Camino Frances und Camino Portugues

Posted by: westweg

Camino Frances und Camino Portugues - 06/26/11 09:30 AM

Bon Camino –
Mit dem Rad auf den Jakobswegen Spanien und Portugals




Nicht erst seit dem Buch von Hape Kerkeling „Ich bin dann mal weg“ reifte in mir das Vorhaben, den Jakobsweg mit dem Fahrrad abzufahren. Um den Weg vom Niederrhein anzutreten reicht der Urlaub nicht aus. Daher beschloss ich, bis nach Bilbao zu fliegen und dort in das kleine Abenteuer zu starten. Damit das Vorhaben zu einer runden Sache wird, plante ich gleich den Camino Portugues, der von Lissabon nach Santiago führt, mit ein; allerdings indem ich ihn umgekehrt fahren wollte. Der Endpunkt meiner Tour 2011 war daher die an der Tejo-Bucht liegende Hauptstadt Portugals Lisboa.

Am 3.6.2011 landete ich morgens um 8,45 Uhr in Bilbao. Nachdem das Fahrrad gepackt war, ging es sofort in den Sattel. Zunächst musste ich den rund 140 km südlicher liegenden Camino Frances, der aus den Pyrenäen kommt, in Santo Domingo de la Calzada erreichen. Gleich zu Anfang bekam ich einen Vorgeschmack auf das, was mich höhenmäßig auf dieser Tour erwarten würde. Bis zu 14 % Steigungen waren zu bewältigen. Am ersten Tag beanspruchten mich und meine Beine rund 1500 Höhenmeter sehr.

Im Gesamten war die Tour 2011 eine große Herausforderung für das Rad und für den
Fahrer. Wenn die erste Tagestour noch über Straßen verlief, änderte sich das im Folgendem. Zwar gab es auch eine extra auf Straßennutzung ausgelegte Route, aber auf dieser Strecke war mitunter mit viel Auto- und Schwerlastverkehr zu rechnen.

Daher entschied ich mich, weitgehend den Camino zu nutzen, den auch die Jakobspilger als Ihren Weg beanspruchen. Der Nachteil war, dass der Untergrund auf vielen Streckenabschnitten aus Schotter, Kies, Geröll, Sand, Wiese und Kopfsteinpflaster bestand. Mein Rad wurde fortlaufend Erschütterungen ausgesetzt. Ich rechnete ständig mit einem Platten, weil ein spitzer Stein den Fahrradmantel durchbohrt. Zudem ließ dieser Bodenbelag keine hohen Geschwindigkeiten zu. Vielmehr erforderte er hohe Konzentration und ständige Bremsbereitschaft.

Die Tagesdurchschnittsgeschwindigkeiten lagen oft unter 15 km/h. Dadurch saß ich in der ersten Woche zwischen 9 und 10 Stunden auf dem Fahrrad.


Auf andere Radfahrer traf ich kaum. Es waren die Pilger, die mir den Jakobsgruß „Bon Camino„ zuriefen. Viele waren alleine unterwegs, unabhängig vom Geschlecht und vom Alter. Alle hatten eins gemeinsam: Sie strahlten trotz aller Strapazen Zufriedenheit aus. Mir ging es ja genauso. Ich lebte in diesen Tagen im Hier und Jetzt. Interessant war zu erfahren, woher die Menschen kamen, die sich auf den Weg gemacht hatten. Ab und zu traf ich auch auf deutsche Wanderer. Das war immer die Gelegenheit zu einem Schwätzchen.

Die Verständigung mit den Einheimischen war das große Problem der Tour. Zwar habe ich mal zwei Jahre lang Wirtschaftsspanisch gelernt, aber davon ist nicht viel übrig geblieben. Und die Spanier, die in Kastilien lebten, sprachen kein Englisch. Manchmal musste ich trotz der in der Regel guten Beschilderung nach dem Weg fragen. Dies geschah, indem ich auf meine Karte zeigte und die Richtung vorgab. Die Antwort kam dann auf Spanisch. Je mehr mir das Nichtverstehen anzusehen war desto schneller und lauter wurde mein Gesprächspartner in seinen Worten. In der Regel war er nicht mehr zu unterbrechen.

