Posted by: Biotom
Re: Disentis – Domodossola: ungeteert & ungefedert - 07/09/20 04:35 AM
Tag 2: Piora – Bochetta di Föisc – Val Canaria – Passo Scimfuss – Gotthardpass – Sentiero alto Val Bedretto – Capanna Corno-Gries (Karte)
Kurz vor sechs purzle ich unbefrühstückt los. Botanisch beginnt der Tag vielsprechend mit einer Alpen-Akelei:

Langsam…

…erwacht der Tag…

…und nach einigem steilen Geschiebe und Getrage erreiche ich den Föisc-Gipfel:

Die Aussicht ist atemberaubend: Blick nach Süden…

…und runter zum Ritóm-See:

Ich luge durch ein Fenster des Rifugio Föisc und sehe jemanden schlafen. Ich habe nie ganz verstanden, wie man in den Bergen ausschlafen kann: dieses Spiel von Licht und Schatten, und dazu das Vogelgezwitscher


Ich steige zum kleinen See unter der Bochetta di Föisc zurück (dort habe ich mein Cutthie stehen lassen) und frühstücke:

Die Bochetta di Föisc mit Blick ins Val Bedretto. Ganz hinten im Tal versteckt sich der Nufenen unter einem Nebelhauch:

Zum Glück beginnt der «Feld-, Wald-, Veloweg 5. Klasse» deutlich weiter oben als auf der Landeskarte eingezeichnet – und zum Glück ist es nicht ein Bachbett wie am Passo dell’Uomo:

Selten eine so schöne Kuh gesehen:

Schattig und stotzig geht es runter ins Val Canaria, bevor es sonnig und angenehm…

…auf der anderen Seite wieder hochgeht:

Auch dieser Abschnitt ist auf der Landeskarte als «Feld-, Wald-, Veloweg 5. Klasse» eingezeichnet – scheint eine weite Kategorie zu sein


Das Val Canaria ist eine einsame Sache; ganz am Ende des Tales befindet sich die Cadlimo-Hütte. Bei der Alpsiedlung Orella frage ich eine ältere Frau nach Wasser. Sie erklärt, dass das Quellwasser leider nicht mehr sauber sei. Sie holt eine Flasche Mineralwasser aus dem Keller und füllt grosszügig mein Bidon. Als ich ihr dafür etwas geben will, macht sie ein Handzeichen, mit welchem ich im Strassenverkehr gerne mal meine Missbilligung zum Ausdruck bringe


Nach Orella wird der Weg bis p.2014 schlecht, bevor er dann wieder tipptopp wird:

Ich radle dem Gotthard entgegen…

…und bin bei den Blicken zurück überwältigt…

…von der Schönheit der Landschaft:

Wieso die Lawinenverbauungen im vorherigen Bild? Wegen Airolos! Die Funktion der Mauer im unteren rechten Bildteil entzieht sich mir aber. Vielleicht was Militärisches von früher?

Vor dem Passo Scimfuss ist dann der Weg sogar geteert, der Fadentitel ist also nicht ganz korrekt


Kurz vor dem Rummel des Gotthardpasses lege ich mich noch ein bisschen hin (der Pfosten dient glaub als Strassenmarkierung für die Schneefrässe – wow, muss das jeweils Schnee haben dort oben!)…

…und erfrische mich in der Sella (eben, der bereits angesprochene Einstieg in 10 Sekunden Selbstauslöserzeit


Dann ist der geschäftige Gotthard erreicht, und ich verspeise im Hospiz eine leckere Rösti. Huch, ist dort oben viel los! Sogar eine Art Mariachi-Band spielt auf, zum Glück auch mit Songs von Johnny Cash:

Der Gotthard mag mich nicht lange halten, und ich purzle ob der alten Passtrasse im Val Tremola…

…und neben der neuen Passtrasse in der Galerie…

…auf den Wanderweg ins Val Bedretto. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an User Redorbiter, welcher mir bei der Tourplanung die Angst vor diesem Abschnitt genommen hat (auf der Karte sieht es dort ein bisschen nach gfürchigen Felswänden aus):

Bald wird der angenehme und aussichtsreiche Wanderweg zu einem angenehmen und aussichtsreichen «4. Kl., Fahrweg (mind. 1,8 m breit)»:

Aussicht auf Wiesen, Bäche und Leventina:

Auf dem Fahrweg geht es für ein paar bedauernswerte Geschöpfe um Leben und Tod: offensichtlich wurden die armen Kaulquappen aus ihrem Biotop gespült und verbrutzeln nun zusammengepfercht an der Sonne:

Der Mag Tank von Revelate Designs erweist sich als multifunktional: dank ihm kann ich ein paar der gebeutelten Wesen in eine grössere Pfütze bringen. Das Ursprungsbiotop bleibt aber leider unauffindbar


Auch ein paar Wanderer brutzeln an der Sonne, und mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen ziehe ich an den armen Kerlen vorbei: die Landschaft mit den Gipfeln des Gotthardmassivs ist zwar sensationell schön, aber stundenlanges Wandern auf einem «4. Kl., Fahrweg (mind. 1,8 m breit)» fände ich nicht so cool:

Es ist ordentlich warm, aber erfrischendes…

…Wasser ist zum Glück nie weit weg:

Auch die Blumenwelt erfrischt, hier mit einem gerade erblühten Türkenbund:

Nach der Alpe di Pesciora erstirbt das Lied auf meinen Lippen langsam, denn der Fahrweg hört auf und wird ein anspruchsvoller Wanderweg:

Bis zur Piansecco-Hütte kann ich noch einiges fahren, aber die sehr blockigen Abschnitte nehmen zu. Hier ist einer der wenigen Abschnitte der Tour, wo ich denke, dass ich mit einem Fully mehr hätte fahren können:

In der Piansecco-Hütte schlage ich kalorienmässig ordentlich zu; meine latente Grantigkeit verrät mir, dass das dringend nötig ist: an der zentralsten und engsten Stelle der Terrasse steht ständig ein Typ mit Bandana-Kopftuch, der anscheinend unbedingt der nächste Corona-Superspreader werden will – Idiot



Die Lebensfreude weicht dann aber bald der Verzweiflung: kilometerlanges Schieben und Tragen steht an, und das obwohl es eigentlich ziemlich eben ist




Blick zurück; das geübte Auge erkennt die neue Gotthardstrasse und das Val Canaria von heute Morgen:

Und Blick voraus: durch diese gegenüberliegenden Hänge will ich morgen. Das geübte Auge erkennt den Weg, welcher durch Schneezungen und Felsbänder führt


Eine Wanderin ermutigt mich: die Nufenen-Passstrasse ist wirklich nicht mehr weit! Und tatsächlich, noch um eine Hangecke, und schon rast ein Motorrad direkt auf mich zu

Unmittelbar bei Beginn des Aufstiegs aber ein unerwartetes Problem: mein rechter Unterarm fängt wegen dem vielen Schieben und Tragen an zu krampfen




Und ja, es wird ein guter Abend: ich teile mit Martin und Maurus Tisch und Zimmer, was ein Glücksfall ist; das Essen ist lecker und die Abendstimmung (hier der Passo del Corno) wunderschön:

Martin purzelt ein paar Tage mit dem MTB in der Gegend herum, und Maurus wandert von der Grimsel in die Tessiner Familienferien. Maurus und ich sind nicht sicher, ob wir uns morgen wirklich an die Schneezungen und Felsbänder Richtung Passo San Giacomo wagen sollen…

Aber zuerst kommt die Nacht:
