Re: Augusthitze in der Basilikata & Kampanien

Posted by: Schnoop

Re: Augusthitze in der Basilikata & Kampanien - 02/17/13 12:51 PM

Anbei der Link zur ersten Strecke:
http://www.bikemap.net/route/1787974

Tag 4   5.08.2012

Matera - Pisticci

54 km, 760 HM

http://www.bikemap.net/route/1789178#lat...type=ts_terrain

Da es gestern so unsagbar heiß war, wollten wir heute sehr früh aufstehen. Morgens ist die Luft noch frisch und mit 23°C richtig angenehm. Daher standen wir heute bereits um 6 Uhr auf. Eine Stunde später war schon alles gepackt und wir abfahrbereit. Das hätten wir uns allerdings sparen können, denn wir hatten bis auf ein paar Kekse keine Vorräte mehr und vor allem nicht mehr genug zu trinken. Und wir haben nicht daran gedacht, das heute Sonntag ist, weil das Zeitgefühl schon nach den wenigen Tagen verloren gegangen ist. Zum Glück fanden wir in Matera einen Supermarkt, der aber erst um 9 öffnete und es war erst kurz nach 7. Also mussten wir knappe 2 Stunden warten, bis wir endlich einkaufen konnten. Die Zeit vertrieben wir uns mit chillen im Park, fotografieren in den Sassi und einer netten kurzen Unterhaltung mit einem deutschsprechenden Italiener.


Die Sassi von Matera


Überall sind kleine Höhlen in den Fels geschlagen


Sassi von Matera

Nach dem Einkauf ging es dann weiter...aber nur ein kleines Stückchen, da es bereits wieder sehr heiß war. Wir  fuhren etwa 15 km überwiegend bergab zu einem Stausee (Lago di San Giuliano), wo wir Siesta machen wollten. Heute waren wir schlauer und wollten mal nicht in der Mittagshitze auf dem Rad sitzen. Für die trockene Gegend war der See riesengroß, aber leider zum Baden nicht geeignet. Das Wasser war sehr muffig und lud höchstens zum Füße abkühlen ein. Im Schatten von Nadelbäumen und einer grünen Wiese hatten wir alles was man für eine entspannte Pause brauchte.  Wir verbrachten die Zeit mit faulenzen, Mittag essen, lesen, schlafen und Skipbo spielen. Und obwohl wir im Schatten saßen und ein leichter Wind durch die Bäume wehte, zeigte das Thermometer 37°C. Unglaublich!!  Auf der anderen Seeseite brach gerade ein Feuer aus und wir beobachteten die schwarze Rauchfahne, die immer größer wurde. Hier waren wir zum Glück auf der sicheren Seite.


Landschaft hinter Matera (Richtung Westen)


Lago di San Giuliano mit kleinem Brandherd im Hintergrund


Angenehme Temperaturen im Schatten

Nach 4 Stunden erholsamer Siesta ging es weiter. 10 km mussten wir auf einer relativ großen, aber nicht zu stark befahrenen Straße zurücklegen, bevor wir auf eine kleinere Nebenstraße ausweichen konnten. Die 10 km  führten überwiegend bergauf und da die Hitze kaum nachgelassen hatte, war es sehr anstrengend und jeder Schatten wurde zur kurzen Pause genutzt. Doch auch diese Hürde hatten wir geschafft. Nach dem Abzweig auf die Nebenstraße schlängelte sich die Straße  nochmal etwa 300 Höhenmeter recht steil bergauf, aber da die Straße klein und ruhig war, fuhr es sich deutlich angenehmer. Auch hier deuteten verkohlte Bäume und Büsche am Straßenrand auf die extrem heißen Temperaturen hin. Von hier oben hatten wir auch ein schönes Panorama auf das Basento-Tal. Nach einigen Kilometern auf dem Bergrücken erreichten wir Pomarico. Wir waren ein wenig unsicher welcher Abzweig hier der richtige sei, da Karte und Realität nicht wirklich übereinstimmten. Ich fragte einen älteren Herrn, der gerade seinen Müll wegbrachte. A propos Müll, Müll ist hier kein Problem mehr. Im Gegensatz zur Küste ist es hier richtig ordentlich und aufgeräumt und weder Flaschen noch anderer Unrat sind am Straßenrand zu finden. Jedenfalls wollte ich den Mann, der den Müll gerade wegbrachte auf Italienisch fragen, welche Straße die richtige sei, aber es stellte sich heraus, dass ich einen in Augsburg lebenden, aber sehr deutsch wirkenden Italiener angesprochen hatte, der hier mit seiner Frau im Zweitanwesen gerade Urlaub machte. Spontan lud er uns zu eiskalten Bier bzw. Wasser ein. Unglaublich wie toll das kalte Wasser bzw. Bier (sogar Becks!) schmeckte. Ich mag ja eigentlich kein Wasser, trinke es hier nur, weil Saft bei der Hitze sofort schlecht wird. Aber nach dieser Hitze eiskaltes Wasser. Das war so lecker!  Als seine Frau dazu kam, schüttelte sie die ganze Zeit nur den Kopf. "Mit dem Fahrrad hier hoch und dann noch bis Neapel. "Des is ja verrückt" Nach einer netten Unterhaltung und wieder frisch von den kalten Getränken verabschiedeten wir uns von den beiden und wollten noch ein paar Kilometer zurücklegen bevor es dunkel wurde.


Immer wieder verbrannte Erde links und rechts der Straße


Pomarico auf dem Bergrücken

Nun ging die Straße wieder leicht bergauf - bergab mit schönem Panorama auf das Tal und die umliegenden Hügel. Vorbei an gemütlichen einzelstehenden Häusern mit großen Gärten, wo Wein und Tomaten und allerlei andere schöne Dinge in den Gärten wuchsen. An den Straßen standen Feigenbäume und Brombeeren und wir kamen und kamen nicht wirklich weiter vor lauter naschen. Doch nun setzte die Dämmerung langsam ein und wir hatten noch immer keinen Schlafplatz. Campingplätze gab es hier nicht und manchmal dauert es seine Zeit einen geeigneten Platz zu finden. Aber erstmal fuhren wir noch durch eine irre wellige Landschaft aus bunten Kalkmergel, die in der untergehenden Sonne noch viel irrer aussah. Ich kann sie gar nicht richtig beschreiben und auf dem Foto sieht sie nicht annähernd so toll aus. Auf der Abfahrt ins Basento-Tal führte die Straße an kleinen Olivenhainen vorbei und einer dieser Haine war dann auch unserer. Direkt an einer kleinen Stichstraße stellten wir kurz nach Sonnenuntergang unser Zelt auf einer kleinen ebenen Fläche neben dem Olivenbäumen auf. Von hier hatten wir einen traumhaften Blick auf die umliegenden Hügel und auf der anderen Talseite konnten wir hell erleuchtet die Stadt Pisticci auf dem Gipfel sehen.


Blick auf das Basento-Tal


Irre Kalkmergellandschaft


Zeltplatz mit Blick auf Pisticci

Ein wilder Zeltplatz bedeutet nicht unbedingt groß auf Komfort verzichten zu müssen. Mit einem Waschlappen, etwas Duschgel und einem 1/2 Liter Wasser kann man ausreichend duschen und fühlt sich frisch und sauber. Wir hatten sogar mehr. Zu Essen gab es Nudeln mit Tomatensoße vom Campingkocher und nachdem wir alles wichtige erledigt hatten, fielen wir sauber, satt und müde ins Bett. Ich habe selten einen wilden Zeltplatz erlebt, der so unglaublich still war wie dieser. Am Himmel ein Sternenhimmel wie gemalt, die Milchstraße deutlich sichtbar und nur ein paar Grillen durchbrachen ab und zu die unglaubliche Stille.

Und obwohl heute eigentlich gar nicht so viel passierte, war es wieder ein schöner erlebnisreicher Tag mit viel Zeit zum Seele baumeln lassen.

Tag 5   6.08.2012

Pisticci - Stigliano

50 km, 1170 HM

http://www.bikemap.net/route/1789237#lat...type=ts_terrain

Noch in der Dämmerung klingelte unser Wecker. Die Nacht war angenehm kühl und Morgentau benetzt das Zelt, doch die Sonne trocknete die Feuchtigkeit schnell wieder weg. Nach der üblichen Packprozedur führte uns heute die Strecke in nahezu unbewohntes Gebiet. Daher war es wichtig, frühzeitig die gesamte Tagesverpflegung und besonders genügend Getränke einzukaufen. In Pisticci Nuevo, nur wenige Kilometer von unserem Zeltplatz entfernt an der Hauptverkehrsstraße, die durch das Basento-Tal führte, fanden wir einen kleinen Supermarkt und kauften alles ein, was wir für den Tag brauchten.: 8 Liter Wasser und weitere 4-5 Liter an Erfrischungsgetränken, Tomaten und Brot für das Mittagessen und ein paar Leckereien... Vollgepackt konnten wir uns nun auf den Weg in eine ganz unwirkliche Gegend machen.

Unser erstes Etappenziel war die Geisterstadt Craco. Wir verließen das Basento-Tal und fuhren auf der SS176 Richtung Westen. Linkerhand grüßte uns Pisticci vom Berggipfel aber glücklicherweise mussten wir die 200 m nicht hinauffahren, da wir ja zum Glück den Supermarkt im Tal gefunden hatten. Schnell wurde es einsam auf der schwach befahrenen Straße, aber wer soll hier auch langfahren, wo es doch kaum was gibt. Passend zur trostlosen Umgebung fängt die Sonne früh an, all ihre Kraft für uns zu investieren. Die ersten Kilometer fahren sich auf ebener Strecke noch sehr angenehm, und wir fahren vorbei an Craco-Peschiera, der Ort, an den die Menschen umgesiedelt wurden, nachdem ein großer Teil der Stadt Craco 1991 von einem Erdrutsch zerstört wurde. Seitdem wird Craco die Geisterstadt genannt, weil niemand sich hier mehr aufhalten darf.