Mir gefielen die unendlichen Weiten Nordspaniens und die Pflanzenwelt auf die ich traf. Je höher mich der Weg führte desto mehr mir unbekannte Blumen konnte ich betrachten. Auf dem 1530 Meter hohen Monte Irago war es besonders schön. Oft blieb ich stehen und machte Fotos, um sie mir zu Hause noch einmal in Ruhe anzusehen. Im tiefen Wald liefen mir Fuchs und eine Maderfamilie über den Weg.

Eine sehr angenehme Begegnung hatte ich mit Volkmar, Mitglied des Stiftungsrates einer mir bdeaknnten Stiftung, Unternehmer in der Holzbranche aus Münster. Ich hatte ihn im März diesen Jahres auf dem Messestand in Frankfurt kennen gelernt. Dabei stellten wir fest, etwa gleichzeitig mit dem Rad auf dem Camino unterwegs zu sein.

Wir hatten ausgerechnet, dass ich ihn kurz vor Santiago einholen müsste und vereinbarten einen Kaffee zusammen zu trinken. In Ponferrada traf ich morgens um 8 Uhr auf ihn
und seine Freunde. Aus dem Kaffee wurde eine Tagestour. Wir verbrachten den Tag gemeinsam im Sattel und überquerten die Pässe „Alto do Cebreiro“, „Alto do San Roque“ und „Alto do Poio“ mit jeweils rund 1300 m. Es war an diesem Tag recht kalt. Nur 9 Grad maßen wir auf den Höhen. Immer wieder mussten wir uns umziehen, denn die jeweiligen Anfahrten waren doch schweißtreibend.

Am 8.6.2011, also am 6. Tag meiner Reise erreichte ich nach 730 km und 8480 Höhenmetern Santiago de Compostella. Etwa zwei Stunden verbrachte ich in der Stadt. Bin ja eher ein „Kulturbanause“ und nicht so recht für Besichtigungen zu haben. „Das Ziel meiner Touren ist der Weg“. Daher begann ich recht zügig mit dem Camino Portugues.

Ich hatte nur eine grobe Übersichtskarte über den Verlauf des weiteren Weges in Santiago kaufen können. Das Fahren nach den Zeichen (gelbe Feile) wurde schwieriger, da der Weg von Lissabon aus ausgezeichnet ist. Ich musste mich sehr oft umdrehen, um festzustellen, ob ich noch richtig war. Nicht selten musste ich ein Stück zurück, weil ich einen Abzweig verpasst hatte. Die Berge waren nicht mehr ganz so hoch und auch nicht mehr so beschwerlich. Meine Muskeln waren inzwischen bergtauglich.

Am 8. Tag meiner Tour, am 10.6.2011, erreichte ich Portugal, und zwar mit der Stadt Valenca. Ich musste meine Uhr umstellen, da es in diesem Land eine Stunde früher ist, als es in Spanien und in Deutschland der Fall ist. Die Verständigung wurde etwas leichter. Der ein oder der andere Portugiese sprach englisch. Auch traf ich einige, die als Gastarbeiter einige Jahre in Deutschland gelebt hatten.

Der Wind war rau. Ich spürte ihn nicht so, da die Temperaturen inzwischen über 25 Grad lagen. Das Schwitzen auf dem Rad bei der Anfahrt der Berge, das Hinunterfahren mit bis zu 60 km/h und der Wind bescherten mir eine beidseitige Entzündung der Ohren, die ich behandeln musste.

