Posted by: k_auf_reisen
Familienradtour durch Tirol nach Venedig - 09/17/10 07:03 AM
Durch Tirol nach Venedig – Familienradtour Sommer 2010 entlang des Innradweges und der VCA
Wiewohl ich mir bewußt bin, daß ich hier noch eine andere Baustelle offen habe, werde ich jetzt doch erst einmal mit der neuesten Tour weitermachen – die ist einfach noch viel präsenter. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben!
Teil 1: Nordtirol (Wiesing – Nauders)
15. August 2010
Wiesing – Rotholz – Jenbach – Schwaz – Terfens – Weer – Wattens – Hall in Tirol – Innsbruck – Amras – Innsbruck
53,9 km; 238 Höhenmeter
Neben einem Besuch bei meinen Eltern wollen wir in den heurigen Sommerferien auch wieder einer Radtour machen. Der Plan ist, vom Tiroler Unterinntal nach Venedig zu radeln. Da wir uns in Nauders mit weiteren Gleichgesinnten treffen wollen, wählen wir nicht die kürzeste Route, sondern sehen die Durchquerung Tirols vor.
Die Wettervorhersage für den Abreisetag hat sich in den letzten Stunden kontinuierlich verschlechtert, und als es in der Früh in Strömen regnet, habe ich wenig Hoffnung, wie geplant starten zu können. Später reißt es von Westen her auf. Jetzt bemühe ich mich, noch so schnell wie möglich fertig zu werden, aber aufgrund verschiedener widriger Umstände wird es doch Mittag, bis wir loskommen. Dafür begleitet uns mein Vater noch ein Stück, und für meine beiden Kinder ist es sehr motivierend, daß der Opa mit von der Partie ist.
Wir radeln den Innradweg flußauf, wobei es im Unterinntal so gut wie keine Steigungen gibt; trotz der beeindruckenden Bergkulisse rundum erwartet uns zunächst nur eine vernachlässigbare Höhendifferenz. Das schlägt sich auch in der Beliebtheit des Weges nieder: neben zahlreichen Ausflüglern kommen uns auch immer wieder Tourenradler entgegen; wir sind noch keine fünf Kilometer gefahren, da waren es schon zwei Pärchen mit Gepäck, und bis zum Abend werden wir so vielen Radreisenden begegnet sein, wie auf allen meinen Touren der letzten Jahre zusammen nicht. Klar, daß das sonst übliche Pläuschchen hier entfällt, manche Kollegen grüßen nicht einmal … So wird das auch die nächsten Wochen bleiben; eine neue Erfahrung für mich.
Wir passieren Jenbach, und rechts oben liegt Schloß Tratzberg malerisch am Hang. In Schwaz ziehen finstere Wolken über uns hinweg, und mein Vater, der befürchtet, in den Regen zu kommen, kehrt nun um. Es bleibt aber bei ein paar Tropfen Sprühregen, dann fahren wir wieder unter einem Wolkenloch, und insgesamt bleibt das Wetter doch viel angenehmer als befürchtet; die meiste Zeit scheint sogar die Sonne, und bei Temperaturen um die 25 Grad läßt es sich angenehm radeln.

Blick über den Inn auf Schwaz mit Pfarrkirche und Schloß Freundsberg
Eigenartig ist es, meine Heimat als Radreisender zu durchqueren. Da ich ja seit Jahren nicht mehr hier wohne, versuche ich, mich als Tourist zu sehen, mache auch einige Photos. Besichtigungsprogramm nehmen wir uns dennoch keines vor, auch wenn es am Wege etliches Interessantes zu sehen gäbe, zum Beispiel die alte Bergbaustadt Schwaz. Wir radeln am weiten Talboden des Inntals dahin, der Radweg führt, manchmal im Zickzack, durch die Felder, der Mais reift heran. In der Ferne grüßt bereits der Patscherkofel, Innsbrucks Hausberg, und bietet uns einen Orientierungspunkt für unser Tagesziel. Bis dahin ist es aber doch noch ein Stück.

In der Ferne grüßt bereits der Patscherkofel; im Hintergrund die Sellrainer Berge

Die Nördlichen Kalkalpen sind schroffer als die Tuxer Alpen auf der Südseite: Blick über Vomp auf den Hochnissl

Blick durchs Unterinntal zurück auf Schwaz
Bei Terfens wechselt der Radweg die Flußseite; der Inn ist nach den heftigen Regenfällen der letzten Tage voller Wasser, als breite, braune Masse füllt er sein Bett gänzlich aus, zum Glück, ohne über die Ufer zu treten und den Radweg zu überschwemmen. Holz treibt auf den Fluten.

