Re: Alles fließt in die Rhone III-b: Vercors

Posted by: veloträumer

Re: Alles fließt in die Rhone III-b: Vercors - 03/03/24 07:35 PM

Fortsetzung ALP-2022-TdF-19 (Teil 2)

Um mich zu versorgen, hätte ich zusätzliche 8-10 km einlegen müssen, weil die Randorte über fast keine Infrastruktur verfügen. Der einzige Bäcker in Barbières hat mal wieder exotische Öffnungszeiten, ein Campingshop weiter im Tal ebenso schon im Nebensaisonmodus geschlossen. Indes bildet der unterste Teil bereits den aufregendsten Streckenabschnitt des Col de Tourniol. Als Tor zum Vercors bezeichnet, ragen riesige Hinkelsteine in den Himmel, eröffnen ein kurzes, aber imponierendes Felsenspalier. Auch der weitere Anstieg bleibt vor einem steil aufstrebenden Gebirgskessel attraktiv, erfreut weiter oben mit ausgeprägten Spitzkehren. Zur Passhöhe wird es waldiger und zur Gegenseite fallen dann die Blicke über einige Serpentinen auf die Hochebene von Léoncel.

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Die örtliche Lokalität hat bereits geschlossen und auf der Suche nach zumindest etwas Brot finde ich einen Klosterladen, den eine Frau mit guten Deutschkenntnissen nebst dem Kloster selbst verwaltet, wo zuweilen auch Seminare und andere Veranstaltungen stattfinden. Das lappige Tütenbrot fällt aber mehr durch einen Mondpreis auf, etwas in Frankreich Typisches – nur frisches Brot ist günstig. Es gibt aber immerhin auch lokales Joghurt und etwas Käse. Eine positive Prognose für bessere Versorgung hat die Klosterladenfrau auch nicht. Die auf der folgenden Strecke liegende Auberge du Grand Echaillon ist bereits als geschlossen bekannt, was sich auch bestätigt (eher offen im Skiwinter und Hochsommer, Augustende ist schon Ruhemodus).

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Ich hätte ja noch ein halbwegs ordentliches Picknick zusammenbekommen, doch trübte das windige und kühle Wetter weiter die Stimmung. Die eher unspektakuläre, aber anstrengende Waldfahrt zum Col de la Bataille endet schließlich bei Sturmböen auf der Passhöhe. Die unglaubliche Weitsicht auf zwei Talkessel ist somit stark getrübt. Ein Zelt auf dem Grat aufstellen war unmöglich bis gefährlich, da die Windböen alles weggefegt hätten, selbst den Körper musste ich kräftig gegen Strömung stemmen, um nicht umzufallen. Schließlich wusste ich nicht um die unbewirteten Berghütte zum Übernachten mit wenig Abfahrtstrecke weiter. Ich hätte es auch nicht gewollt, weil ich doch noch die besondere Atmosphäre des Col de la Bataille erleben wollte. Schließlich eröffnete mir eine windgeschützte Wanderpiste eine bescheidene Rastmöglichkeit bei ziemlich kühlen Temperaturen.

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(So 28.8.) Col de la Bataille – Source de la Lyonne – Ambel/Refuge Gardiol – Col de la Portette (1175 m) – D199/D76 – Col de Chaud Clapier (1431 m) – Col de la Chau/Col de Lachau (1337 m) – Vassieux-en-Vercors – Col de Proncel (1100 m) – La Cime-du-Mas – Col de Carri (1202/1215 m) – D199/D76 – Col de la Machine (1011/1015/1028/1031 m) – D2 (Max. 1105 m) – Picnic Area Cabusson (1054 m) – La Pinpignère (1071 m) – La Mucellière – Laval – Monastère Saint-Antoine-le-Grand (440 m)
76 km | 1240 Hm

Das Wetter ist wieder gnädig und leitet einen neuen Sonnentag ein, wenngleich noch tiefe Wolken einige Bergzüge einhüllten. Die verleihen der speziellen Magie des Col de la Bataille noch mehr Nachdruck. Die Wasserstelle auf der Abfahrt zum bereits oben erwähnten Refuge sollte man nutzen, denn an der Hütte gibt es nur Trockentoilette und kein Wasser – zumindest soweit ich gesucht habe. Indes ist die Hütte mit großem Parkplatz mehr Ausgangsort für Tageswanderer auf das Ambel-Plateau. Dort kann man auf weitsichtigen, offenen Bergwiesen wandern. Mit entsprechender Schotterresilienz würde auch eine Piste vom Col de la Bataille über das Ambel-Plateau hierhin oder weiter führen.

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An den Aussichtspunkten der Straße ergeben sich immer wieder neue Talkesselblicke. Die Felsstumpen am Rand erinnern an die Schwäbische Alb, was dem Gestein nach auch nicht ganz verwundern kann. Zum Chaud Clapier überwindet man eine bewaldete Berg- und Talfahrt, ohne dabei in eine tiefe Talsohle zu fallen. Chaud Clapier ist eine belebte Passhöhe mit großem Parkplatz und einem Berggasthof, der gerne von größeren Motorradkolonnen besucht wird. Hier sind auch weitere Wanderung ins Plateau möglich.