In Barcelos – es war ein Samstag – suchte ich ein Krankenhaus auf, um Hilfe zu bekommen. Erst einmal musste ich 9,80 € ausgeben, damit man mich zur Aufnahme meiner Personalien vorließ. Gleichzeitig kündigte man mir an, dass die Konsultation durch den Arzt 108,00 € kosten würde. Über drei Stunden wartete ich auf das weitere Procedere. Inzwischen waren mit mir etwas 40 Patienten im Raum, die alle auf eine ärztliche Betreuung warteten. Es wurden ständig weitere angenommenen, aber vorne keine abgearbeitet. Um halb zwölf verließ ich das Hospital unverrichteter Dinge und wandte mich an eine Apotheke. Dort bekam ich eine gute Beratung und entsprechende Medikamente. Bis zum Ende meiner Tour habe ich aber die Ohrenentzündung nicht ganz in den Griff bekommen.

Hinter der Stadt Barcelos gab es die Möglichkeit, eine Alternativroute am Atlantik zu wählen. Ich entschied mich hierzu, zumal ich bisher vom Atlantik noch nichts gesehen hatte. Der Preis dafür war, dass ich rund 40 km auf Kopfsteinpflaster fahren musste. Das Geräusch meines Fahrrades auf dem Untergrund„taktaktak, taktaktak, taktaktak……“ und das Rattern der Satteltaschen an den Aufhängungen sind mir jetzt noch in den Ohren.

Es waren auf dem portugiesischen Jakobsweg deutlich weniger Pilger unterwegs. In den letzten drei Tagen, bevor ich am 15.06.2011 Lissabon erreichte, waren es gerade noch eine Hand voll, die mir begegneten.

13 Tage saß ich im Sattel, insgesamt 105 Stunden. Ich legte 1415 km zurück und musste dabei 15018 Meter in die Höhe. Das waren 5000 Meter mehr als bei meiner letztjährigen Österreichtour und 2000 Meter mehr als auf meinem Weg von Barcelona nach Hause.
Auch im Hinblick auf die Wegbeschaffenheit war es die wohl anspruchsvollste Tour, die ich bisher gefahren bin. Kein Platten und kein Schaden am Fahrrad waren zu verzeichnen. Ich musste nicht einmal Luft nachpumpen. Qualität beim Rad zeichnet sich aus. Wohl musste ich in Sarria mein Schloss aufbrechen, weil mir der Schlüssel beim Aufschließen abgebrochen war.

13 Nächte habe ich in fremden Betten verbracht. Ich hatte nicht vorgebucht und konnte mir somit immer etwas Akzeptables aussuchen. Natürlich erlebte man auch da die eine oder andere Episode. In Mansilla de las Mulas wollte ich zunächst in einer Herberge übernachten. Als ich mir aber die Räumlichkeiten und die nicht sauberen Matratzen angesehen hatte, entschloss ich mich, in einer kleinen Pension um die Ecke meinen Kopf zu betten.

In einem Hotel in Pontevedra buchte ich ein Einzelzimmer. Die Luft in diesem Zimmer war stickig und heiß. Ich wollte ein Fenster öffnen und stellte fest, dass dieses Zimmer hinter dem Vorhang überhaupt kein Fenster besaß. Als ich meine sofortige Weitereise ankündigte, bekam ich ein Doppelzimmer zur Einzelnutzung mit Fenster zum gleichen Preis. Also: Es geht doch!

In einem weiteren Ort – ich weiß den Namen nicht mehr – sollte ich ein Zimmer mit unsauberem Bett bekommen. Das Kopfkissen wollte man noch neu beziehen. Ich hatte zwar einen Hüttenschlafsack in meinem Gepäck, aber trotzdem, ich bin lieber noch einmal 30 km weiter gefahren.


Schließlich in Golenia, in Portugal, hatte ich die Wahl zwischen einem 4 Sterne – Hotel zu 98,00 € oder der Übernachtung bei der Feuerwehr. Die drei Feuerwehrmänner kümmerten sich aufmerksam um mich; etwa eine Stunde verbrachte ich mit Ihnen, entschied mich dann aber, noch die 30 km entfernte Stadt Santarem anzusteuern.

In meinem Kopf ist ein bunter Strauß von Eindrücken und Erlebnissen zurückgeblieben. Ich hatte einige schöne Tage mit netten Begegnungen. Auch die Stadt Lissabon hat mich beeindruckt.