Auch ein bekannter Orientierungspunkt: das Kellerjoch
Nach einem kurzen Stück Auwald geht es weiter durch Gemüsefelder, dann durch Wattens, an der Karlskirche vorbei und zwischen Autobahn und Inn wieder durch einen schmalen Streifen Auwald. Hier sind besonders viele Tagesausflügler unterwegs.
Auf einer Holzbrücke überqueren wir den Inn erneut und gelangen nach Hall in Tirol. Diese ehemalige Salinenstadt hat ebenfalls eine höchst sehenswerte mittelalterliche Altstadt, die wir aber diesmal nicht besichtigen. Stattdessen setzen wir unseren Weg nach einer Jausenpause fort, denn wir wollen uns mit Freunden beim Schloßfest auf Schloß Ambras treffen. Ein kurzer Regenschauer geht zum Glück rasch vorüber, und bald haben wir durch Gewerbegebiete und Vororte Innsbruck erreicht. Steil geht es noch hinauf zum Schloß – wir schieben die Räder durch den Schloßpark, das bei weitem anstrengendste Stück des Tages – und mühen uns durch den Trubel. In typisch österreichischer Beamtenmanier (ich bitte, mir die unzulässige Verallgemeinerung nachsehen zu wollen) werden wir von einer Dame angeschnauzt, daß wir die Räder hier, in den denkmalgeschützten Schloßgärten nicht abstellen dürfen. Warum kann sie nicht einfach freundlich darauf hinweisen, daß es im unteren Teil des Schlosses perfekt dazu geeignete, überdachte Arkaden gibt?
Jetzt stürzen wir uns ins Fest, schauen Gauklern und Seiltänzern zu, versuchen uns im Stelzengehen; Hauptattraktion für die Kinder ist ein Trampeltier, auf dem man eine Runde durch den Park reiten kann. Unsere Freunde laden uns spontan ein, bei ihnen zu übernachten – was wir sehr gerne annehmen.

Gaukler am Schloßfest auf Schloß Ambras

Schloß Ambras …

… mit dem berühmten Spanischen Saal
16. August 2010
Innsbruck
0 km
Die Kinder wollen gerne noch einen Tag bei unseren Freunden bleiben. Da das Wetter wieder eher zweifelhaft ist, nehmen wir das entsprechende Angebot schließlich dankend an und verbringen einen weiteren gemütlichen Rasttag in meiner Heimatstadt. Wäre ich ein echter Tourist, gäbe es hier natürlich jede Menge zu besichtigen, nicht zuletzt die sehenswerte Altstadt mit dem Wahrzeichen der Stadt, dem Goldenen Dachl, der frisch renovierten Hofburg etc.
17. August 2010
Innsbruck – Zirl – Hatting – Flaurling – Oberhofen – Pfaffenhofen – Rietz – Thannrain – Stams – Mötz – Simmering – Haiming – Roppen –
61,2 km; 303 Höhenmeter
Jetzt müssen wir aber weiter, auch wenn wir wieder erst zu Mittag loskommen. Es ist bedeckt, die Berge in Wolken, aber immerhin regnet es nicht. Meine Erinnerungen über den Verlauf des Radweges trügen, wir fahren daher ein Stück auf der Bundesstraße; verkehrstechnisch suboptimal, aber immerhin mit schönem Blick auf die beeindruckende Martinswand, beliebtes Klettergebiet der Innsbrucker.

Rechts erhebt sich imposant die Martinswand, in der sich einst Kaiser Maximilian verstiegen haben soll.
Vor Zirl finden wir den Radweg wieder, der am rechten Flußufer durch einen Auwald führt. Durch Felder und dann an der Bahnlinie entlang geht es weiter, hier wieder völlig verkehrsfrei. Ein Holzstoß am Rande des Radweges lädt zum Kraxeln ein, auch eine Jause bietet sich an. Ein junger Mann schiebt sein Mountainbike vorbei; ein Patschen, aber kein Flickzeug. Ich helfe aus, der gewaltige, rostige Nagel in seinem Hinterrad ist rasch gefunden, das Malheur beseitigt.
Telfs läßt der Radweg auf der anderen Talseite liegen, dann verläuft er in der Nähe der Bundesstraße. Hier könnte man Stams mit seinem Zisterzienserkloster besichtigen. Wir aber fahren weiter.
Da die Wolken inzwischen noch finsterer geworden sind und es zu tröpfeln begonnen hat, steuern wir in Silz einen Supermarkt an und gehen einkaufen. Gerade, als wir weiterfahren wollen, beginnt es wieder zu regnen, und wir stellen uns noch einmal unter.

Finstere Regenwolken über der Mieminger Kette; rechts die Wallfahrtskirche Locherboden
Nach einiger Zeit können wir doch weiterradeln. Der Innradweg durchquert die Ortsteile Simmering und Haiming und steigt dann erstmals signifikant an. Einen neuerlichen Regenschauer warten wir unter einer Autobahnbrücke ab. Hatte ich aus meiner Jugend Roppener Riegel und Karreser Höhe als unangenehme Teilstücke in Erinnerung – zwei anstrengende Anstiege auf der verkehrsreichen Bundesstraße waren damals zu bewältigen –, so hat der Innradweg auch diesen Abschnitt entschärft: zwar ist er ebenfalls nicht steigungsfrei – der Inn schneidet sich hier, am Ausgang des Ötztales durch die Schuttmassen eines ehemaligen Bergsturzes –, aber es gibt keinen so langen Anstieg mehr und vor allem keinen Verkehr, denn man hat eigens einen asphaltierten Radweg durch die Föhrenwälder gebahnt. Wäre es nicht noch etwas früh, fänden sich hier auch schöne Plätze, um das Zelt aufzustellen.

