

Also: Geh es in Ruhe an!

lg!
georg