Nach einer Weile zweigte dann auch die Straße Richtung Craco ab und nun wurde es anstrengend. Typisch für diese Region ist, dass die Städte immer auf den höchsten Hügeln erbaut wurden und wie weiße Flecken schon von weiter Entfernung aus sichtbar sind. Mit etwa 6% schlängelte sich die Straße empor und nach einer Weile kam der Normannenturm, das Wahrzeichen der Stadt, in Sicht. Oben angekommen, stellten wir fest, dass diese Stadt tatsächlich nicht betretbar war. Riesige Bauzäune versperrten die Eingänge, da die Einsturzgefahr anscheinend wirklich zu groß war. Wir konnten diese verlassene Stadt somit nur von außen bewundern, aber auch von draußen spürte man die Verlassenheit und den geisterhaften Charakter.


Ländliche Idylle am Morgen


Straße nach Nirgendwo. Auf dem Weg nach Craco.


Städte und Ortsschaften liegen hier immer oben auf den Bergen


Die verlassene Geisterstadt Craco


Leider darf Craco nicht betreten werden. Ein hoher Zaun umgibt die gesamte Stadt.

Von hier oben hatte man auch einen herrlichen Ausblick auf die umliegende Landschaft, die einfach unbeschreiblich ist: Gelbe verdörrte Felder in einer sanften Hügellandschaft mit einigen grünen Tupfern aus Olivenbäumen unter einem flimmernden graublauen Himmel. Leicht auf und ab ging es auf einer immerhin perfekt asphaltierten Straße weiter Richtung Westen. Aber mittlerweile brannte die Sonne so stark, dass selbst die Geier aufgehört haben in der Thermik ihre Runden zu drehen. Schwer war es, in dieser verlassen Gegend eine geeignete Stelle zur Mittagspause zu finden. Es gab hier einfach nix. Nicht einmal gute Schattenplätze. Gegen halb 1 hielten wir es nicht mehr aus und suchten Zuflucht auf einem staubigen Feldweg, der durch ein paar hohe Bäume vor der Sonne geschützt war. Reglos verharrten wir die kommenden Stunden und passten uns dem Rhythmus der Hitze an. Wie tot lag das Land vor uns, als ob einer auf die Stoptaste gedrückt hat. Nur die fleißigen Ameisen, die sich anscheinend nicht von der Hitze beeindrucken ließen, düsten umher und wurden von Torsten eingehend studiert. Gegen halb 4 wurde es auf einmal merklich kühler. Eine große Wolke schob sich zwischen uns und die Sonne und für uns war es das Zeichen zum Aufbruch. Leider löste sie sich in dem Moment auf, in dem wir fertig gepackt hatten und kaum waren wir auf den Rädern, brannte die Sonne wieder mit aller Kraft auf uns runter.


Man blickt von Craco auf eine ganz irre Landschaft


Farbkontraste in der Mittagshitze

Es sollten nur gerade mal 50 km bis Stigliano sein, aber der Tag heute war so anstrengend, dass wir erst gegen frühen Abend in der Kleinstadt auf etwa 800 m Höhe ankamen. Und eigentlich wollten wir noch weiter und wieder draußen übernachten, aber wir waren so ausgelaugt, dass wir uns ein winziges Bed and Breakfast Zimmer suchten und keinen Meter weiter fuhren. Das Zimmer war für diese abgelegene Gegend mit 50€ zwar sehr teuer, aber das klimatisierte Zimmer im ersten Stock mit dem weichen Bett und der kräftigen Dusche war der reinste Luxus nach diesem Tag. Auch die Wäsche freute sich endlich den Staub der letzten Tage zu verlieren.


Richtung Stigliano wurde es langsam wieder grüner


Blick von unserem B&B Balkon in Stigliano

Nachdem wir unsere Sachen gewaschen und halbwegs sortiert hatten, mischten wir uns unter die Einheimischen und steuerten die kleine Pizzeria direkt gegenüber der Pension an. Die Pizza war der Hammer, so lecker war sie. Die Hitze allerdings schien sich auch in der Nacht nicht vertreiben zu lassen. Gegen 21 Uhr zeigte das Thermometer immer noch 33°C auf dem Marktplatz an. Wir waren aber zu kaputt, um das Nachtleben ausreichend zu genießen oder die Stadt auszukundschaften. Schön war die Stadt auf den ersten Blick eh nicht und die vielen Autos, die sich durch die kleinen Gassen schlängeln, machten jede Menge Krach und schlechte Luft. So begaben wir uns pünktlich ins weiche Bett.