Der Inn bei Roppen
In gewissem Auf und Ab geht es am Fluß entlang weiter, sogar eine eigene Hängebrücke hat man für den Radweg über den Inn gebaut. Eine kurze, knackige Steigung führt hinauf nach Roppen und dann auf etwas verschlungenen Sträßchen aufs linke Innufer zurück. Zum Glück ist auch die anschließende Innschlucht durch den Radweg deutlich entschärft. Der verläßt nämlich bald wieder die Straßen, überquert den Inn auf einer weiteren Brücke und folgt dann mehr oder weniger der Bahntrasse. Ein Reiseradlerpärchen hat es sich abseits in einem Heustadl bequem gemacht – ein hübsches Plätzchen für die Nacht.

Typische Beschilderung des Innradweges
Ein kurzes, steiles Wegstück gibt es doch, um einen Felsen zu überwinden, dann geht es sehr angenehm neben der Bahn weiter. Imposante Netze hat man hier installiert, um den Steinschlag aus den Felswänden oberhalb abzufangen.

Marterl in der Innschlucht bei Karres: ganz so schnell wollen wir's dann doch nicht nehmen!
Schließlich kommen wir am weit außerhalb der Stadt plazierten Bahnhof von Imst vorbei. An sich ist es jetzt Zeit, einen Platz zum Übernachten zu suchen; das erweist sich als gar nicht so leicht: das Tal ist hier zwar wieder viel breiter als zuvor, aber der Radweg verläuft eingezwängt zwischen Autobahn und Fluß, und wir müssen noch ein geraumes Stück fahren, bis sich in den Wiesen ein geeigneter Platz findet. Kochen und Essen finden schon in der Dämmerung statt.
18. August 2010
– Mils-Au – Schönwies – Zams – Landeck – Urgen – Nesselgarten – Fließ – Prutz – Ried im Oberinntal; Nauders
35,4 km; 331 Höhenmeter
Die Nacht wird unruhig, woran weniger die nahe Autobahn Schuld ist, als vielmehr die Magenverstimmung meiner Tochter. So wird eine nächtliche Zeltreinigung fällig, und die Kleine beschließt, Vegetarierin zu werden (wir haben das faschierte Laibchen im Verdacht, welches sie am Vortag im Supermarkt gegessen hatte.) Klar, daß sie daher auch keinen guten Tag hat. Sie kämpft sich zwar wacker weiter, doch kommen wir nur langsam und mit vielen Pausen voran.
Wieder kommen wir erst am späteren Vormittag los. Hatten uns am Vorabend noch erste blaue Stellen am Himmel und einige Sterne in der Nacht hoffnungsvoll gestimmt – auch die Wetterprognose hat für heute erstmals wieder Sonnenschein angekündigt –, so nehmen wir ernüchtert zur Kenntnis, daß am Morgen wieder das gleiche, graue, bedeckte Wetter herrscht. Immerhin hört der leichte Regen, der in der Früh fällt, bald wieder auf, und ich kann das Zelt trocken verpacken.

Ab jetzt geht es auf der Via Claudia Augusta weiter.
Mils ist bald erreicht und wenig später Schönwies, wo ich meine Wasserflaschen an einem reichlich sprudelnden Dorfbrunnen auffüllte. Oh, welch herrliches Wasser es doch in Tirol gibt – eines der Dinge, die mir bei jedem Besuch in der Heimat wieder wohltuend auffallen.
Seit gestern abend deckt sich übrigens der Innradweg mit der Via Claudia Augusta, die vom Fernpaß herunterkommt, und der wir die kommenden Tage folgen wollen. Einige kleinere Steigungen sind zu überwinden, das Inntal wird hier wieder enger, und hoch über uns erhebt sich die Kronburg auf einem steilen Felsen.

Beherrschend thront die Kronburg auf einem steilen Felsen am Rande des Inntals.
Im Wald gibt es einen Rastplatz, hier ist auch ein Stück der römischen Via Claudia Augusta zu sehen: einige Karrenspuren im Fels und ein paar aus demselben gehauene Stufen.

Ein Stück der originalen, römischen Via Claudia Augusta: Karrenspuren und Stufen im Fels
Weiter geht es durch nette Wiesen mit Heustadeln. Erst aufgrund der Tatsache, daß meine Kinder offenbar zum ersten Mal in ihrem Leben Heumandln sehen, wird mir bewußt, wie selten diese geworden sind, verdrängt von den maschinell gewickelten Heurollen.
Es ist nicht weit nach Zams, das Inntal weitet sich wieder. Etwas umwegig führt der Radweg in einem Bogen nach Landeck. Die Stadt liegt strategisch an der Mündung der Sanna – und damit der wichtigen Straße über den Arlberg nach Westen – in den Inn. Eine Burg schützte den bedeutenden Verkehrsknotenpunkt.

Blick auf Landeck
Nur noch ein kurzes Stück führt der Radweg gemütlich durch einen Wald am linken Innufer, dann steigt er kräftig an. Das Tal verengt sich zur Schlucht, der Fluß strömt hier mit ordentlichem Gefälle aus den Bergen herab. Immerhin gibt es keinen Verkehr, der benutzt die Bundesstraße, die auf der anderen Talseite stetig ansteigt. Immer wieder schiebe ich das Rad meiner Tochter die steileren Passagen hinauf, und wir kommen nicht mehr sehr schnell vorwärts. Ab und zu geht es auch wieder ein paar Meter bergab. Am Wegrand im Wald wachsen größere Mengen Schopftintlinge, und rasch habe ich ein Säckchen gesammelt; gut, so ist für das Abendessen auch schon gesorgt.
Wir kommen wieder zu ein paar Häusern, erneut geht es hinauf, doch verlieren wir die Höhe wieder, weil der Radweg nach Urgen hinabführt und dort auf einer urigen Holzbrücke den Inn überquert. Jetzt folgen wir der Bundesstraße, ein Teilstück ist der Weg sogar nur noch als markierter Streifen am Straßenrand geführt. Immerhin nimmt die Steigung ab.

Der bereits schmaler gewordene Inn rauscht bei Urgen talwärts.
Bald schon verläßt der Radweg die verkehrsreiche Straße wieder, führt ein kurzes Stück als Schotterpiste am anderen Ufer entlang, überquert einen kleinen Staudamm und folgt nun höchst angenehm dem Ufer des Sees. Wenig später ist die Pontlatzbrücke erreicht, an einem großen, bronzenen Adler vorbei – Denkmal für die Tiroler Freiheitskämpfer, die nicht erst in den Napoleonischen Kriegen, sondern schon im Spanischen Erbfolgekrieg, ein Jahrhundert zuvor, ihre Unabhängigkeit verteidigten – gelangen wir auf eine nette, höchstens sanft ansteigende Nebenstraße, auf welcher wir bald Prutz erreichen. Eine Bäckerei liefert uns eine Stärkung.

Die Pontlatzbrücke: an dieser Stelle gab es bereits eine römische Straßenbrücke – der „pons latus“ lebt im heutigen Toponym weiter.

Mächtiger Tiroler Adler zum Gedenken an die einheimischen Kämpfer gegen fremde Invasoren

Burg Laudegg bei Ladis, oberhalb von Prutz
Auch wenn es hier, im Oberen Gericht, jetzt wieder flacher dahingeht, ist meine Kleine doch ziemlich erschöpft, und als es in Ried im Oberinntal zu regnen beginnt, steuern wir eine Bushaltestelle an und warten auf den Postbus. An sich hatten wir – um uns die Auffahrt zum Reschenpaß zu ersparen – geplant, diesen erst von Pfunds aus zu nehmen, aber Dogmatik liegt mir (insbesondere auf einer Radtour mit Kindern) fern, und so besteigen wir den Bus halt ein paar Kilometer früher. Der Fahrer ist ausgesprochen freundlich, hilft beim Verladen des Gepäcks, Streß scheint ein Fremdwort, und der Bus hat einen Anhänger für Fahrräder. Absolut problemlos also (Reservierung haben wir natürlich auch keine, aber wir sind ohnehin die einzigen Radfahrer an diesem Nachmittag), die € 10,- für uns drei (die Räder zahlen nichts) ist die Fahrt allemal wert – ein großes Lob der ÖBB-Postbus GmbH für die perfekte Organisation der Radbusse. Im Bus erzählt eine ältere Holländerin dem Fahrer lautstark in allen Details ihre Urlaubserlebnisse und ihre Lebensgeschichte …
Der Bus fährt die letzten Kilometer durchs Oberinntal, zweigt dann vor Erreichen des Engadins – die Schweizer Grenzstation ist schon zu sehen – nach links ab und passiert die Festung Finstermünz, während er nach Nauders hinaufkurvt. Wir fahren noch durch den ganzen Ort mit, der von der beeindruckenden Festung Naudersberg beherrscht wird.
Wir sind am Campingplatz verabredet. Der Busfahrer bringt uns bis zur Talstation der Seilbahn und erklärt uns, daß wir noch ein Stück Richtung Paßhöhe zu radeln hätten, zeigt uns auch den Radweg. Wir sind doch noch einige Zeit unterwegs, haben Nauders längst hinter uns gelassen, und als wir die Grenze erreicht haben, ohne den Campingplatz zu sehen, kommen mir leichte Zweifel. Doch da, recht versteckt hinter einer Tankstelle an der Bundesstraße, kurz vor der Staatsgrenze, ist der kleine Platz bei genauem Hinsehen doch auszumachen.