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Der Col de la Chau ist radlerisch unbedeutend, weil in der Gesamtlinie kein Hochpunkt. Dennoch ist es ein historisch gewichtiger Pass, der seine besondere Bedeutung im Rahmen der Résistance erhielt. Mahnmal mit Erinnerungsweg, Infotafeln und wenig weiter ein moderner Museumsbau liefern umfangreiche Informationen zu den Schattenseiten der Geschichte der Nazi-Besatzung Frankreichs und den freiheitlichen Gegenkampf. Der Vercors war eine Hochburg der Résistance., wenngleich es solche Hochburgen nicht wenige in Frankreich gibt. Museum und Gedenkorte hier oben sind verbunden mit einem weiteren Museumsteil an der Basis der Passstraße bei einem Kriegsfriedhof, sowie dem Muttermuseum im Ort Vassieux-en-Vercors selbst.

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Auch in Vassieux sind die Einkaufsmöglichkeiten begrenzt, sodass ich den Besuch mit einem Mittagessen in einem Restaurant ergänzte. Der Ort schien gleichwohl schon an der auslaufenden Feriensaison zu leiden, das Lokal der Gegenseite blieb fast leer. Ich möchte es kaum so laut aussprechen, aber die Motorradfraktion ist für die kleinen Vercors-Orte eine wesentliche Einnahmequelle. Fallen sie weg, sieht es düster aus. Immerhin kann ich nicht klagen, lästige Motorradkolonnen erlebte ich auf dieser Reise keine, auch wenn sie an einigen Gaststätten fett aufgereiht waren. Es verliert sich halt in einer sonst verkehrsarmen Region.

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Von Vassieux nach La Chapelle-en-Vercors überwindet man nur einen recht moderaten Kuppenpass, wo ich ein deutsches Radlerpaar mit Kind treffe, die auf einem nahen Campingplatz untergebracht sind. Die Nordflanke fällt steiler ab, jedoch bremse ich noch deutlich vor dem Ort ab, denn ziemlich genau bei dem Camping zweigt recht scharf eine weitere einsame Passstrecke ab. Noch im untersten Bereich befindet sich ein Hinweis zu einer Höhle, die aber nicht regulär besucht werden kann – ein Manko mehrerer Vercors-Höhlen. Hat man den Col de Carri mit einer verlassenen Lokalität (immerhin Wasserzugang) überwunden, entfaltet sich eine gefurchte und blumenreiche Karstebene, die eine mystische Wirkung ausstrahlt. Die Landschaft erinnert mich an Karstgebiete in Slowenien.

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Bis zum Col de la Machine ist es dann nicht weit. Was diesen Pass auszeichnet, ist an der Verzweigung zunächst nicht erkennbar. Das Passhotel mit Restaurant liegt ein Stück vor, während die D2 schon kurz zuvor abzweigt. Die D2 ist die weniger bekannte Alternative zur Combe Laval auf der anderen Seite, die zum Col de la Machine von der Nordseite führt. Zunächst wellt sich die Strecke über ein paar kleine Zwischenhöhen. Es lohnt sich immer mal wieder abzusteigen und zum Felsenrand des Gebirgskessels vorzulaufen, denn von der Straße sind die Aussichten eingeschränkt. Die eindrucksvolle Kulisse liegt einem dann an kühnen Abbruchkanten zu Füßen.

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Ist die Waldpassage überwunden, fällt die Straße erst recht spät ins Tal ab. Ein Aufstieg ist in umgekehrter Richtung ziemlich anspruchsvoll – schwieriger als die bekanntere Gegenseite, die ich am nächsten Tag beradeln sollte. Einige Kehren sind nun in das Karstgestein gepresst, durchstoßen mal einen Felsbogentunnel. Bereits an einem Vorort von St-Laurent-en-Royans zweigt scharf eine schmale Straße in den Laval-Bergkessel ab. Die Straße ist fast flach, leicht steigende Tendenz und wellig, windet sich teils durch vermoost wilde Vegetation, unterbrochen von einigen Gehöften und Landhäusern.

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Die Talsohlenfahrt endet an einem orthodoxen Kloster, das kostenpflichtige, schmale Besuchszeiten veranschlagt. Ich hatte hier mit einem Picknickplatz und Wasserstelle gerechnet, doch war davon nichts zu finden. Auch Mönche haben vor allem Parkplätze vor der Haustür. Der Innengarten wäre ein attraktives Camprevier gewesen, aber eben Verbotszone und abgeriegelt. Um nicht ganz ungemütlich zu lagern, campiere ich am Rande der Klostermauer, auf der ich mein Picknick einnehme. Ein Mönch kommt vorbei, murmelt einen kaum hörbaren Gruß und etwas von „manger, manger“ und verschwindet wieder. Der Info am Tor zum Kloster war zu entnehmen, dass die Mönche ungern gestört werden möchten. Das passte allerdings nicht ganz zu dem Betrieb von Autos von Handwerkern und anderen Geschäftspartnern, die das Kloster bereits am frühen Morgen belagerten. Irgendwie seltsam, dieser Ort, diese enthaltsam Gottesfürchtigen mit Business-Spirit.