Alter Meilenstein am Radweg Richtung Reschenpaß – Südtirol läßt bereits grüßen
Er ist sehr überschaubar, und so entdecken wir die anderen rasch. Ab hier wird es eine kleine Forumsfamilientour, denn wir haben uns mit einer weiteren Familie mit Kindern in ähnlichem Alter wie meine verabredet; noch ein Radler ohne Kinder ist mit von der Partie, und so sind wir dann eine nette Truppe von drei Erwachsenen und vier Kindern, die in den nächsten Tagen gemeinsam dem Meer zustreben wird.
Aufgrund des erneut einsetzenden Regens ist es auf Österreichs höchstgelegenem Campingplatz trotz der sommerlichen Jahreszeit eher kühl. Meine Kleine geht früh schlafen, verzichtet auch aufs Abendessen, das ich unter einem Vordach im Trockenen koche. Wir plaudern noch geraume Zeit, um uns kennenzulernen, ziehen uns dann aber doch nicht allzu spät in die warmen Schlafsäcke zurück, nicht ohne vorher beschlossen zu haben, daß ab morgen die Sonne scheint.
Fortsetzung folgt
Wiewohl ich mir bewußt bin, daß ich hier noch eine andere Baustelle offen habe, werde ich jetzt doch erst einmal mit der neuesten Tour weitermachen – die ist einfach noch viel präsenter. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben!
Teil 1: Nordtirol (Wiesing – Nauders)
15. August 2010
Wiesing – Rotholz – Jenbach – Schwaz – Terfens – Weer – Wattens – Hall in Tirol – Innsbruck – Amras – Innsbruck
53,9 km; 238 Höhenmeter
Neben einem Besuch bei meinen Eltern wollen wir in den heurigen Sommerferien auch wieder einer Radtour machen. Der Plan ist, vom Tiroler Unterinntal nach Venedig zu radeln. Da wir uns in Nauders mit weiteren Gleichgesinnten treffen wollen, wählen wir nicht die kürzeste Route, sondern sehen die Durchquerung Tirols vor.
Die Wettervorhersage für den Abreisetag hat sich in den letzten Stunden kontinuierlich verschlechtert, und als es in der Früh in Strömen regnet, habe ich wenig Hoffnung, wie geplant starten zu können. Später reißt es von Westen her auf. Jetzt bemühe ich mich, noch so schnell wie möglich fertig zu werden, aber aufgrund verschiedener widriger Umstände wird es doch Mittag, bis wir loskommen. Dafür begleitet uns mein Vater noch ein Stück, und für meine beiden Kinder ist es sehr motivierend, daß der Opa mit von der Partie ist.
Wir radeln den Innradweg flußauf, wobei es im Unterinntal so gut wie keine Steigungen gibt; trotz der beeindruckenden Bergkulisse rundum erwartet uns zunächst nur eine vernachlässigbare Höhendifferenz. Das schlägt sich auch in der Beliebtheit des Weges nieder: neben zahlreichen Ausflüglern kommen uns auch immer wieder Tourenradler entgegen; wir sind noch keine fünf Kilometer gefahren, da waren es schon zwei Pärchen mit Gepäck, und bis zum Abend werden wir so vielen Radreisenden begegnet sein, wie auf allen meinen Touren der letzten Jahre zusammen nicht. Klar, daß das sonst übliche Pläuschchen hier entfällt, manche Kollegen grüßen nicht einmal … So wird das auch die nächsten Wochen bleiben; eine neue Erfahrung für mich.
Wir passieren Jenbach, und rechts oben liegt Schloß Tratzberg malerisch am Hang. In Schwaz ziehen finstere Wolken über uns hinweg, und mein Vater, der befürchtet, in den Regen zu kommen, kehrt nun um. Es bleibt aber bei ein paar Tropfen Sprühregen, dann fahren wir wieder unter einem Wolkenloch, und insgesamt bleibt das Wetter doch viel angenehmer als befürchtet; die meiste Zeit scheint sogar die Sonne, und bei Temperaturen um die 25 Grad läßt es sich angenehm radeln.

Blick über den Inn auf Schwaz mit Pfarrkirche und Schloß Freundsberg
Eigenartig ist es, meine Heimat als Radreisender zu durchqueren. Da ich ja seit Jahren nicht mehr hier wohne, versuche ich, mich als Tourist zu sehen, mache auch einige Photos. Besichtigungsprogramm nehmen wir uns dennoch keines vor, auch wenn es am Wege etliches Interessantes zu sehen gäbe, zum Beispiel die alte Bergbaustadt Schwaz. Wir radeln am weiten Talboden des Inntals dahin, der Radweg führt, manchmal im Zickzack, durch die Felder, der Mais reift heran. In der Ferne grüßt bereits der Patscherkofel, Innsbrucks Hausberg, und bietet uns einen Orientierungspunkt für unser Tagesziel. Bis dahin ist es aber doch noch ein Stück.

In der Ferne grüßt bereits der Patscherkofel; im Hintergrund die Sellrainer Berge

Die Nördlichen Kalkalpen sind schroffer als die Tuxer Alpen auf der Südseite: Blick über Vomp auf den Hochnissl

Blick durchs Unterinntal zurück auf Schwaz
Bei Terfens wechselt der Radweg die Flußseite; der Inn ist nach den heftigen Regenfällen der letzten Tage voller Wasser, als breite, braune Masse füllt er sein Bett gänzlich aus, zum Glück, ohne über die Ufer zu treten und den Radweg zu überschwemmen. Holz treibt auf den Fluten.

Auch ein bekannter Orientierungspunkt: das Kellerjoch
Nach einem kurzen Stück Auwald geht es weiter durch Gemüsefelder, dann durch Wattens, an der Karlskirche vorbei und zwischen Autobahn und Inn wieder durch einen schmalen Streifen Auwald. Hier sind besonders viele Tagesausflügler unterwegs.
Auf einer Holzbrücke überqueren wir den Inn erneut und gelangen nach Hall in Tirol. Diese ehemalige Salinenstadt hat ebenfalls eine höchst sehenswerte mittelalterliche Altstadt, die wir aber diesmal nicht besichtigen. Stattdessen setzen wir unseren Weg nach einer Jausenpause fort, denn wir wollen uns mit Freunden beim Schloßfest auf Schloß Ambras treffen. Ein kurzer Regenschauer geht zum Glück rasch vorüber, und bald haben wir durch Gewerbegebiete und Vororte Innsbruck erreicht. Steil geht es noch hinauf zum Schloß – wir schieben die Räder durch den Schloßpark, das bei weitem anstrengendste Stück des Tages – und mühen uns durch den Trubel. In typisch österreichischer Beamtenmanier (ich bitte, mir die unzulässige Verallgemeinerung nachsehen zu wollen) werden wir von einer Dame angeschnauzt, daß wir die Räder hier, in den denkmalgeschützten Schloßgärten nicht abstellen dürfen. Warum kann sie nicht einfach freundlich darauf hinweisen, daß es im unteren Teil des Schlosses perfekt dazu geeignete, überdachte Arkaden gibt?
Jetzt stürzen wir uns ins Fest, schauen Gauklern und Seiltänzern zu, versuchen uns im Stelzengehen; Hauptattraktion für die Kinder ist ein Trampeltier, auf dem man eine Runde durch den Park reiten kann. Unsere Freunde laden uns spontan ein, bei ihnen zu übernachten – was wir sehr gerne annehmen.

Gaukler am Schloßfest auf Schloß Ambras

Schloß Ambras …

… mit dem berühmten Spanischen Saal
16. August 2010
Innsbruck
0 km
Die Kinder wollen gerne noch einen Tag bei unseren Freunden bleiben. Da das Wetter wieder eher zweifelhaft ist, nehmen wir das entsprechende Angebot schließlich dankend an und verbringen einen weiteren gemütlichen Rasttag in meiner Heimatstadt. Wäre ich ein echter Tourist, gäbe es hier natürlich jede Menge zu besichtigen, nicht zuletzt die sehenswerte Altstadt mit dem Wahrzeichen der Stadt, dem Goldenen Dachl, der frisch renovierten Hofburg etc.
17. August 2010
Innsbruck – Zirl – Hatting – Flaurling – Oberhofen – Pfaffenhofen – Rietz – Thannrain – Stams – Mötz – Simmering – Haiming – Roppen –
61,2 km; 303 Höhenmeter
Jetzt müssen wir aber weiter, auch wenn wir wieder erst zu Mittag loskommen. Es ist bedeckt, die Berge in Wolken, aber immerhin regnet es nicht. Meine Erinnerungen über den Verlauf des Radweges trügen, wir fahren daher ein Stück auf der Bundesstraße; verkehrstechnisch suboptimal, aber immerhin mit schönem Blick auf die beeindruckende Martinswand, beliebtes Klettergebiet der Innsbrucker.

Rechts erhebt sich imposant die Martinswand, in der sich einst Kaiser Maximilian verstiegen haben soll.
Vor Zirl finden wir den Radweg wieder, der am rechten Flußufer durch einen Auwald führt. Durch Felder und dann an der Bahnlinie entlang geht es weiter, hier wieder völlig verkehrsfrei. Ein Holzstoß am Rande des Radweges lädt zum Kraxeln ein, auch eine Jause bietet sich an. Ein junger Mann schiebt sein Mountainbike vorbei; ein Patschen, aber kein Flickzeug. Ich helfe aus, der gewaltige, rostige Nagel in seinem Hinterrad ist rasch gefunden, das Malheur beseitigt.
Telfs läßt der Radweg auf der anderen Talseite liegen, dann verläuft er in der Nähe der Bundesstraße. Hier könnte man Stams mit seinem Zisterzienserkloster besichtigen. Wir aber fahren weiter.
Da die Wolken inzwischen noch finsterer geworden sind und es zu tröpfeln begonnen hat, steuern wir in Silz einen Supermarkt an und gehen einkaufen. Gerade, als wir weiterfahren wollen, beginnt es wieder zu regnen, und wir stellen uns noch einmal unter.

Finstere Regenwolken über der Mieminger Kette; rechts die Wallfahrtskirche Locherboden
Nach einiger Zeit können wir doch weiterradeln. Der Innradweg durchquert die Ortsteile Simmering und Haiming und steigt dann erstmals signifikant an. Einen neuerlichen Regenschauer warten wir unter einer Autobahnbrücke ab. Hatte ich aus meiner Jugend Roppener Riegel und Karreser Höhe als unangenehme Teilstücke in Erinnerung – zwei anstrengende Anstiege auf der verkehrsreichen Bundesstraße waren damals zu bewältigen –, so hat der Innradweg auch diesen Abschnitt entschärft: zwar ist er ebenfalls nicht steigungsfrei – der Inn schneidet sich hier, am Ausgang des Ötztales durch die Schuttmassen eines ehemaligen Bergsturzes –, aber es gibt keinen so langen Anstieg mehr und vor allem keinen Verkehr, denn man hat eigens einen asphaltierten Radweg durch die Föhrenwälder gebahnt. Wäre es nicht noch etwas früh, fänden sich hier auch schöne Plätze, um das Zelt aufzustellen.

Der Inn bei Roppen
In gewissem Auf und Ab geht es am Fluß entlang weiter, sogar eine eigene Hängebrücke hat man für den Radweg über den Inn gebaut. Eine kurze, knackige Steigung führt hinauf nach Roppen und dann auf etwas verschlungenen Sträßchen aufs linke Innufer zurück. Zum Glück ist auch die anschließende Innschlucht durch den Radweg deutlich entschärft. Der verläßt nämlich bald wieder die Straßen, überquert den Inn auf einer weiteren Brücke und folgt dann mehr oder weniger der Bahntrasse. Ein Reiseradlerpärchen hat es sich abseits in einem Heustadl bequem gemacht – ein hübsches Plätzchen für die Nacht.

Typische Beschilderung des Innradweges
Ein kurzes, steiles Wegstück gibt es doch, um einen Felsen zu überwinden, dann geht es sehr angenehm neben der Bahn weiter. Imposante Netze hat man hier installiert, um den Steinschlag aus den Felswänden oberhalb abzufangen.

Marterl in der Innschlucht bei Karres: ganz so schnell wollen wir's dann doch nicht nehmen!
Schließlich kommen wir am weit außerhalb der Stadt plazierten Bahnhof von Imst vorbei. An sich ist es jetzt Zeit, einen Platz zum Übernachten zu suchen; das erweist sich als gar nicht so leicht: das Tal ist hier zwar wieder viel breiter als zuvor, aber der Radweg verläuft eingezwängt zwischen Autobahn und Fluß, und wir müssen noch ein geraumes Stück fahren, bis sich in den Wiesen ein geeigneter Platz findet. Kochen und Essen finden schon in der Dämmerung statt.
18. August 2010
– Mils-Au – Schönwies – Zams – Landeck – Urgen – Nesselgarten – Fließ – Prutz – Ried im Oberinntal; Nauders
35,4 km; 331 Höhenmeter
Die Nacht wird unruhig, woran weniger die nahe Autobahn Schuld ist, als vielmehr die Magenverstimmung meiner Tochter. So wird eine nächtliche Zeltreinigung fällig, und die Kleine beschließt, Vegetarierin zu werden (wir haben das faschierte Laibchen im Verdacht, welches sie am Vortag im Supermarkt gegessen hatte.) Klar, daß sie daher auch keinen guten Tag hat. Sie kämpft sich zwar wacker weiter, doch kommen wir nur langsam und mit vielen Pausen voran.
Wieder kommen wir erst am späteren Vormittag los. Hatten uns am Vorabend noch erste blaue Stellen am Himmel und einige Sterne in der Nacht hoffnungsvoll gestimmt – auch die Wetterprognose hat für heute erstmals wieder Sonnenschein angekündigt –, so nehmen wir ernüchtert zur Kenntnis, daß am Morgen wieder das gleiche, graue, bedeckte Wetter herrscht. Immerhin hört der leichte Regen, der in der Früh fällt, bald wieder auf, und ich kann das Zelt trocken verpacken.

Ab jetzt geht es auf der Via Claudia Augusta weiter.
Mils ist bald erreicht und wenig später Schönwies, wo ich meine Wasserflaschen an einem reichlich sprudelnden Dorfbrunnen auffüllte. Oh, welch herrliches Wasser es doch in Tirol gibt – eines der Dinge, die mir bei jedem Besuch in der Heimat wieder wohltuend auffallen.
Seit gestern abend deckt sich übrigens der Innradweg mit der Via Claudia Augusta, die vom Fernpaß herunterkommt, und der wir die kommenden Tage folgen wollen. Einige kleinere Steigungen sind zu überwinden, das Inntal wird hier wieder enger, und hoch über uns erhebt sich die Kronburg auf einem steilen Felsen.

Beherrschend thront die Kronburg auf einem steilen Felsen am Rande des Inntals.
Im Wald gibt es einen Rastplatz, hier ist auch ein Stück der römischen Via Claudia Augusta zu sehen: einige Karrenspuren im Fels und ein paar aus demselben gehauene Stufen.

Ein Stück der originalen, römischen Via Claudia Augusta: Karrenspuren und Stufen im Fels
Weiter geht es durch nette Wiesen mit Heustadeln. Erst aufgrund der Tatsache, daß meine Kinder offenbar zum ersten Mal in ihrem Leben Heumandln sehen, wird mir bewußt, wie selten diese geworden sind, verdrängt von den maschinell gewickelten Heurollen.
Es ist nicht weit nach Zams, das Inntal weitet sich wieder. Etwas umwegig führt der Radweg in einem Bogen nach Landeck. Die Stadt liegt strategisch an der Mündung der Sanna – und damit der wichtigen Straße über den Arlberg nach Westen – in den Inn. Eine Burg schützte den bedeutenden Verkehrsknotenpunkt.

Blick auf Landeck
Nur noch ein kurzes Stück führt der Radweg gemütlich durch einen Wald am linken Innufer, dann steigt er kräftig an. Das Tal verengt sich zur Schlucht, der Fluß strömt hier mit ordentlichem Gefälle aus den Bergen herab. Immerhin gibt es keinen Verkehr, der benutzt die Bundesstraße, die auf der anderen Talseite stetig ansteigt. Immer wieder schiebe ich das Rad meiner Tochter die steileren Passagen hinauf, und wir kommen nicht mehr sehr schnell vorwärts. Ab und zu geht es auch wieder ein paar Meter bergab. Am Wegrand im Wald wachsen größere Mengen Schopftintlinge, und rasch habe ich ein Säckchen gesammelt; gut, so ist für das Abendessen auch schon gesorgt.
Wir kommen wieder zu ein paar Häusern, erneut geht es hinauf, doch verlieren wir die Höhe wieder, weil der Radweg nach Urgen hinabführt und dort auf einer urigen Holzbrücke den Inn überquert. Jetzt folgen wir der Bundesstraße, ein Teilstück ist der Weg sogar nur noch als markierter Streifen am Straßenrand geführt. Immerhin nimmt die Steigung ab.

Der bereits schmaler gewordene Inn rauscht bei Urgen talwärts.
Bald schon verläßt der Radweg die verkehrsreiche Straße wieder, führt ein kurzes Stück als Schotterpiste am anderen Ufer entlang, überquert einen kleinen Staudamm und folgt nun höchst angenehm dem Ufer des Sees. Wenig später ist die Pontlatzbrücke erreicht, an einem großen, bronzenen Adler vorbei – Denkmal für die Tiroler Freiheitskämpfer, die nicht erst in den Napoleonischen Kriegen, sondern schon im Spanischen Erbfolgekrieg, ein Jahrhundert zuvor, ihre Unabhängigkeit verteidigten – gelangen wir auf eine nette, höchstens sanft ansteigende Nebenstraße, auf welcher wir bald Prutz erreichen. Eine Bäckerei liefert uns eine Stärkung.

Die Pontlatzbrücke: an dieser Stelle gab es bereits eine römische Straßenbrücke – der „pons latus“ lebt im heutigen Toponym weiter.

Mächtiger Tiroler Adler zum Gedenken an die einheimischen Kämpfer gegen fremde Invasoren

Burg Laudegg bei Ladis, oberhalb von Prutz
Auch wenn es hier, im Oberen Gericht, jetzt wieder flacher dahingeht, ist meine Kleine doch ziemlich erschöpft, und als es in Ried im Oberinntal zu regnen beginnt, steuern wir eine Bushaltestelle an und warten auf den Postbus. An sich hatten wir – um uns die Auffahrt zum Reschenpaß zu ersparen – geplant, diesen erst von Pfunds aus zu nehmen, aber Dogmatik liegt mir (insbesondere auf einer Radtour mit Kindern) fern, und so besteigen wir den Bus halt ein paar Kilometer früher. Der Fahrer ist ausgesprochen freundlich, hilft beim Verladen des Gepäcks, Streß scheint ein Fremdwort, und der Bus hat einen Anhänger für Fahrräder. Absolut problemlos also (Reservierung haben wir natürlich auch keine, aber wir sind ohnehin die einzigen Radfahrer an diesem Nachmittag), die € 10,- für uns drei (die Räder zahlen nichts) ist die Fahrt allemal wert – ein großes Lob der ÖBB-Postbus GmbH für die perfekte Organisation der Radbusse. Im Bus erzählt eine ältere Holländerin dem Fahrer lautstark in allen Details ihre Urlaubserlebnisse und ihre Lebensgeschichte …
Der Bus fährt die letzten Kilometer durchs Oberinntal, zweigt dann vor Erreichen des Engadins – die Schweizer Grenzstation ist schon zu sehen – nach links ab und passiert die Festung Finstermünz, während er nach Nauders hinaufkurvt. Wir fahren noch durch den ganzen Ort mit, der von der beeindruckenden Festung Naudersberg beherrscht wird.
Wir sind am Campingplatz verabredet. Der Busfahrer bringt uns bis zur Talstation der Seilbahn und erklärt uns, daß wir noch ein Stück Richtung Paßhöhe zu radeln hätten, zeigt uns auch den Radweg. Wir sind doch noch einige Zeit unterwegs, haben Nauders längst hinter uns gelassen, und als wir die Grenze erreicht haben, ohne den Campingplatz zu sehen, kommen mir leichte Zweifel. Doch da, recht versteckt hinter einer Tankstelle an der Bundesstraße, kurz vor der Staatsgrenze, ist der kleine Platz bei genauem Hinsehen doch auszumachen.

Alter Meilenstein am Radweg Richtung Reschenpaß – Südtirol läßt bereits grüßen
Er ist sehr überschaubar, und so entdecken wir die anderen rasch. Ab hier wird es eine kleine Forumsfamilientour, denn wir haben uns mit einer weiteren Familie mit Kindern in ähnlichem Alter wie meine verabredet; noch ein Radler ohne Kinder ist mit von der Partie, und so sind wir dann eine nette Truppe von drei Erwachsenen und vier Kindern, die in den nächsten Tagen gemeinsam dem Meer zustreben wird.
Aufgrund des erneut einsetzenden Regens ist es auf Österreichs höchstgelegenem Campingplatz trotz der sommerlichen Jahreszeit eher kühl. Meine Kleine geht früh schlafen, verzichtet auch aufs Abendessen, das ich unter einem Vordach im Trockenen koche. Wir plaudern noch geraume Zeit, um uns kennenzulernen, ziehen uns dann aber doch nicht allzu spät in die warmen Schlafsäcke zurück, nicht ohne vorher beschlossen zu haben, daß ab morgen die Sonne scheint.
Fortsetzung folgt